Identität

Skyrock

t. Sgeyerog :DDDDD
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"Meine eigene Vergangenheit ist vor Jahren komplett verschütt gegangen. Ich verstand Fox' Gewohnheit, spät nachts seine Brieftasche zu leeren und durch seine Identitätskarten zu blättern. Er legte die Dinger in verschiedenen Mustern aus und sortierte sie um, bis sich irgendein Bild abzeichnete. Ich wußte, worauf er wartete."
-William Gibson: New Rose Hotel

Identitätssuche, Identitätsfindung, Entwurzelung - wichtige Themen in der Cyberpunk-Literatur.
Welche Rolle spielt Identität bei euch im Spiel?
 
Ich greife das Thema eigentlich ausschließlich Identität über Charakterkonzepte auf - das mag allerdings auch daran liegen, wie ich Shadowrun in letzter Zeit betreibe. ;)

mfG
bvh
 
Identitäten spielen bei uns zur Zeit eine etwas untergeordnete Rolle. Ausnahme bilden hier die Scheinidentitäten, die von den Runnern für ihre Jobs genutzt werden. Denen wird recht viel Zeit gewidmet.
 
Es geht mir hier nicht um Identität im Sinne einer SIN, es geht mir um Identität in seiner ursprünglichen Bedeutung.

Wer bin ich?
Woher komme ich, was sind meine Wurzeln?
Was ist meine Bedeutung, was ist mein Platz?
 
In dem zusammenhang meinte ich es eigl auch, denn bei einer falschen Identität gehört so etwas auch dazu :)

Aber was eben das echte "Ich" angeht, kommt so eine Findung bei uns zur Zeit zu kurz. Leider. Aber ich, als SL, will mich auch nicht direkt in den Charakterhintergrund einmischen. Wenn sich allerdings die Gelegenheit für mich bietet, wird das auch berücksichtigt.
 
Gegenfrage, wie will man SR 'sinnvoll' spielen, wenn man die Basics nicht berücktsichtigt?

Ohne geht imho nicht, es sei denn, man will schön stumpfes Run & Gun spielen... wie erheiternd!

Der Eisbär
 
Ohne geht imho nicht, es sei denn, man will schön stumpfes Run & Gun spielen... wie erheiternd!

Leider zeichnen die publizierten Abenteuer und schiere Menge der publizierten Schiessprügel/kampftaugliche Cyberware eben genau diese herangehensweise vor: Run & Gun. Shadowruns Publikationen haben mit den älteren Cyberpunkromanen ungefähr soviel zu tun wie ein Fisch mit einem Fahrrad.

Wobei man noch erwähnen sollte, das die Autorenschaft ihre Hausaufgaben im Bereich "Waffentechnik" sträflichst vernachlässigt hat, und einige der Cyberteile ganz offensichtlich den Idiotentest nicht bestehen würden.

SR borgt sich ein paar Hintergrundelemente, aber das wars auch schon. Der typische SR-Protagonist, der von den publizierten Abenteuern vorausgesetzt wird, ist eine Söldnerseele mit Implantaten im Wert eines Mehrfamilienhauses im Körper, und schlicht und ergreifend zu blöde um, selbst nachdem er zum 25. mal von seinem Auftraggeber über den Tisch gezogen wurde, seinen Job zu wechseln.

Da ist kein "Punk". Wie zum Henker soll da auch "Punk"-Stimmung aufkommen wenn mich ein Satz Nagelmesser beinahe genausoviel Kosten wie ein Mittelklassewagen? Welcher Char kann behaupten, ihm ginge es finanziell dreckig wenn er sich kurz vorher Kampfcyberware im Gegenwert einer Eigentumswohnung hat einbauen lassen? Und wie bitte soll ich solche Chars nach Strassenmanier mit einer handvoll Drogen und ein wenig Schwarzgeld ködern, wenn "Drogen" so ziemlich der weichgespülteste Scheissdreck sei dem seligen TekWar sind und das Konzept "Bargeld" an sich nicht mehr existiert?
Wo zum Henker soll ich denn dreckige Deals abwickeln wenn laut Konzernhandbuch die durchschnittliche Innenstadt so exzellent überwacht und gesichert ist, das der Big Brother vor Freude weint?

Himmel, selbst ein dreckiger Slum hat 'ne Polizeireaktionszeit auf der die lokale Bullerei stolz wäre.

Shadowrun behauptet etwas zu sein, das es nicht ist, und schiesst sich beim Versuch mit den geborgten Hintergrundelementen umzugehen völlig ins Knie. Gepaart mit dem totalen Unvermögen, eine halbwegs ausgegorene Transition von der Welt Heute in die Welt von SR hinzubekommen (Stichwort Bevölkerungszahlen der Native Americans) kann ich eigentlich nur amüsiert Grinsen.

Abschliessen kann ich nur sagen: Spielt stumpfes Run&Gun. Millionen Heranwachsender können nicht irren.

-Silver
 
Warum sollte auch Punk drin sein, wenn noch nicht mal Punk drauf steht?

Weil vor nicht allzulanger Zeit noch "Punk" draufstand, und weil es einem von den begeisterten Fanboys immer wieder als Cyberpunk verkauft wird? Es ist ein netter Zug von der Firma, das sie das Label korrigiert haben, aber das hilft bei den Fans nicht wirklich weiter.

-Silver
 
@Silvermane:

SR hat sicher viele Schwachpunkte, und man kann sicher von einem großen Teil der Spielerschaft sagen dass sie eine Vorliebe für durchoptimierte Teflonbillys mit kühlen schwarzen Mänteln hat.

Ich behaupte SR als Cyberpunk-Rollenspiel zu spielen - allerdings habe ich vieles verändert. LoneStar sind bei mir etwa keine donutfutternden Schwachmaten mit geflickten Westchen und leichten Pistölchen - ich habe mich hier mehr an CP2020 orientiert, mit mindestens einer Schroftflinte oder einer MP, schnittigen schwarzen Uniformen die das Gesicht verbergen und "Judge Dredd"-likem Vorgehen.
Bei den Regeln bin ich schon längst auf Interlock umgestiegen - schlankere Regeln, erschwingliche Ware und weniger Gelegenheit für Tabellenfetischisten sich einen über den ausgemaxten Schußwaffenskill zu wichsen.

Die von dir kritisierten Polizeireaktionszeiten sind bewußt überzogen worden mit der Begründung dass es dem SL möglich sein sollte die Cops als Konsequenz funktionieren zu lassen. In der Praxis benutzt sie aber niemand den ich kenne.

Und den Seitenhieb auf die Indianermillionen nimmst du zurück. Zum einen weil das inzwischen redigiert worden ist, zum anderen weil die Indianermillionen gerade für mich ein Gefühl der Beklemmung bei SR ausgemacht haben.

Insgesamt gibt es sicher sehr viel zu bemängeln bei SR, und es kamen mit der 3. Edition viele weitere Kritikpunkte hinzu. (Ich erwähne nur mal stellvertretend die Ghostwalker-Denver-Geschichte - ein unbekannter Drache marschiert in Denver ein, demütigt alle dortigen Großmächte von den UCAS bis Aztlan mit seinen k3w1 p0w3rz und lässt sich zum Obermotz der Stadt krönen. Ein himmelschreiend dämlicher Plot den der 12jährige Bruder meines Ex-Mitspielers besser hingekriegt hätte.)

Ich bin mal gespannt was sich mit SR4 tut. Wenn man endlich von der von dir angesprochenen tabellengeilen Teflonsöldnermillionärs-Schiene wegkommt wird es vielleicht einen Blick wert. Wenn nicht dann habe ich mit SR-Interlock meinen Frieden gefunden und muss mich nicht mehr darum sorgen.

blut_und_glas schrieb:
Silvermane schrieb:
Weil vor nicht allzulanger Zeit noch "Punk" draufstand
Auf einem bald zwei Generationen veralteten Grundbuch, ja...
Ist etwa schon entschieden ob SR4 wieder seinen Cyberpunk-Untertitel bekommt?
 
Ich vermute einmal es wird schon erschienen sein. ;)
Ernstzunehmende Verlautbarungen dazu gab es allerdings meines Wissens nach noch nicht.

Und was die kühlen Mäntel angeht - warum sollte ich nichts kühles machen? Gerade bei einer "Cyberpunk"-Interpretation? Style over Substance

mfG
bvh
 
blut_und_glas schrieb:
Ich vermute einmal es wird schon erschienen sein. ;)
Ernstzunehmende Verlautbarungen dazu gab es allerdings meines Wissens nach noch nicht.
Aber auch noch keine ernstzunehmenden Dementi.

Wir erinnern uns dass die Streichung des Untertitels in die Ära Mike M fällt, eines sicher nicht ganz unumstrittenen Line Developers.
Die Wiedereinführung von "Das Cyberpunk-Rollenspiel" wäre ein wichtiger Schritt einen Schlußstrich unter diese Ära zu ziehen die sicherlich mit einer Tiefpunkte des gesamten Spiels war.

blut_und_glas schrieb:
Und was die kühlen Mäntel angeht - warum sollte ich nichts kühles machen? Gerade bei einer "Cyberpunk"-Interpretation? Style over Substance
Es spricht nichts gegen kühle Charakterkonzepte.

Nur leider verstehe ich unter kühl nicht noch einen Teflonbilly der früher beim Militär war und heute im langen schwarzen Mantel durch die verkommensten Gassen diesseits des Post-Holocaust... verzeihung, falsches System, ich meine natürlich durch die Flure der Konzernniederlassung von Glücksberkitenshi Inc schlendert um den Datenchip von Herrn Bösefeld zu klauen und von seinem Johnson schon wieder in die Pfanne gehauen zu werden.
Ich stelle mal wieder fest dass es zu viele Pöppel und zu wenig Charaktere auf SC-Seite gibt - Molly mit ihren Spiegellinsen und Cowboy mit seinen chromglänzenden Pupillen wären schon längst als "unprofessionell" ausgemustert worden. Vom drogensüchtigen Case fang ich gar nicht erst an, und von der hoffnungslos religiösen Sarah auch nicht.[1]

[1]Jeder der die vier hier aufgeführten Figuren mit dem richtigen Autor und Roman verbinden kann verdient sich den Trostpreis des Clubs der toten Cyberpunx.
 
So, ich übergehe mal die kleinen Streitigkeiten und poste etwas zum eigentlichen Thema/Frage:

Zur Zeit spielen wir eine sehr schöne LowTech-Kampagne, bei der schon vieles schief gelaufen ist. Wir haben eigentlich ein paar Normalos gemacht, die dann nach und nach in "Geschichten" reingeschlittert sind. Nachdem sie sich(ohne viel Selbstverschulden) eine Menge Ärger eingehandelt haben, hat eine ihrer selbst aufgebauten Connections sie zum Militär geholt.
Im Moment gefällt es ihnen noch, aber die Befehle verlangen immer mehr Loyalität und Gehorsam, an denen es ihnen ein wenig fehlt. So werden sie sich nach und nach mit dem Militär entfremden, und bei einer anderen Macht landen. Zum Schluss der Entwicklung sollen sie erkennen, dass man nur sein eigener Herr sein kann und sein eigenes Leben führen muss, um dieser Orientierungslosigkeit Herr zu werden.

Dieses Gefühl des fremd seins versuche ich recht häufig zu vermitteln. Jedes Mal, wenn sie sich anfangen heimelich zu fühlen, bringe ich ein befremdliches Element hinein.

Ich finde, dass dieses "Seinen-Platz-Finden" eine hohe Befriedigung erziehlen kann(nicht nur im Cyberpunk), und mit zu den hohen Zielen einer Kampagne gehören sollte(ja, auch neben dem Oberbösewicht ausschalten; jedoch nicht seinen Mann im Hintergrund[tötet Darth Vader, aber lasst den Imperator am Leben]).
 
AW: Identität

Ich kann eigentlich nur sagen, das ich nahezu keinen Cyberpunk-Romane gelesen habe und auch nur Grundkenntisse in der Thematik habe, aber ich spiele SR meistens nur bei einem SL und der war zum Glück von Anfang an auch damit einverstanden, das Privatleben der Charaktere zu Spielthemen zu machen und nicht nur stumpf am 'Cooler Runner' Konzept festzuhalten!

Und auch andere Alternative Möglichkeiten haben wir schon genutzt!

Die Selbstfindung und wo der Sinn in dem Ganzen liegt kommt immer wieder mal auf, zumal ich auch gerne mal Sachen wie leichten Pazifismus ("Oh Gott, ich habe getötet!) oder Obsessionen ("Ich brauche mehr Nuyen für die nächste Session...aber ist es eigentlich nicht immer das Gleiche?") nehme und nahezu immer in der Unterschicht bis Strasse spiele, die immer wieder thematisiert werden (müssen)!

Die Welt von SR ist geil und hat unglaublich viel zu bieten, nur sollte man einfach die Sourcebooks außen vor lassen und seine eigenen Geschichten spielen und erleben!


H
 

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