Hyperborea - Bloodlust [Hyperborea] Hyperborea-Kurzgeschichte

Skar

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Der Truant-Verlag hat auf seiner Website eine Kurzgeschichte zu Hyperborea, die den Geist des Spieles recht gut wider gibt.

Schaut es euch mal an und kauft es dann. :)

Quelle: http://www.truant.de/rollenspiele/story-hyp.htm

Kurzgeschichte

Es war der fünfte Monat des Jahres 1029 n.N., der Monat der Ruhe, nordöstlich von Siggenwen, einer unbedeutenden Pioradensiedlung. Die Siedlungen der Pioraden waren nie besonders bedeutend. Tatsächlich waren die Pioraden nie besonders zivilisiert gewesen. "Auch wenn sie zwei Meter groß sind, soviel wiegen wie ein Bär und auf fleischfressenden Pferden reiten, können sie noch lange keine Stadt bauen, die diesen Namen verdient hätte", dachte Mahill bei sich, während er sich auf seinem wackeligen Stuhl gähnend streckte. "Was hab ich bloß den Monden angetan, um mich in dieser miesen Kneipe wiederzufinden, in diesem seelenverlassenen Kaff inmitten dieses Landes voller Verrückter? Und zu allem Überfluß ist der Siffan auch noch lauwarm!"

Die Antwort auf diese rein rhetorische Frage war lang, kompliziert und nicht immer ganz logisch. Mahill hatte keine Lust, auch nur eine Sekunde länger darüber nachzugrübeln. Lieber lauschte er dem Gespräch der beiden Galgenvögel am Nachbartisch.

Es waren Alweg wie er selbst, der eine von undefinierbarer Herkunft, der andere wohl von derigischen Vorfahren. Alweg schienen hier immer willkommen zu sein, zumindest hatte er das vom verächtlichen Blick des Wirtes abgeleitet und davon, daß er in Richtung der beiden Neuankömmlinge gespuckt hatte. Die beiden reagierten nicht einmal. "Die scheinen noch übler dran zu sein als ich", dachte Mahill, der so etwas bis dahin nicht für möglich gehalten hatte. Der Wirt hatte nämlich nichts gesagt, als er eingetreten war. Vielleicht hatte der Degen an seiner Seite das seinige dazu beigetragen.

Die beiden Männer hatten schon viel getrunken, zu viel wahrscheinlich. Ihre Unterhaltung war von geradezu beleidigender Einfallslosigkeit. Der Bärtige erzählte dem Braunhaarigen mit einem milchigen Auge, wie mächtig die Waffenträger waren und wie sehr er eine solche Waffe haben wollte … nur eine kleine. Er würde alle seine Feinde töten, würde blonde Mädchen mit birnenförmigen Brüsten vergewaltigen und sehr schnell reich und mächtig werden. (Warum birnenförmig, dachte Mahill für einen Moment, bevor er den Zusammenhang vergaß.) Der Bärtige nippte an seinem Siffan und nahm seinen Wortschwall wieder auf: "Aber die Götter haben besseres zu tun, als sich einen Verlierer wie mich auszusuchen."

Dieser Satz blieb einen Augenblick in der verrauchten Luft der Kneipe hängen und Mahill wartete auf ein höfliches "Aber nicht doch ..." seines Saufkumpans, das niemals kommen sollte. Der Braunhaarige ließ seinen Blick einen Moment zum Fenster wandern, wo er den Mond Taamish fixierte und starrte dann wieder auf die tief gefurchten Holzplanken des Tisches. Mit einem Mal begann er mit einer seltsam klaren Stimme zu sprechen.

"Wenn die Götter wirklich ihre Träger nach besonderen Kriterien auswählen, so sind diese für uns sicherlich unbegreiflich. Ich erinnere mich an einen Freund ..." Er zögerte einen Augenblick und begann erneut: "Einen Freund. Seine Mutter war eine schöne Derigierin aus einer obskuren Familie in Polis. Sie war mit einem großen, stillen und brutalen Alweg geflohen. Damals hatten sich alle gefragt, warum. Sie zogen zusammen in ein kleines, dreckiges Dorf und versuchten, von Viehzucht zu leben. Wie alle anderen Dorfbewohner nagten auch sie am Hungertuch. Es waren die Jahre des großen Regens, als mehrere Jahre hintereinander fast die gesamten Ernten der Region von Lathos überschwemmt wurden. Dann sind die Pioraden gekommen. Sie haben alle erschlagen, die eine Heugabel hätten aufheben können. Sie versammelten alle Frauen und Kinder auf dem Dorfplatz, errichteten einen großen Scheiterhaufen und warfen alle Frauen hinein, die ihnen nicht gefielen, sowie einen Großteil der Kinder. Dann haben sie sich um die übrigen gekümmert, darunter auch die Mutter meines Freundes - der Vater war bereits im ersten Angriff erschlagen worden. Danach wurde auch sie getötet. Irgendwann am Abend stritten sich zwei Pioraden um ein Mädchen oder eine Flasche Alkohol. Sie waren ohnehin alle sturzbesoffen. Wohl aus diesem Grund haben sie nicht schnell genug reagiert, als der mit dem Schwert starb. Mein Freund stand genau neben ihnen. Er war eines der wenigen Kinder, die bis dahin überlebt hatten. Er war damals acht Jahre alt. Er hatte alles von Anfang an gesehen. Das Schwert rollte aus den Fingern des Kriegers, und er hob es auf."

Der Bärtige hatte die Geschichte bis hierhin mit weit aufgerissenen Augen verfolgt und schluckte nun seinen Speichel herunter: "Und? War es ... War es eine von ihnen?"

Der Braunhaarige nahm einen Schluck Bier: "Es war eine von ihnen. Daß ein achtjähriges Kind lebend einer Gruppe von Pioraden mit einem solchen Preis entkommt, scheint unglaublich. Aber es ist ihm gelungen. Er ergriff die Flucht und dann war da der Alkohol, die Dunkelheit, die anderen Kinder, die schrien. Er fand sich schließlich in einem Feld wieder und verharrte dort regungslos. Das Merkwürdigste aber ..." Er hielt einen Moment mit verzerrtem Gesicht inne. Mahill, der seinerseits begierig auf den Fortgang der Geschichte wartete, hatte den Eindruck, daß er litt. Die Nostalgie des Monats der Ruhe und der Alkoholmißbrauch konnten nicht alleine erklären, warum.

"Das Merkwürdigste ist, daß die Waffe mitspielte. Sie hätte nur einen kleinen Schlag austeilen müssen. Waffen, die sich gegen ihre Träger wenden - das ist schon vorgekommen. Und hätte ihr erlaubt, sich in den Händen eines weitaus besser geeigneten Trägers wiederzufinden. Aber im Gegenteil, sie hat ihn beraten und ihm geholfen zu entfliehen. Ihr Name war Aleyst.

Stell dir ein Kind vor, dessen Eltern gerade erschlagen wurden. Unerträgliche Grauen für einen halben Tag - und dann plötzlich ein Wesen in seinem Inneren. Ein Wesen, das ihn berät, ihn unterstützt - denn unterstützt hat es ihn - das ihn alles lehrt. Sie war seine Mutter, sein Vater, seine Geliebte, sein zweites Ich. Er ist durch sie und mit ihr aufgewachsen und schließlich hat er vergessen. Vergessen, daß es je anders war, das er jemals etwas anderes gewesen ist als dieses doppelte Wesen. Und das für die folgenden fünfzehn Jahre."

Der Bärtige grunzte erstaunt, aber der Braunhaarige schenkte ihm nicht die geringste Beachtung.

"Aleyst mochte die Gewalt, und das Kind tötete viel und häufig. Aber sie war dabei recht vorsichtig und vor allem auf neue Erfahrungen aus. Vielleicht war das ihr Spiel. Die Aufzucht. Das Erziehen eines Menschen unter ihrer Herrschaft; ihn aufwachsen und sich entwickeln zu sehen, ihn zu formen ... Ein neues Gefühl und eine neue Erfahrung. Ja, vielleicht war es nur das. Aber für das Kind, den jungen Mann, war es die wahre Liebe und sein ganzes Leben.

Als das Kind 23 Jahre alt war, wurde Aleysts Vorsicht getäuscht. Sie fielen in einen Hinterhalt, und der Thunk trennte mit einem Hieb die Brust meines Freundes entzwei. Aleyst rollte erneut zu Boden. Der Thunk hob sie auf. Er verschwand und ließ meinen Freund in seiner Blutlache liegen. Er erschlug ihn nicht, weil er ihn bereits für tot hielt; oder vielleicht wegen Aleyst ... Ich weiß es nicht. Ich will es nicht wissen."

Er atmete tief durch: "Er lag da in seinem eigenen Blut, und er war nicht mehr er selbst. Es fehlte ihm die Hälfte seines Geistes. Mit einem Mal fand er sich auf einer ungleich niedrigeren Stufe wieder, fast wie ein Tier, als ob man ihm den Kopf abgetrennt hätte. Er war allein, weniger als allein: Er war nicht mehr eins."

Es wurde still und Mahill wurde sich bewußt, daß er die beiden Männer anstarrte. Er richtete sich auf und schüttelte seinen Kopf, während er sich den Anschein zu geben versuchte, nur auf den Wirt zu achten.

Die beiden Männer hatten seine Neugier anscheinend nicht bemerkt. Der Bärtige beugte sich zu seinem Kumpan.

"Und?"

Die Augen den Braunhaarigen schlossen sich für einen Augenblick.

"Und? Das ist alles. Meine Geschichte ist zu Ende."

"Aber dein Freund? Was war mit ihm, was ist aus ihm geworden?"

Der Blick des Mannes glitt zu Æphis, der hinter den trüben Scheiben des Fensters aufgestiegen war. "Was soll mit ihm sein? Das ist nicht wichtig. Er hat überlebt, wenn man das überleben nennen kann."

Der Wirt kam an Mahills Tisch vorbei, und er bestellte sich noch ein Siffan. Der Abend würde lange werden. Es gibt manchmal solche Tage ...
 
AW: Hyperborea-Kurzgeschichte

Gute Frage. :D Ist aber glaub ich nicht existenziell die Frage. ;)
 
AW: Hyperborea-Kurzgeschichte

Hallo!!!

Es ist einfach eine persönliche Vorliebe des guten Mannes!

So einfach ist das! :D ;)


H
 
AW: Hyperborea-Kurzgeschichte

Das Verb macht mich in diesem Satz eigentlich wesentlich nervöser, als das Adjektiv...
 
AW: Hyperborea-Kurzgeschichte

Weil ich nicht weiß, ob man sowas auf seine Fahne schreiben sollte. Ich weiß jetzt nicht, wer die Kurzgeschichte geschrieben hat, aber wer Hyperborea spielt wird eh schnell lernen, dass die Verlangen "Gewalt" und "Sex" sich nicht gegenseitig ausschließen.

Es ist ein Unterschied, ob man Vergewaltigungen in einer Heroic Fantasy-Umgebung toleriert, oder damit Reklame läuft.
 
AW: Hyperborea-Kurzgeschichte

Aber eine offensichtliche Thematisierung. Die Kurzgeschichte wäre nicht ärmer geworden, wenn dort gestanden hätte:

Er würde alle seine Feinde töten, würde blonde Mädchen mit birnenförmigen Brüsten ficken/bürsten/beglücken...
 
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