Historisches Kriminalrollenspiel im Mittelalter und der früheren Neuzeit

Village Idiot

Sylandryl Sternensinger
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28. März 2004
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Bisweilen bin ich ein wenig verwundert, wenn mein Blick durch die deutsche und internationale Rollenspiellandschaft streift, scheint es doch kein wirkliches Rollenspiel zu geben, daß investigatives Rollenspiel in einem mittelalterlichen oder meinetwegen frühneuzeitlichen Nicht-Fantasy Setting (oder beidem) als Fokus besitzt. Während ich mich einerseits freuen könnte, ein noch unbesetzt Nische gefunden zu haben, während doch oft behauptet wird, daß es praktisch zu allem ein RSP geben würde, stimmt es mich auf der anderen Seite ein wenig traurig. Denn das Genre selbst hat ein paar großartige Vorzüge.

Zum ersten ist es populär. In der Unterhaltungsliteratur boomt das Mittelalter und alles was "irgendwie mittelalterähnlich" ist und das Krimi/Thriller Untergenre dürfte so eins der Populärsten sein. Das hat natürlich für sich genommen erst einmal keinerlei Mehrwert, bringt aber ein paar richtig Vorteile mit sich. Zum einen eröffnet es Möglichkeiten beim Anwerben von Neulingen, Begeisterung für das Genre ist fast schon die halbe Miete. Zum anderen liegen mit den Romanen massig Quellen vor, die man als Inspiration für den Plot- und Charakterbau oder um sich auf "das Feeling" von Setting und Genre einzustellen, nutzen kann.

Des weiteren ist das ist die entsprechend Zeit oder doch zumindest das Bild, welches man von ihr hat, recht gut für dramatische Kriminalplots geeignet: Die Rechtslage ist für uns oft ungewöhnlich, die Rechtsprechung nicht immer unserer Auffassung von Gerechtigkeit oder Wahrheit verpflichtet, der"(deutsche) Staat" existiert als klare und präsente Einheit nicht,die wissenschaftlichen Mittel beschränkt, Strafen sind oft brachial und der Einsatz für eventuell Unschuldige damit recht hoch, Zauberei und Hexenwerk, wird von der Mehrheit der Menschen als gegeben betrachtet, während die Spieler sich immer sicher sein können, daß es eine profane Erklärung geben muss usw. usf.

Zu guter Letzt hat das Mittelalter als Setting natürlich für sich noch ein paar Vorteile: Jeder hat ein Bild davon es ist einerseits vertraut anderseits exotisch und unheimlich, was sich meist noch verstärkt, wenn das Setting in einer vertrauten Stadt/Region angesiedelt ist.

Also, Meinung, Kritik, Anregungen? Erklärungen, warum es kein entsprechendes Spiel gibt? Oder zaubert jemand von euch doch noch eins aus den Tiefen der Rollenspiel-Landschaft herbei? Sollte es ein passendes Rollenspiel geben? Hättet ihr Bock so etwas zu spielen? Wie sollte es aussehen? Von der Regelseite her, habe ich da sogar schon eine Idee, aber wie sieht das bei euch aus?
 
Von der Regelseite her, keine Ahnung, was sich da anbietet. Aber inhaltlich wäre ich mit dem Hexenwahn und die damit verbundene Hexenverfolgung etwas vorsichtig. Gerade zu Beginn der frühen Neuzeit waren eher die Reformbewegungen für die Gesellschaft und das Strafrecht (wenn man es so nennen kann) wichtiger.
 
Wulf schrieb:
Aber inhaltlich wäre ich mit dem Hexenwahn und die damit verbundene Hexenverfolgung etwas vorsichtig. Gerade zu Beginn der frühen Neuzeit waren eher die Reformbewegungen für die Gesellschaft und das Strafrecht (wenn man es so nennen kann) wichtiger.
Das verstehe ich nicht.


Da gibt's schon ein paar Dinge:
Cthulhu Mittelalter z.B. bietet sich an oder Deus Vult für Runequest II.
Naja, Cthulhu Mittelalter ist halt Cthulhu im Mittelalter ;) und damit so weit von den von mir gemeinten Vorgaben weg, wie es nur geht, wenn es auch investigativ und mittelalterlich sein. Das Buch ist aber sicherlich eine Fundgrube, da Cthulhu Quellenbücher in aller Regel ja recht gut recherchiert sind und einige Romane aus dem Mittelalter-Krimi Genre umgekehrt sicher ein schöner Steinbruch für Cthulhu Mittelalter.
Deus Vault klingt jetzt mit seinen "Asssasin Battel Monks of Doom" auch nicht unbedingt nach historischem Krimi, auch wenn es so wirkt, als ob im Namen der Rose durchaus auch Pate für das Setting gestanden hat. Die Festlegung auf Geheimdienst Mönche im Dienste der Kirche finde ich für das von mir gewollte ein wenig zu limitiert.
 
Bisweilen bin ich ein wenig verwundert, wenn mein Blick durch die deutsche und internationale Rollenspiellandschaft streift, scheint es doch kein wirkliches Rollenspiel zu geben, daß investigatives Rollenspiel in einem mittelalterlichen oder meinetwegen frühneuzeitlichen Nicht-Fantasy Setting (oder beidem) als Fokus besitzt. Während ich mich einerseits freuen könnte, ein noch unbesetzt Nische gefunden zu haben, während doch oft behauptet wird, daß es praktisch zu allem ein RSP geben würde, stimmt es mich auf der anderen Seite ein wenig traurig. Denn das Genre selbst hat ein paar großartige Vorzüge.

Zum ersten ist es populär. In der Unterhaltungsliteratur boomt das Mittelalter und alles was "irgendwie mittelalterähnlich" ist und das Krimi/Thriller Untergenre dürfte so eins der Populärsten sein. Das hat natürlich für sich genommen erst einmal keinerlei Mehrwert, bringt aber ein paar richtig Vorteile mit sich. Zum einen eröffnet es Möglichkeiten beim Anwerben von Neulingen, Begeisterung für das Genre ist fast schon die halbe Miete. Zum anderen liegen mit den Romanen massig Quellen vor, die man als Inspiration für den Plot- und Charakterbau oder um sich auf "das Feeling" von Setting und Genre einzustellen, nutzen kann.

Des weiteren ist das ist die entsprechend Zeit oder doch zumindest das Bild, welches man von ihr hat, recht gut für dramatische Kriminalplots geeignet: Die Rechtslage ist für uns oft ungewöhnlich, die Rechtsprechung nicht immer unserer Auffassung von Gerechtigkeit oder Wahrheit verpflichtet, der"(deutsche) Staat" existiert als klare und präsente Einheit nicht,die wissenschaftlichen Mittel beschränkt, Strafen sind oft brachial und der Einsatz für eventuell Unschuldige damit recht hoch, Zauberei und Hexenwerk, wird von der Mehrheit der Menschen als gegeben betrachtet, während die Spieler sich immer sicher sein können, daß es eine profane Erklärung geben muss usw. usf.

Zu guter Letzt hat das Mittelalter als Setting natürlich für sich noch ein paar Vorteile: Jeder hat ein Bild davon es ist einerseits vertraut anderseits exotisch und unheimlich, was sich meist noch verstärkt, wenn das Setting in einer vertrauten Stadt/Region angesiedelt ist.

Also, Meinung, Kritik, Anregungen? Erklärungen, warum es kein entsprechendes Spiel gibt? Oder zaubert jemand von euch doch noch eins aus den Tiefen der Rollenspiel-Landschaft herbei? Sollte es ein passendes Rollenspiel geben? Hättet ihr Bock so etwas zu spielen? Wie sollte es aussehen? Von der Regelseite her, habe ich da sogar schon eine Idee, aber wie sieht das bei euch aus?


Hmm. Das Problem ist das Du vor dem 18-ten Jhdt. keine Kriminologie hast. Allenfalls Zeugenaussagen.

Du kannst dir natürlich ein Fäntelalter ausdenken wo es diese Methoden doch gibt, vieles ist ja nicht gerade High-Tech, sondern Low-Tech.

Fingerabdrücke und Gipsabdrücke, sowie Bißspuren lassen sich mit LowTech wie Äpfeln, Gips und Kohlepulver, mit einer dünne Leimschicht bestrichene Glasscheiben, Papier, etc. anfertigen.

Widersprüche in Aussagen, Motive, Zeugen, also alles was zu einem Gerichtsprozeß gehört hast Du schon.

Wenn es wirklich historisch wird gehen einige Sachen nicht, und einige Theme sind kontrovers genug, als das nicht jeder so etwas spielen will. (Hexenverfolgung, Herätiker, etc.)

Systemseitig kann ich mir für so etwas GURPS vorstellen, einfach weil Du da Kriminologie und einige andere Fertigkeiten schon enthalten hast, so daß Du dir eigentlich nur noch um das Setting sorgen machen mußt.

Und ja, Du kannst die Spieler sicher auch eine Truppe von Schergen des Inquisitionsgerichtes spielen lassen, die sich mit meineidigen Zeugen, Aberglaube, Mißgunst, etc. herumschlagen müssen bevor sie den Angeklagten die Folterwerkzeuge unter die Nase halten. Problematisch finde ich das man da wieder nur aus Halbwissen und Vorurteilen schöpfen kann, selbst die Wissenschaft kann nicht viel mehr. Da ist ein weniger vorbelastetes Gelände m.M. nach besser.
 
Kowalski schrieb:
Hmm. Das Problem ist das Du vor dem 18-ten Jhdt. keine Kriminologie hast. Allenfalls Zeugenaussagen.
Ein Problem sehe ich da eigentlich weniger. Technischer Stand oder auch Magie ändern Investigatives Rollenspiel, meiner Meinung und Erfahrung nach, nur im Detail. Und (teilweise bis zur Unglaubwürdigkeit) fortschrittlich denkende Charaktere gehören in diesem Fall ins Genre, die Probleme, die es mit sich bringt den "sturen anderen Mittelaltermenschen" seine Ergebnisse zu vermitteln, auch.


Kowalski schrieb:
Wenn es wirklich historisch wird gehen einige Sachen nicht, und einige Theme sind kontrovers genug, als das nicht jeder so etwas spielen will. (Hexenverfolgung, Herätiker, etc.)

Kowalski schrieb:
Systemseitig kann ich mir für so etwas GURPS vorstellen, einfach weil Du da Kriminologie und einige andere Fertigkeiten schon enthalten hast, so daß Du dir eigentlich nur noch um das Setting sorgen machen mußt
Natürlich könnte man GURPS oder ein anderes generisches System nehmen. Aber mir wäre schon etwas ein System mit investigativen Schwerpunkt lieb, meine Gedanken gingen dann auch eher in Richtung Gumshoe System.

Kowalski schrieb:
Und ja, Du kannst die Spieler sicher auch eine Truppe von Schergen des Inquisitionsgerichtes spielen lassen, die sich mit meineidigen Zeugen, Aberglaube, Mißgunst, etc. herumschlagen müssen bevor sie den Angeklagten die Folterwerkzeuge unter die Nase halten.
Kann ich, hat aber mit dem Genre auch nur noch wenig gemein.
Wobei mir da auf jeden Fall ein Nachteil des Genres in den Sinn kommt, es gibt keine wirklichen Gruppen von Protagonisten, meist handelt es sich nur um einen Hauptcharakter, so etwas wie eine klassische Gruppenzusammenstellung gibt es nicht. Unüberwindbar ist das Problem natürlich nicht.

Was mir, als Frage an die Allgemeinheit, noch in den Sinn kam: Kann es eventuell sein daß die Schnittmenge zwischen Rollenspielern und Liebhabern von historischen Mittelalterkrimis eventuell erstaunlich gering ist?
 
Bin keine empirische Studie per se aber bei meinen fast 30 Jahren RPGs sind:

95% aller Sessions Fantasy gewesen
4% SciFi (und dazu zähle ich mal auch ein Fantasy SciFi CrossOver bei GURPS Fantasy, Yrth, mit)
und 1% Modern (30-er Jahre bis 90-er, eigentlich nur GURPS)
Upps, und 0,5% supers (Ja, TMNT zähle ich mal auch hierzu, etwa gleich häufig gespielt wie Marvel Superheroes, also je 2-3 mal)
Das ganze WhiteWolf und ausser Warhammer Fantasy, auch Games Workshop Zeugs war nicht unser Ding nicht.

Ueber knapp 12+ Spielergruppen verteilt
(Star Frontiers, Traveller, GURPS, Spacemaster, ja und, urks, Shadowrun, wuerg. sorry das kann ich vom System UND vom Setting nicht ab)
Upps2, StarWars D6 haette ich beinahe vergessen.

Ich vermute mal das das Haupthindernis ist das viele irgendwie Helden spielen wollen und das urspruenglichere Klischee bei vielen eher der Prinz, eh, Held aus dem Maerchen ist, und nicht der Space-Cowboy. Plus das eher stiefmuetterliche dahinfristen der SciFi RPGs in D.
 
Was Du auf jeden Fall im Hinterkopf behalten solltest, weshalb versuchen die Chars denn überhaupt irgendetwas aufzuklären? Die Inquisition bietet sich da schon an, aber die Frage ist da natürlich, wann genau Du die Handlung spielen lassen willst. Die intensive Hexenverfolgung zB. beginnt erst relativ spät, so Mitte - Ende des 16. JH. und ist auch nicht Kernaufgabe der Inquisition.
 
Ich fände die "Fäntelalter"-Alternative ein bisschen attraktiver, als zum Beispiel eine nicht minder phantasievolle Interpretation (böse ausgedrückt: Verklärung) der Inquisition und ihrer Methoden. Letzteres ist meiner Meinung nach bereits zu Genüge überstrapaziert.

Ich lese gerne historische Romane, auch Krimis. Auf die Antike bezogen kann ich da die SPQR Reihe von John Maddox Roberts empfehlen. Aus solchen Vorlagen ergibt sich ja auch schon, wie man das auch ohne offiziell institutionalisierte Kriminologie hinbekommen kann. Bei der erwähnten Buchreihe handelt es sich um einen jungen, neugierigen, aufstrebenden Politiker, der oft in der Position investigativer Ämter (Censor, Quaestor) dafür zuständig ist, Dinge aufzuklären. Und selbst wenn nicht, gibt es noch genug Verschwörungen, die seiner Aufklärung bedürfen. Dazu hat er einen klassischen "Gerichtsmediziner" in Form eines griechischen Arztes, der unter anderem eine recht neue und kontroverse Methode hat, Wunden zu analysieren und deren Ursachen zu rekonstruieren.

So kann ich mir das auch als Rollenspiel vorstellen. Das dehnt die historischen Grundlagen vielleicht ein wenig, theoretisch schwebt es aber in der "das könnte durchaus so passiert sein"-Cloud und lässt genug Raum für Kreativität.

Für ein mittelalterliches oder fäntelalterliches Setting fallen mir da spontan ein:
- Der Arzt als Gerichtsmediziner auf Verwundungen, Erkrankungen, Vergiftungen etc. spezialisiert
- Der Totengräber als Exumierer und Gerichtsmediziner in postmortaler Funktion (Verwesungsgrade, Knochenfrakturen etc.)
- Lokaler Büttel / Sheriff / Hauptmann der Wache als klassicher Kommissar (Commissioner Gordon)
- Als "Detektive": der junge Adelige mit zu viel Zeit; Sheriff und Büttel; Wander- / Bettelmönch mit ausgeprägtem Interesse daran, Geheimnisse und Rätsel zu lösen; Die Nonne mit besonderer Kunde in Heilkräutern, Giften, Medizin und Wissenschaft; der Vertreter der Hanse, der vor allem auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert ist; der Inquisitor nicht als Folterknecht, sondern als Investigator mit besonderem Talent in der Rhetorik (L. A. Noire) ...

Also ja, mich würde so ein Setting durchaus interessieren. Ich hatte bei der Beschreibung eigentlich auch recht schnell an Cthulhu Mittelalter gedacht aber da kann man sicher noch mehr mit machen.
 
Eigenlich bauchts dafür kein eigenes RPG weil Krimis kann man eigentlich h in jedem LowFantasy Setting unterbringen. Wenn du nichts eigenes machen willst empfehle ich WH Fantasy da du da mit dem Imperium ein Setting hat das dem heiligen rmischen Reich deutscher Nationen nachempfunden ist. Dort gibt es dann sogar Berufe wie Hexenjäger und anderes das für krimis taugen würde. Eventuell verbietest du Magier für die Spielergruppe und fertig.
Ein bissi Steampunkt gibts ja im Imperium auch so kannst du ein paar technscihe Sachen einbauen und hin und wieder eine obskure MAschine.
 
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