AW: HeroQuest - Proben gegen passiven Widerstand
Skar, Logik hat mit Rollenspielregeln nichts zu tun. Stochastik hat das. Und die Autoren haben, offenbar entschieden, dass die Wahrscheinlichkeiten sich bei lebenden und nicht lebenden Gegnern gleich verhalten mögen.
Genau.
Ob ich beim Angriff auf einen lebenden Gegner nun einen gegensätzlichen Wurf durchführe, oder nur gegen eine feste Größe wie Armor Class, Parry, Target Number, was auch immer würfele, ist hier durchaus vergleichbar.
Manche Regelsysteme haben - aus unterschiedlichen Gründen der Systemgestaltung (z.B. Spielfluß, Geschwindigkeitsvorteil beim Wurf gegen festen Zielwert statt variable opponierende Würfe, etc.) - eben den einen oder den anderen oder BEIDE Möglichkeiten im Regelwerk vorgesehen.
In Savage Worlds ist Parry ein Wert, der sich als NICHT-variabel aus dem Fighting-Skill und den Parry-Wert beeinflussenden Edges, Hindrances und Ausrüstungsgegenständen ergibt. Dieser feste Wert, war im Rahmen der Entwicklung dieses Regelwerkes ursprünglich NICHT FEST, sondern war ein gegensätzlicher Wurf auf Fighting, modifiziert durch entsprechende Edges, Hindrances und Ausrüstungsgegenstände. Es wurde jedoch bei Testspielen mit vielen Extras klar, daß dies im aktiven Spielgeschehen zu lange dauert. So wurde der gegensätzliche Wurf zu einem Wurf gegen einen festen Zielwert.
Bei HeroQuest werden immer die Würfe für die jeweilige Seite im Konflikt ausgeführt. Das Entwurfskonzept geht grundsätzlich von einem Contest als der vom Regelsystem für Unsicherheitsauflösung mit Zufallseinfluß zu verwendenden Methode aus. Hier gibt es keinen Würfel-BONUS um so einen statischen Zielwert besser zu erreichen - also nicht Klettern +10 um mit 1W20 eine DC 25 zu schaffen, oder so.
Stattdessen ist FÜR DIE GESCHICHTE in einem Contest nicht festgelegt WIE schwer eine Handlung wirklich nachher, wenn sie tatsächlich versucht wurde, sein wird, sondern es ist nur ein Potential für den Widerstand, der vom Charakter zu bezwingen ist, angegeben.
Das sind diese statischen Widerstände z.B. einer Mauer. Dabei ist solch ein Widerstand direkt aus der erzählerischen Beschreibung der Mauer abgeleitet: Eine steile, abweisend wirkende, Stadtmauer, die schon viele Belagerungen und Anstürme überstanden hat. - Schlüsselworte: Steil, Abweisend wirken, Kampferprobt. Werte dazu: Steil 5M2, Abweisend wirken 19, Kampferprobt 5M2.
Diese Mauer ist WICHTIG für die Geschichte, da sie eine erste, eine schwere, eine den Helden auf die Probe stellende Hürde darstellen SOLL (aufgrund der Entscheidung des Spielleiters, dieser Mauer ein "Gesicht", d.h. mehr als nur das nächstbeste statische Schlüsselwort zu geben). Man kann sich aufgrund der kurzen Beschreibung die Mauer gut vorstellen. Die Quantitäten helfen auch noch etwas klarer zu sehen: die Mauer ist zunächst sehr steil. Und sie hat Spuren aus früheren Kämpfen, die zeigen, wie grundsolide und unüberwindlich sie ist. Und diese Unüberwindlichkeit drückt sich in einer für einen unrechtmäßigen Kletterer bedrückend abweisenden Wirkung der Mauer aus.
Je nachdem wie wichtig das für die Geschichte ist, könnte man zwar eine Kletter-Geschichte jetzt als Extended Contest erzählen, aber ich mag Extended Contests NUR für die finalen Konflikte, nicht für eine erste, aber nicht alles entscheidende Hürde. Somit würde ich hier eine Form verketterer Simple Contests nehmen.
Zunächst muß der Held mit seinem Schlüsselwort für so etwas wie Mut, Courage, Tapferkeit, Selbstbewußtsein, oder so mit der "abweisenden Aura" der Mauer fertig werden. Er hat KEIN spezielles Schlüsselwort, welches ihn als besonders mutig kennzeichnet, so daß man sein Berufs-Schlüsselwort "Krieger 17" verwendet, da ein gewisser Mutaspekt, Eigenschaft "Mutig" auf Berufsschlüsselwort-Quantität, in jedem Krieger vorhanden sein muß.
Mit dem Schlüsselwort "Mutig 17" geht er in einen ersten Simple Contest gegen "Abweisend wirken 19" der Stadtmauer, um zu sehen, ob sich der Held überhaupt diesen schwierigen Klettervorgang über diese einschüchternden Gesteinsmassen zutraut.
Das Ergebnis darin ist - analog einem Carry-Over bei einer HeroQuest - dann bei einem Erfolg des Charakters ein hohes Selbstbewußtsein, welches den Charakter sich nicht mehr so leicht von der Mauer einschüchtern läßt (Auswirkung eines Major Victory: das Schlüsselwort "Abweisend wirken 19" wurde halbiert auf 10. Damit reduziert sich der Gesamtwiderstand gegen das Erklettern um 1 auf 11M2. Ein leichter, aber immerhin ein Vorteil für den Charakter. Dieser Vorteil fiel so leicht aus, weil die Mauer mit ihrem Schlüsselwort "Steil 5M2" nur von "Abweisend wirken 19" unterstützt wurde. Also ein sekundärer, ein untergeordneter Effekt.). - Oder umgekehrt: Bei einem Major Victory für "Abweisend wirken 19" gegen "Mutig 17" des Kletterers, würde ihm dessen Mut sinken (und die Eigenschaft halbiert werden auf "Mutig 9"!).
Der Verlust an Mut könnte für den Kletterer nur dann ein Hindernis für das Klettern bedeuten, wenn er sich mit seinem "Mutig" fürs Klettern "aufpowern" (augmentation) wollte. - Aber: Der Spielleiter könnte nun einen Konflikt mit einer passenden Fault-Eigenschaft, wie z.B. "Gibt schnell auf 17" ansetzen. Nun müßte der Charakter in diesem Konflikt mit seiner eigenen Courage ringen, ob er - eingeschüchtert durch die drohenden Steinwälle - aufgibt. Also nächster Simple Contest: "Mutig 9" gegen "Gibt schnell auf 17". - Das sieht nicht gut aus. Da wird er eventuell garnicht mehr klettern wollen.
Bei einem Defeat durch "Gibt schnell auf 17" würde seinem "Mutig" noch mehr Schaden(!) zugefügt werden.
So besteht die Chance, daß aus einem durchschnittlich mutigen Krieger nun ein - z.b. bei nochmaliger Halbierung von "Mutig" auf "Mutig 5" - allein durch die STATISCHE Eigenschaft einer Mauer sehr abweisend, ja geradezu ungewöhnlich einschüchternd und entmutigend zu wirken, ein Jammerlappen wird, dessen "Mutig" hier SCHWER VERLETZT ist und dringender "Heilung" bedarf. - So könnte im nächsten Kampf, wo es zu einem Duell des Mutes der Kontrahenten kommt, ihm sein Mut gänzlich abhanden kommen, er sich feige zur Flucht wenden und erschlagen werden!
Die Konsequenzen auch von Simple Contests in HeroQuest sind bisweilen ziemlich heftig und können ein tragisches Ende eines Helden bedingen, wenn er sich seiner Schwächen nicht bewußt ist bzw. er nichts dagegen tut.
Ich finde, daß durch die Variabilität des Einflusses auch der an sich statischen Eigenschaften von Dingen in HeroQuest interessante Geschichten resultieren, die den Charakteren und dem, was sie tun, mehr Tiefe, mehr Bedeutung (immer aus der Sicht einer Heldengeschichte gesehen - natürlich bei HEROQuest!) verleihen können.
Und das war die erklärte Absicht der Autoren des Regelsystems.
So funktioniert ein WIRKLICH auf die Geschichte abzielendes Regelsystem, im Unterschied z.B. zu dem "gehirnschädigenden" System, welches eine Sache behauptet, welches aber eine ganz andere Sache in Regeln gepackt hat.
Ich habe die obigen Beispiele so breit ausgewalzt, weil ich hier zeigen wollte, wie in HeroQuest gerade auch die Verhaltens-Eigenschaften, bzw. im Beitrag weiter oben die Beziehungs-Eigenschaften, und auch die Faults eine Handlung beeinflussen können. - Hier geht der Held nicht einfach her und würfelt mal auf Kletter+X und dann klappt das oder auch nicht. Hier steht bei JEDEM Contest etwas auf dem Spiel!
Etwas für den Helden WICHTIGES!
Und es werden nicht handlungsbezogen einzelne, feingranulare Teilhandlungen ausgespielt, so daß man nach 5 Kletternwürfen oben auf der Mauer ankommt oder so. Sondern - solange man im Simple Contest ist - es ist genau EIN Contest, der nicht über Erfolg, sondern über SIEG oder NIEDERLAGE des Charakters entscheidet. - DAS ist mal WIRKLICH ein Konflikt-System.
Hier geht es um den Sieg.
Und wer unterliegt, dem geht es schlecht.
Anderes Beispiel: statt der Mauer und Klettern, könnte man eine schwere Tür und das Überwinden dieses Hindernisses nehmen. Die Tür hat Eigenschaften wie Unüberwindlich 18, Kompliziertes Schloß 5M2, Stabil 5M1. Je nachdem, mit welcher Vorgehensweise ein Charakter sich an den Contest macht, die Tür zu überwinden, ergeben sich unterschiedliche Widerstände:
Die gewitzte Vorgehensweise zur Überwindung: "Wege, wo keine sind, finden 2M1" des Charakters (das ist Cugel, der Schlaue z.B.), gegen "Unüberwindlich 18" verstärkt mit dem komplizierten Schloß +5 und der hohen Stabilität +3 macht als Widerstand 6M1 für die Tür gegen die 2M1 des Charakters. Die Meisterschaften kürzen sich raus, es bleibt Tür 6 gegen 2 des Charakters. Da hat die Tür leicht bessere Karten um dem Ausgetrickstwerden des Charakters zu widerstehen. - Doch könnte der Charakter nun seine Eigenschaften - und die seiner Begleiter(!) und seiner Magie(!!) - zur Unterstützung einbringen und seine Chancen verbessern. Z.B. vorgeschalteter Contest zum Ausfindigmachen des Plans des Wachwechsels, so daß er sich zu den Zeiten, wo die Tür eh geöffnet werden wird, z.B. mittels Magie unsichtbar durchmogeln kann - das wäre ein Sieg im Contest gegen die Tür.
Die feinmechanische Vorgehensweise zur Überwindung: "Kein Schloß hält mich auf 10M1". Gegen das Schloß mit 5M2 kürzen sich die Meisterschaften auf "Kein Schloß hält mich auf 10" gegen "Kompliziertes Schloß 5M1" und "Unüberwindlich 18" (gibt +2) ("Stabil 5M1" ist hier nicht relevant) also insgesamt gegen 5M1. Das sieht nicht gut aus für den Charakter.
Die brachiale Vorgehensweise zur Überwindung: "Stark, wie ein Bär 10M2" geht gegen "Stabil 5M1" (Meisterschaften kürzen sich) und "Unüberwindlich 19" (gibt +2) (das komplizierte Schloß ist hier egal) also insgesamt ein Contest von "Stark, wie ein Bär 10M1" gegen "Stabil 5" + 2 also gegen 7. Das sieht nicht gut aus für die Tür.
Wenn hier der Brute Force Ansatz einen Major Victory erzielt, so nimmt die Tür Schaden: "Stabil 5M1" wird halbiert auf "Stabil 13" - nicht sehr stabil mehr.
Wo die Stadtmauer beim Erklettern keinen physischen Schaden genommen hat, so kann in einem durch die verwendeten Eigenschaften definierten Contest, aber auch sehr wohl der Gegenstand in seinen statischen Widerstands-Eigenschaften Schaden nehmen. Der kann z.B. durch Reparatur "geheilt" werden.
Auch solche Eigenschaften, wie der RUF "Unüberwindlich" zu sein, können Schaden nehmen - man denke nur an den Ruf der Bank von England in "In 80 Tagen um die Welt", der ja durchaus angeknackst war. - So könnte der Ruf der Tür (zur Schatzkammer?) "Unüberwindlich" zu sein, durch ein gewitztes Vorgehen mächtig nachlassen und Leute, die es später versuchen, nicht mehr so abschrecken, d.h. nicht mehr soviel Widerstand bieten, wie vorher. Außer man tut aktiv etwas, den Ruf wiederherzustellen.
Das ist eine weitere Eigenheit des HeroQuest-Regelsystems, daß man auch Gegenstände sehr leicht mit "Persönlichkeit", mit einem Ruf, mit sonstigen Eigenschaften ausstatten kann.
Ist das "logisch"?
Weiß ich nicht.
Mir egal.
Ich spiele schließlich nicht in einer der in sich widersprüchlichsten Mythologie einer Fantasy-Welt, wenn ich mich an "unlogischen" Dingen stören würde.
Ich will hier nur eine coole Story erleben, gestalten und erzählen können.