First Cut, First Symptom

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""Da sprach der HERR zu Mose: Recke deine Hand über Ägyptenland, dass Heuschrecken auf Ägyptenland kommen und alles auffressen, was im Lande wächst, alles, was der Hagel übrig gelassen hat. Mose streckte seinen Stab über Ägyptenland, und der HERR trieb einen Ostwind ins Land, den ganzen Tag und die ganze Nacht. Und am Morgen führte der Ostwind die Heuschrecken herbei. Und sie kamen über ganz Ägyptenland und ließen sich nieder überall in Ägypten, so viele, wie nie zuvor gewesen sind noch hinfort sein werden. Denn sie bedeckten den Erdboden so dicht, dass er ganz dunkel wurde. Und sie fraßen alles, was im Lande wuchs, und alle Früchte auf den Bäumen, die der Hagel übrig gelassen hatte, und ließen nichts Grünes übrig an den Bäumen und auf dem Felde in ganz Ägyptenland." Das Buch Exodus, Kapitel 10, Verse 12 bis 15.

Seit biblischen Zeiten, meine Damen und Herren, sieht sich die Menschheit einem Feind gegenüber, einem Feind der uns an schierer Zahl, und lange Zeit – vielleicht noch immer – an schierer Zerstörungskraft, in unvorstellbarer Art und Weise überlegen ist: Insekten.
Schädlinge und Parasiten, die Ernten vernichten, Nutztiere befallen, Krankheiten verbreiten. Eine Armee, die mit einer Million! beschriebener Arten unseren ganzen Planeten besetzt hält. Kein Lebensraum der von diesen zahlreichsten und anpassungsfähigsten aller Tiere nicht bewohnt wird. Kein Klima in dem sie sich nicht heimisch fühlen würden.

Wir können beliebig weit in unserer Geschichte zurückgehen, stets finden wir uns und unsere Vorfahren im Kampf mit diesem Feind.

"Da ließ der Pharao eilends Mose und Aaron rufen und sprach: Ich habe mich versündigt an dem HERRN, eurem Gott, und an euch. Vergebt mir meine Sünde nur noch diesmal und bittet den HERRN, euren Gott, dass er doch diesen Tod von mir wegnehme."

Pharao und Mose verließen sich auf die Macht Gottes. Auf das Gebet, als Waffe um der Plage Herr zu werden. Zu diesem ersten aller Mittel gesellten sich aber rasch weitere hinzu. Aus dem ersten Jahrhundert nach Christus ist uns die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in Form von Urin gemischt mit Asche und Zypressenblättern überliefert. – Welchen Erfolg dies gegen die Schädlinge gehabt haben mag bleibt fraglich. Im Laufe der Geschichte gesellten sich die Verbrennung von Rindermist, Knoblauchsaft, Nikotin, Arsen und Ätzkalk zu Zaubersprüchen, Feuer und Urin hinzu, um nur einige wenige Beispiele aus dem historischen Waffenarsenal der Schädlingsbekämpfer auszuwählen.
Bis ins 19. und 20. Jahrhundert hinein blieb ihr Kampf trotz immer neuer Methoden aber weitgehend aussichtslos. Milliardenschwärmen von Heuschrecken, Malaria übertragenden Stechmücken – oder auch dem Pest tragenden Rattenfloh – konnten sie nicht Herr werden – ebenso wenig wie sie im Jahre 1892 die Nonnenraupe auszulöschen vermochten. Dennoch stellt dieses Jahr einer weiteren Niederlage den entscheidenden Wendepunkt in diesem endlosen Krieg dar. Denn mit dem Antinonnin kam zum ersten Mal ein synthetisches Insektizid zum Einsatz, das gezielt wirken sollte, und in grossen Mengen hergestellt werden konnte.

Die neue Wunderwaffe: Das synthetische Insektizid. Zum ersten Mal hatte sich das Kriegsglück zu unseren Gunsten geändert. Und wir rüsteten auf.
DDT, Lindan, E605, Paraoxon, Propoxur, Decamethrin, Kryolith, Diflubenzuron, Kupferarsenitacetat, … ich könnte diese Liste beliebig lange fortsetzen. Unser Arsenal ist gewaltig.
Ebenso wie unsere Erfolge. Der Einsatz von DDT hat in Indien schätzungsweise jedes Jahr eine Million Menschen vor dem Tod durch – von Mücken übertragene – Malaria bewahrt. Und wie viele mehr mag es, und andere Insektizide, vor dem Tod durch Hunger gerettet haben, indem sie ungeahnte Steigerungen in der landwirtschaftlichen Produktion erst ermöglichten?

…und wie viele haben sie das Leben gekostet? Kopfschmerzen, Halluzinationen, Delirium, Koma: Die zentralnervösen Symptome einer akuten Phosphorvergiftung. Die letale Dosis von E605 liegt bei oraler Aufnahme bei circa 10mg pro kg Körpergewicht. Bei oraler Aufnahme… wie sie beispielsweise bei ungeschützten Arbeitern auftritt – was auf die Mehrheit aller Personen, die Insektizide ausbringen, zutrifft. Oder bei Nutztieren. Oder bei Belastung unserer Nahrung.
300 Vergiftete durch Parathion verunreinigten Zucker in Mexico. 3000! Durch Hexachlorbenzol belastetes Saatgut in der Türkei. Und Spuren von DDT lassen sich selbst im Eis der Arktis nachweisen.

Meine Damen und Herren, die Frage, die wir uns heute stellen müssen ist nicht mehr die, ob wir den Krieg gegen die Insekten - das 1% der Arten, die als Schädlinge anerkannt sind - gewinnen können, sondern ob wir den Krieg gegen die Insektizide gewinnen können.

Vielen Dank."
 
blut_und_glas schrieb:
Schädlinge und Parasiten, die Ernten vernichten, Nutztiere befallen, Krankheiten verbreiten. Eine Armee, die mit einer Million! beschriebener Arten unseren ganzen Planeten besetzt hält. Kein Lebensraum der von diesen zahlreichsten und anpassungsfähigsten aller Tiere nicht bewohnt wird. Kein Klima in dem sie sich nicht heimisch fühlen würden.
Die kurze Generationenzeit dieser Spezies nicht zu vergessen. Das Volumen ihres Auftretens kann bei günstigen Bedingungen in kurzer Zeit wahrlich explodieren.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit. :)
 
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