AW: Fate-Points
Warhammer FRPG kennt ja diese netten kleinen Lebensretter namens 'Fate-Points'.
Jedesmal wenn man draufgehen würde, setzt man einen und kommt nochmal gerade so davon.
Die wirken dann jeweils immer SICHER? Es besteht also nicht die Gefahr, daß man trotz Fate-Point-Einsatz scheitern könnte?
Ich kenne solche Mechanismen aus (inzwischen) relativ vielen Rollenspielen.
Bei UA sind das die Trigger, die an gewisse Bedingungen für den Einsatz geknüpft sind.
Bei Deadlands die Fate-Chips, deren Effekt jedoch nur zum Wundenvermeiden sicher ist, für sonstige Einsätze wie Fertigkeitswürfe ist der Effekt unsicher, weil eben die Würfel nocheinmal "befragt" werden. Bei den Roten Fate-Chips spielt man sogar direkt dem Spielleiter in die Hände, da ja auch der Spielleiter über solche Fate-Chips verfügt. - Im alten Deadlands 1st Ed. hatte es noch die strenge Unterscheidung zwischen Fate-Chips und Bounty Points (Erfahrungspunkten) gegeben. In der 2nd Ed. jedoch werden keine Bounty Points mehr direkt vergeben, sondern nur noch - aber dafür etwas mehr - Fate Chips. Das hat dazu geführt, daß in manchen Gruppen die Charaktere kaum noch etwas hinzuzulernen haben, weil sie ihre starken Chips für "schlechte Zeiten" horten, statt sie für das Lernen und Verbessern einzusetzen.
Bei HeroWars/HeroQuest gibt es die Hero Points, mit denen man nicht den Zufall bemüht, sondern direkt pro Punkt das Ergebnis eines Konflikts um eine Stufe verbessern kann: ein kritischer Fehler wird zu einem Fehler, ein Fehler wird zu einem Erfolg, ein Erfolg zu einem kritischen Erfolg, und darüberhinausgehende Erfolge, reduzieren die Erfolgsstufe des Gegners entsprechend. - Auch hier haben die Hero Points neben der "Editier"-Funktion auch die Funktion von Erfahrungspunkten und sind enorm wichtig die während eines Szenarios erspielten Erfolge zu "zementieren", so daß sie dem Charakter erhalten bleiben.
Bei Angel RPG gibt es die Plot Points, die je nach "Heldenhaftigkeit" des Charakters in unterschiedlicher Menge zur Verfügung stehen: Champions bekommen weniger, die "unterstützenden" Charaktere ohne viel "Musik in den Fäusten" bekommen mehr, und damit auch mehr Einflußmöglichkeiten auf den Verlauf der Geschichte.
Bei Savage Worlds gibt es die Bennies, die praktisch nie eine sichere Sache sind, sondern (fast) immer nur eine Wurfwiederholung oder einen Wurf zur Vermeidung von Wunden etc. erlauben. Diese sind nur indirekt (und auch nicht bei jedem Spielleiter) mit dem XP-Mechanismus verbunden. Sie stellen dort die erhöhte Zähigkeit von Hauptdarsteller-Charakteren gegenüber "Special Guests" oder gar "Extras" dar (Gastdarsteller haben weniger Bennies als die Hauptdarsteller, Extras haben - zumeist - keine Bennies). Der Spielleiter hat für seine Zwecke noch einen kleinen, während des Spiels nicht mehr aufgefrischten Pool an Bennies zur Verfügung, die nicht direkt mit einem bestimmten Charakter verknüpft sind. - Auch wenn man Bennies hat, so ist deren Effekt nie sicher (Beispiel: ein Charakter mußte eine völlig unnötige und mehr als nur mutwillige Kletteraktion über einem Garten voller Mutantengewächse und anderen Gefahren ausführen. Der Charakter konnte weder vernünftig klettern, noch wollte er sich seiner schweren Ausrüstung und Rüstung entledigen. Er scheiterte beim Klettern-Erfolgswurf. Er mußte daraufhin VIER Bennies verbraten, um nicht abzustürzen (die Charaktere fangen im Schnitt pro Spielrunde mit drei Bennies an - vier war so ziemlich alles, was er bis zum Ende des noch jungen Spielabends zur Verfügung haben würde). Das Fehlen der Bennies im späteren Spielverlauf hat er mit bösen und permanenten Konsequenzen durchaus bereut. - ABER: er ist NICHT durch einen einzigen, mies gelaufenen Würfelwurf aus reinem Mutwillen des Spielers abgekratzt. Nicht einmal aufgrund von vier miesen Würfen - den fünften hatte er dann ja schließlich gepackt.)
Das Mittel der Fate-Points wird in unterschiedlichen Rollenspielen, je nach Ausrichtung des Spiels insgesamt (z.B. cinematische Action (Angel), oder Die Hand des Zufalls spielt IMMER mit (Deadlands)) unterschiedlich gehandhabt.
Ich finde die wichtigsten Unterschiede sind, ob die Fate-Point-Thematik an das Lern- und Erfahrungssystem gekoppelt ist, und ob der Fate-Point-Einsatz eine sichere Sache ist.
Eine Kopplung an das Lernsystem hat Seiteneffekte, die einen durchaus für eine Kampagne gewünschten Charakterkompetenzanstieg verlangsamen oder gar völlig ausbremsen können (meine Erfahrung mit Deadlands 2nd Ed.).
Der sichere Effekt beim Fate-Point-Einsatz kommt besser bei sehr heroisch ausgelegten Rollenspielen (HeroQuest) und weniger bei im Kern unheroischen (Unknown Armies). - Das Serenity RPG macht hier eine interessante dritte Alternative auf: wendet man einen oder mehrere Plotpoints VOR dem Wurf an, so darf man zu seinem Wurfergebnis (höher ist besser) das Ergebnis eines anderen Würfels addieren - je mehr Plotpoints, desto größer der Zahlenbereich des Würfels. Wendet man hingegen die Plotpoints NACH dem Wurf an, so gibt jeder Plotpoint nur einen festen Punktewert, der auf das Endergebnis addiert wird - dieser Wert liegt deutlich unter dem Erwartungswert des Würfels, den man bekommen hätte, wenn man den Plotpoint-Einsatz VOR dem Würfeln angesagt hätte. Das ist interessant, weil man so als Spieler besser steuern kann, ob man sich einen riskanten, aber vielleicht lohnenderen (oder Plotpoints sparenden) Weg wählen will, oder ob man erst beim sicheren Fakt, des Scheiterns, durch Plotpoints zu schlechtem "Wechselkurs" ein "Nacheditieren" des Würfelergebnisses vornehmen will.
Ich fände es ziemlich langweilig, wenn ein solcher, mir aus unterschiedlichen Rollenspielen als ziemlich vielfältig einsetzbar bekannter Mechanismus wie der, den die Fate-Points darstellen, nur und ausschließlich für ein "Leben", wie man es im Computerspiel kennt, nutzbar wäre. Das wäre mir zu eingeschränkt. Auch bei Deadlands kann man manchen Schaden nicht mittels Fate-Chips vermeiden, bei HeroQuest haben auch die Gegner ihre Hero-Points und nutzen sie, um einem selbst den sicheren Erfolg zu versauen, und bei Savage Worlds wollen sich die Bennies erst im Spiel verdient sein, die man dann aber auch immer dann ausgibt, wenn man als Spieler mit seinem Charakter mehr Einfluß auf die Richtung der Geschichte nehmen will.
Als Mechanismus möchte ich so etwas wie Bennies, Fate-Chips, Drama-Points, Plot-Points, Hero-Points, Force-Points, etc. nicht mehr missen. Man hat zwar immer noch den Zufall im Spiel, aber man hat mit diesen Regelbestandteilen das RECHT ein Zufallsergebnis in Frage zu stellen.