Klar, irgendwo gibt es Grenzen. Den schwarzhäutigen Nachtalben namens Drizzt der mit zwei Nachtwinden und einem magischen Panther aus dem Unterreich unter Gareth hervorkommt würd ich auch in meiner Runde nicht zulassen. Im Allgemeinen denk ich mir aber eher 'Wie ist es mach- und in Aventurien vorstellbar?' und notfalls müssen Spielerwunsch und Setting halt ein paar Kompromisse miteinander eingehen.
Klar. Das ist natürlich auch ein extremes Beispiel. Man muss auch in einer Dark Ages Vampire Chronik keinen Jedi-Ritter spielen und ich kann den Gedanken der Settingslogik durchaus verstehen, allerdings scheint die Funktion von Stereotypen bei vielen DSA-Menschen, zumindest bei denen, mit denen ich zu tun hatte, nicht ganz gegriffen zu haben. Die gingen davon aus, dass es nur die Stereotypen gibt und alles abseits davon ist ein Überexot, der eben nur vor kommt, wenn die Sterne richtig stehen, der Kaiser in die richtige Richtung niest und die Hexen dreimal um den Baum gelaufen sind - und eigentlich passt das ja dann auch gar nicht mehr nach Aventurien.
So eine Reaktion habe ich zumindest schon auf Gedanken bezüglich minimal abweichende Konzepte bekommen. Ein Hügelzwerg, der zwar faul und heimelig und verfressen und ganz hobbitartig ist, aber eben auch ein wenig missmutig und ab und an aggressiv bis brutal (quasi ein feat seiner Familie) -> Antwort: "ne, passt nicht. Spiel lieber einen Ambosszwerg, die können auch aggressiv sein." Natürlich, ich nehm' einen völlig anderen, kulturellen Hintergrund, weil
eine Charaktereigenschaft aus der Norm fällt, is klar.
Ich muss da gleich den Vergleich ziehen. "SL, kann ich einen Ventrue spielen, der kein Anzugträger und Firmenboss ist? Ich denke mehr an eine Art Freiheitskämpfer. Ich dachte mir, das Anführerprinzip greift da auch ganz gut, gepaart mit einer Ablehnung der größeren Ordnung und mit dem Gedanken, es selbst besser zu wi-" - "Nein, nimm dafür einen Brujah. Das passt zu einem Ventrue nicht"... und wir spielen alle schön nach Schablone, yeah
Kultur: Du siehst es richtig, dass sowas wie 'Mischkulturen', sofern sie nicht schon als solche beschrieben werden (z.B. die Maraskanerviertel und Elfische Siedlung) nicht vorgesehen sind. Hab ich trotzdem auch schon gemacht, aber ist ganz schön was zum Knobeln. Das ist aber eine Sache der Charaktererschaffung. Ein Elf wird z.B. wenn es um Geld, Götterglauben, Adelshierarchie etc. geht auch wenn er beide Seiten kennt sich für eine entscheiden die er mehr zuneigt, und diese Kultur würde ich ihm dann auch geben. Oder soll ich das so verstehen dass du einen spielen willst der sich noch nicht entschieden hat? Dann hat er eher seine Ursprungskultur und der Rest ist Rollenspiel.
Zum Knobeln im Sinne der Werte, oder? Ja gut, dass das System kompliziert ist, weiß ich. Um Entscheidung geht es da rein hintergrundtechnisch nicht, mehr um den "clash of cultures". Ich stell' mir vor, dass ein Elf, der z. B. in einer Stadt lebt und einer sehr menschlichen, vielleicht sogar verruchten Profession nachgeht, graduell klassisch "elfische" Züge vernachlässigt und verliert, gleichzeitig menschlichere annimmt. Aber, dass seine natürlichen Charakterzüge in Kombination mit der fremden Location eben auch zu Reibungen führen. Ein gutes Beispiel ist ein Konzept aus einem anderen Spiel: der Veteran, der aus einem sehr kriegsgebeutelten Land in "die Zivilisation" kommt. Er kannte davor nichts anderes als Krieg, das hat sein Gemüt entsprechend angepasst - auch wenn er versucht, sich an die friedliche Zivilisation zu gewöhnen, fällt auf, dass er Probleme weitaus pragmatischer und unempathischer angeht, weniger Probleme mit Gewalt hat oder generell eine sehr hohe Toleranz, was das angeht. Vielleicht versteht er auch aufgrund seines Pragmatismus die Zurückhaltung seiner Mitmenschen in einigen Belangen nicht und eckt so an.
So ähnlich könnte ich mir das bei etwas exotischem wie einem Elf vorstellen und das macht das Konzept - zumindest für mich - gerade erst spannend. Wenn man gleich die Kultur "switched" und sagt "jo, alles klar: der denkt und handelt jetzt wie ein Mensch, denn das ist seine Kultur. Er ist jetzt ein Mensch mit spitzen Ohren, hättste auch gleich nen Menschen machen und dir die GP sparen können" wirkt das auf mich völlig unsinnig.
Btw, Elfen können durchaus begreifen wie Geld funktioniert und es trotzdem lächerlich finden, denn das entspringt einer anderen Weltsicht.
Natürlich können sie das, warum auch nicht? Das ist ja gerade das, was mich immer so irritiert hat in den dementsprechenden Diskussionen, wenn, die sich darüber beschweren, dass Elfen die nicht wirklich
alle klassischen Elfenzüge besitzen ja nur noch "Menschen mit spitzen Ohren" sind, dann erzählen, dass ihre Elfencharaktere auch nach Jahren der Reise mit einer menschlichen Abenteuergruppe Dinge fragen wie
"Was ist dies für ein goldenes, glänzendes Ding, das ihr dort aus der Hand gibt und warum will euch der Wirt dafür ein Bier geben? Das hat doch gar keinen Wert!"
DAS wirkt verblödet auf mich. Und unnötig. Elfen sind doch nicht dämlich. Natürlich verstehen sie das Konzept und möglicherweise lehnen sie es nachhaltig ab, erachten es als unnötig. So wie ein Dothraki, der zwar versteht, warum die Westerosi sich immerzu bedanken, wenn ihnen was gegeben wird, es aber irgendwie immer noch nicht einsieht.
Wenn er anfängt in den typisch menschlichen Begriffen von Wert und Gegenwert zu denken und das was er als Elf gelernt hat (und mit seinen Sinnen plus Magie erfährt) zu ignorieren, dann ist er wirklich mehr ein Mensch mit spitzen Ohren.
Aber was genau heißt das? "Dann ist er ja nur noch ein Mensch mit spitzen Ohren" wirkte immer so, als implizierte es die Überflüssigkeit des Konzepts, teilweise sogar verbunden mit dem Vorschlag "ja dann mach doch gleich nen Menschen draus, oder zumindest einen Halbelfen". Das Korsett der "korrekten Darstellung" eines bestimmten Volkes, einer Klasse, sogar einer Profession oder regionalen Eigenart scheint mir so eng gespannt, das alles, was darüber hinauswächst als unpassend empfunden wird.
on a semi-related note:
Ich glaube ich habe auch gelesen, dass im Augenblick darüber nachgedacht wird, den Kontinent von Aventurien zu vergrößern, weil man drauf gekommen ist, dass sich die Kulturen bei der jetzigen Größe nicht plausibel oder genug vermischen. Anstatt nun hin zu gehen und das zum Anlass zu nehmen, an einer kreativen Vermischung kultureller Prägungen zu arbeiten und die Welt zu
bereichern, geht man lieber hin und dehnt es alles ein bisschen, damit alles schön abgegrenzt in seinen vorgefassten Grenzen verläuft. Kann doch nicht sein, dass alles outside of the box gleich als immersionsbrechend wahrgenommen wird.