Zornhau
Freßt NAPALM!
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Manch einem Rollenspielprodukt kann man – mit Recht natürlich – nachsagen, daß es eher ein “Bilderbuch”, denn tatsächlich Spielmaterial sei. Hier mal ein rollenspielerischer Blick auf ein ECHTES Bilderbuch – genauer eine Art Comic, bzw. eine Art Katalog, bzw. eine Art Bilderbuch, hmm, also irgendwie alles gleichzeitig.
Es geht um kein geringeres Werk als Dr. Grordborts Glorreichen Wegweiser zum Triumph aus dem bekannten Cross-Cult-Comic-Verlag. (Und das DEPPEN-Apostroph, das dem Leser gleich vom Titel entgegenprangt – “Grordbort’s”, wie kann man nur? – habe ich selbstherrlicherweise radikal eliminiert. Solche Unsäglichkeiten sind fast schlimmer als das, was der gute Dr. Grordbort und seine befreundeten “Gentlemen” in diesem Werke so anrichten.)
Das ganze Unterfangen hier hat eine Vorgeschichte und Folgen. Dazu gleich mehr.
Zu lang; hab es nicht gelesen: Friß NAPALM, faule Fluse! Lern lesen und komm erst dann wieder, wenn Du diesen Artikel mehrfach in unterschiedlichen Farben händisch abgeschrieben hast! – Was für eine verblödete Art mancher Internet-„Blätterer“ durch „tl;dr“-UNFLAT auch noch mit ihrer Unfähigkeit, sich mit Texten voll des Herzbluts und wohlgeführter Sprachgewalt angemessen und respektvoll auseinanderzusetzen, zu kokettieren! Mögen sie alle in der HÖLLE der ignoranten Bastarde schmoren!
Die Vorgeschichte
Meine stets wohlabwägende, alle Seiten gleichberechtigt berücksichtigende und überaus wohlwollende Kritik von Rollenspielpublikationen hatte in der Vergangenheit oft das bedauerliche, wenn auch unabstreitbar korrekte Ergebnis, daß manch ein Rollenspielbuch eher ein BILDERBUCH als ein für das Spielen eines Rollenspiels geeignetes Werk ist. – Aus der Sicht eines Rollenspielers, der sich derartige Produkte nicht zur Ablage im Regal oder zum jegliche mühsam erworbene Lesefähigkeit durch Nichtgebrauch verkümmern lassenden Durchblättern erwirbt, sondern zum SPIELEN sind solche Bilderbücher im Gewande eines Rollenspiels natürlich ein Grauen, welches mit rechtschaffenem Nachdruck angeprangert gehört.
Dies sehr wohl wissend, trug mir Skar aus diesem Forum etwas heran. Skar hatte beim visuellen Verkosten von Dr. Grordborts Glorreichem Wegweiser zum Triumph offenbar sogleich „rollenspielerische Assoziationsempfindungen“. Das ist das Gefühl, welches einen Rollenspieler überkommt, sobald er Nicht-Rollenspielprodukten begegnet, die förmlich nach einer rollenspielerischen Umsetzung rufen. Er kontaktierte mich fernschriftlich in dergestalt euphorischer Weise, daß meine Neugier geweckt wurde auf das Objekt, welches ihn wohl zu solchen Lobeshymnen bewogen haben mochte. – Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könne dieses Grordbort-Werk unter meinem unparteiischen, keramikmesserscharfen Adlerblick zu nehmen.
Da ich zwar durchaus ein reger Konsument wunderlicher Bildergeschichten von Überhelden mit Überfähigkeiten und dergleichen bin und da ich mich bekanntermaßen als rundum interessierter, vielfältigsten Herausforderungen mutig die Stirn bietender Kritiker engagiere, mag solch ein Ansinnen nicht völlig abwegig sein. – Jedoch war ich erst skeptisch und wies in meiner grenzenlosen und aus härtester Selbstkritik geformten tiefen Bescheidenheit darauf hin, daß ich mich außer Stande sehe eine sachgerechte Kritik im Rahmen einer echten „Comic-Rezension“ abzuliefern. Dazu müßte ich einen weitaus sachkundigeren Expertenkenntnisstand in puncto Comics aufbringen, als ich es vermag. Somit würde ich nichts zur Einordnung dieses Werkes hinsichtlich des Zeichenstils, der Seitengestaltung, des künstlerischen Umfelds usw. beitragen können. All das, was eine auch noch so oberflächliche Comic-Rezension zwingend leisten muß.
Dennoch ermutigte mich Skar, indem er meinen Alternativvorschlag zu einer Comic-Rezension, nämlich einen ROLLENSPIELERISCHEN BLICK auf dieses Bilderbuch zu werfen, willkommen hieß.
Somit veranlaßte er alles Notwendige und binnen kürzester Zeit traf bei mir eine postalische Sendung des Cross-Cult-Verlags ein. (Neben dem Dr. Grordbordt-Band enthielt diese Sendung noch zwei weitere, bemerkenswerte Produkte zeitgenössischen graphischen Schaffens, welche ich in nicht allzu ferner Zukunft mit einer angemessenen Würdigung bedenken werde.)
Mindermitreißender Exkurs:
Das bundesdeutsche Urheberrecht ist eine trickreiche Angelegenheit, gefährlicher als die Venus-Dschungel oder die Mars-Steppen! So ist es ohne Erlaubnis der jeweiligen Rechteinhaber nicht erlaubt auch nur das Titelbild eines rezensierten Werkes zur Illustration in einem Blog-Artikel wie diesem zu verwenden. – Natürlich ist das Besprechen von Verlagsprodukten im Sinne der betreffenden Verlage, aber dennoch gibt es manche Verlage hierzulande, welche lieber Paletten ungelesener Produkte in ihren „Bücherspeichern“ horten, als Rezensenten zu erlauben diese Produkte ins Auge (sic!) der Öffentlichkeit zu bringen. – Nicht so jedoch der Cross-Cult-Verlag! Von diesem habe ich nämlich eine Zusammenstellung von Bild- und Text-Auszügen zur Verwendung eben gerade bei Besprechungen des hier das Thema darstellenden Produktes erhalten. Alle hier in diesem Artikel vorgenommenen Zitate in Text- oder Bildform entstammen dieser „Pressemappe“ und sind rechtlich beim Cross Cult Verlag (2013) angesiedelt. – Mein Tipp an andere Verlage: LERNT an diesem Beispiel, wie es richtig und rechtlich für die Rezensenten unverfänglich gemacht wird!
Und falls jemand durch das R-Wort im mindermitreißenden Exkurs nun vollends verwirrt sein sollte: Dies ist bzw. wird (bzw. wird, wenn die geschätzten Leser sie im Internet einsehen können, geworden sein) immer noch KEINE Comic-Rezension!Oh, und das Produkt ist natürlich auch kein Comic, sondern – so vermutet Skar jedenfalls – eine Art „graphischer Roman“ (auf gut Deutsch: graphic novel – Wo ist noch mal meine Strahlenpistole, wenn man sie gerade dringend braucht um BEKLOPPTE Begriffe ein für alle Mal mitsamt deren Verwender aus diesem Universum herauszudesintegrieren?).
Kommen wir nun also zum informativen Teil des Abends: den HARTEN FAKTEN.
Freßt harte Fakten, Ihr Weichziele!
Im Ernst, Leute. Das sind Informationen, die selbst ein minderbegabter Bonobo selbständig aus dem Internet herauszusuchen imstande ist. Soll ich Eure und – vor allem – MEINE Intelligenz dadurch beleidigen, daß ich Euch hier solche Trivialitäten wiederkäue?
Ah. Gut. – Ich verstehe. Nun, manch eines Erdenbewohners Intelligenz kann offenbar nicht beleidigt werden, aus substantiellen Gründen, genauer: dem eklatanten Mangel an selbiger.
Somit, nehmt sie hin, die trockenen Fakten:
Titel: Dr. Grordbort‘s Glorreicher Wegweiser zum Triumph – Gesammelte Werke (hier MIT Deppen-Apostroph!)
Autor/Zeichner: Greg Broadmore
Druckausgabe: Hardcover, Albumformat, 160 Seiten mit Lesebändchen
Preis (unverbindlich und, nein(!), ich schaue nicht nach, ob sich an dem Preis von vor irgendwann irgendwas geändert haben mag!) Euro 39,80
ISBN: 978-3-86425-186-3
Erschienen im September 2013 im Cross-Cult-Verlag.
(Nicht Gegenstand dieses Artikels, aber gut zu wissen: Es gibt auch eine digitale Ausgabe für Kindle und als PDF-Datei, die – siehe oben die Anmerkung zum Preis des Hardcovers – für Euro 19,99 zu haben sein soll.)
Da.
Glücklich?
Gern geschehen. – Nein, wirklich. Es hat mir wahrlich keine Mühe gemacht. – Aber nicht doch! Dieser Überschwang an Dankbarkeit macht mich beinahe verlegen. Hier nehmt mein Taschentuch und trocknet Eure Dankestränen und lest weiter, denn wie bei einer Wurst kommt das Beste erst am Ende!
Der Hintermann
Wer ist eigentlich dieser Greg Broadmore? – Gute Frage! Weiß ich auch nicht.
Ich bin nicht so bewandert in den Personalien derer, welche durch abenteuerliche Zeichnungen und noch abenteuerlichere Texte abenteuerliche Fiktionen erstellen und dies als eines ehrlichen Tages Werk darstellen wollen.
Daher ziehe ich meine Einmal-Gummihandschuhe über und klicke mich durch die Pressemappe auf der Suche nach mehr Information über Greg Broadmore. Und ich werde FÜNDIG! Hurra!
„Greg Broadmore ist ein Abenteurer, ein Haudegen, ein Pionier, ein Erkunder anderer Welten – nämlich seiner eigenen Welt – Der Welt von Doktor Grordbort und Lord Cockswain, die von allerlei Merkwürdigkeiten wimmelt.
Seit knapp 13 Jahren arbeitet er bei den Weta Studios, der berühmten Special-Effects-Schmiede, und ist dort als Concept Designer und „Erschaffer von Welten“ gelistet. Er war schwer in die Ausarbeitung von DISTRICT 9, sowie KINGKONG, BLACKSHEEP, AVATAR und noch vielen weiteren Kultfilmen involviert.
Vor seiner Einstellung bei Weta Workshop illustrierte der gebürtige Neuseeländer mehr als 30 Kinderbücher und veröffentlichte seinen Comic KILLER ROBOTS WILL SMASH THE WORLD. Seine Vorliebe für Videospiele, Roboter und dem Außergewöhnlichen half ihm bei der Gestaltung der „Dr. Grordbort Raygun Range“, einer Edition spektakulärer Strahlenkanonen in limitierter Auflage.“
(Hei! Ein Textzitat! Wo das wohl herkommt? – Wer es weiß, der hat den obigen, eigens hervorgehobenen Exkurs gelesen. Wer nicht, der liest diesen Exkurs jetzt SOFORT und dann schreibt er ihn hundertmal händisch mit Federkiel auf handgeschöpftem Papier ab!)
Und so sieht er aus, der Hintermann hinter Dr. Grordborts Glorreichem Wegweiser zum Triumph:
Na, DAS nenne ich einen RICHTIGEN MANN! – Welch virile Ausstrahlung! Welch widerhakenbewehrter stechender Blick! Welch ultradicke Strahlenwumme!
Es ist klar, daß nur solch ein Prachtstück von MANN ein derartiges Werk wie die gesammelte Ausgabe der Dr. Grordbort-Bücher ersinnen konnte. Kein Weichei würde je in der Lage sein auch nur die nackten, haarlosen Ideen in diesen Büchern in ihrem Embryonalstadium zu ertragen, ohne daß ihm das Hirn wie zerlassene Butter aus den Ohren sabberte. Aber Greg Broadmore hat ein Hirn aus Panzerstahl und Nerven wie Desintegrationsstrahlen! Die besten Voraussetzungen für den Umgang mit derartigen Hochenergie-Ideen, wie sie in die Grordbort-Bücher eingeschmiedet wurden.
(Übrigens: Man kann derartige Strahlenkanonen auch käuflich erwerben. Siehe hier: www.wetaNZ.com – man weiß ja nie, wann man „Besuch“ von außerirdischen Invasoren oder der NSA bekommt, so daß die alte Faustregel gilt: Strahlenwaffe bereit, nie gereut!)
Nebenbei: Dr. Grordbort unterhält offenbar auch seine eigene Dr. Grordbort-Webseite. Ein vorsichtiger Blick mit Flammschutzdecke gleich neben dem Rechner lohnt sich.
Nun aber genug um den radioaktiv strahlenden, von innen leuchtenden Brei herumgeredet.
Wir wissen nun um die harten Fakten und den härteren Erschaffer des hier besprochenen Werkes. Daher ist es an der Zeit einen Blick hinein zu werfen. – Schutzbrillen aufgesetzt, Jod-Tabletten eingeworfen, Vierpunkte-Gurt festgezurrt, die freie Hand auf der geladenen und entsicherten Kurzwaffe? – Dann mal los!
Mein Senf
Was man in diesem mit grundsolidem strahlenabweisenden Einband und null-gravitations-zertifizierten Lesebändchen versehenen Bilderbuch geboten bekommt, ist nicht etwa nur ein Buch! Nein, auch nicht zwei Bücher! – Man sieht, daß sich Dr. Grordbort an die wissenschaftlich gebildeten Leser wendet, bei denen das Zählen bis drei eine bewältigbare Herausforderung ist: Man bekommt hier gleich alle DREI bisher erschienenen Dr. Grordbort-Bände dargeboten!
Dabei handelt es sich im Einzelnen um:
- Doktor Grordborts kontrapulatorisches Dings-Verzeichnis
- Sieg
- Triumph
Leider gibt es im gesamten Buch KEINE SEITENZAHLEN, so daß direkte Verweise auf bestimmte, herausragende Seiten oder auch nur ein komfortables Errechnen des jeweiligen Seitenvolumens der einzelnen drei Bände unmöglich ist. Und ich werde mir NICHT die Mühe machen händisch die Seitenanzahlen abzuzählen. Beschwert Euch bei Cross-Cult darüber, daß sie verlagsseitig wohl die Errungenschaft fortlaufend numerierter Seiten noch nicht realisiert haben!
Im Folgenden werde ich meinen ROLLENSPIELERISCHEN BLICK auf jeden einzelnen Band separat schweifen lassen und jedem bemerkenswerten Merkmal wie einem prallen Knackwürstchen meinen Senf beifügen.
Band I – Doktor Grordborts kontrapulatorisches Dings-Verzeichnis
Glcich zum Einstieg erhält man einen Blick auf das Originaltitelblatt – natürlich auf Englisch – dieses Werkes. Durch die Art und Menge an Zierat und Strahlenpistolen wird gleich klar, daß es sich um ein auf der aktuell immer noch nicht abgeflauten Welle des „SteamPunks“ schwimmendes Werk handelt. – Steampunk verspricht die Romantik, die umständliche Etikette viktorianischer Zeit, gepaart mit unverstehbarer, anachronistischer, zahnradreicher Technik als zentrales Versatzstück. Mal sehen, was davon hier zu finden ist.
Im Vorwort begrüßen Doktor E. Grordbort und einige seiner Wissenschaftler-„Kollegen“ oder besser „Wissenschaftler“-Kollegen den Leser sogleich mit einem herzhaften Willkommen in der „Zukünftigkeit“. Dieser erste Band präsentiert sich zu einem Teil als KATALOG abstrusester Erfindungen, zum anderen als Comic mit den Abenteuern(?) von Lord Cockswain, einem Gentleman(???)-Abenteurer, der so ziemlich jedes Ideal viktorianischer Romantik und „Gentleman-like Behaviour“ mit Füßen tritt, es kastriert, mit Elektroschocks foltert und dann in Stücke schießt, bevor er aus dem kärglichen Überrest eine weitere Trophäe für seinen Salon ausstopfen läßt.
Steampunk-Romantik? Hmm, wohl weniger.
Technikverliebtheit in dubios-unsinnige, unverständliche Apparillos? Oh, JA!
Wenn ich mir die Visagen der „Wissenschaftler“ im Vorwort anschaue, dann sehe ich sogleich Charakter-Porträts für Rollenspielcharaktere (vermutlich eher in der Richtung „verrückter Wissenschaftler“). Schon einmal sehr anregender Einstieg.
Der eigentliche Herbstkatalog, das titelgebende Doktor Grordborts kontrapulatorisches Dings-Verzeichnis beginnt sogleich mit einer enorm umfangreichen Kollektion von Strahlenwaffen dubiosesten Designs. Manche wirken außerordentlich fragil, scheinen jedoch - den Begleittexten zufolge – klassische Waffen der Massenvernichtung im handlichen Format zu sein.
Gerade die „Seiteneffekte“ mancher der beschriebenen Waffen lassen sich rollenspielerisch sehr schön als Twists, Komplikationen und böse Überraschungen umsetzen. Allein dieser Katalog ist für jeden, der Rollenspiele mit „verrückter Wissenschaft“ betreibt, einen längeren und in die Tiefe gehenden Blick wert.
Schon die „Schreibe“ der Produktbeschreibungen macht klar, daß hier alles andere als „political correctness“ im Spiel ist. Die Texte sind gewaltverherrlichend, frauen-, kinder-, ausländer-, exoterrestrier-, tier-, pflanzen-, immobilien-, usw. verachtend und nichts für schwanzlose Fremdempörer, die ihr weiches, wabbeliges Anhängsel nur durch „putatives Gutmenschentum“ zu wattestäbchenartiger „Steifigkeit“ bringen können.
Dr. Grordbort schreibt HEFTIGE Dinge in HEFTIGSTEM Tonfall. Wer eine Pussy ist, der braucht hier keinen Blick zu riskieren, um nicht errötend in schmachvolle Ohnmachtsumnachtung zu fallen!
Jeder normale Konsument offen bekundeter Freude an Gewaltausübung (fiktiver natürlich – es ist nur ein BUCH, Ihr Deppen!) bekommt hier ordentlich Masse auf die anabolikagestärkten Lachmuskeln, denn sogar das „Kleingedruckte“, die Fußnoten, die Seitenrandbeschriftungen, usw. sind außerordentlich ergötzlich und das Konsumieren einer einzigen Seite dieses „Herbstkatalogs“ braucht länger, als man vielleicht erwartet, wenn man wirklich ALLES an Genuß aus der Seite ziehen möchte.
Als Rollenspieler würde ich mir gerade bei den auf „Ausrüstungs-Porno“ setzenden Rollenspielen derartig HUMORVOLLE und interessant gemachte Kataloge wünschen. Manche Rollenspiele bieten so etwas, aber in meinen Augen viel zu wenige.
Neben Waffen finden sich hier auch dubiose „Sitzmöbel“ wie das Posteriotron 12, den Lazoplod 300 (eine Mischung aus Fernsehsessel und leichtem Mech) und natürlich Raumschiffe, Mondjäger, Panzeranzüge wie den „Mutmantel“ oder Erdungsstiefel.
Zur sprachlichen Qualität der Übersetzung:
Insgesamt ist die Übersetzung der im Englischen oft Wortspiele darstellenden Benennungen der Geräte befriedigen gelungen. Es gibt immer mal wieder gewisse „Aussetzer“, wo ich mich frage, warum manch ein Begriff wie z.B. „Heavy Shock Troops“ NICHT übersetzt wurde. Daher kann ich hier an Schulnoten nur ein Befriedigend (und ein Dutzend Schläge mit dem Rohrstock auf den Allerwertesten der Übersetzer) vergeben. – Manche Texte sind sicherlich besonders schwer zu übersetzen und angesichts der sehr graphisch orientierten Quelle sind manche Begriffe einfach Teil der Zeichnung (und kommen nicht, wie in manchen anderen, schon auf Übersetzung ausgelegten Produkten, in unterschiedlichen Ebenen vor, so daß man die Texte separat übersetzen kann). Dennoch ginge hier mehr.
Weitere Glanzlichter aus dem „Herbstkatalog“: Mondpanzer zur Niederwerfung des Mondes und zum Ausrotten der lästigen Mondbewohner, Wandelnder Kriegswagen (Kreuzung aus U-Boot und überdimensionalem mechanischer Krabbe) und natürlich diverse Arten robotischer „Helfer“ mit dem netten Hinweis darauf, daß sie garantiert ihre fleischlichen Herren niederwerfen werden. Danke für diesen Sicherheitstipp!Nach allerlei Vermischtem an verrückten Gerätschaften folgen dann wieder haufenweise Waffen – diesmal auch (trotz des an sich ziemlich misogynistischen Tonfalles des Buches) solche Schätze wie der „Siegreiche Mungo 1902a“, eine leicht verbergbare Strahlenpistole, bestens geeignet für das Strumpfband einer auf ihrer körperliche Unversehrtheit bedachten Dame.
Der „Herbstkatalog“ findet seinen Abschluß mit einer Reihe an Charakter-Porträts, die „Referenzen“ zufriedener Kunden begleiten. Es ist geradezu herzerwärmend, wenn ein alter Seebär seine Meinung zum „Menschenschmelzer 3600 ZX“ abgibt und ergänzt, daß nach Benutzung das Gefühl in seinen Lenden schon nach etwa sechs Wochen wieder zurückkehrte. – Ich LIEBE diese „Seiteneffekte“ der beschriebenen Geräte!
Weiter geht es mit einer spannenden Abenteuergeschichte rund um den Helden, ähm sagen wir eher die wiederkehrende Figur des Lord Cockswain.
Lord Cockswains Wunderbare Planetare Exkursionen.
Das ist ein eher klassischer Comic mit Bildern voller farblicher Brillianz, entsetzten nicht-terrestrischen Eingeborenen (nicht aufrichtig herzlich in ihren Willkommensbezeugungen und mutmaßlich bösartig) und natürlich der ganzen Mannespracht von Lord Cockswain, der Leibhaftigwerdung der genetischen, intellektuellen und kulturellen Überlegenheit Englands über den Rest des Universums.
Diese Bildergeschichte stellt einen eher unfreiwilligen Besuch Lord Cockswains auf der Venus
dar – den eine Unmenge Eingeborener und natürlich eine noch weit höhere Anzahl an Venus-Getier mit dem Leben bezahlen muß. Die Fauna der Venus, die hier (meist im Moment des Abschusses durch Lord Cockswain) dargestellt wird, läßt die Phantasie (und die Spielwerte-Zuordnungen) von Rollenspielern ordentlich in die Gänge kommen. Man lernt hier eine Art „Bestiarium der Venus“ kennen – und wie die dargestellten Kreaturen aussehen, wenn man ihnen Körperteile desintegriert oder sie mittels Strahlenwaffen zum Zerplatzen bringt.
Besonders markant: die Reaktionen und die ihm zuteil werdende Behandlung des „Eingeborenenträgers“.
Nach dem obigen Comic gibt es noch ein ganzseitiges „Pin-Up“-Bild mit dem Titel „Moon Mistress vs. Metal-Men“. Auch hier hätte man, wenn man wollen und können hätte können und wollen, eine deutsche Übersetzung finden können, statt den englischen Text so zu belassen. (Es wäre zumindest nett gewesen für manche des Englischen vollständig Unkundige per Fußnote die deutsche Übersetzung an den Seitenrand zu plazieren. Ein Vorschlag für zukünftige derartige Projekte.)
Dieses Pin-Up enthält eine der seltenen Frauendarstellungen in diesem Buch – ein dunkelhaarige, üppig gerundete junge Frau, der vermutlich das badeanzugartige Einteilerleibchen auf den Körper gemalt wurde, welche mit zwei Strahlenpistolen – jeweils unterschiedlicher Bauart – eine Horde „Roboter“ kurz und klein und in Brand schießt. Ansehnlich, aber sicher nicht „zu sexy“ oder so.
Generell ist hier Sex in den Darstellungen eher sehr selten zu finden, Gewalt hingegen in geradezu überwältigendem Überfluß.
Letzte Seite in diesem ersten Band, dem „Herbstkatalog“, ist eine Werbeanzeige für die LARP-tauglichen Strahlenwaffen (einen Link dazu habe ich oben schon aufgeführt – sucht selbst!).
Kleiner Exkurs zur Steampunk-Romantik
Steampunk in und außerhalb des Rollenspiels ist geradezu pomadengeschwängert romantisch. Man nimmt sich eine Zeit industriell-technischer Entdeckungen und Neuerungen, in welcher aber noch Benimm, Etikette, soziale Verfügungen alter, biederer Zeiten vorliegen. Dazu etwas sexy Korsagen und zu kurze Röcke, daß die Jungs was zu gucken haben, und fertig ist der Steampunk.
Für mich sieht es so aus, als ob Steampunk die „Vorlagen“ unserer realen Historie auf ein Umfeld exzentrischer Adeliger, reicher nicht minder exzentrischer Erfinder und ihrer gesellschaftlichen Rolle Hohn spottender, „over-sexed“ Femmes Fatales reduziert. – Schon die sonstigen gesellschaftlichen Schichten werden ausgeblendet. Ja, gewiß. Es darf ab und an mal „a gentleman’s personal gentleman“, eine Art Jeeves, als markanter Charakter des niederen Standes auftauchen, doch darf an dem „Upstairs, downstairs“-Gefüge nicht gerüttelt werden und – vor allem – WILL NIEMAND „die da unten“ wirklich sehen oder gar verkörpern!
Die Steampunk-LARPer, welche auch z.B. auf der RPC so zahlreich herumlaufen und mit absurden Uhrwerk-Accessoirs und Schweißerbrillen aufwarten, stellen ja nicht gerade die MASSE der zu ihrem jeweiligen LARP-Setting gehörigen Gesellschaft dar, denn diese würden mit mehrfach runtergetragenen fadenscheinigen Klamotten aus dritter Hand notdürftig bekleidet, mangelernährt, rachitisch, chronisch krank, ungebildet und generell „unansehnlich“ daher kommen. Keine Spur romantisch!
Viele Steampunk-Settings, aber auch Romane und Comics, blenden einfach die Unsäglichkeiten der frühindustriellen, kaltherzig liberalen Arbeiterausbeutung aus, ignorieren die bestialischen Greueltaten der imperialistischen Mächte in ihren Kolonien (Belgien – nur mal ein Beispiel). – Warum?
Klar, weil man sich auf das SCHÖNE, das FASZINIERENDE, das SAUBERE und das NETTE konzentrieren möchte. Realitätsflucht in pseudohistorische Zeiten. Daran ist nichts Schlechtes, denn man muß ja nicht gleich zum „Baumkuschler“ werden und in die Gefilde der EDO-Fantasy entfliehen, wenn man mal ein wenig heilere Welt als unsere heutige mit Globalbespitzelung, Fracking-Vergiftungswahnsinn, Hartz-IV-Menschenverachtung etc. geplagte heutige Welt erleben möchte.
Die, wie ich finde, intelligenter aufgezogenen Steampunk-Rollenspiele wie z.B. Space 1889 verlagern die dunklen Seiten der Zeit des Imperialismus auf andere Planeten, machen die dortigen Ureinwohner als nicht-realweltliche Völker zu Opfern. So verfährt England in Space 1889 mit einer sehr ähnlichen Kolonialpolitik auf dem Mars wie historisch auf der Erde. So sind die Belgier auf dem Mars die blutsaufenden Schlächter, die sie in Afrika unserer realen Historie tatsächlich waren. – Das ist intelligent, weil es für ABSTAND in den Köpfen der Spieler sorgt.
Man muß sich nicht mit den historisch belegten 15 Millionen durch die Belgier abgeschlachteten Schwarzafrikanern plagen, sondern man kann sich als HELD beim Kampf gegen die durch die Belgier gerade abgeschlachtet werdenden Marsianer beweisen. Das gibt positive Motivation, weil man tatsächlich etwas in dieser fiktiven, nicht-irdischen Historie ÄNDERN kann.
Die Darstellungen in den Dr. Grordbort-Bänden sind absichtsvoll ZYNISCH und bisweilen von kaum erträglicher „Fremdwesen“-Verachtung geprägt. Doch stellen sie KEINE „Werbung“ für solch ein Verhalten dar, sondern sie nutzen das Mittel der überzogenen Darstellung, daß einem das Lachen oder auch nur das Seufzen im Halse steckenbleibt.
Die optische Opulenz der Präsentation der gewalttätigen „Überlegenheit“ der englischen Erdenmenschen über den Rest des Universums, die kann einen schon beim ersten Durchblättern in den Bann ziehen. Immerhin: genau so WIRKT ja Propaganda! Das ist der Sinn und Zweck von den fiktiven Rekrutierungs-Plakaten und dergleichen, die man in den Dr. Grordbort-Bänden findet. – Doch beim zweiten und dritten Lesen merkt man, wie intelligent und wohlüberlegt Greg Broadmore seine Akzente gesetzt hat. Die schiere, ungehemmte und unterträglich arrogant dargebotene Gewalt von Lord Cockswain berührt einen als Leser mit der Zeit unangenehm – und genau das SOLL sie auch!
Das Buch in seinen drei Bänden ist KEINE simple „Opium-Phantasie“ einer „steampunkigen“, abenteuerlichen Zeit, in der ein richtiger Mann mit einer dicken Strahlenkanone noch ordentlich Spaß haben konnte, sondern es hält sowohl den irdisch-historischen, als auch den heutigen Zeiten einen visuell opulenten, knallbunten, „steampunkigen“ Zerrspiegel vor.
Gut gemacht!
Der nächste Steampunk-Romantiker, der mir über den Weg läuft, bekommt mit einem dicken Bildband über die belgische Kolonialzeit den Arsch versohlt!
Soviel zum Exkurs.