Die Wahrheit über Poison'd

Georgios

Mad Man
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Poison'd ist ein Piratenrollenspiel. Geschrieben von Vincent Baker, der auch Dogs in the Vineyard und kill puppies for satan geschrieben hat. (Für 7$ kann man sich das PDF auf seiner Website holen.) Man spielt dabei Piraten, die unter dem Kommando von Capt. Brimstone Jack stehen, welcher zu Beginn des Spiels vom Koch verraten und vergiftet wurde. Das Spiel beginnt damit, dass das leicht angeschlagene Schiff "The Dagger" ohne Kapitän ist, die Charaktere irgendwie mit seinem Mörder umgehen müssen und "The Resolute" auf Befehl des Königs die Crew jagt.

Was im Spiel geschah....


Nachdem die Spieler versuchten den Koch Tom Reed zu lynchen, aber niemand von ihnen sich überwinden konnte, wurde ein neuer Kapitän gewählt. Nimble Jack rief eine alte Schuld bei Crooked Smile Jimmie ein, welches es ihm erlaubte erst die Hälfte und später die gesamte Mannschaft hinter sich zu vereinen. Sein erster Befehl lautete Kurs auf Port-au-Prince um sich dort an der geheimen Schatzkammer des Gouverneurs zu vergehen. Beim Versuch die Festung zu erobern, wurde die "The Dagger" kampfunfähig geschossen und verlor 29 Mann. Capt. Nimble Jack gab sich jedoch nicht geschlagen und rief auf die Festung über den Landweg zu erobern. One-Shot Joe konnte sich hineinschleichen und die Waffenkammer besetzen. Der Kapitän folgte ihm und stellte den Kommandanten in einem Zweikampf. Dieser kämpfte inkompetent, aber dafür bis in den Tod. Die Mannschaft, die nun ohne Kommandanten auskommen musste, war verwirrt und wurde im Alleingang von Little John zur Aufgabe überredet. Während die Spieler nun debatierten wie sie den Schatz am sinnvollsten aufteilen könnten... es war kurzzeitig im Gespräch die Festung zu besetzen... traf die Resolute ein. Der gnadenlose Capt. McPherson befahl in guter militärischer Manier fast seine gesamte Mannschaft in den sicheren Tod beim Versuch eine mit Kanonen bestückte Festung zu stürmen. Als er anschließend Fersengeld gab, wurde er von Little John verfolgt und gestellt. Im anschließenden Zweikampf konnte sich Little John erneut beweisen und schnitt dem Kapitän ein Ohr ab. (Welches er später an einer Halskette tragen würde, um sich so seinen fiesen Ruf aufzubauen.) Mit siegreicher Mannschaft nahm Capt. Nimble Jack die fast leere Resolute ein und entdecktTom Reed gefesselt unter Deck.

Freundlich wie Nimble Jack nun mal ist, stellte er Tom Reed und McPherson frei um die Aufnahme in seine Mannschaft (und damit ihr Überleben) zu kämpfen. Crooked Smile Jimmie schanzte seinem ehemaligen Freund Tom ein Messer zu und der Kampf begann...

Was ich davon halte...


Die einstimmige Meinung auf Seiten der Spieler lautete, dass das Spiel recht zäh lief. Das lag vor allem daran, dass das Spiel zwar gerade mal 20 Seiten lang ist, aber wohl das komplizierteste und schwierigste Spiel, dass ich in meiner Sammlung habe. Zumindet als Spielleiter ist es eine ziemliche Herausforderung das Spiel flüssig zu halten. Paradoxerweise ist Poison'd ein Spiel, welches eigentlich regel-leicht wirkt, aber in der Praxis haben die Spieler immer wieder versucht Regeln aufzurufen um "X" zu sammeln und so ihre Chancen in einem Kampf zu verbessern. Diese "X" kann man durch Aktionen sammeln, welche einen Würfelwurf verlangen. Die 4 Kategorien für solche Aktionen lauten: "unter Druck handeln oder an seine körperlichen Grenzen gehen", "sich Gefahr aussetzen" (solange es kein Kampf ist), "geschickt oder clever handeln" und "jemanden angreifen der hilflos oder wehrlos ist". Wenn der Wurf gelingt, kann man "X" anrechnen und diese in einem Kampf (der früher oder später eintreten wird) als wichtige Kampfressource nutzen.

Zum Teil lässt sich das sicherlich damit erklären, dass dies eine Proberunde für uns alle war und wir die Regeln "ausreizen" wollten. Allerdings denke ich, dass das Spiel auch sonst würfellastiger ausfallen wird. Da die Würfel jedoch einen sehr direkten Bezug zur Fiktion haben, ist das nicht ganz so nachteilig wie man vielleicht denken mag. Es hat mich vom Spielablauf sehr stark an D&D erinnert. Es geht um sehr zielstrebige Charakteren, welche oft den Kampf suchen. Drumherum entsteht eine sehr ergebnisoffene und unvorhersehbare Abenteuergeschichte, welche statt edelen Helden, ziemliche Rauhbeine in den Mittelpunkt stellt.

Ein weiterer Punkt, den ich sehr bemerkenswert fand, war die Reaktion der Spieler auf die Einschränkungen, die die Regeln auf die Charaktere hatten. Die Spieler, die die Persönlichkeiten ihres Charakters gerne frei im Spiel entwickeln (wie z.B. bei Primetime Adventures oder Dust Devils) empfanden das Würfelsystem als sehr einengend. Wenn man seinen Charakter zu Beginn des Spiels erstmal auf eine Bahn gesetzt hat, dann war es nicht wirklich möglich sich zu wandeln. Ein Charakter, der als brutaler und gewissenloser Pirat erschaffen wurde, hat kaum Chancen irgendwann durch Cleverness oder Geschicklichkeit zu glänzen. Dafür muss man schon sehr viel Würfelglück haben. So riefen zwar 3 Charaktere zu Beginn dazu auf Tom Reed zu lynchen, aber nachdem sie alle ihre Brutality-vs-Soul Würfe vergeigten, konnten sie sich nicht dazu bringen Tom wirklich zu ermorden. Das war ein sehr ungewohntes und unerwartetes Resultat für eine Rollenspielrunde. :) Interessanterweise empfand der Spieler, der sonst wenig darauf zu achten scheint, ob seine Charaktere sich nachvollziehbar oder glaubwürdig verhalten, die Regeln sehr hilfreich dabei eine Figur zu spielen, die sich charaktergerecht verhält.

Dadurch, dass man bei diesen Würfen immer einen Aspekt des Charakters gegen einen anderen Aspekt des Charakters würfelt, ringt man als Spieler quasi immer zu einem gewissen Grad mit dem Gewissen der Figur. Manchmal ist der Spieler die Stimme der Vernunft, manchmal ist er es nicht. Gerade das führt zu einem sehr ungewohnten, aber wie ich finde sehr spannenden Bezug zum Charakter und seinen Taten. Gestern war ich von der zähen und etwas schwerfälligen Art des Regelwerks enttäuscht. Aber mittlerweile denke ich, dass mit etwas mehr Übung und Eingewöhnung in die Regeln ein sehr abenteuerlastiges, charakter-zentriertes Rollenspiel entstehen kann.

Ich denke, es wird noch ein bis zwei Spielrunden brauchen, bis ich das Spiel wirklich sicher und flüssig leiten kann. Allerdings stelle ich es mir dann durchgängig spannend und spaßig vor, statt immer nur kleine Glanzlichter zu sehen. Wie etwa Little John, der einfach so cool ist, dass er allein eine ganze Wachmannschaft zur Aufgabe gezwungen hat. Oder Capt. Nimble Jack der nicht still genug halten konnte, um das Schiff im Dunkel der Nacht an die Festung zu bringen, sondern sofort das Feuer eröffnen musste.
 
AW: Die Wahrheit über Poison'd

Poison'd ist ein Piratenrollenspiel. [...] Man spielt dabei Piraten, die unter dem Kommando von Capt. Brimstone Jack stehen, welcher zu Beginn des Spiels vom Koch verraten und vergiftet wurde. Das Spiel beginnt damit, dass das leicht angeschlagene Schiff "The Dagger" ohne Kapitän ist, die Charaktere irgendwie mit seinem Mörder umgehen müssen und "The Resolute" auf Befehl des Königs die Crew jagt.

Schon das war mir irgendwie entgangen, wo doch so viel über dieses Spiel geredet wurde. Interessant.
 
AW: Die Wahrheit über Poison'd

Ein weiterer Punkt, den ich sehr spannend an dem Spiel finde, ist der Grad an Spielvorbereitung. Besser gesagt, das völlige Fehlen der selben. Alle NSCs, Probleme und Situationen werden während des Spiels entworfen. Man bestimmt ein paar Details, leitet daraus die 1-2 Zahlenwerte ab, die man braucht; packt einen Namen rauf und fertig. So lassen sich einzelne Piraten, Schiffe mit Besatzung oder gar Festungen in unter 20 Sekunden erschaffen und das Spiel kann weiter gehen.

Auch gefällt mir sehr, dass sowohl Duelle, Schiffkämpfe und das Stürmen von Festungen oder ähnliches recht elegant durch die Regeln gehandhabt wird und schnell und effektvoll über die Bühne geht. Wenn man denn die Regeln im Griff hat. (Was bei mir leider am Montag nicht der Fall war. Ich hoffe, dass ich das beim nächsten Versuch etwas besser hinbekomme.)

Überhaupt spielt sich das Spiel weit weniger Brettspiel-lastig als man nach dem ersten Schmökern vermuten würde. So sind zwar etwa 20 "Cruel Fortunes" (Ereignisse die die Situation der Charaktere irgendwie, meist negativ beeinflussen) im Regelwerk vorgegeben, diese sind jedoch so allgemein gehalten, dass man sie in unterschiedlichster Ausprägung ins Spiel einfügen kann. Auch hier wird dem SL eine Abenteuervorbereitung abgenommen und in das Spiel selbst verlagert. Der SL bringt im Spiel Ereignisse gemäß der Karten ein und kann so den Fortlauf des Abenteuers beeinflussen. Dabei stehen natürlich die Charaktere immer im Mittelpunkt, da ihre Handlungen maßgeblich beeinflussen was passiert und somit auch welche Ereignisse eintreten können und welche nicht. (Wenn der Kapitän etwa seine Crew gut behandelt, kann es nicht zu Malcontentment kommen. Wenn das Schiff regelmässig an Land geht, wird es vermutlich zu Want kommen, usw. usf.) In schriftlicher Form wirkt das alles sehr reglementiert, aber im Spiel selbst ergibt sich aus der Situation heraus welches Ereignis sinnvoll eintreten kann und welches nicht.)

Für umgerechnet nicht einmal 5€ bekommt man ein cooles kleines Spiel serviert, in dem man mal richtig Pirat sein kann. Ich hoffe, dass es diese Woche mit einer weiteren Poison'd-runde klappt. Ich bin gerade sehr angetan von dem Spiel. :D
 
AW: Die Wahrheit über Poison'd

Schon mal das verwandte "Under the Bed" getestet? Damit hatte ich ähnliche Probleme. Ich hab beim ersten Durchlesen des Games nicht mal kapiert um was es jetzt dabei eigentlich wirklich geht.
Sicher verdammt coole Games wenn man sie vernünftig verdauen kann.

Vielleicht bin ich aber auch zu sehr auf klassische RPGs eingeschossen mittlerweile.
 
AW: Die Wahrheit über Poison'd

Ich hab beim ersten Durchlesen des Games nicht mal kapiert um was es jetzt dabei eigentlich wirklich geht.

Dahingehend ist Poison'd recht eindeutig. Die unerwartete Lernkurve entstand für mich eher im Spiel, als ich bemerkte wie sich die Regeln entfalten und im Wechsel mit der Fiktion arbeiten. Die Regeln greifen recht interessant und clever ineinander und in die "Charakterebene", aber auf eine Weise, die mir durch das Lesen nicht klar war. Daher war das Leiten des Spiels um einiges holpriger als ich erwartet habe.

Darum auch dieser Thread. Wer etwas über das Spiel wissen will, der sollte meiner Meinung nach vor allem auf diese durch das Spiel entstehenden und sich entfaltenden Verflechtungen hingewiesen werden. Davon abgesehen halte ich es nicht für so stark anders als andere Rollenspiele. Zumindest das Resultat ist ähnlich, der Weg dahin hat halt nur einige unerwartete Windungen. ;)
 
AW: Die Wahrheit über Poison'd

Lieber Georgios,

ich verstehe Dich nicht.
Sowohl hier wie auf dem Blog ziehst Du ja ein ausnehmend positives Fazit. Aber über Deine Sitzung schreibst Du:
Die einstimmige Meinung auf Seiten der Spieler lautete, dass das Spiel recht zäh lief. Das lag vor allem daran, dass das Spiel zwar gerade mal 20 Seiten lang ist, aber wohl das komplizierteste und schwierigste Spiel, dass ich in meiner Sammlung habe. Zumindet als Spielleiter ist es eine ziemliche Herausforderung das Spiel flüssig zu halten.

Mir ist schon klar, dass man aus einem zähen Verlauf beim ersten Versuch nicht schließen kann, dass das Spiel schlecht ist. Aber noch viel weniger kann man daraus doch ersehen, dass es besonders gut ist?!?

Grüße
kirilow
 
AW: Die Wahrheit über Poison'd

Der Grund für die Zähigkeit spielt eine große Rolle. Vermutlich habe ich das nicht deutlich genug ausgedrückt, aber das Spiel lief vor allem deshalb so zäh, weil wir der Fiktion bzw. der Charakterebene nicht so viel Raum gelassen haben wie sie im Spiel brauchte.

Das wurde mir erst im Nachhinein klar und dieses AHA-Erlebnis half dann auch dabei, dass die zweite Sitzung um einiges besser lief. Diesen Fokus auf die Charakterebene finde ich toll; gerade das begeistert mich so an dem Spiel. Aber wenn man sich auf die Regeln versteift, dann ist das Spiel zäh, holperig und kommt nicht in die Gänge.
 
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