Die Söldner (Mensch V3.2 Alpha)

Silvermane

Wahnsinniger
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Der folgende Text wurde primär von den 'geilen Spielsachen' aus Blue Planet inspiriert; interpretiert nicht allzuviel da rein, im Prinzip ist das ganze schon fast eine Werbebroschüre für Munchkin-Reisen. Aber es stellt uns vor eine interessante Frage: Wie lebt es sich mit so gravierend unmenschlichen Implantaten?


Die Söldner (Mensch V3.2 Alpha)

Noch 3 Minuten bis zum Absetzen. Mein Puls ist ruhig. Unter mir sehe ich den schier endlosen Ozean vorbeihuschen. Ein letzter Atemzug bevor ich dem Helm schließe. Salzwasser und Angst. Der Geruch des Krieges.

2 Minuten Vierzig Sekunden. Ich schließe den Helm und aktiviere das Combat-HUD; der taktische Computer erinnert mich an die Missionsparameter und zeigt mir unsere Position auf der Karte an. Ich blende die Navigation aus und lasse mir den Livefeed meines Zuges anzeigen.

Banco. Larousse. Hartmann. Stromquist. Wippert. Alle da. Banco tot?

„Banco, dein Biomonitor ist hinüber. Bring’ das in Ordnung.“

Banco schlägt seinen Helm gegen die Hülle des Schwebers. Seine Lebenszeichen verschieben sich schlagartig von „Tot“ nach „Quietschlebendig“.

„Sorry, Cap. Wackelkontakt.“

1 Minute, 40 Sekunden. Ich starte die Musikwiedergabe auf meinem internen Computer. Wagners Walkürenritt. Krieg ist die Hölle, aber der Sound ist geil.

1 Minute, 10 Sekunden. Waffencheck.
„Gewehr, Status?“
„Bin geladen, entsichert und feuerbereit. Drahtlose Verbindung zur Neuralschnittstelle online.“

50 Sekunden. Nachladereflex aktiv. Hundert, drei.

30 Sekunden. DaDaDaDaDa-Daaaah, DaDaDaDaaaaa.....Zeit den Kreislauf in Schwung zu bringen. Die modifizierten Drüsen meines Körpers jagen ihre heißen Säfte in meine Blutbahn. Jaaa, guter Stoff. Und so natürlich...Hundert, drei.

20 Sekunden. Ich kann den Strand sehen. Hundert, drei.

15 Sekunden. Bereitmachen. Hundert, drei.
„Zug, bereitmachen zum Absitzen!“

10 Sekunden. Der Schweber bremst ab und geht tiefer. Hundert, drei.

Absprung! Die Triebwerke des Schwebers wirbeln Staub auf, als ich in den weichen Sand springe. Hundert, drei. Landezone klar. Umschalten auf Thermalsicht, Wärmeschatten in der Vegetation. Hundert, drei.

„Banco, Larousse, Deckungsfeuer auf 3 Uhr! Hartmann, Wippert, zum Waldrand vorrücken. Stromquist, bei mir bleiben!“

Ich eröffne das Feuer auf den fliehenden Schatten. Das Fadenkreuz tanzt über mein Sichtfeld und verharrt dann stoisch auf dem rotblauen Schemen.

100, 3. 97, 3. 94, 3. 91, 3. 88, 3. 85, 3.

Ein ohrenbetäubendes Röhren übertönt das Stakkato des Automatikfeuers. Der Schweber hat mit seiner Autokanone das Feuer eröffnet. Ihre schweren Geschosse zerfetzen die dichte Vegetation. Fünfundachtzig, drei.

„Danke, Rasputin.“
Die lispelnde Stimme unseres Piloten ist über den Kommkanal zu hören
„War mir ein Vergnügen. Wir thehen unth in 3 Thtunden bei der Landethone.“

Das leise Heulen der Schwebertriebwerke steigert sich zu einem kakophonischen Brüllen als die Maschine ihren Rückweg über das offene Meer antritt. Fünfundachtzig, drei. Der alte Wagner kommt exzellent bei solchen Aktionen.

„Alle Mann zum Waldrand und dort sammeln!“
„Verstanden, Cap.“

Ich schalte das HUD zurück auf normale Sicht und inspiziere die Überreste des potentiellen Gegners. Der Leichnam ist übel zugerichtet, aber meine Drüsen halten mich von allzu emotionaler Anteilnahme ab. Ein Eingeborener. Der Größe nach zu urteilen nicht älter als 14. Fünfundachtzig, drei. Blut sickert aus den Kiemenspalten in seinem Rücken und aus seinem zerfetzten Unterleib.

„Und, Cap?“ fragt mich Stromquist, unser Arzt.
„Nichts.“ Entgegne ich. „Nur ein verirrter Kreischer.“
„Ah, Scheißviecher.“
„Ja, lästige Scheißviecher...“
Fünfundachtzig. Drei.



2 Stunden und 10 Minuten nach dem Absetzen. Ich überfliege die niedrigen Dünen und betrachte das Eingeborenendorf näher. Klassische Architektur, kaum Bioplastik. Einige Katamarane dümpeln sanft in der Brandung. Siebenunddreißig, drei. Einer der Eingeborenen scheint mich bemerkt zu haben. Er hebt seine Pistole und drückt ab.
BANG.
Verbindung zu Drohne 2 verloren.

„Sie haben die Erkundungsdrohne entdeckt. Banco, nimm die Katamarane aufs Korn. Larousse, du spielst Gott und knallst alles ab was keine Uniform trägt. Hartmann, Wippert, Stromquist, ihr kommt mit mir. Es wird ernst.“

2 Stunden und zwanzig Minuten nach dem Absetzen. Neunzehn, eins. Eine weitere Kugel erwischt mich hoch an der Schulter, hinterlässt aber nichts außer einem flauen Nachgeschmack. 16, 1. 13, 1. 10, 1. Der Eingeborene vor mit geht zuckend zu Boden.
Warnung. Lebensfunktionen schwach. Stromquist. Scheisse. Ich feuere meine letzte Phosphorgranate in einen Unterstand voller Ziele. 10. NULL. Mein Körper reisst das leere Magazin aus dem Werfer und ersetzt es gegen ein neues. Ich selbst lasse das HUD Stromquists Notsignal erfassen und anzeigen. Da vorne. Hinter der brennenden Hütte.

Eine ehemals menschliche Fackel stürmt schreiend auf mich zu. Sieben, drei. Vier, drei. Eins, drei. Ein Magazin fällt zu Boden und ein neues nimmt seinen Platz ein. Hundert, drei. 50 Meter bis zur Zielperson. Schmerzen im Oberschenkel. Neues Ziel auf 6 Uhr. Herumwirbeln. 97, 3. 94, 3, 91, 3. Keine Zeit zum bluten. Ein weiteres Ziel, mit einer Machete. Mein gepanzerter Arm blockt den Hieb. Ein Schlag mit dem Gewehrkolben zerschmettert den Kehlkopf. Röcheln. Keine Zeit für einen Gnadenschuß. Einundneunzig, drei.

Ich habe Stromquist gefunden. Sein Unterleib ist nur noch eine blutige Masse.
„Cap?“
Herumwirbeln, abdrücken. Einundneunzig, drei.
IFF positiv, Feuerbefehl verweigert. IFF ignorieren ja/nein?
„Wippert, schleich dich NIE WIEDER an mich ran, okay?“
„Sorry Cap...was ist mit Stromquist, kommt er durch?“
„Er stirbt. Halt mir den Rücken frei, ich versuch den CCO.“

Großartig. Ausgerechnet den Doktor mussten sie erwischen. Ich aktiviere den Assistenten meines Microcomps. Die kleine Fee mit den scharfen Reißzähnen und dem fiesen Grinsen erscheint in meinem Sichtfeld. Ich sollte mir einen anderen Avatar zulegen. Einundneunzig, drei. Wenigstens sehe nur ich sie.

„Was ist euer Wunsch, Meister?“

Dringend. Eventuell einen zackigen Kosacken, wie ihn Alexej benutzt.

„Ich brauche die Bedienungsanleitung für einen Cerebralen Cryo-Oxygenator...“
„Gefunden. ‚Herzlichen Glückwunsch zum Erwerb dieses CCO Notfallsystems von Hanover Indus...’“
„Erspar’s mir. Wie installiere ich das Ding?“
„Suche...gefunden. ‚Platzieren sie die CCO-Einheit auf dem Kopf des Patienten...’“
„Kurzfassung! Wo kommen die verdammten IV-Schläuche rein?“
„Suche...gefunden. ‚Führen sie die intravenösen Versorgungsschläuche in folgende primäre arterielle Blutgefäße der Halsregion...’“
„ARGH! Grafisches Overlay, zeig’ mir die verdammten Stellen auf Stromquist’s Hals.“

Ah. Hier also. Einundneunzig, drei.


Zwei Stunden und 40 Minuten nach dem Absetzen. Ich hieve Stromquists Körper in den Schweber und bete, daß das CCO sein Gehirn lange genug am Leben hält. Hinter mir brennen die letzten Gebäude aus. Das Heulen der Schwebertriebwerke liegt wie eine Totenklage über der Szenerie.
„Überlebende?“
„Keine Überlebenden, Captain. Larousse hat gerade die letzten Flüchtlinge ausgeschaltet.“
„Okay, soviel zum Thema ‚Widerstandsnest’. Alle Mann aufsitzen, wir rücken ab.“

Der endlose Ozean rast unter uns vorbei. Ich bin nicht länger menschlich. Ein Mensch würde etwas dabei fühlen. Ich habe mich weiterentwickelt. Intelligenz ohne Moral. Gefühle nach Wunsch. Voll kompatibel mit der neuesten Hardware. Programmierbar. Schadensresistent. Verschleißfrei. Ich betrachte die Spiegelung meines perfekten Gesichtes im Helmvisier und frage mich, ob ich dabei nicht zu weit gegangen bin.

Ich generiere etwas Endorphin um meine Stimmung zu heben. Ein gewinnendes Lächeln umspielt meine Züge. Oh nein. Ich bin kein Monster. Ich bin die Zukunft.

-Silver
 
Gefällt mir, sehr schön wie Du das Denken der Maschine Mensch beschreibst.

Ich generiere etwas Endorphin um meine Stimmung zu heben. Ein gewinnendes Lächeln umspielt meine Züge. Oh nein. Ich bin kein Monster. Ich bin die Zukunft.

Mein absoluter Lieblingsteil der Geschichte.
 
Gefällt mir sehr!

Mal etwas anderes. Wunderschön fremdartig und skurril.
Bemerkenswerte Idee!
 
Keine Ahnung warum ich erst jetzt poste - immerhin hab ich die Geschichte schon vor ein paar Tagen gelesen - aber besser spät als nie.

Ich finde die Geschichte gut geschrieben. Insbesondere Gefällt mir die zum Teil schon maschinenhafte Denkweise des Protagonisten.

...Hundert, drei.
freundlichst,
Kelenas
 
Kelenas schrieb:
Ich finde die Geschichte gut geschrieben. Insbesondere Gefällt mir die zum Teil schon maschinenhafte Denkweise des Protagonisten.

...Hundert, drei.

Das möchte ich einmal schnell als Aufhänger benutzen um einen kurzen eigenen Kommentar abzugeben. Ich finde diese beunruhigend einfache, normale Darstellung von Programmed Reflexes (ich gehe einmal fest davon aus, dass es sich darum handelt) genial. Duch die simple Wiederholung anstatt einer ellenlangen und komplizierten Beschreibung von Abläufen oder Empfindungen wirkt das ganze unglaublich plastisch und real - und unterstreicht viel mehr als alles andere die eingangs gestellte Frage.

mfG
jdw
 
die kurzen, knappen sätze lassen die hektik des kampfes gut durchscheinen. der anfang und das ende rahmen das ganze gut ein. es liest sich wirklich spannend, hätte ich bei dem titel jetzt nicht gedacht ^^
 
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