Die Lehren des Malers

amarillyon

Methusalem
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Die erste Lehrstunde

Out of Character
eigentlich sollte die Stunde ja jeden Dienstag von 22°° bis 24°° gehen, und ich bin mit diesen Thread diesmal etwas zu spät... ich bitte das zu entschuldigen, da ich momentan jobmäßig recht heftig eingespannt bin, und diese Woche bisher nicht die Muße besaß, diesen Thread zu schreiben.... na ja, dafür habt ihr was zu lesen, wenn ihr aus dem Pfingstwochenende zurückkehrt...

Nachdem sich die acht Schüler, die sich in das Seminar des Malers eingeschrieben haben nach und nach eingefunden haben, und sie alle in einem kleinen Stuhlkreis platz genommen haben, beginnt der Maler mit seiner einführenden Rede:
Bevor ich euch in diesem Seminar willkommen heiße, möchte ich noch ein paar Grundsätzlichkeiten festlegen, auf die ich bei dieser Veranstaltung wert lege. Zu aller erst verlange ich von meinen Schülern absolute und ungestörte Aufmerksamkeit und Konzentration. Ich verlange, das sämtliche modernen Kommunikationsgeräte abgestellt werden. Und zwar nicht nur auf ‚Lautlos’ sondern tatsächlich ausgestellt. Auch einen Vibrationsalarm sehe ich als unzulässige Störung an. Sollte dies aus irgendeinem Grund nicht möglich sein, nehmen wir an, eure Eltern liegen im Sterben und ihr erwartet einen wichtigen Anruf aus dem Krankenhaus, so bitte ich euch, der Vorlesung zu diesem Zeitpunkt fern zu bleiben, da ihr in dieser Situation sowieso nicht mit euren Gedanken bei unserem Thema sein könnt. Damit wären wir auch bei dem zweiten Punkt, dem Fernbleiben vom Unterricht. Ich sehe es nicht ein, irgendeine Art von Anwesenheitslisten zu führen, da ich ein regelmäßiges Erscheinen voraussetze. Allerdings räume ich ein, das gewisse widrige Umstände tatsächlich jemanden zwingen können, der Veranstaltung fern zu bleiben. Dabei akzeptiere ich allerdings nicht, das jemand fehlt, weil er etwa arbeiten müsste. Ihr habt euch freiwillig zum Studium eingeschrieben, und somit diese Schule als ersten Lebensinhalt gewählt. Die hohe Kunst kann man nicht zwischen Tür und Angel lernen. Es bedarf eingehender Auseinandersetzung mit diesem Thema. Zudem ist die bildende Kunst eine brotlose, und wer lieber dem Mammon frönt, kann sich gleich richtig prostituieren, und sich lieber bei Kommunikations-Design einschreiben. Auch die Ausrede, man könne das Pensum in anderen Kursen des Semesters nicht schaffen, und müsste deshalb eine meiner Vorlesungen verpassen, akzeptiere ich nicht, denn das zeugt von mangelndem Zeitmanagement und überheblicher Stundenplangestaltung. Wenn jemand meint, er müsse sich mit Kursen übernehmen, beweißt dies, dass er die einzelnen Kurse nicht ernst nimmt, was ich als persönliche Beleidigung auffasse. Zwei Kurse mit praktischen Übungen, wie sie auch in diesem Angefertigt werden sollen, ist mehr als genug. Nebenher ist es zwar statthaft noch einen oder, bei extrem arbeitsamen Studenten oder Kursen mit geringer geistiger Anforderung, vielleicht zwei Theoriekurse zu belegen. Alles darüber hinaus kann nur dazu führen, dass man sich mit keinem der einzelnen Kurse in erforderlicher Weise beschäftigen kann. Ob ihr euch an diese Richtlinie haltet, oder glaubt, euer Genie würde durchaus mehr verarbeiten können, sei euch überlassen, aber glaubt mir, Ich habe genug Erfahrung, als das ich euch diesen Rat mit in euer Studium geben kann.

Dann macht der Maler eine kurze Pause und schaut in die Runde, ob seine harten Ausführungen ihr Ziel erreicht haben. Als er feststellt, das die Studenten verunsichert genug sind, fährt er fort:

Warum diese harten Ausführungen zu Beginn des Kurses? Will ich euch vergraulen, um den ohnehin recht kleinen Kurs noch einmal auszudünnen? Oder leide ich lediglich an einer krankhaft gesteigerten Hybris? Nein, nichts von alle dem. Es klingt alles schlimmer als es wirklich ist. Was ich verlange, sind Dinge, die für euch im späteren Leben als freischaffender Künstler, sofern ihr dieses eher mühsame Privileg später genießen werdet, da nur die wenigsten unter euch es später so weit bringen, die Kunst zu ihrem Lebensin- und unterhalt zu machen, dringend benötigen werdet. Aufmerksamkeit, Disziplin und Arbeitsbereitschaft! Das sind nämlich die wichtigsten Dinge, die man, neben dem von Gott geschenktem Talent zur Kreativität, entwickeln muss. This separates the men from the boys…. Und ihr solltet euch keinen Illusionen hingeben. Der sogenannte Markt ist recht klein, und es wir für junge Künstler immer schwerer, sich an selbigen zu behaupten. sozusagen
Aber auch wenn ihr dereinst nicht zu den hochdotierten Künstlern, bekannt aus Film, Funk und Fernsehen, beziehungsweise aus den Feuilletons, Auktionshäusern und Museen, gehört, so ist die Auseinandersetzung und das anfertigen von Kunst das höchste Geistesvergnügen, das dem Menschen nach der Liebe zur Verfügung steht. Wobei sich die Fachwelt ja noch streitet, ob die Liebe oder die Kunst an erster Stelle stehen. Ich allerdings meine, der Liebe gehört der erste Platz, denn nur sie gebiert erst die nötigen Energien, die für die Kunst nötig sind. Aber das ist eher ein Thema für die Kunstphilosophen, und unser kleiner Kurs soll sich etwas handfesteren Themen widmen.


Wobei wir auch bei selbigem wären, nämlich dem Thema, dem wir uns in den nächsten Veranstaltungen widmen wollen, der modernen Malerei des letzten Jahrhunderts.
Noch nie in den Jahrtausenden der Kunstgeschichte gab es solch große und revolutionäre Fortschritte in der Ausdrucksweise der Künstler als im vergangenen Jahrhundert. Zusammen mit der noch stärkeren und schnelleren technischen Entwicklung ergaben sich dadurch völlig neue Perspektiven für uns Menschen. Wobei der Entwicklung des Impressionismus, der die sogenannte moderne Malerei einleitete, eine ähnlich bahnbrechende Stellung zukommt, wie der Industrialisierung in der technischen Welt. Allerdings ist die Kunst uns ein Equivalent zum derzeitigen Computerzeitalter trotz diverser neuer Ansätze in der Medienkunst noch schuldig. Aber all dies werden wir im Laufe unseres Kurses noch ausführlich diskutieren.
Praktisch wird jede Vorlesung aus zwei Teilen bestehen. Zuerst werde ich zur Einleitung etwas zu einer Kunstrichtung der modernen Malerei erzählen. Diese Dinge werden wir dann gemeinsam diskutieren. Das wird den theoretische Teil einer jeden Vorlesung ausmachen. Anschließend bekommt ihr die Aufgabe, bis zur nächsten Sitzung ein Bild im vorher besprochenen Stil anzufertigen. Diese Arbeiten werden wir in der jeweils darauf folgenden Vorlesung besprechen um uns anschließend einer neuen Spielart der modernen Malerei zu widmen. So werden wir chronologisch die Geschichte der Malerei des letzten Jahrhunderts nach und nach ‚abarbeiten’. Durch die theoretischen Diskussionen und vor allem durch die praktischen Übungen wird sich jeder von euch nach und nach mit jeder Facette der modernen Malerei auseinander setzen und hat die Möglichkeit, seine Stärken und Schwächen sowie seine eigenen Neigungen auszuloten.


Für die heutige, erste Sitzung möchte ich es damit bewenden lassen, etwas über die Situation der Menschen am ende des 18. Jahrhunderts, dem Zeitlichen beginn der modernen Malerei zu sagen, bevor wir uns in der nächsten Vorlesung den Impressionisten und den Wegbereitern der Moderne wie van Gogh, Cézanne und Paul Gauguin widmen.

Die Philosophie der Aufklärung durch Voltaire und des Idealismus durch Kant ersetzt in dieser Zeit zunehmend den Glauben durch Wissen, auch durch die Erkenntnis über die Grenzen des Wissens, und begründet die Ethik. Die gesellschaftlichen Verhältnisse werden nicht mehr als gottgegeben akzeptiert, sondern als Menschenwerk betrachtet. Damit entwickeln sich auch neue Vorstellungen von der Gleichheit der Menschen. Kulturkritiker wie Jean-Jacques Rousseau bestimmen den Wert des Menschen neu, eröffnen damit den modernen Menschenrechten den Weg. Die Naturwissenschaften beweisen ihre Theorien durch Experimente. Die Dampfmaschine von James Watt leitet das Maschinenzeitalter ein. Die Industrialisierung verschiebt das Gewicht von der Agrarproduktion zur städtischen Konzentration an Arbeitskräften. Der Ausbau der Verkehrswege fördert den Austausch von Gütern ebenso wie den von Menschen und Ideen (und Militär, nebenbei).Die Kunst spaltet sich in eine eher rational eingestellte und eine emotionalisierte Strömung:Revolutionskunst und Klassizismus verfolgen nationalistische Argumentationslinien, welche die Unterordnung des Einzelnen unter die Nation betonen, während die romantischen Richtungen private Regungen von bürgerlichen Einzelpersonen thematisieren. Beide verwenden meist historisierende Darstellungen zur Steigerung der Bildaussage.Uns erscheint dies als Gegensatz von "falschem" Pathos und "echtem" Gefühl. In der Renaissance erforsch er die Formgesetze der Natur, Anatomie und Perspektive. Im Barock erforscht der die Naturgesetze von Bewegung und Licht und im Impressionismus die Gesetze der Farbwahrnehmung. Hier ist die Kunst Erforschung der äußeren Natur.
[font=&quot]Dies ändert sich mit Beginn der sogenannten Moderne. Das moderne Denken, Fühlen und Handeln wird bestimmt durch die Verlagerung des Fokus von der Erforschung der Außenwelt auf die Selbsterforschung. Der Mensch als der neue Gott, erforscht sich selbst. Das führt ihn zu Euphorie und Depression. Die Welt wird dennoch als machbar erlebt. In der Kunst erforscht sich der Mensch selber und seine formalen Möglichkeiten...


Damit beschließt der Maler seine erste Unterichtsstunde, und wünscht seinen Schülern bis zur nächsten Vorlesung eine schöne Woche.....
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