Belletristik Das Buch zum Rollenspiel?

Manny

Relikt
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Hallo miteinand',

mir schwirrt eine Idee im Kopf herum, die ich noch nicht wirklich zu Ende denken konnte, ich aber gerne das Potenzial der kreativen Köpfe hier in den Brainstorming-Prozess einbinden möchte. Es geht um Folgendes:

ich dachte mir, es wäre doch ganz interessant, eine Art Rollenspielrunde in Form von eBook-Authoring zu machen; also in einer Art und Weise, dass das Spiel ansich auf einer eher literarisch ausgeprägten Form funktioniert und das Ergebnis dementsprechend ein mindestens halbwegs lesbares eBook wäre. Ob das jetzt ein "loses" kollaboratives Schreiben einer Geschichte ist, oder strikt nach Regelwerk und Setting parallel gespielte Runde (evtl sogar außerhalb der Authoring-Plattform, zB in einem Forum), das lass ich außen vor, wäre aber sicher auch ein guter Diskussionspunkt.

Ich bin mir auch noch nicht zu 100% sicher, ob dann jeder Teilnehmer die Kronauthorität über den Geschichtenverlauf hat, oder ob in irgendeiner Art und Weise ein Spielleiter/Erzähler/Dungeonmaster integriert werden sollte. Vermutlich ist irgendein Mittelweg die beste Lösung.

Aber natürlich könnte jemand aufspringen und fragen, Warum zum Kuckuck, lieber Manny, würde man Rollenspiel in Buchform betreiben wollen?
  • die gesamte Geschichte - in Teilen oder als Ganzes - kann sofort als eBook oder PDF verfügbar gemacht werden. Im Gegensatz zu z.B. Forenrunden ist die Chronologie bzw (ideale) Lese-Reihenfolge halbwegs erhalten. Ich, als Kindle-Besitzer, fände das natürlich unheimlich super ;). pressbooks.com sieht nach einer praktikablen Plattform für so etwas aus und ist im Wesentlichen WordPress basiert (dh. auch nicht sonderlich kompliziert in der Handhabe).
  • wenn daran Interesse besteht und die Qualität halbwegs in Ordnung ist, kann man das Ding sicher auch publizieren, sofern man keine Lizenzen missachtet. Ob um € 0 im nächstbesten Print-on-Demand/e-Book-Laden oder um ein paar Euro-Cent, die dann für gemeinnützige Zwecke irgendwo landen, ist sicher auch noch eine Überlegung wert, wenn das Projekt on-track ist.
  • last but not least: ich dachte eigentlich schon immer, dass es nett wäre, ein Buch zu schreiben. Aber ich bin schriftstellerisch so begabt wie ein betäubtes Possum und nach über 120 Seiten Diplomarbeit merke ich, dass ich irgendwann mal meinen Antrieb verliere. Crowdsourcing wäre vielleicht eine gangbare Alternative.
Vielleicht hat noch jemand eine Idee, Kritik, oder Feedback dazu. Ich würde mich darüber freuen. Aber wie gesagt: ich habe das offensichtlich noch nicht zu Ende gedacht und brainstorme hier nur laut vor mich hin.
 
Es gibt eine Community, die auch gleichzeitig verlegt. Ist zwar kein Rollenspiel, aber die Bücher entstehen auf die selbe Weise.

Der Name ist mir gerade entfallen. Aber ich schau mal, ob ich das nachgeforscht kriege - ich glaub ich habs auf Facbook geliked.
 
Willst Du ein BUCH schreiben, dann schreibe ein BUCH. - Gerne auch mit wechselnden Autoren, oder auch als echtes gemeinsames Textschmieden.

Aber das ist KEIN ROLLENSPIEL.

Es ist nicht einmal "nahe dran" oder "grob verwandt" zum Rollenspiel!

Sicher, es gibt Roman-Adaptionen zu manchen Rollenspielwelten (Dragonlance usw. war hier der große Einstieg). Aber diese verwenden nur die Welt, um dort ihre allein durch Autorenentscheidung festgelegten Handlungen zu platzieren.

Dann gibt es auch Roman- bzw. Kurzgeschichten-Adaptionen zu Rollenspielabenteuern, bei denen der Autor eine EINZIGE "Instanz" des jeweiligen Abenteuers schildert, fiktiv "durchgespielt", sprich: die Entscheidungen so getroffen, daß sie in etwa auch als Spielergebnisse des Abenteuers herauskommen könnten. Das ist aber auch KEIN Rollenspiel, sondern nur die - mehr oder minder literarisch "wertvolle" - Umsetzung eines Spielberichtes oder eines "erdachten Spielberichtes" in dramatische Prosa-Erzählung. (Z.B. die Dime-Novels für Deadlands - Eine Hälfte Abenteuer, andere Hälfte Kurzgeschichte.)

Und ja, es gibt auch Foren-Rollenspiele, bei denen teils recht ansprechend lesbare Beiträge einzelner Mitspieler anfallen können. Aber nicht müssen. Und solange hier noch an den kritischen Situationen ein REGELWERK verwendet wird und man SPIEL-Mechaniken anwendet, handelt es sich auch um ein Spiel, sogar um ein "rollenspielnahes Spiel". - Da gibt es auch echte Grenzfälle, bei denen das Spiel verkümmert und nur noch "kollaboratives Geschichtenschreiben" praktiziert wird. Das ist dann KEIN Rollenspiel mehr.

"Das Buch zum Rollenspiel"?

So, wie im Eingangsbeitrag beschrieben, hat das mit einem Rollenspiel GENAU NICHTS mehr zu tun.

Warum nicht gleich so EHRLICH sein und offen darlegen, daß es um kollaboratives Geschichtenschreiben geht? - Dann ENTTÄUSCHT man auch nicht die Erwartungen von SPIELERN (nicht etwa "Autoren"!), die hier eben ROLLENSPIEL suchen und stattdessen nur Geschichten OHNE SPIEL bekommen.

Etwas anders gelagert ist es, wenn man über längere Zeit angesammelte Spielberichte, also die Aufzeichnungen von WIRKLICH gespielten Runden, im NACHHINEIN heranzieht und diese spannender lesbar aufarbeitet, OHNE hier "autoren-typisch" Entscheidungen über den VERLAUF zu treffen. Denn diese Entscheidungen liegen ja schon vor und wurden von den Spielern und den Ergebnissen der Regelanwendung getroffen.

Gerade die "Navero-Chroniken" sind hier ein interessantes Beispiel und DER KLASSIKER, den man als Rollenspieler eh kennen sollte.

Was bleibt also vom Versuch ein Buch "zum Rollenspiel" zu erstellen?
  • Roman, im Setting eines Rollenspiels angesiedelt - geht auch als "kollaboratives Geschichtenerzählen" mehrerer Autoren.
  • Roman als fiktives "Durchspielergebnis" eines Rollenspielabenteuers verfaßt.
  • Roman als "dichterisch aufbereiteten" Spielbericht einer tatsächlich gespielten Spielrunde.
  • Roman als aufbereitete Fassung einer Foren-Rollenspielrunde, deren Verlauf unter Verwendung von Spielregeln zustande gekommen ist.
 
Ah, die KRITISCHE Stimme aus dem Hinterzimmer, die hab ich schon vermisst, lieber ZORNHAU. Aber unter der LAUTSTARKEN KRITIK findet sich doch ein Pünktchen, das mir insgeheim tatsächlich noch KOPFSCHMERZEN bereitet: wie man von einem Medium ins andere transferieren könnte.

So grundverschieden halte ich diese beiden Arten des Geschichten-Spinnens allerdings nicht, wie es dein Beitrag anzudeuten scheint. Das Ergebnis eines Rollenspiels ist meiner Meinung nach eine gemeinsam erarbeitete Geschichte, eingebettet in die Ausgangspunkte dessen, was der Erzähler/Spielleiter/Dungeonmaster/... vorlegt - wobei ich durchaus schon Rollenspielsysteme gesehen habe, bei denen nicht-regelspezifische Aspekte das eher Richtlinie denn Regel ist. Inwiefern das prinzipiell eine Rolle spielt, hängt weitestgehend davon ab, ob und wie stark Regeln hineinspielen.
 
Maarzan hatte das nebenan einmal seht treffen zusammengefasst, wie die Story im Rollenspiel funktioniert:

Maarzan schrieb:
Story ist in einem Rollenspiel einfach das zwangsläufig folgende Ergebnis der Interaktion der aufgeführten Beteiligten und deren freien Interaktion.
Sie wird nicht gemacht, sondern ist sozusagen Nebenprodukt.
Akut wird es erst, wenn einer eben gezielten Einfluss auf dieses Nebenprodukt als Ergebnis nehmen will ("bessere Story") und um das zu Erreichen die anderen Beteiligten als Einfluss herausnehmen muss und problematisch, wenn diese nicht bereitwillig sind diesen ihren Einfluss und den Charakter des Spiels für ein fremdbestimmten "Machen" dieses Nebeneffektes aufzugeben.
 
Prinzipiell hat Zornau mal wieder (auch) recht. Aber wenn wir ehrlich sind, dann ist vieles von dem, was wir in Internetforen betreiben, auch kein Rollenspiel, sondern eher ein Multi-User-Fortsetzungsroman. Vor allem, wenn es dann auch noch extrem narrativ und würfellos wird.

Prinzipiell halte ich die Idee für sehr interessant. Vor allem weil ebooks weniger Aufwand machen und zum Zielpublikum der Internet-Spieler passen würden. Die eigentliche Frage ist aber: Warum als eBook und nicht einfach hier im Forum?

HIer kann man's ja schließlich auch lesen...
 
Warum willst du die Mitschreiber in ihrer Kreativität durch irgendwelche Regelsysteme einschränken?
Ich würde z.B. keine Conan Geschichte schreiben wollen, wenn ich erst mal Conan nach welchen Regelwerk auch immer zusammenbauen müsste und dann ganz genau sehe, was er kann und was nicht.

Wenn Du nur eine Geschichte in einem bestimmten Setting schreiben willst, dann lass das Regelwerk und dessen Regeln weg. Diese Geschichten nennen sich dann Fan Fiction.

In wie weit eine Intime ein Schreibprojekt ist und wie hoch der Regelfaktor ist, hängt von dem SL und den Spielern ab.
Bei möglichst Intimes, in denen mit wenig Regeln gearbeitet wird, muss man aufpassen, dass die Charaktere keine Mary Sues werden und dass die Posts nicht zum reinen verbalen Schwanzvergleich werden und jeder den coolsten Post schreiben will. Ein mögliches Problem bei sehr regellosen Intimes ist, dass man sich die Schwierigkeiten, denen sich ein PC gegenüber sieht, wegschreiben kann (z.B. zieht genau das passende Teil aus dem Rucksack, der Tasche, etc.)

Im Gegensatz zu einem Rollenspieler weis ein Autor ohne zu würfeln oder ohne irgendwelche Regeln kennen zu müssen, wie eine Sache, die sein Charakter machen soll, ausgeht.

Ein Forum eignet sich nur bedingt für so ein Kreativschreibprojekt. Das einzige was das Forum hinbekommt ist die Chronologie. Hinzukommt dass nur die jeweiligen Poster und Mods ihren eigenen Post ändern können.

In einem Roman bearbeitet man seine eigenen Texte mehrfach, da wäre eine Versionskontrolle sinnvoll. Desweiteren sollten Lektoren auch die Texte bearbeiten können. Wichtig ist auch, dass der gesamte Text von den Autoren durchsucht werden kann, denn nach längerer Zeit erinnert man sich nicht mehr an jede Einzelheit, die man mal geschrieben hatte.

Wenn der Roman wirklich lesenswert sein soll, kommen neben guter Story, guten Ideen, etc. noch handwerkliche Fähigkeiten hinzu. Einen Roman, dessen Schreibstil sich in jedem Absatz ändert ist nicht gerade toll zu lesen.
Damit es gut lesbar wird, muss ein Lektor im Lektorat nicht nur Rechtschreib- und Grammatikfehler ausbügeln, sondern auch einige Schreibstile angleichen, Textpassagen in andere Worte fassen, wenn es den Lesefluss zu sehr stört.

Bei so einen Schreibprojekt musst genau festlegen, wer, was, wie weit verändern darf.

In Wordpress kann man verschiedenen Autoren unterschiedliche Rechte vergeben. Vielleicht ist ein Wiki auch eine Möglichkeit für ein Kreativschreibprojekt.

Bei mehreren Autoren dauern Dialoge zwischen einzelnen Figuren unterschiedlicher Autoren sehr lang. In der Literatur haben IIRC Agatha Christie mit anderen Krimiautoren oder auch deutsche Krimiautoren im Buch Gipfeltreffen gemeinsam einen Krimi geschrieben. Jeder Autor hat ein Kapitel geschrieben und dabei die Figuren weiterentwickelt.
 
Danke für den Input. Wie gesagt, ich bin mir selbst nicht im klaren darüber, ob, wie, und unter welchen Bedingungen das Sinn macht. Da helfen unterschiedliche Perspektiven sehr.
Ich schlaf am besten noch einmal 42 Nächte darüber, vielleicht bin ich dann klüger.
 
Wenn der Roman wirklich lesenswert sein soll, kommen neben guter Story, guten Ideen, etc. noch handwerkliche Fähigkeiten hinzu. Einen Roman, dessen Schreibstil sich in jedem Absatz ändert ist nicht gerade toll zu lesen.
Das ist schon bei kapitelweisem Autorenwechsel oft eine wirklich unschöne Sache. - Schlechte Beispiele mit Rollenspielbezug sind z.B. die Engel-Romane, allen voran Exodus, an dem verschiedene Autoren mitwirkten und leider ALLE zeigten, daß sie nicht einmal an die solide Textqualität, Ausdrucksstärke und sprachliche Gewandtheit von Heftromanautoren heranzureichen vermögen.

Wer von Anfang an sagt: Das ist FAN-Fiction, also erwartet hier besser nichts, dann werdet ihr auch nicht enttäuscht, der ist bei solchen Kooperationsprojekten sicher ehrlicher zu seinen Lesern bzw. Kunden.

Damit es gut lesbar wird, muss ein Lektor im Lektorat nicht nur Rechtschreib- und Grammatikfehler ausbügeln, sondern auch einige Schreibstile angleichen, Textpassagen in andere Worte fassen, wenn es den Lesefluss zu sehr stört.
Dieses "Glätten" der verschiedenen Sprachstile ist HARTE ARBEIT. Was hier zu leisten ist, stellt deutlich etwas anderes dar, als die - bei Rollenspielprojekten oftmals gerade noch so eben vorgenommene - Rechtschreib- und Grammatikprüfung. Hier muß der Lektor auch die Geschichte als Ganzes im Auge haben, um die Darstellungen von Figuren, die Art der Äußerungen, Beschreibungen, Situationsauflösungen so anzupassen, daß der Leser nicht jedes Mal ins Stocken gerät. - Und, auch sehr wichtig, der Lektor muß dem Autoren auch teilweise harte inhaltliche Änderungen zumuten. (Mal ein Beispiel: In der ersten Trilogie rund um den "Weißgoldträger" Covenan hatte der Autor Donaldson ein über 100 Seiten starkes Kapitel auf Anraten des Lektors rausgenommen, da es den Fokus von den Hauptfiguren über zu lange Zeit (eigenes Kapitel!) abgelenkt hat und die gesamte Geschichte an Stringenz eingebüßt hätte, wenn es drin geblieben wäre. )

Das setzt voraus, daß die mitwirkenden Autoren auch BEREIT und FÄHIG dazu sind, einen Lektor an ihre Texte heranzulassen.

Hier gibt es ja gerade im Fan-Bereich die "Mimosen", welche sich als "begnadete Künstler" in der Selbstwahrnehmung sehen und bei jeder kleinen Änderung das Schreien und Weinen anfangen. - Das ist natürlich unprofessionell und UNREIF sonder Gleichen, aber leider allzu verbreitet.

Daß GERADE der Lektor das Mittel ist aus einem guten Text einen GROSSARTIGEN zu machen, verkennen nur diejenigen, die besser eh NIE ihre eigenen Texte veröffentlichen sollten. (Dunning-Kruger-Effekt)

Bei so einen Schreibprojekt musst genau festlegen, wer, was, wie weit verändern darf.
Ja. - Beispiel: Thieves World. Hier hatte jeder Autor ein paar EIGENE Charaktere, die klar beschrieben wurden und von den Autoren, die sie in ihren Geschichten mitbenutzen wollten, auch nicht einfach so umgebracht werden durften. Solche Abstimmungen sind durchaus zeitaufwendig und das BEACHTEN der "Tabus" erfordert DIZIPLIN bei den Mitschreibenden! - Etwas, wofür gerade Fan-Fiction-Verfasser nicht gerade bekannt sind.

Ganz wichtig: Ein solches Projekt braucht einen Redakteur, der alle Mitwirkenden KOORDINIERT und MOTIVIERT und dafür sorgt, daß eine produktive Teamatmosphäre und ein vorzeigbares Resultat herauskommt. - Die Qualitäten eines solchen "Kümmerers" sind selten zu finden. Ohne einen Kümmerer geht solch ein Projekt meist ein, da keine Richtung, keine Steuerung, kein Antrieb (auch in den zähen Phasen, die es IMMER geben wird) vorhanden ist.

Texte schreiben kann jeder.

LESENSWERTE Texte hingegen sind nicht so einfach aus dem Ärmel in die Tastatur geschüttelt.
 
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