Dach

Durro-Dhun

Erklär(wer)bär
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12. September 2003
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Szene: Dach

Leise knarzt die Dachluke, die Scharniere quietschen, das Hartplastik klackert nahezu unhörbar als es auf den Dachziegeln auftrifft. Vorsichtig ziehe ich mich durch die Luke, setze die nackten Füße bedacht auf den Ziegeln auf. Grobkörniger Schmutz und staubtrockenes Moos lösen sich unter meinen Fußsohlen vom Dach. Aufmerksam steige ich die Dachschräge hinauf zum First, setze mich dort rittlings über den Giebel, genieße den Augenblick.
Nahezu windstill umgibt mich die Nacht, lauwarme Sommerluft umschmeichelt meine Waden, die Grillen zirpen. Das Dorf liegt wie ausgestorben unter mir. Hoffnungsvoll wandert mein Blick zu den dunklen Wolken, die sich gerade noch so vor dem bleischwarzen, doch trotz allem sternenklaren Himmel abheben. .oO(Bald!)Oo.

Eine Bewegung am Rande meines Blickfeldes. Nur wenige Meter neben mir schwebt ein Vogel regungslos auf Kopfhöhe vorbei. Überrascht erkenne ich ihn als einen Uhu. .oO( Wenn ich das irgendwann mal schreibe, glaubt mir das bestimmt niemand!)Oo. schießt es mir durch den Kopf. Still beobachte ich, wie das Tier - dem schwarzen Schatten eines Geistes gleich - seine Kreise über dem Dach zieht, abdreht, in der nicht ganz vollkommenen Finsternis der Nacht verschwindet. Wieder richtet sich meine Aufmerksamkeit auf die Gebilde am Nachthimmel. Ruhig. Erwartend.

Ein Leises Rascheln der umliegenden Bäume scheint das erste Anzeichen zu sein: Leichter Wind kommt auf, streicht mir über den Rücken, durchs Haar. Eine Gänsehaut läuft mir den Nacken hinunter. Ein erstes Flacken in den Wolken zaubert ein Lächeln auf mein Gesicht. Vom flackendern Licht - blitzenden Diskoscheinwerfern gleich - werden die sich hoch auftürmenden Sommerwolken von innen beleuchtet. Schmutzig orange-gelbe Blitze, mit dem Hauch von verdrecktem Rosa, vor einem blei-grauen Hintergrund. Die gesamten Wolken leuchten durch diese indirekte Bestrahlung auf, wie durchbrennende Glühbirnen. Und noch immer drint kein Laut an mein Ohr, wie in einem Stummfilm sitze ich auf unserem Dach und lasse das Gewitter auf mich wirken.

Nichts mehr ist zu merken, von der drückenden Schwüle, die den ganzen Tag über wie ein Damoklesschwert über meinem Kopf zu hängen schien. Würziger, frischer Grasduft, kühle Luft, das prickelnde Aroma einer jungen Nacht steigt mir in die Nase, wie das aufregende Parfüm einer noch viel aufregenderen Frau.

Schon wieder ein Blitz! Nun fahren sie in schnellerer Abfolge dort drüben - weit entfernt - in den Boden. Zu schnell, um sie in aller Ruhe zu betrachten. Doch jeder einzelne hinterlässt - einem Foto gleich - ein grelles Nachbild auf meiner Netzhaut, das Leuchten scheint noch Sekunden anzuhalten.
Nun beginnen sich die ersten, gleißend hellen Blitze wie Brücken von Wolke zu Wolke zu erstrecken, umgeben von zuckendem Elmsfeuer, das plötzlich scharfe Schatten in die Landschaft malt.

Im Nachbarhaus erhellt sich ein Fenster, lenkt meine Aufmerksamkeit vom sich mir bietenden Naturschauspiel ab. Ein älterer Herr schlurft zur Spüle, beginnt kurz Teller abzuwaschen, lässt diese dann jedoch auf der Anrichte stehen. Löscht das Licht. Wieder muss ich unbewusst grinsen.

Gedankenversunken gebe ich mich der Betrachtung des zuckenden Nachthimmels hin, bevor mir bewusst wird, dass das "unwetter" nicht näher kommt, ich noch immer keine Donnerschläge hören kann. Fast schon neidisch beäuge ich die nächtliche 'Skyline' der Dörfer, über denen sich mir das Lichterspektakel bietet, wehmütig blicke ich den ruckenden, leuchtenden Wolken hinterher, die an unserem Haus vorbeiziehen.

Und trotzdem fühle ich mich euphorisch, wie ein Gläubiger, der seinen Gott gesehen hat, wie ein Kameramann, dem es vergönnt war, die Aufnahmen seines Lebens zu machen. Noch lange bleibe ich auf dem Dachgiebel sitzen und sinniere dem Unwetter hinterher. Trotz des leichten Enttäuschung, die mich ob des Ausbleibens eines stürmischen Regengusses durchströmt, steige ich erfüllt hinab zur Luke, schließe sie hinter mir und genieße die Erninnerung an das Spektakel der zuckenden Lichter.
 
Genial geschrieben! Besonders die Lautmalereien sind gut gelungen. Du könntest aber ein paar Absätze mehr machen, dann liest es sich leichter! ;)
 
Durro-Dhun schrieb:
Szene: Dach
Nur wenige Meter neben mir schwebt ein Vogel regungslos auf Kopfhöhe vorbei.

Hmm ich würd nich regungslos schreiben, sondern eher lautlos...

Ansonsten echt gut, besonders die schildernden Elemente *Lob*
 
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