Cthulhu Matrix und Railroading - Abenteuer nach Schema F

Agroschim

mit Nero in Disneyland.
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Nach dem ich gestern erfolgreich ein Cthulhu Abenteuer aus einer Cthuloide Welten geleitet habe, ist mir wieder mal erschreckend bewusst geworden, wie tief die Cthulhu Matrix in jedem, auch noch so guten, Abenteuer irgendwie drin steckt. Das habe ich zum Anlass genommen mal genauer über das das nach zu denken, was ich mal Schema F nennen will. Irgendwie gibt es doch für jedes Spiel dieses Muster. Bei manchen mag es einfacher zu durchbrechen sein, aber ein Muster wie die Taverne zum lustigen Auftraggeber, wird sich immer in D&D Runden finden.

Zu dem habe ich darüber nach gedacht, ob Railroding eigentlich so schlimm ist. Zumal sich, wie ich es jüngst in Mage gemacht habe, für gewisse Spiele, sehr passende Anfänge basteln.

Was meint ihr? Fallen euch noch weitere Schemata F ein?
 
AW: Cthulhu Matrix und Railroading - Abenteuer nach Schema F

Agroschim schrieb:
Zu dem habe ich darüber nach gedacht, ob Railroding eigentlich so schlimm ist.
Railroading durch den Spielleiter ist nicht schlimm. STÄNDIGES Railroading KANN von manchen Spielern als schlimm empfunden werden.

Manchmal mag man sich eben in eine Achterbahn setzen und die spannende Fahrt genießen. Und manchmal mag man selbst bestimmen wo es lang gehen soll. - Manchmal mag ich eben einen Doppelwhopper, aber nicht ständig. Manchmal mag ich selbst was kochen, aber auch nicht ständig. Vorlieben wechseln. Schlimm ist das nicht. Nur wenn ich ständig Fast Food essen MUSS, weil man mich nicht meine eigenen Lieblingsgerichte kochen läßt, dann nervt das eventuell.


Was für eine ART Railroading kann denn überhaupt als schlimm empfunden werden?

Der Klassische Dungeon (tm) stellt ein "räumliches Railroading" dar, jedoch läßt er den Spielern jede Freiheit die Geschichte, den zeitlichen Ablauf zu gestalten. Es liegt nur die Örtlichkeit fest, die Interaktion mit der Örtlichkeit ist dem freien Willen der Spieler offengestellt.

Die Anspruchsvolle Geschichtenerzählung (tm) stellt den (vorgezeichneten) Plot in den Vordergrund. Abweichungen, die nicht mehr den Anschluß des nächsten, vorbestimmten Kapitels erlauben würden, werden durch den "Erzähler" übergebügelt, bis sie passen. Dabei wird den Spielern die Ausschmückung des vorgenerierten Plots durch das Ausspielen der Charakterzüge ihrer SCs ermöglicht. Darin und in der genauen Ausgestaltung der Orte sind sie solange frei, bis sie eine plotrelevante Stelle erreichen, wo bei Inanspruchnahme (allzu) freier Entscheidungen der Spielleiter ggf. wieder auf die Fertiggeschichte zurücksteuert.

Die Markante Charakter (tm) stellt eine feste Vorbelegung dieses SCs bezüglich seiner Verhaltensweisen, seiner Antriebe, seiner Interaktionsmittel mit den anderen Bewohnern der Spielwelt dar. Wenn sich der Spieler anders verhalten möchte, als es auf dem Charakterbogen steht, dann "regelt" der Spielleiter nach ("Da steht aber: 'attackiert jeden Elfen, dem er begegnet, weil er Nachteil 'Elfenhaß +20' hat. - Also dann, Initiativwürfe bitteschön ..."). Der Charakter ist räumlich frei, kann sich seine eigene Plotrichtung aussuchen, nur "kann er nicht aus seiner Haut". - Diese Form des "charakterlichen Railroadings" kommt oft bei vorgenerierten Charakteren vor, die in einem bestimmten Szenario stark vordefinierte SC-Beziehungskonstellationen aufweisen müssen, damit das vom Autor beabsichtigte "Spannungsfeld" zwischen den SCs überhaupt vorkommt. Aber auch selbstgebastelte Charaktere können mit soviel - bewußt oder unbewußt gewählter - Einschränkung der möglichen/plausiblen Verhaltensweisen daherkommen, daß hier die Möglichkeit zum freien Spiel eingeschränkt ist.

Man findet bisweilen alle drei Arten von Railroading zusammen vor. Dann ist das Korsett doch recht eng für den Spieler. - Und doch: es gibt Spieler, die genau das wollen! Sie wollen eben stärker geführt werden, sie wollen die Reise mitmachen, eine spannende Geschichte erleben, einen Charakter ausspielen - und hierbei helfen solchen, nicht-do-it-yourself-Spielern eben solche Formen des Railroadings.

Railroading an sich ist nicht schlimm, sondern nur Railroading, welches gegen die Wünsche der Spielenden geht (ja, es soll auch Spielleiter geben, die gerne WENIGER Railroaden würden, aber z.B. durch so manche Fertigszenarien nicht so recht dazu kommen - "Szenario-Autoren-Railroading" ist hier eher das Problem als das "klassische" Spielleiter-Railroading.).
 
AW: Cthulhu Matrix und Railroading - Abenteuer nach Schema F

Agroschim schrieb:
Was meint ihr? Fallen euch noch weitere Schemata F ein?
Das wohl bekannteste Schema F:
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3458342567/302-3626916-8911224
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3861502283/qid=1147448831/sr=1-1/ref=sr_1_10_1/302-3626916-8911224

Ähnliche Schemata kann man übrigens auch in zahlreichen bestimmten Genres oder Gattungen finden, zum Beispiel im Arzt-Roman (und den meisten anderen Heftchen-Romanen), der Tele-Novella oder dem Action-Film.
Das "Schlimmste" daran, die lassen sich auch noch prima im Rollenspiel verwenden ^^

Agroschim schrieb:
Zu dem habe ich darüber nach gedacht, ob Railroding eigentlich so schlimm ist. Zumal sich, wie ich es jüngst in Mage gemacht habe, für gewisse Spiele, sehr passende Anfänge basteln.
Ich geb da Zornhau in weiten Teilen recht, manche Gruppen wollen einem Plot folgen können, anstatt selber alles zu entscheiden. Trotzdem ist "Railroading" weithin verpönt - meist heißt das aber nur, daß die Spieler nicht merken wollen, daß sie einem fixen Plot folgen.

Kurze Ergänzung:
Die Cthulhu-Matrix wehrt sich ja nicht so sehr gegen das Railroading, sondern vor allem gegen die immer gleichen Plotelemente, die auftauchen. Mein Freund hat damals nach 1,5 Jahren seinen Plan alle Cthulhu-Abenteuer der Reihe nach mit uns durchzuspielen eingestellt, einfach weil es ihm zu langweilig wurde, da eh immer das gleiche passiert ist und eigentlich nur Gott, Kultisten und die Namen ausgetauscht wurden.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Cthulhu Matrix und Railroading - Abenteuer nach Schema F

Aber Railroading und Cthulhu Matrix haben mich aneinander erinnert. Darum der Threadtitel.

Die Bücher sehen interessant aus, hast Du mehr dazu? Das erste scheint sich dem Themer von einem psychoanalytischen Standpunkt zu nähern. Der zweite Autor war Drehbuchautor, welche Ansicht vertritt er, wenn es um die Frage geht, wieso wir diese Archetypen sehen wollen? (Ah, ich seh grad das sich zweiteres auf ersteres Bezieht :D )
 
AW: Cthulhu Matrix und Railroading - Abenteuer nach Schema F

Agroschim schrieb:
Aber Railroading und Cthulhu Matrix haben mich aneinander erinnert. Darum der Threadtitel.
Ist ja auch richtig, da die beiden Themen durchaus miteinander verwandt sind, sollte keine Kritik sondern nur eine kleine Einschränkung sein.

Agroschim schrieb:
Die Bücher sehen interessant aus, hast Du mehr dazu? Das erste scheint sich dem Themer von einem psychoanalytischen Standpunkt zu nähern. Der zweite Autor war Drehbuchautor, welche Ansicht vertritt er, wenn es um die Frage geht, wieso wir diese Archetypen sehen wollen? (Ah, ich seh grad das sich zweiteres auf ersteres Bezieht :D )
Kurz als Einführung dazu: Joseph Campbell war Anthropologe, dem aufgefallen ist, daß in verschiedensten Kulturen sehr ähnliche Geschichten vorhanden sind, also hat er die These eines "Mono-Mythos" aufgestellt, den man auf der ganzen Welt findet.
Vogler hat dann diese Idee auf den modernen Hollywood-Film angewendet und noch stärker an die Jungschen Archetypen angeknüpft. In seinem Buch exerziert dann einige dieser Übertragungen durch, um dann zu behaupten, daß das ja eigentlich mit allen Filmen geht.
Um das ganze etwas einzuschränken sollte man vielleicht nicht unerwähnt lassen, daß in den 70er Campbell der "Heiße Scheiß" bei der "New Hollywood"-Bewegung (zu der solche Nasen wie Stephen Spielberg, Francis Ford-Coppola und George Lucas gehörten) und anderen Textschaffenden war, so daß es wenig verwunderlich ist, daß sich diese Muster auf deren Filme anwenden lassen.

Zwischenzeitlich ist in der Narratologie die ganze Monomythos-Sache und insbesondere Vogler mit seinem Alleinvertretungsanspruch etwas in die Kritik geraten - aber die aktuelle Erzählforschung hier aufzurollen macht wenig Sinn (und wäre auch etwas am offtopic ^^).

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Cthulhu Matrix und Railroading - Abenteuer nach Schema F

Nein, nein, ganz im Gegenteil! Das zum Beispiel finde ich hochinteressant.
 
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Dann gleich schon wieder 'nen Buchtipp:
http://www.amazon.de/exec/obidos/AS...8-1/ref=sr_8_xs_ap_i1_xgl/302-3626916-8911224

Scheffel und Martinez fassen die wichtigsten Entwicklungen und Theorien gut und sinnvoll zusammen - es ist aber ziemlich theoretisch und hat kaum Beispiele.
Auch wenn der Text sich eigentlich um Analysemethode dreht, lassen sich eine Menge Sachen auch per Inversion fürs Rollenspiel verwenden.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Cthulhu Matrix und Railroading - Abenteuer nach Schema F

Manchmal kann es, je nach System ganz nützlich sein ein vorgefertigtes Abenteuer aus einem komplett anderen System zu nehmen (CoC statt Shadowrun) einfach nur, damit die Gegner mal absolut varieren. Da muss man dann natürlich eine menge Arbeit reinstecken und viel ändern aber es hilft. Bei mir jedenfalls.
 
AW: Cthulhu Matrix und Railroading - Abenteuer nach Schema F

Wo es mir grade einfällt. Gibt es gewisse Archetypische Geschichten? Ich will das ganze nicht so weit treiben wie Campbell, aber gewisse Muster fallen in Abenteuern immer wieder auf:

Der klassische Dungeoncrawl. Bei D&D hat jeder damit angefangen, aber auch in anderen Rollenspielen findet sich das Muster: Geh rein, töte alles, nimm viel mit. Ob jetzt bei SR, CP 2020 oder Violence (wobei letzteres nicht ernst gemeint ist).

Investigative Abenteuer. Irgendwas passiert, die Charas müssen rausfindet unter welchen Umständen. Der Krimi im Rollenspiel. Cthulhu bietet sich an, Stichwort Cthulhu Matrix, aber auch Spiele wie Mage oder Werewolf sind denkbar.

Fallen euch von diesen Muster noch mehr ein?
 
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Einspruch!
Agroschim schrieb:
Der klassische Dungeoncrawl.
Ist anders, als die nachfolgende Darstellung des Knights-of-the-Dinner-Table-Zerrbildes es erscheinen läßt.
Agroschim schrieb:
Bei D&D hat jeder damit angefangen, aber auch in anderen Rollenspielen findet sich das Muster: Geh rein, töte alles, nimm viel mit.
Dies beschreibt nur das - schon seit den Urzeiten des alten prä-AD&D-Dungeon-Crawls bekannte UND VERPÖNTE(!) - "Monty Haul Dungeoneering". Das ist ein unrühmlicher Auswuchs des klassischen Dungeoncrawls, der - wie die Zeit doch die Wahrnehmung filtert - heute in manchen (viel zu jungen) Hirnen als die einzige Ausprägung des klassischen Dungeoncrawls herumspukt.

Klassischer Dungeoncrawl. Da reden wir von "Keep on the Borderlands" (und den Rest der B-Serie), "Against the Slavers", "Against the Giants", etc.

Da ist natürlich Monsterplätten und Auffüllen der eigenen Resourcen mit der Habe der Erschlagenen drin. Doch GEHT ES NICHT DARUM! - Das ist eigentlich der wesentliche Unterschied zu den miesen Computer-"Rollen"-Spielen, die so tun als wären sie D&D, die aber tatsächlich nur "Monty-Haul-Metzeleien" zulassen.

Klar gibt es den Klassischen Dungeoncrawl als Stereotype. Nur verwendet der NICHT Munchkin als Szenario-Vorlage!



Seniler Nachsatz: Klassischer Dungeoncrawl? Ich war dabei. :opa:
 
AW: Cthulhu Matrix und Railroading - Abenteuer nach Schema F

Kommt auch immer darauf an wie man es spielt. Bei uns ist Cyberpunk immer ehr investigativ.
 
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Ich habe gegen die Cthulhu-Matrix eben so wenig wie gegen die SR-Matrix oder die D&D-Matrix oder was für ein wiedererkennbares Plotmuster auch immer.
Diese Muster erlauben es schnell Abenteuer zu erschaffen, und die Spielteilnehmer wissen immer was in welchem Teil des Spiels angemessen ist.

Für Leute die unheimlich tolle Plotwendungen und Überraschungen erwarten sind diese Muster natürlich nichts, aber für Spiele die ihren Fokus wo anders liegen haben (wie bei SR die Taktik) ist es hochgradig praktisch da es die Spielteilnehmer bei den unwichtigen Dingen entlastet und damit besser erlaubt sich auf die wichtigen Teile des Spiels zu konzentrieren.

Tolles Beispiel dazu: [wiki]Inspectres[/wiki], oder wenn es Eigenwerbung sein darf, mein Beitrag zum 72h-Grofafo-Challenge Goochelaar Meisjes.

Agroschim schrieb:
auch in anderen Rollenspielen findet sich das Muster: Geh rein, töte alles, nimm viel mit. Ob jetzt bei SR, CP 2020
Einspruch!
SR dreht sich nicht darum mit einem Truck in die Lobby zu krachen, mit einer Panther Sturmkanone links und einem SMG rechts alles zu erschießen und dann mit der Beute abzuhauen. Bei fast allen publizierten Abenteuern und bei den meisten Gruppen die ich kenne bedeutet das ein abruptes Spielende nach 15min und einen weiteren SC im blauen Sack.
Ich denke am deutlichsten erkennbar wird die typische Spielweise von SR an diesem in der Spielerschaft berühmt gewordenen Beispiel von Blackjack: Shadowrun 101 - A Basic Run.

CP2020 hat gar keine feste Storystruktur. Diese wird bestenfalls durch die Kampagnenart festgelegt, und auch hier fühlt sich CP2020 meist eher wie eine offene Weltsimulation als eine starre Storystruktur an.
 
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