Rollenspieltheorie cinematisch / cineastisch

Skar

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Wir hatten die Frage schon mal. Da die Diskussion aber wieder im Wiki auftauchte ([wiki]Cineastische Martial Arts (Genre)[/wiki]), hier nochmal.

Für mich ist Cineastik "die Filmkunst betreffend" und Cinematik ist "wie im Kino". Von daher müsste die Genrebezeichnung oder die erzählerischen Mittel meiner Meinung nach cinematisch und nicht cineastisch heißen.

Meinungen?
 
AW: cinematisch / cineastisch

Ich kenne einmal die cinematic Spielweise... Aus DP9 Produkten und natürlich von Wu-Shu...
Also "wie im Film" inklusive das der Held mit Leichtigkeit die "Bösen" ausschaltet und aktivierten "Woo-Faktor"... also 180 Schuß aus dem 6er Revolver:D nicht zu vergessen "Script-imunity"...

Und dann gibt es noch die Cineastische Erzählweise:
Hatte ich das erste mal in einem AD&D Fanzine gelesen.
Wurde so erklärt das man "Kinoeffekte" (beschreiben der Kamerafahrt durch die Burg, Close-up auf Bösewicht, Zwischensequenzen die die Charaktere eigentlich nicht mitbekämen usw, etc, pp...) benutzt.

GdJ
 
AW: cinematisch / cineastisch

Josh schrieb:
Ich kenne einmal die cinematic Spielweise...
Also "wie im Film" inklusive ... aktivierten "Woo-Faktor"...
Ist DASSELBE wie
Josh schrieb:
... das man "Kinoeffekte" (beschreiben der Kamerafahrt durch die Burg, Close-up auf Bösewicht, Zwischensequenzen die die Charaktere eigentlich nicht mitbekämen usw, etc, pp...) benutzt.
Zum "Woo-Faktor" gehören nämlich auch Zeitlupen/Bullet-Time-Einstellungen und andere in der Erzählweise und der Präsentationsart am Film entlehnte Techniken, die ein cinematisches Rollenspiel zu einem Rollenspiel "wie im Kino" machen.

Wenn man sich einmal die (nicht-deutschen!) Rollenspiele anschaut, die mit dem Etikett "cinematic roleplaying" daherkommen, dann wird man dort nirgendwo die schlichtweg falsche und für ein Rollenspiel sogar lächerliche Bezeichnung "cineastic" finden.

Nur das mangelhafte Sprachverständnis - hier insbesondere in deutschen Foren und bei deutschen Wirklichkeitsveredlern - welches nicht zwischen cinematisch und cineastisch unterscheiden kann, ist für diese eigentlich nicht notwendige Verwirrung verantwortlich.

Der Begriff "cinematic roleplaying" ist guteingeführt und bezeichnet sowohl eine ganze, eigene Kategorie an Rollenspielen, die filmtechnische Darstellungsmittel im Regelwerk eingebettet haben, also auch eine Methode in Rollenspielen, die das filmtechnische Präsentieren nicht im Regelwerk direkt vorsehen, solche Präsentationsformen "wie im Kino" einzubauen.

So kann man in Wushu oder Angel direkt die Darstellungen im Regelwerk unterstützt wiederfinden, die die Film bzw. die Fernsehserien-Vorlagen auszeichnen.

Man kann aber auch in DSA oder D&D die Darstellungstechniken wie Schnitte, Einblendungen, Zwischensequenzen, Pretitles etc. verwenden und so die Darstellung mit einem cinematischen Gefühl des "wie im Kino" versehen.

Der eigentliche Unterschied ist der zwischen einer ganzen Kategorie an Regelsystemen, die auf solchen kino-technischen Effekten aufbauen und sie im Regelwerk verankert haben, und einer Darstellungstechnik nach Art des Kinos. - Beide sind aber CINEMATISCH.

Cineastisch ist im Rollenspiel nichts. - Klar kann man ein Szenario nach einem von Peter Greenaways Filmen spielen (übrigens eine recht reizvolle Idee: Man denke an "Drowning by numbers" als Szenario - eventuell für UA ...). Aber wenn man bestimmte Elemente der Film-KUNST betonen und verwenden wollte (wie die streng formalen Greenaway-Filme z.B.), dann versucht man Elemente ins Rollenspiel einzubauen, für die die Grundlage erst einmal eine Darstellungstechnik "wie im Kino" ist: also cinematisch.

Cineastisch könnte es dann bestenfalls werden, wenn man eben bestimmte Kunst-Aspekte der Filmgeschichte zu verwenden oder nachzustellen versucht.

Doch was wäre das denn?

Z.B. die Split-Screen-Technik bei "Napoleon", oder die Story zu präsentieren ohne je den Schauplatz zu wechseln wie in "Fenster zum Hof", oder in der Handlung von 100 bis 1 zu zählen wie in "Drowning by numbers". - Das sind aber alles in der Wurzel unspektakuläre, eher filmtechnische oder handlungsbezogene Elemente, die in ihrer Anwendung im jeweiligen Filmkunstwerk aber besonders eindrucksvoll kreativ eingesetzt wurden. So eindrucksvoll, daß der Film eben zu einem Kunstwerk wurde, welches Cineasten zu schätzen wissen.

Rollenspiele, die so etwas - also die Cineastik - direkt im Regelsystem oder dem Setting unterstützen, kenn ich keine (weil auch kein Markt dafür da ist - nicht umsonst sind Cineasten auch eine eher kleine Untermenge der Kinofreunde). Es ist ja auch bei einem Film meist vorher nicht klar, ob er jetzt von Cineasten hochgeschätzt werden wird, oder als Popcorn-Kino-"Wolke" durch die Kinos zieht und nach zwei Wochen wieder verweht und vergessen ist. Cineasten sind Kunstgenießer. Da spielt der persönliche Geschmack, ein Anspruch an Originalität und Kreativität des Kunstobjektes eine große Rolle. Ob und wann ein Film etwas "für Cineasten" ist, läßt sich somit schon allein grundsätzlich schwer sagen. - Wie sollte man dann bei solch einem flüchtigen Begriff genau sagen können, wann ein Rollennspielszenario mal cineastischen Ansprüchen genügt hätte?

Rollenspiele, die weniger den Anspruch an KUNST-Aspekte in der filmtechnischen Darstellung, sondern eher die filmerzähltechnischen Aspekte im Regelwerk einbetten, gibt es hingegen eine ganze Reihe. Und dafür ist ein Markt da. Und daher gibt es auch das Interesse an einer solchen erzähltechnischen Darstellungsform "wie im Kino" in anderen, ursprünglich nicht als cinematisch gedachten Rollenspielsystemen.

Wenn man also bestimmte Elemente der Film-Technik, des Film-Handwerks betonen und verwenden möchte, dann ist man beim cinematischen Rollenspiel. - Wenn ein Szenario aufgrund der kreativen Anwendung dieser cinematischen Erzähltechnik auch noch den Ansprüchen eines Filmkunstfreundes, eines Cineasten, genügt hat, dann - und NUR dann - könnte es sich um ein "cineastisches" Rollenspielereignis gehandelt haben.
 
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Zornhau schrieb:
Wenn man also bestimmte Elemente der Film-Technik, des Film-Handwerks betonen und verwenden möchte, dann ist man beim cinematischen Rollenspiel. - Wenn ein Szenario aufgrund der kreativen Anwendung dieser cinematischen Erzähltechnik auch noch den Ansprüchen eines Filmkunstfreundes, eines Cineasten, genügt hat, dann - und NUR dann - könnte es sich um ein "cineastisches" Rollenspielereignis gehandelt haben.

Sieh an... Und wenn ich jetzt Angel ohne close-up Beschreibung spiele? Ist es dann noch cinematisch?
 
AW: cinematisch / cineastisch

Gute Frage!

Bei Angel sind im Regelwerk schon viele Elemente enthalten, die auch ohne die explizite verbale Beschreibungstechnik nach filmtechnischen Motiven eine bestimmte Art der Handlung hervorrufen: die individuell unterschiedlichen Kampfmanöver, das "dusting" von Vampiren; die gesichtslosen, schwach-detailierten Schurken mit festen Kampfwerten, die so deutlich schlechter als die von Helden oder Oberschurken (mit Gesicht!) sind; die Vorteil/Nachteil-Auswahl; die Benennung der Fertigkeiten (Going Medieval) etc. - All das gibt auch ohne eine cinematische Beschreibungskomponente schon ein anderes Grundgefühl, als wenn man GURPS Angel, oder Angel BRP, oder Angel D20 spielen würde. Insoweit ist das "cinematic Unisystem" schon ein cinematisches System.

Für ein cinematisches Spiel-GEFÜHL, jedoch wird man ohne die genregerechte Beschreibung nicht ausreichend klarkommen. Wenn man ANGEL, wie in in der Fernsehserie spielen will, und man fängt an taktisch-simulationsorientiert herumzurechnen, Trefferwinkel zu bestimmen und alles zäh und ohne "drive" darzustellen, ist es dann noch Angel? - Ich sage mal: NEIN.

Um John Woo Balleraction darzustellen, muß allem voran die Beschreibung der Szenen, der Handlungen adäquat sein. Das ist es, was ich mit der cinematischen Darstellungstechnik meine.

Bei harten "numbercrunch"-Rollenspielsystemen nimmt das regelmechanische zuviel Zeit ein und damit den "Drive" aus der Actionszene. Das ist für Genres mit verwundbareren, mit low powered Charakteren ganz in Ordnung, aber nicht für die quasi schon Superhelden der Gun-Fu-Schinken.

Daher gibt es Regelsysteme, die konsequent solche Konzepte wie Mooks/Extras/... , wie ein Schadensvermeiden selbst im dichtesten Bleigewitter, wie unrealistisch viele Einzelaktionen in einer kurzen Zeitspanne (Bullet-Time Zeitlupe für die Helden), etc. vom System her schon unterstützen. Das erleichtert es ungemein eine adäquate Beschreibungstechnik anzuwenden, da man die Beschreibung nicht verbiegen muß.

Wenn man z.B. das eher langwierige Numbercrunch-System von Perry Rhodan für cinematic Action-Szenen nehmen will, so muß man die "realismus"-orientierten System-Elemente stärker uminterpretieren, daß aufgrund der erfolgten Würfelwürfe, Regelanwendungen, eben aufgrund des Wirkens des Regelsystems TROTZDEM eine cinematische Action-Szene erfolgt.

Daher sehe ich den Vorteil von cinematischen Regelsystemen für cinematisches Rollenspiel als durchaus gegeben an.

Aber man KANN auch mit nicht-cinematischen Rollenspielen cinematische Darstellungstechniken verwenden, es ist nur härter für den Spielleiter und die Spieler.

Nehmen wir mal ein Nicht-System. Nehmen wir mal Engel-Arkana-Karten, die ja eigentlich ohne jegliche Regel zur Anwendung im Spiel vorgesetzt werden. Hier entscheidet letztlich jeder Gruppe für sich und im Spiel miteinander, wie cinematisch es zugehen soll. Die einen wollen lieber die die Chroniken der schwachen, armen, gebeutelten, ausgebeuteten Engelein spielen, die alle in sinnlosen Aktionen verschlissen werden. Dann wird dort das Powerlevel entsprechend niedrig geschildert, die Aktionen werden in ihren Konsequenzen ins negative übersteigert geschildert, weil es eben der Art der Geschichte, die man erspielen will, dient. - Die anderen wollen die göttlichen Superkrieger spielen, die wie der lebendige Zorn Gottes in ein Heer von Ketzern und Traumsaat fahren und dort Tod und Vernichtung zum Lobe des Herrn verbreiten (inklusive Kamerafahrt über den Pfeil des Urieliten bis ins Hirn des gerichteten Ketzer), weil das eben ihrer Art an Geschichten dient.

So hat Engel für unterschiedliche Spielstile ein gleichermaßen geeignetes, weil eigentlich KEINE Annahmen über den Spielstil machendes System (bei dem man sich durchaus darüber streiten kann, ob Engel-Arkana überhaupt ein REGEL-System darstellen, oder nicht).

Wenn man aber ein stark bestimmte Spielstil-Richtungen voraussetzendes System heranzieht, dann ist es eben schwieriger darin einen anderen Stil umzusetzen. Wenn man mit Wushu eine realistische low-powered Story, bei der es auf exakte Simulation realer Sachverhalte in Technik, Anatomie, was auch immer... ankommt spielen wollte, dann wäre der Fokus diese cinematischen Rollenspielsytem eben woanders.

Cinematik heißt nicht "wie im Dokumentarfilm" oder "wie in der Reality-SOAP". Mit cinematischem Rollenspiel ist - in der Regel (Ausnahmen gibt es immer) - das "wie im Action-Kino" gemeint. Also nicht so sehr "Mission Impossible"- die Fernsehserie OHNE Action, aber mit Hirn, sondern mehr "Mission Impossible" - der Film mit VIEL Action und nur mit Hirn, wenn es einem gesichtslosen Gegner aus der Rübe spritzt.

Insoweit machen auch die gängigen cinematischen Rollenspielsysteme durchaus einschränkende Annahmen bezüglich ihres Einsatzbereiches und des Spielstiles.
 
AW: cinematisch / cineastisch

@Zornhau: "It came from the late late late show" müsste dann ja ein cineastisches Rollenspiel sein, da es die Filmkunst der "B-Movies" einzufangen versucht. Oder?
 
AW: cinematisch / cineastisch

Nur wenn es den Ansprüchen von Filmkunstfreunden an filmische Qualität genügt.

Wenn es nur die Versatzstücke der (nicht gerade künstlerisch wertvollen) B-Movies durch cinematische Regeltechnik und Erzähltechnik einzufangen versucht, dann nicht.

Cineastisch hat was mit FilmKUNST zu tun und den (selbsternannten) Anhängern dieser Filmkunst. Somit ist es eh schwer zu sagen, was denn genau ein Cineast ist, was für ein Film für Cineasten wertvoll genug ist, ihren Ansprüchen zu genügen.

Genauso könnte man sagen, ein Rollenspiel ist etwas für Ballettliebhaber. Wenn also ein Rollenspiel-Szenario einen Ballettliebhaber anspricht, dann ist es etwas für Ballettliebhaber.

Wenn ein Rollenspiel einen (zwangsläufig selbsternannten) Cineasten in seiner Wertschätzung Filmen gegenüber anspricht, dann wird es wohl in diesem konkreten Falle für diesen konkreten Menschen cineastisch sein. Sonst nicht.

Cineastisch ist somit, da zwingend schlecht definierbar und ebenso zwingend sehr persönlich und individuell bezogen, kein Adjektiv, welches man einem Rollenspiel geben kann oder auch nur sollte.

Cinematisch kann man hingegen gut definieren und man kann auch gut entscheiden, ob eine Rollenspiel-Schilderung cinematische Elemente benutzt, bzw. ob ein Regelsystem das Verwenden cinematischer Elemente als Annahme für den zu verwendenden Spielstil unterstützt oder gar voraussetzt.
 
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Zornhau schrieb:
Nur wenn es den Ansprüchen von Filmkunstfreunden an filmische Qualität genügt.
Man spielt die Filmcrew/die Darsteller während einer B-Movie-Kreation.
 
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Wenn es Truffauts Film (im Film) "Eine amerikanische Nacht" gleicht, dann wäre es für manche eventuell cineastisch einzustufen.

Aber nur eine Filmcrew und Filmdarsteller zu spielen reicht nie aus. Weder für cinematisches Action-Kino, noch für cineastischen Filmkunstgenuss.

Offengestanden: wer auch immer hier in Deutschland "cineastisch" als falsch verstandenes Synonym für "cinematisch" (Wat, dat is doch allet cine-dingensda! Wo is denn de Unnerschied?) aufgebracht hat, gehört geschlagen.

Man "google" mal nach "cinematic roleplay" und dann nach "cineastic roleplay". Letzteres existiert nicht mal wirklich. Das ist nur ein Hirnpfurz von Nieten, die Begriffe vor lauter Ignoranz nicht auseinander halten können (wollen).

Und jetzt kommt hier allein in diesem Forum zum x-ten Mal die sinnlose Diskussion um "cineastisches Rollenspiel" auf, wo ALLE damit ausschließlich "cinematic" meinen. - Sorry, aber ich bin vom Training noch so geladen, daß ich meine üblich-tolerante Zurückhaltung bei dieser Sprachblödheit nicht aufrechterhalten kann (welche es im englischen Rollenspielsektor der 'cinematic roleplaying games' (sic) trotz der dort ansonsten durchaus nicht seltenen Sprachverwirrungen glücklicherweise nicht gibt - dieser Abschuß ist ein Produkt von "Du bist Deutschland! - Der Film", einer cineastischen PISA-Studien-Aufbereitung). :motz: *auskotz*
 
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