Rezension BodyTech (II) [T-Rezi]

Taysal

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Bodytech (II)


Shadowrun Regelwerk [T-Rezi]


Mit „BodyTech“ ist ein Quellenbuch für alle die Spieler und Spielleiter erschienen, die das Letzte aus ihren Charakteren herausholen möchten – oder besser gesagt: Hineinpacken wollen. Auf über einhundertachtzig Seiten haben sich die Redakteure Rob Boyle, Robyn King-Nitschke und Peter Taylor mit ihren Autoren regelrecht ausgetobt, alte Ausrüstung auf den neusten Stand gebracht und neue Spielereien eingebaut. Alles basierend auf der aktuellen (vierten) Edition von „Shadowrun“. Das bedeutet neue Möglichkeiten, neue Regeloptionen und neue Wunder aus den Laboren und Forschungsabteilungen der Konzerne. Dabei wird die Ausrüstung aus dem Grundregelwerk ergänzt, keinesfalls neu aufgeführt. Reflexbooster, Beispielsweise, findet man nur in den Tabellen im Anhang.

Um das ganze Material ordentlich aufzubereiten, buhlen insgesamt sieben umfassende Kapitel um die Gunst des Lesers. Hier findet sich fast alles, was das Herz begehrt. Aber auch nur fast, denn der menschlichen Kreativität sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt. Doch das in „Bodytech“ enthaltene Paket an Technikspielzeug deckt die meisten Wünsche ab. Dabei kommen von allem deutschsprachige Spieler gut weg, denn die deutsche Redaktion unter Leitung von Tobias Hamelmann hat die Originalausgabe ordentlich aufgebohrt – äußerlich und innerlich. Alleine schon das Coverbild von Arndt Drechsel ist der Hammer: Eine nackte, in einem Nährlösungstank (oder was auch immer) schwimmende Elfe.

“Schöne Bescherung”*

Um sich auf das Spiel und das Buch einzustimmen, gelangt der Leser nach dem „Jack Point“ sofort zum Kapitel „Stiche und Ersatzteile“. Hier wird erst einmal allgemein auf die Thematik der Bodytech eingegangen, ganz im Stil des Spiels, gewürzt mit dem wunderbaren Shadowtalk, der ein gutes „Shadowrun“-Buch einfach ausmacht. Erst durch die Kommentare der fiktiven Kunden und Verbraucher, erwacht das Spiel so richtig zum Leben. Und dieser Shadowtalk zieht sich gelungen durch „BodyTech“.

So erfährt der Leser und der Charakter alles, was er über die medizinische Praxis ab dem Jahre 2070 wissen muss, wer die Fäden im Hintergrund zieht, was Schattenkliniken sind, wer mit Organen handelt und wie sich bewaffnete Notfalldienste tatsächlich verhalten. Das Kapitel beinhaltet auch einen Abschnitt mit Spielinformationen, in dem auf verstärkte Charaktere eingegangen wird. Außerdem werden neue Gaben und Handicaps vorgestellt. So kann ein Stück Bodytech schnell mal eine Macke haben und fortwährend ein nerviges Geräusch von sich geben.

Im Kapitel „Cybertech“ dreht sich nun alles um Verschmelzung von Mensch und Maschine. „Shadowrun“ braucht die Cybertech wie die Luft zum Atmen und so wird in dem Kapitel das neue Spielzeug ausführlich behandelt. Wie bei allen anderen Kapiteln auch, stimmt übrigens eine Kurzgeschichte auf die jeweilige Thematik ein. Die Shortstory zu „Cybertech“ ist echt klasse und lesenswert.

Hier im Kapitel wird das Für und Wider der Cyberware abgesprochen, werden die Macher im Hintergrund aufgeführt und gibt es natürlich das ganze nette Spielzeug, das man seinem Charakter einbauen kann oder mit dem der böse Bube die datenklauenden Helden überrascht. Da ist mal flugs ein Cybersporn ausgefahren oder wird gar durch die Luft geschleudert oder legt sich ein Charakter ein passendes Cyberware-Set zu, wie das Urban Kshatriya. Nette Idee. Da es auch Schurken mit bösen Ideen gibt, gehen die Autoren auf WLAN und Cyberware ein. Ein Straßensamurai sollte wissen wie er sich schützen kann. Ansonsten schaltet sich plötzlich seine Smartverbindung im Feuergefecht ab und sorgt für peinliche Augenblicke. Natürlich kann man den Spieß auch umdrehen und die Cyberaugen der Wachmanns abschalten.

Das kann im nächsten Kapitel keinesfalls passieren, denn da dreht sich alles um „Biotech“. Das ist für körperbewusste Runner von großer Bedeutung. Hier werden vor allem Spielsachen angeboten, die man bei der Cyberware vergeblich sucht. Auch hier liegt der Fokus auf dem Einsatz in Kampfsituationen, aber es gibt auch andere nette Gimmicks, wie die kosmetische Bioware. Bei den Neuentwicklungen sind übrigens die Symbionten mit am Start. Natürlich gehen die Autoren auch in „Biotech“ auf den Spielinhalt ein und so finden sich neue Regeln und Infotexte zu den verschiedenen Bereichen. Einiges davon klingt irgendwie eklig, ist aber meist biologisch abbaubar.

In „Gentech“ finden die Veränderungen des Charakters auf einer ganz anderen, aber ebenfalls spektakulären Ebene statt. Neben einer kleinen Abhandlung über die Evolution und Gregor Mendels Regeln der Vererbung, geht es auch sofort ans Eingemachte. Sind sich in der Realität die Wissenschaftler noch uneins was man von der Genetik halten soll, so ist die Sache in „Shadowrun“ eindeutig: Es ist alles nützlich – irgendwie für irgendwen jedenfalls. So ist die natürliche Alterung in „Shadowrun“ kein großes Problem mehr und kann ein alter Opa fit wie ein junger Gott sein. Faszinierende Gedankenspiele!

Im Kapitel „Nanotech“ kommen die kleinen Maschinen zum Zuge, die man nur unter dem Mikroskop erkennen kann. Auch hier gehen die Autoren ins Detail und beleuchten etliche Facetten. Es wird auf harte und weiche Naniten eingegangen, wie man mit ihnen angreift, was sie abwehrt und wie entsprechende Waffen aufgebaut sind. Da kann eine vermeintliche Wasserpistole schon mal tödlich sein.

Glücklicherweise gibt es da das Kapitel „Medtech für Fortgeschrittene“. Wem Medizin und Erste Hilfe aus dem Grundregelwerk zu wenig war, der wird nun erleichtert aufatmen. Auf etlichen Seiten finden sich optionale Sonderregeln, wird auf Spezialisierungen der Fertigkeiten eingegangen, gibt es neue Ausrüstung und alles was das Herz begehrt. Aber auch der Spielleiter bekommt neue Dinge an die Hand und kann die Runner mit Krankheiten und Pathogene überraschen. Ist es eine Grippe, VITAS-3 oder doch Ebola Plus? Die passenden Medikamente und Biomedikamente werden gleich im Kapitel mitaufgeführt.

„Novaheiss“ geht es weiter, um die abstrakte und manchmal auch böse Seite des Themas Bodytech zu behandeln. Neben den üblichen Spielereien wie Cybermantie und Cyborgs, gibt es nun auch Biodrohnen. Das klingt nicht nur klasse, das ist es auch. Als kreativer Spielleiter hat man da doch sofort Alfred Hitchcocks „Die Vögel“ vor Augen – gesteuert von einem Rigger. Da kommt einfach Freude auf.

Abschließend gibt es umfangreiche Tabellen im Buch, in denen die Bodytech aus dem Quellenbuch und aus dem Grundregelwerk aufgelistet wird. So ist kein Jonglieren mit mehreren Büchern nötig, solange es nur um die reinen Zahlenwerte und Preise geht.

„Zahltag, Zahltag, Zahltag -
für eine Menschmaschine, die sich nicht wehren kann.“*

„BodyTech“ ist ein gelungenes Quellenbuch und macht auf mehreren ebenen großen Spaß. So sind die Texte unterhaltsam und trotzdem informativ geschrieben. Das Layout ist einfach gehalten und stylisch umgesetzt. Durch die passend gestaltete Umrandung sind die einzelnen Kapitel auch bei geschlossenem Buch einfach zu erkennen. Fehler halten sich in Grenzen und sind kaum der Rede wert. Überhaupt ist die deutsche Umsetzung mehr als gelungen, da es etliche neue Illustrationen und Texte gibt, die extra für den deutschsprachigen Markt erstellt wurden. Somit bekommt der Käufer mit der deutschen Ausgabe von „BodyTech“ eine umfangreicheres Produkt in die Hand, in das auch mehrere Errata der Originalausgabe einflossen. Das macht „BodyTech“ zu einer klaren Empfehlung für jeden Spieler.

* Zitate und Liedtitel von „Tote Hosen“

Diese Rezension erschien zum Zeitpunkt des Eintrags ebenfalls auf Taysal.net und Buchrezicenter.de.

Pegasus Press, Hardcover, 184 Seiten, 01/2009
Coverbild der deutschen Ausgabe Arndt Drechsler
Redaktion: Rob Boyle, Robyn King-Nitschke, Peter Taylor
Deutsche Chefredaktion: Tobias Hamelmann
ISBN 978-3939794776
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