BDD: Ein Traum

Stayka

Shitennou
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13. September 2004
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Brodelnde Glutgewalten allüberall um mich herum, glühende Magmatropfen, die sich durch meine Haut bis auf die Knochen herabsengen, Haar, das in Flammen steht und beißenden, übelkeiterregenden Gestank verbreitet -

Jetzt weiß ich endlich, warum mir so warm ist.

Ein pink und grün gestreiftes großes L kommt herangeschwebt, gefolgt von einem blaugepunkteten, schwarzen kleinen a. Ich sehe fasziniert zu, wie die Buchstaben in ihren absurden Farben durch die Feuersbrunst gleiten. Immer mehr werden es, und ich lese:

Laß mich das Lied der Kugel singen...
Vollkommenheit, Perfektion
Laß mich das Kind der Kugel sein...


Die Zeilen ballen sich zu einem schillernd bunten Ball zusammen, der zunächst aussieht wie ein Globus - oh ja, die Erde in den Flammen, wie passend! - und plötzlich zu einem Fußball wird. Anschließend verschwindet dieser spurlos, als hätte man ihn ausgeknipst.

Apropos ausgeknipst - von den Flammen ist auf einmal auch nichts mehr zu sehen. Mir schießen seltsame Zeilen durch den Kopf.

Wendezeit, Mäanderzeit
Die Welt lebt in Veränderzeit...


Ich stehe auf einer saftig grünen Wiese, wie aus einem Kitschroman oder einem der typisch deutschen bzw. österreichischen Heimatfilme. Klee und goldene Blüten übersäen das Grün, der Himmel ist blau - komisch, warum ist die Sonne auf einmal weiß und hat so eigenartige, sechseckige, schwarze Flecken? Sie fällt herunter und erschlägt eine glückliche, lilafarbene Kuh mit Milka-Aufschrift.

Der Besitzer des Tiers nimmt gefrustet eine Schrotflinte und erschießt die nächstbeste Wolke. Allerdings hat er nicht damit gerechnet, daß nun der Himmelsozean ausläuft und die Welt ertränkt. Ah, so ist also die Sintflut entstanden!

Ich schwimme durch das Nixenkönigreich und bin schockiert, als ich feststelle, daß im tiefsten Grund des Ozeans ein kleines grünes Männchen sitzt und an einem Badewannenstöpsel zieht. Das Wasser läuft in das Innere der Welt und läßt gleich noch Atlantis versinken. Warum hat eigentlich keiner gemerkt, daß die seit Ewigkeiten auf der anderen Seite der Erdkruste saßen?

Das Wasser läuft ins Herz der Erde, wird dort zu Dampf und läßt den Planeten explodieren. Die Trümmer fallen auf einen neuen Boden. Verdammt, ich kann mich absolut nicht erinnern, wo der auf einmal hergekommen ist! Egal. Ich habe ohnehin den Verdacht, daß der Traum bald zu Ende sein dürfte.

Soviel Mist am Stück passiert einem ja normalerweise nicht. In meiner Pfanne (ich stehe gerade in einer Küche. Träume sind nun einmal unlogisch und nicht im geringsten kausal. Meistens, meine ich) brutzelt ein lilafarbenes Steak. Hm. Als ich hineinbeiße, schmeckt es nach Schokolade. Vermutlich hätte ich doch besser die Kräuterbutter weglassen sollen.

Einstein steht als Hamlet verkleidet auf einem Podest und schaut angriffslustig auf das versammelte Publikum herunter.

"Raum oder Zeit - Das ist hier die Frage!" donnert er.

"Ich habe die Antwort", kommt eine nur fühlbare und nicht hörbare Stimme aus einem Feld unfarbigen Nichtseins. Es gleitet auf Einstein zu und verschlingt ihn. Dort, wo Hamlet gestanden hat, ist nun Nichts. Ich suche schleunigst das Weite.

Das Schloß aus Silber bröckelt leise
Trauernd sitzt dabei der Weise.


Eine tränenerfüllte Gedankenstimme singt eine sehnsuchtsvolle Melodie, und das Elfenreich zerkrümelt zu Staub, wo ehemals pastellfarbene Schönheit und perlmutterne Paläste gewesen sind.

Doch auch der Staub ist noch von glitzernder Pracht, und als die Finsternis über das Land fällt, wird er zu den Sternen.

Eine Sirene läßt ihren süßen Lockruf erklingen, und ich bin gefangen.

In dem Lied meiner Trauer
Wächst ein Samenkorn der Größe
Aus ihm wird eine Blume der Herrlichkeit
In der Zeit des Entzückens
Da bin ich...


Ich lasse mich gerne fesseln, und irgendwie stört es mich noch nicht einmal, als sie mich bei lebendigem Leib kocht und bis auf die Knochen abnagt.

Als fröhliches Skelett trabe ich davon. Unterwegs finde ich ein gewaltiges, bleiches Pferd, und ich lasse mich von ihm tragen. Ich komme an einem kristallenen Schachspiel vorbei, und einer der Bauern drückt mir eine Sense in die Hand.

Seltsam, jedesmal, wenn mich irgendwelche Leute erblicken, fallen sie entsetzt vor mir auf die Knie oder rennen davon! Erst als mir ein kleines Mädchen einen selbstgepflückten Blumenstrauß schenkt, lächele ich und steige ab. Unter der schwarze Kutte trage ich eine Ritterrüstung, und als diese von mir abfällt, bin ich wieder ein Schwan.

Hä? - Moment, war ich eigentlich vorher einer? Darüber muß ich kurz nachdenken. Andererseits, was ist Form? Wenn ich eine weiße Tigerin sein will, brauche ich es mir nur vorzustellen.

Auf einem Felsen rechts von mir sitzt ein gebeugter, weißhaariger Mann mit einem ebenso gefärbten Vollbart. Er ist in eine purpurfarbene Robe gehüllt und hat einen komischen, hohen Hut auf. Ein Heiligenschein schwebt über seinem Haupt, und ich habe das Gefühl, ich müßte ihn kennen.

Die Himmelskönigin steht vor ihm. Sie hat die Arme in die Seiten gestemmt und funkelt ihn verärgert an. Ich habe den Eindruck, sie trägt gerade ihren dunklen Aspekt, denn ab und zu tropft Blut von ihren Reißzähnen.

Armer, alter, kranker Mann...
Ich bin sicher, du glaubst,
Du wirst in deinen Himmel kommen.
Oh, ich jedoch würde sagen,
Der Andere wartet darauf, dich freudig in seine Arme zu schließen
Für all die Qualen und Leiden,
Die du deinen Anhängern angetan hast.


Als sie ihm die Worte um die Ohren haut, schrumpft der Papst zusammen und fährt in den Boden. Es riecht nach Schwefel, und ich kann mich eines Kicherns nicht erwehren.

Sie geht zu mir, nun wieder ganz die Jungfrau+Braut und lächelt mich an.

"Er weiß nicht, daß es die Hölle nicht gibt, aber so lange er daran glaubt, wird er darin brennen", meint sie belustigt, verwandelt sich in eine Schlange und ringelt sich davon.

Ich sehe mich um und frage mich, wie lange ich eigentlich noch durch die Traumebene irren soll. Aber vielleicht liegt es nur daran, daß hier die Zeit anders vergeht...

In der Zeit meiner Trauer
Erklingt das Lied einer anderen Welt
Bin ich frei fortzugehen
Oder hält man mich für immer hier?

Ich sehe hier alles, was ich mir wünsche
Und ich fühle alles, was ich will
Was ich träume, bekomme ich
Was ich bekomme, ist mein Traum

Denn hier träume ich das Leben
Hier träume ich die Welt
Ich träume das Universum
Und ich träume den Traum


Ich singe und erkenne meine Stimme nicht wieder. Zumindest wüßte ich nicht, wann ich mir einen Synthesizer eingebaut haben sollte, der eine Untermalung liefert wie ein Orchester mit Elfenchören.

Um mich herum sammeln sich Fabeltiere, lassen sich zu meinen Füßen nieder und weinen herzergreifend. Ich streichele Bambi. Es sieht in Wirklichkeit genauso süß aus wie im Film.

Ich sitze am Ufer eines nachtfarbenen, wogenden Sees. Als ich in das Wasser steigen will, falle ich ohnmächtig um. Der See ist ein Meer aus haarigen, schwarzen Spinnen. Irgendwie habe ich schon die ganze Zeit auf so etwas gewartet. Erst der saure Regen, der aus der grünen Wolke über dem Gewässer fällt, macht dem Horror ein Ende. Allerdings ist die dampfende gelbgrüne Säure, die nun den kreisrunden Krater füllt, auch nicht zum Schwimmen geeignet.

Um mich von meinem Schreck zu erholen, mache ich ein Nickerchen auf einer rosaroten Wolke. Sie fühlt sich wie ein riesiger Wattebausch an. Der Mann meiner Träume kommt auf mich zu, und ich denke mir: Endlich!

Aber dann schüttelt er irritiert den Kopf und sieht mich an.

"Hey, du hast ein Messer in deinem Herzen stecken!"

Ich sehe an mir herab, und nun weiß ich, warum ich nicht mehr aufwache.

- Das Ende -
 
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