Rezension Aus Aeonen [B!-Rezi]

Infernal Teddy

mag Caninchen
Registriert
2. August 2006
Beiträge
22.694
Aus Aeonen


Cthulhu Abenteuersammlung [A!-Rezi] von Infernal Teddy


Tja, und hier haben wir auch schon den nächsten Band aus der „Cthuloide Welten Bibliothek“. Wer meine Rezension über „Terror Britannicus“ gelesen hat, mag sich vielleicht erinnern, dass mein Urteil nicht allzu gut ausgefallen ist. Ebenso wie der vorhergehende Band, hat auch dieser Band ein durchgängiges Thema – in diesem Fall der Mythos durch die Zeiten. Als Konzept ist das ein guter Ansatz – besonders von meinem Standpunkt aus, da Pegasus für meinen Geschmack zu sehr an den Zwanziger Jahren verhaftet ist. Sehen wir uns also an, was dieser Band uns zu bieten hat.

Das erste Abenteuer, „Der Blutsauger von Schwarzbrunn“, ist ein Szenario für Cthulhu 1000 AD. Es ist ein recht kurzes Abenteuer, und deswegen recht gradlinig. In Schwarzbrunn werden Kinder bestialisch ermordet und die Spieler sollen das Ganze untersuchen. Wie die Spieler dazukommen, ist mir nicht ganz klar – ich vermute, sie sind im Auftrag der Inquisition unterwegs, aber da ich Cthulhu 1000 AD nicht kenne, weiß ich nicht, ob das „Standardvorgehen“ ist, aber es wäre schön, wenn das Abenteuer da etwas klarer wäre. Die Morde führen zu einem Kloster, dort stößt man auf einen wahnsinnigen Mönch und die Spieler kommen (vielleicht) hinter dem Sinn der Morde. Wie gesagt, ein kurzes Abenteuer, sehr linear, aber es ist schön zu sehen, wie das „Cthulhu-Schema“ sich auf eine andere Epoche übertragen läßt. Ein weiteres Lob an dieser Stelle auch für die wunderschönen Handouts, die tatsächlich wie mittelalterliche Handschriften aufgemacht sind.

Wir bleiben bei Cthulhu 1000 AD, gehen, beim zweiten Abenteuer in diesem Band, „Der Garten der Lüste“, aber weiter vorwärts in Richtung Gegenwart. Wir befinden uns hier in Spanien, im Jahre 1597 und wer in Geschichte aufgepasst hat weiß, dass wir es hier mit der Spanischen Inquisition zu tun haben (Wer in Geschichte nicht aufgepasst hat, naja, warum spielst du dann überhaupt Cthulhu?). Der Autor versichert uns hier, sein Abenteuer basiere zwar auf Cthulhu 1000 AD, aber zum Spielen sei es nicht von Nöten – begrüßenswert, das besagter Band zur Zeit nicht mehr aufgelegt wird. Es ist möglich, eigene Charaktere zu spielen, aber eigentlich wird davon abgeraten, da einige der vorgefertigten Charaktere eigene Subplots im Abenteuer haben. Die Charaktere werden ursprünglich nach Albergue geschickt, um Berichten nachzugehen, wonach es dort eine jungfräuliche Geburt geben soll, aber nach und nach decken sie auf, wer dahintersteht – die Insekten von Shaggai. Dieses Abenteuer bietet nicht nur ein spannendes Szenario, sondern auch hervorragendes Quellenmaterial. Außerdem bin ich ein Fan der Shaggai, und dieses Abenteuer bietet Leuten wie mir auch Möglichkeiten, Verknüpfungen mit „Kindern des Käfers“ und dem ersten Kapitel von „Delta Green: Countdown“ zu erstellen.

Nach der Inquisition geht es nach Frankreich, Paris um genau zu sein, ins Jahr 1898, in „Die Zeit der dunklen Träume“. Es gibt nicht sehr viel Material zu Paris, erst recht nicht außerhalb der Zwanziger, weswegen auch direkt am Anfang auch ein paar Notizen enthalten sind, um das Abenteuer zur Not auch in 1920 spielen zu können. Das Abenteuer ist recht interessant – wir haben eine Freimaurerloge, eine mysteriöse Erkrankung und eine Traumhandlung, die mich wünschen lässt, Pegasus würde endlich das Dreamlands-Setting übersetzen. Insgesamt fand ich dieses Abenteuer recht ungewöhnlich, die Handlung hat wenig direkten Mythos-Bezug. Fast möchte ich sagen, das Abenteuer lässt sich auch als Einführungsabenteuer für KULT verwenden – falls also jemand beides spielt hat er direkt „Zwei Abenteuer zum Preis von einem“.

Mag jemand Feengeschichten? Spätestens nach den nächsten beiden Kapiteln wahrscheinlich nicht mehr. „Reise zur anderen Seite“ und „Fairy Tale“ bilden eine Einheit, die sich mit der keltischen Mythologie Irlands beschäftigen – „Reise zur anderen Seite“ ist dabei ein Quellenkapitel, bei der diese Mythologie im Sinne des Cthulhu-Mythos umgedeutet wird. Ihr kennt die Geschichte, wonach St. Patrick die Schlangen aus Irland vertrieben hat? Nicht dem Mythos nach – da waren es Schlangenmenschen und vertrieben haben sie Wesen aus der Tiefe und Diener Nyarlathoteps. Die Vermischung von Mythos und Mythologie in diesem Kapitel ist faszinierend und ich hätte gerne mehr davon – falls jemand von Pegasus das hier liest, ein Quellenbuch über Mythos-Versionen bekannter Mythologien würde von diesem Schreiber sehr begrüßt werden. Irritierenderweise spielt das dazugehörige Abenteuer, „Fairy Tales“, an der amerikanischen Ostküste, in den Zwanziger Jahren. Zugegeben, in der beschriebenen Gegend gibt es viele Nachkommen irischer Einwanderer, aber wäre es nicht möglich gewesen, ein passendes Abenteuer in Irland anzusiedeln? Jedenfalls hat das Abenteuer sehr direkten Bezug zu Elementen aus dem Quellenkapitel und ohne zu viel zu verraten: Investigatoren gegen Unseelie Fae – klingt das nicht nach einer interessanten Begegnung?

So, das Seltsamste zum Schluss: „Das Icarus-Projekt“, angesiedelt im Jahre 2643, an Bord eines Raumschiffes, das sich auf einer Rettungsmission zum Mittelpunkt des Universums befindet. Verwirrt? Okay, noch mal von vorne: Ein Sprungantrieb wurde entwickelt, ein Raumschiff wurde losgeschickt und verschwand. Ein zweites Schiff wurde hinterhergeschickt, um herauszufinden was passierte. Die Ersatzmannschaft, die an Bord des zweiten Schiffs eingefroren war, wurde geweckt – die Spieler. Und damit beginnt eine Handlung, die man sich wohl nur ausdenken kann, wenn man vor dem Einschlafen Event Horizon geguckt hat und danach irre kichernd den Eintrag im Malleus Monstrorum über Azathoth las. Mehr möchte ich hier nicht verraten – dafür ist das Abenteuer zu gut. Um ehrlich zu sein, ich wünschte, ich hätte es mir nicht durchlesen müssen: Es würde ein geniales Con-Abenteuer abgeben, inklusive fertigen Charakteren und Handouts. Definitiv das innovativste Abenteuer in diesem Band.

Tja, war meine Kritik beim ersten Band der „Cthuloiden Welten Bibliothek“ noch ziemlich vernichtend, so kann ich hier ohne größere Probleme Empfehlungen aussprechen. Dem Ziel, verschiedenste Abenteuer in den verschiedensten Zeiten anzubieten, wird dieser Band gerecht. Die ersten beiden Szenarien sind noch relativ „konservativ“ und auch das dritte ist – trotz ungewöhnlicher Handlung – relativ zahm. Mit dem Material und dem Abenteuer zum Thema Feen kommt der Band allerdings richtig in Schwung und „Das Icarus-Projekt“ ist das absolute Glanzlicht des Bandes. Für Spielleiter, die gerne mit fertigen Abenteuern arbeiten, ist dieser Band eine Goldgrube und macht den ersten Band problemlos wieder wett. Ich bin auf den nächsten sehr gespannt.Den Artikel im Blog lesen
 
Zurück
Oben Unten