Augen (meine erste Geschichte)

Der Jo

Normalo antitribu
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2. Juli 2004
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Ist meine erste Geschichte, die ich gerade eben geschrieben habe.
Ist ziemlich lang geworden, aber ich denke, dass ich dazu noch mal eine Fortsetzung schreiben werde.

Sagt mir einfach mal, was ihr von der Geschichte haltet.



Warren klingelte an der Tür zu der kleinen Wohnung im dritten Stock. Alles Routine: eine Nachbarin hatte sich mal wieder über Lärm in der Nachbarwohnung beschwert. Es würde ablaufen wie immer: Guten Abend, Warren mein Name, ich bin von der Polizei und fordere sie hiermit auf, sich in ihrer Wohnung etwas ruhiger zu verhalten, da es sonst zu rechtlichen Schritten und so weiter und so weiter. Wahrscheinlich würde er in ein zwei Tagen noch einmal kommen müssen und etwas deutlicher werden.

Man konnte den Türgong durch die Tür hören. Eine Minute verging, zwei, drei. Und noch immer hatte niemand geöffnet. Dabei hatte die Nachbarin doch versichert, dass niemand die Wohnung seit ihrem Anruf verlassen hätte. Wahrscheinlich war sie eine von diesen seltsamen alten Damen, die immer den Kopf aus der Tür stecken, wenn jemand durch das Treppenhaus geht, nur um zu sehen, wer es ist. Aber das konnte ihm ja egal sein, er war nur hier, um für Ruhe zu sorgen. Wobei, es war eigentlich schon still im ganzen Treppenhaus. Zu still.
Er klingelte erneut. Wieder nichts. Feiglinge! Erst Radau machen und dann den Schwanz einziehen. Warren wurde ungeduldig. Irgendwas war anders heute. Irgendwas lag in der Luft.
Er wusste selbst nicht, was er hier noch machte. Es war Ruhe, mehr wollte er nicht erreichen. Aber irgendetwas hielt ihn zurück. Er konnte noch nicht gehen.
Unschlüssig stand er vor der geschlossenen Tür. Was er dann tat, wusste er selbst nicht. Oder warum er es tat.



Er hatte die Tür gewaltsam geöffnet und stand in einem dunklen Flur. Was machst du hier? Du kannst doch nicht einfach in diese Wohnung eindringen! Es roch irgendwie komisch. Ein wenig nach Verbranntem, was das andere war, konnte er nicht wirklich zuordnen. Er war sich nur sicher, dass dieser Geruch in keine Wohnung im dritten Stock gehörte. Er tastete nach dem Lichtschalter. Leises Klicken, als er den altmodischen Schalter umlegte und schwaches Licht den Flur erhellte. Nichts ungewöhnliches eigentlich. Kleiderhaken, Schlüsselbrett, Jacken, Schuhschrank, Schuhe. Die Tür zum Wohnzimmer war halb geöffnet. Fernseher, Sofa, Vogelkäfig. Er ging den Flur entlang und öffnete sie ganz. Durch eine Tür, die zu einem Balkon führte, fiel schwach etwas Licht herein. Es war dunkel draußen. Dunkel und bewölkt. So, als würde es bald zu regnen beginnen. Er schaltete das Wohnzimmerlicht ein. Das gedämpftes Licht einer Energiesparlampe, die erst eine Weile braucht, bevor sie ihre ganze Leuchtkraft entfaltet, machte den Raum auch nicht wirklich heller. Er blickte sich um. Eher spärlich eingerichtet für ein Wohnzimmer, war sein einziger Gedanke. Neben dem grauen Sofa gab es noch einen kleinen Tisch, an dem ein unbequem aussehender Stuhl stand, den Fernseher, einen kleinen Schrank mit unbeschrifteten Video-Kassetten, ein Regal, in dem ungeordnet ein paar wenige Bücher lagen. Und den leeren Vogelkäfig. An den Wänden hingen Bilder, auf denen ein kleines Mädchen in weißem Kleid zu sehen war, das Freudestrahlend auf einem Bordstein balancierte, sich Kirschen als Ohrschmuck angehängt hatte oder auf den Schultern eines Mannes saß. Wahrscheinlich ihr Vater. Verdammt, Warren! Was machst du hier? Du stehst ohne erkennbaren Grund in einem fremden Wohnzimmer und siehst dir Bilder an? Er rieb sich die Augen. Höchste Zeit zu verschwinden. Er ging zurück in den Flur. Er wollte gerade zur Tür gehen, als sein Fuß gegen einen Schuh stieß. Sein Blick nach unten und entdeckte, dass unter der Tür neben der Haustür ein schwacher Schein durchleuchtete. Fast ohne sein Zutun ging seine Hand zur Klinke. Langsam drückte er sie nach unten, als ihm auffiel, dass noch immer die Wohnungstür offen stand. Vorsichtig schob er sie zu. Dann öffnete er die Tür, deren Klinke er nicht losgelassen hatte.



Im Schein der Flurlampe blitzten weiße Fliesen auf, auf denen sich sein Schatten abzeichnete. Er schob die Tür ganz auf uns schaltete das Licht ein. Er stand in einem geräumigen Badezimmer, dass auffallend sauber blitzte. Badewanne, Duschkabine, Toilette. Ein Schrank hing an der Wand, auf einem kleinen Board standen Becher, Zahncreme, Salbendöschen, Flüssigseife und eine Zahnbürste. Warren fühlte sich ganz und gar nicht wohl hier. Vor allem nicht, als er die Zeichen am Spiegel entdeckte.

Rot waren sie, und ein wenig verlaufen. Komische Zeichen, ohne erkennbare Bedeutung. Unter dem Spiegel saß ein Mädchen auf einem Hocker, über das Waschbecken gebeugt, ihre Arme unter dem Kopf verschränkt, ihr blondes Haar fiel ihr auf die Schulter. Warren erstarrte. Das weiße Kleid des Mädchen war mit roten Flecken besprenkelt und im Spiegel konnte er erkennen, wie sich ein rotes Band von ihren Handgelenken zum Abfluss zog. Auf dem Boden lag zwischen einigen Tropfen eine Rasierklinge. Ein beklemmendes Gefühl ging durch seinen Magen und er musste sich an der Türklinke festklammern, um nicht umzufallen. In seiner ganzen Laufbahn hatte er noch nichts derartiges sehen müssen und war dafür immer dankbar gewesen. Und jetzt war es soweit, nur, weil er nicht einfach nach Hause gegangen war. Er musste schlucken. Seine Hände wurden kalt und feucht. Wie gebannt starrte er das Mädchen an, das da über dem Waschbecken lag. Schön, blass, mit ausdruckslosen Gesicht. Er drehte sich hastig um. Er wollte das einfach nicht mehr sehen, weg von hier, nach Hause, oder am besten ganz weit weg. Gerade wollte er die Tür aufreißen und wegrennen, als ihn aus einem Spiegel an der Tür mit trüben Augen ein Mädchen anblickte. Es war das Mädchen, das dort hinter ihm über dem Waschbecken lag, und dessen Fotos im Wohnzimmer an der Wand hingen. Nur dass sie ein paar Jahre älter was. Etwas kaltes, unnahbares lag in ihrem Blick. Ein kurzer Schrei entfuhr ihm und er drehte sich sofort wieder um. Das Mädchen lag noch immer da. Stumm und blass. Warren taumelte stammelnd nach links um sich gegen die Duschkabine zu lehnen. Er hatte Panik, sich noch einmal zu dem Spiegel umzudrehen, aus dem ihn das Mädchen mit diesen großen, traurigen Augen angesehen hatte. Er atmete hastig und flach. Vorsichtig tastete er nach hinten und versuchte mit zitternden Händen die Klinke zu fassen. Seine Finger stießen gegen die kalte Oberfläche des Spiegels. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, dann bekam er die Türklinke zu fassen. Hastig drückte er sie nach unten und drehte sich um. Er versuchte, nicht in den Spiegel zu schauen, doch musste er im Augenwinkel erkennen, wie ihn das Mädchen noch immer anstarrte. Gegen seinen Willen richtete sich sein Blick direkt auf das Mädchen. Für einen kurzen, ängstigenden Moment trafen sich ihre Blicke. Entsetzen packte ihn, als er da stand und wie gebannt in die Augen des bleichen Mädchens starrte. Es waren dunkle Augen, die häufig geweint hatten. Ihn überkam das Gefühl, dass ihr Blick sich direkt in seinen Kopf bohrte und nach seinen Gedanken suchte. Ihm wurde kalt. Noch immer starrte er in die Augen des Mädchens, das da stand und einfach nur da war. Seine Hände begannen zu zittern und die Kraft schien aus seinen Knien zu schwinden, aber er konnte seinen Blick nicht von diesen Augen lösen.

Schließlich stemmte er sich mit seinem letzten bisschen Entschlossenheit, das ihm noch geblieben war, gegen diesen Bann und riss sich von ihrem Blick los. Hastig schlug er die Tür hinter sich zu und rannte nach draußen. Mehrere Male stolperte er ehe er das Ende der Treppe erreicht hatte aus dem Wohnblock flüchtete.

Unten stand im trüben Dämmerlicht der Streifenwagen, mit dem er hergekommen war. Er riss die Tür auf und ließ sich schwer atmend in den Sitz fallen. Neben ihm saß auf dem Fahrersitz sein Kollege, der ihn erstaunt und fragend zugleich anblickte. „Alles in Ordnung mit dir? Geht es dir gut?“ „Jaja, alles bestens.“ Er klang nicht gerade glaubwürdig. „Fahr mich einfach nach Hause, ich muss mich hinlegen.“
 
gefällt mir grundsätzlich gut. die besondere detailstufe bei der beschreibung am anfang der fremnden wohnung erleichtert es einem, in die szenerie einzutauchen und baut sehr schön spannung auf (ich warmehrfach versucht, einige zeilen zu pberspringen um schneller zu erfahen, wie es weitergeht ;) )
auch der schrecken, den eine leiche darstellt, wenn man relativ überraschend mit ihr konfrontiert wird, empfand ich als sehr gut dargestellt. wen man angst oder panik hat bildet man sichmanchmal dinge ein, die so nicht da sind ist auch sehr gut nachvollziehbar und bringt einen schönen horroreffeckt hinein.
ein bisschen mau finde ich das ende. aber vielleicht könntest du erklären, warum du das ende so geschrieben hast?es wirkt irgendwie unabgeschlossen und nicht "rund", wenn du weist, was ich meine.
 
Das ist nicht das "richtige" Ende, wenn du verstehst, was ich meine.
Ich hatte gestern Abend einfach keine Lust mehr, den zweiten Teil, der wahrscheinlich nocheinmal so lang wird, zu schreiben. Werd mich wahrscheinlich mal im Laufe der Woche hinsetzen, und das Ding zu Ende schreiben.
 
Echt nicht schlecht, bin auch neugierig, wie es ausgeht...
Hmmm, nur ein paar Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:
1. Er ist Polizist, oder? Warum hat er nicht seine Kollegen gesagt, was er gesehen hat? Oder warum hat er ihm nicht vorher bescheid gegeben, bevor er hinein ging? Vieleicht wäre es besser gewesen, wenn du den Kollegen weggelassen hättest?
2. Nicht so wichtig, ist mir wohl nur aufgefallen, weil ich berufsmässig damit zu tun hab: Ich glaube in Amerika (da spielt die Geschichte doch, oder?) gibt es keine Energiesparlampen... ;)

Aber sonst war die Story ganz nett zu lesen! *Daumen hoch halt* Weiter so!
 
mir gefällt sie auch sehr gut, dein Schreibstil ließ mich gut in die Athmosphäre eintauchen... kleine Ungereimtheiten sind noch da aber die wurden schon erwähnt...
freue mich auf Teil 2
 
kannst du bitte vielleich die normale Forenschrift- und Größe reinmachen? Das ließt sich IMHO irgendwie "unbequem" mit der jetzigen.
 
Gefällt mir gut, du solltest aber darauf achten keine Wortwiederholungen zu machen. Vor allem am Ende häufen sich die "Mädchen" udn "Augen", das liest sich schlecht. Weiter so!
 
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