Der Unheimliche Westen Abenteuerplanung - Anregung erwünscht!

Wenn Dein "Helden"(?)-Aufgebot einen Sicherungsauftrag angenommen hat, und dann mit den Wertsachen durchbrennen will (eventuell den Bankangestellten noch umlegt), dann bekommt jeder von denen Gesucht als 4-Punkte Nachteil, bei dem Raubmord am Bankangestellten noch Blutrünstig und - und das ist das Beste - sie werden vom Gesetz gejagt werden. Das kann für kurze Zeit ganz spannend sein, wenn erst ein Law Dog sich ihnen auf die Fährte setzt, den sie denn umlegen müssen, weil er ihnen nicht weiter trauen wird, als seine Sharps Big 50 Reichweite hat. Dann werden sie Kopfgeldjäger auf der Spur haben, sie können in Zeiten des Telegraphen kaum mehr irgendwo in einer Stadt, in der es interessante Sachen gibt, unterkommen, ohne daß sie gleich wieder auf der Flucht wären. - Alles in allem tatsächlich ein schöne Option für SEHR kurzlebige Charakter (und dermaßen doof von den Spielern, als meine persönliche Meinung dazu).

Was für SCs sind den im Aufgebot? Wenn ein Huckster dabei ist, dann kann er sich nach solch einem Ding sicher sein, daß die MiBD hinter ihm her sind, bzw. die Texas Ranger sollte er nach Süden fliehen. Das Beste, was die Gruppe dann machen kann, ist sich "South of the Border" nach Mexiko abzusetzen, oder nach Bolivien ("Raindrops keep falling on my head" - Wer's kennt. ;)).

Hast Du KEINEN gesetzestreuen Bürger im Aufgebot? Keinen Prediger, Agenten, Marshal, Texas Ranger, etc., sondern nur Outlaws, Bushwhacker, Cattle Rustler, etc.? War das die Motivation des Aufgebots den Begleitauftrag überhaupt anzunehmen?

Wenn ja, dann ist Pawnee Rock eh verloren. Da kommt man meiner Erfahrung nach nur durch, wenn das Aufgebot WIRKLICH interessiert ist, den verschwörerischen Verräter-Arschlöchern in der Stadt das Handwerk zu legen und die Leben all der vielen Unschuldigen im Ort zu retten. - Für mich hört sich die Idee mit dem Umlegen des Bankangestellten und dem Diebstahl nicht nach einer Gruppen-Gesinnung an, die sehr altruistisches Handeln als Regelfall kennt. Denn für die Aufklärung der Vorfälle in Pawnee Rock und für das Retten der vielen Leben wird es KEINEN Penny geben! Da ist nichts drin, was eine Gruppe an gierigen Trail-Ratten reizen würde. - Außer natürlich, sie warten bis alles in der Stadt vorüber ist und reiten dann hin, um die Leichen der Bewohner zu fleddern. Das würde sogar bestens zu solch einer Gruppe passen.

Ich weiß nicht wieso, aber ich habe NIE das Problem gehabt, daß bei mir die Leute unbedingt asoziale Arschlöcher und Verbrecher spielen wollten. Im Gegenteil. Die reißen sich um jeden Deputy-Posten.

Your Mileage Varies.


Zum Ende des Szenarios: Mit den geeigneten Waffen - hm - wir haben ALLES mit Dynamit gelöst, als ich dieses Szenario mit meinem Prediger-Charakter zum ersten Mal gespielt habe. Mit den Waffen und einem mutigen, heldenhaften Aufgebot - falls das bei Dir noch überhaupt eine Option ist - können sie es in direkter Auseinandersetzung eventuell schaffen. Wichtig ist hierbei aber mit Glauben, und Geschichten Erzählen und anderen sozialen Fähigkeiten insbesondere Clara Poole von ihrem fehlgeleiteten Glauben an die "Helden von Pawnee Rock" (mit denen Dein Aufgebot an Rechtschaffenheit meinem Eindruck nach die Konkurrenz nicht scheuen muß *seufz*) abzubringen. Meinem Prediger gelang es in einer stürmischen Nacht, als unser Huckster gerade das Reiterstandbild mit Dynamit vollgestopft hatte, und wir die Schießerei mit den letzten überlebenden der "Helden von Pawnee Rock" überlebt hatten, die gute junge Dame von ihrem Irrweg abzubringen und ihr den "wahren, geraden Weg" zum Seelenheil aufzuzeigen, dann auf die Schnelle die Gemeinde zu versammeln und mit einer Feuer&Schwefel-Predigt alle von der Verderbtheit des Teufels in ihrer Mitte, denen sie so sehr vertraut hatten, zu berichten und sie tief die damaligen Taten bereuen zu lassen (dabei bin ich meine letzten blauen Chips losgeworden ;)).

Dieses Szenario ist sehr Deadlands-typisch darin, daß es mit Gewalt allein NICHT getan sein kann, sondern daß die Furcht der Menschen vermindert werden muß, ohne die (ganze) Wahrheit über die Schrecken der Abrechnung sagen zu können. Die soziale Interaktion während des Showdowns ist in diesem Szenario enorm wichtig und steigert noch das Gefühl der Hektik und der Dringlichkeit.

Aber: wenn Dein Aufgebot nur aus egoistischen unbewußten Dienern der Abrechnung bestehen sollte (und das obige las sich für mich so), dann leg sie um. - Gib es ihnen lang und schmutzig, so wie sie den armen Bankangestellten niedergemacht hätten. Ohne Chance. Ohne sich wehren zu können. Selbst wenn sie ihn nicht gleich umbringen sollten, so haben Deine "Helden" vor seine berufliche Zukunft zu zerstören, da er für diesen Raub garantiert gefeuert würde, oder er gefesselt am Wegesrand verrecken wird.

Ich würde nicht noch ein paar NSC Gunslinger engagieren lassen, sondern die SCs ihr schmutziges Ding so durchziehen lassen, wie sie es wollen. - Und dann leben sie damit.

Je nachdem, wie dreckig sie den armen Bankangestellten umlegen, könnte der eine oder andere eine Mumm-Probe ablegen müssen oder er fängt sich eine Geisteskrankheit, Nächtliche Alpträume, Verdammtes Pech, Grimmiger Diener des Todes oder andere Nachteile "kostenlos" ein. Ich bin da immer verdammt rigoros. Spiele blutrünstige Handlungen und Dein SC ist ruckzuck Blutrünstig mit allen (un-)angenehmen Nebenerscheinungen wie z.B. daß niemand mehr vor ihm reiten will, da er eventuell auch eigene Leute über den Haufen ballert etc.

Laß die SCs schlichtweg die Konsequenzen ihres Handelns spüren. Sie werden das Szenario-Problem so niemals lösen - es ist ihnen ja auch egal. Dafür gibt es übrigens KEINE Kopfgeldpunkte und KEINE Chips. So klar sollte das schon sein, daß sie's vermasselt haben (bzw. drauf und dran sind).

Dann aber greifen die Mechanismen der Spielwelt: US Marshals ("Ich haben eine einstweilige Erschießung für Euch. Na los doch. Make my day!"), Kopfgeldjäger ("$500 tot, $1000 lebend. Ich bin bescheiden. Mir reichen die 500."), Pinkerton Operatives ("Einen schönen guten Tag, Bürger. Darf ich mich vorstellen? Ich bin Agent Hammer. Sledge Hammer. Und das hier ist Suzie, meine Steam-Gatling-Shotgun. - Na, Susie, willst Du den schlimmen Leuten da nicht mal 'Hallo' sagen?"), Texas Ranger (*bäng-bäng-bäng* "He, Du da mit dem Bauchschuß, seid Ihr die Gesuchten vom Raub bei Pawnee Rock?"), Prediger des Heiligen Zorns ("Ihr habt unschuldige Seelen auf dem Gewissen. Gott vergibt Euch Eure Sünden. Ich nicht!"), Angehörige des Bankangestellten (Oh, wußtet ihr nicht, daß er eine Schwester hatte, die Deputy Marshal in Dodge war - das heißt bevor sie sich auf Eure Spur gesetzt hat. Sie hatte dort den Spitznamen "Undertaker's Sister", weil sie dem dortigen Totengräber soviele Aufträge verschafft hatte.), usw.

Für den Marshal kann das durchaus recht spaßig sein, die SCs wie Karnickel durch den Westen zu jagen. Den Spielern wird es dabei gehörig vergehen, oder sie werden daran wachsen und zu BAD MOTHERFUCKERS werden. Dann könnt ihr problemlos zu Violence (tm) im Wilden Westen übergehen.
 
Ruhig Blut junger Marshal. :)

Also die Spieler haben davon gesprochen, sie habens noch nicht getan. Sollten sie aber auf den Gedanken zurückkommen, bzw. daran festhalten, werde ich ihnen zeigen müssen, dass solche Taten im Weird West kein Kavaliersdelikt sind - und dann müssen sie leiden. Kommt es also so weit, meld ich mich für die fiesen Sachen. :)

In Anbetracht ihrer Gesinnung werde ich aber mal ein kleines Zwischenspiel einbauen, das an ihre Menschlichkeit apelliert. Ich denke da sollte helfen.

Ich habe auch einen Texas Ranger in der Gruppe. Aufgrund mangelnder Erfahrung seiner- und meinerseits hat es bezüglich dieser Ausrichtung aber noch keine prägenden Geschehnisse gegeben.
 
Skar schrieb:
In Anbetracht ihrer Gesinnung werde ich aber mal ein kleines Zwischenspiel einbauen, das an ihre Menschlichkeit apelliert. Ich denke da sollte helfen.
Bei Deadlands ist das so wie bei vielen anderen Rollenspiel-Settings: die Spielercharaktere SOLLEN die GUTEN sein. D.h. sie sollen nicht raubend, plündernd, vergewaltigend durch die Lande ziehen - das machen schon die NSCs, die es auszuschalten gilt. Insoweit ist das aber natürlich nur die Grundannahme. Natürlich können die SCs sich im Rahmen ihrer eigenen Wertevorstellungen frei verhalten - solange, bis das Gesetz sie auf der America's Most Wanted Liste stehen hat. ;)

Der wesentliche moralische Aspekt bei Deadlands ist m.E., daß die SCs immer vor die Wahl gestellt werden. Sollen sie das arme Opfer von chirurgischen Experimenten eines SEHR verrückten Wissenschaftlers nun töten, oder hat der - ehemals normale - Mensch nicht auch das Recht auf sein Leben? Hier hilft es - so meine Erfahrung - Charaktere mit Glauben/Faith in der Runde zu haben. Mir ist das letzten Donnerstag aufgefallen, als wir mit unserer ältesten Deadlands-Runde gespielt haben, in der nur mein Prediger-Charakter Glauben hat: es gibt in Deadlands OFT Situationen, in denen nur der Glaube einem eine echte "feste Burg" ist (z.B. bei "Dingern", die nur die Faith-Würfel als Schaden nehmen und sonst gegen alle Waffen immun sind ;)).

In unserer Denver-Kampagne zeichnet sich der Trend zu zumindest einem Würfel Glauben ab, da man damit automatisch das Schutz-Wunder (Protection-Miracle) kann, was schon manches Mal die letzte Verteidigung gegen die Abscheulichkeiten war.

Skar schrieb:
Ich habe auch einen Texas Ranger in der Gruppe. Aufgrund mangelnder Erfahrung seiner- und meinerseits hat es bezüglich dieser Ausrichtung aber noch keine prägenden Geschehnisse gegeben.
Zeig ihm doch mal die Liste mit den Strafen für die diversen Verbrechen aus "Die Schnellen und die Toten". Dann weiß er ziemlich genau WIE ÜBEL diese Ideen, die da geäußert wurden, sind. Andere SCs könnten diese Strafen eventuell auch kennen, da es ja in jeder Tageszeitung steht, wann wer wofür gehängt wurde. :D
 
So, das Abenteuer haben wir letztes Wochenende fast zuende gespielt. Jedenfalls ist der Geist und seine Kavallerie vernichtet worden. Ein wirklich schwerer Brocken für die Charaktere, aber glücklicherweise konnte der Huxter dem Leutnant die Waffen aus der Hand prellen.

Jetzt wollen die Charaktere sich noch um die beiden übrig gebliebenen der 5 "Helden" kümmern. Den Silberraub aus der Kutsche werde ich abwerden können. Dafür habe ich eine Art NSC-Mentor eingeführt, der den SCs öfter mal über die Füße läuft.
 
AW: Abenteuerplanung - Anregung erwünscht!

Nur so als Randbemerkung:

Den ZWANG, sich als GUTER zu verhalten, sehe ich keineswegs in Deadlands.
Klar wird man sich irgendwann GRUNDSÄTZLICH gegen die bösen Schrecken wenden, aber die eigene Grundmotivation kann da alle Schattierungen von Grau durchlaufen und dennoch eine satte Gruppenmotivation ergeben, die sich mit den meisten Abenteuern deckt. Da muss man als Meister flexibel bleiben.

Und den Trend, dass sich jeder Glauben zulegt, um den "Deus ex machina" sogar ohne machina auskommen zu lassen, finde ich eher, hmm, arm, wie ich in der heutigen Welt überzeugt bin, dass man ethische Werte ohne Religion herleiten kann, so traue ich das auch meinen Helden im Westen zu. Die sollen ihre Überzeugungen auch ohne Glauben in ein halbwegs klares Schema von Gut und Böse einteilen können und müssen sich nicht immer hinter "Schutz" verkriechen...
Die Spionin in der einen Gruppe erleidet sogar körperlichen Schaden, wenn sie eine Kirche betreten sollte (Auswirkung des Veteran des Westens, da findet man überhaupt sehr schöne Ideen für zerrissene, nicht-geradeaus-gute Charaktere).

Aber das ist jedem selber überlassen, welche Art Kampagne er vorhat. Mordende Banditen würde ich mir auch nicht unbedingt antun, oder wenn, würde ich ihnen umso mehr den einen oder anderen Schrecken antun...

P.S.: Regelergänzung: Meines Wissens nach kann man mit einem Roten Joker jederzeit in einer Runde eingreifen, also sogar ohne zusätzliche vergleichende Reflexprobe auf eine Aktion eines anderen warten und ihr zuvorkommen. Muss also nicht die erste Aktion in der Runde sein (darf aber natürlich auch). Hoffe, ich erzähle da keinen Mumpiz...
 
AW: Abenteuerplanung - Anregung erwünscht!

Skar schrieb:
Jetzt wollen die Charaktere sich noch um die beiden übrig gebliebenen der 5 "Helden" kümmern. Den Silberraub aus der Kutsche werde ich abwerden können. Dafür habe ich eine Art NSC-Mentor eingeführt, der den SCs öfter mal über die Füße läuft.
Wir waren wohl zu nett für diese Idee. :D

Das Speil ist ja jetzt zu Ende ich ich mach den Marschall. :prost:
 
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Marshal G schrieb:
Und den Trend, dass sich jeder Glauben zulegt, um den "Deus ex machina" sogar ohne machina auskommen zu lassen, finde ich eher, hmm, arm, wie ich in der heutigen Welt überzeugt bin, dass man ethische Werte ohne Religion herleiten kann, so traue ich das auch meinen Helden im Westen zu.
Bei "Faith" im Wilden Westen geht es nicht um einen "Deus ex machina". Wenn ich in einem Setting spiele, in welchem die Existenz und das Wirken von Göttern zur erlebten/erlebbaren Realität der dort lebenden Charaktere gehört, dann lasse ich mich darauf ein (oder, falls ich nicht genug Phantasie dazu habe, dann spiele ich eben nicht darin).

Ich habe den Eindruck, daß es manchen Rollenspielern schwerer fällt eine christliche Religiösität ihrer SCs auszuspielen, als eine reine Fantasy-Religiosität eines Paladins des Kriegsgottes, eines Druiden des 7. Zirkels oder auch eines Schamanen des Eulen-Totems. Ich finde das arm.

Unabhängig davon, ob ich in der realen Welt ein Atheist oder ein aktiver Christ oder einfach ein spirituell Gleichgültiger bin, kann ich doch in einem Setting, welches Religion nicht als ein verdrängtes Thema beinhaltet, sondern mit Fire&Brimstone und - vor allem - mit der Perversion der Religion in einer gewissen Stadt mit einem gewissen Reverend eine echt harte Glaubenskrise bei Faith besitzenden Charakteren auslösen kann, nicht einfach die christliche Religiosität im alten Westen ausblenden und mit postmoderner Beliebigkeit und moderner rationaler Gleichgültigkeit und spiritueller Abstumpfung ersetzen. Dann lasse ich mich nicht auf das Setting ein, sondern spiele heute, hier und jetzt in einem Weird-West-Themenpark.

Im Westen von Deadlands kommen - wie das so üblich war in einem Land, welches von lauter religiösen Fanatiker besiedelt wurde, die für Europa aufgrund ihrer Radikalität nicht mehr tragbar waren - an allen Ecken und Enden christliche (und andere) Kirchen und Sekten vor. Manche sind gutwillig, manche harmlos, manche sind in der City of Lost Angels oder manche gründen ihren eigenen Staat Deseret (mit eigenen Leichen im Keller - und zwar VIELEN; City o'Gloom lesen! Mir wird vor Mormonen angst und bange.). Das setzt - nicht allein, aber doch zu einem wesentlichen Teil - die Szene der weißen Siedler im Westen. Dazu kommen noch die taoistischen, konfuzianistischen und buddhistischen Asiaten, die jüdischen Siedlungen, die russisch-orthodoxen Siedlungen, die Mexikaner mit ihrem Katholizismus, die früh missionierten christlichen Indianerstämme mit ihren "kreativen" Interpretationen des Christentums, etc.

In diesem Umfeld gibt es natürlich auch areligiöse Charaktere wie z.B. die meisten Huckster, Mad Scientists etc. Aber, und das ist auch klar, diese lassen sich mit dem Feind, dem Bösen ein. Teils ist ihnen das bewußt, aber den meisten Mad Scientist wohl nicht. Sie halten sich - hach, wie modern! - für völlig rational, sie "glauben" an ihre Wissenschaft und machen sich zum Werkzeug von übernatürlichen Kräften, denen sie spirituell nicht gewachsen sind.

Deadlands ist ein in den USA geschriebenes Rollenspiel. Dort bekommt man im Gegensatz zu uns modernen Deutschen noch keine Magenkolik, wenn man sich als Christ zu erkennen gibt. Dort gilt immer noch ein offenes Bekenntnis zur Religiösität (auch wenn es in der Praxis - siehe Irak-Krieg - ein reines Lippenbekenntnis ist). Diese amerikanische Grundeinstellung zieht sich komplett durch den gesamten Deadlands-Meta-Plot. Was ist mit der Abrechnung? Wer sind die Abrechner? Sind die die Manifestation von reiner Rationalität und man kann die Ewigen Jagdgründe mit einer chemischen Formel wieder verschließen? Nein. Der Deadlands-Hintergrund, der "Event" von 1863 und was bei Hell on Earth passiert/passieren wird. Das alles ist im Grunde spirituell motiviert.

Bei der Abrechnung geht es um genau das. Es wird abgerechnet. Es ist Zahltag. Jeder bekommt - zumindest in Hell on Earth später - was er verdient. Und das ist das Schreckliche daran.

Wäre Ravens Stamm nicht von fanatischen "Gott ist auf unserer Seite"-Siedlern ausgelöscht worden, wäre es vielleicht nie so schlimm gekommen. Der Mensch und insbesondere der Mensch in seiner idealistischsten Regung, nämlich wenn er fest im Glauben das Richtige zu tun ist, kann und WIRD stets sich selbst und anderen am gefährlichsten, wenn er sein eigenes Tun nicht ständig reflektiert. Sobald er WEISS, daß er IMMER das Richtige tut, dann wird aus dem Idealisten ein Fanatiker. Und das ist eine der tragenden Richtungen des Deadlands-Meta-Plots.

Du hast - nehme ich an - Lost Angels gelesen, die Heart of Darkness Kampagne gespielt, City O'Gloom gelesen, oder eventuell The Mission, Perditions Daughter, und andere Szenarien? Die Motivation der "Bösen" darin ist was? Eine schreckliche Art Religiösität, die die Menschen - ihre Opfer - zu Objekten degradiert. Das ist ein heftiger Konfliktstoff, der in seiner ganzen Schrecklichkeit meines Erachtens durch eine moderne, zynische Distanz zur Religion (u.a. durch areligiöse Charaktere) nicht so recht nachempfunden werden kann.

Es gibt andere Rollenspiele, in denen diese Konflikte ebenfalls, und sogar noch prominenter auftreten: Engel - hier ist die Angelitische Kirche das Gute und das Böse und das Häßliche zugleich. Finde als Engel des Herrn oder als Anhänger dieser allmächtigen Kirche mal Deinen Weg zwischen Extremismus und Aufopferung. DAS ist ein so mächtiges Konfliktfeld, daß mir Engel NIE langweilig zu spielen wird. Oder HeroWars/HeroQuest - hier ist der einzelne nichts, wenn er nicht zu einer Gemeinschaft gehört. Und die Kult-zugehörigkeit ist es, die die Charaktere in die Welt, in ihr Volk und in alle Konflikte in der Welt Glorantha mit einbindet.

Religion ist nicht das Thema von Gut und Böse. Das kann und das wird keine Religion jemals beantworten. Alle Menschen haben Bedürfnisse. Dazu gehört neben den Lebensnotwendigkeiten auch die Erfüllung der spirituellen Bedürfnisse. Die Ängste und Unsicherheiten vor dem Tod, dem Sinn des Lebens, den Anworten darauf, was man wann wie warum tun sollte und ob das alles Sinn macht, das treibt eigentlich jeden noch nicht völlig spirituell verkrüppelten Menschen um. Und somit auch alle Charaktere in Rollenspielen, außer es sind WIRKLICH NICHT-menschliche Charaktere ohne jegliches Potential für Spiritualität.

Das Thema Gut und Böse kann in Deadlands natürlich jeder für sich beantworten und entscheiden. Doch auch in Deadlands gibt es Gruppierungen, die den Anspruch erheben, zu entscheiden, was Gut und Böse (aus ihrem nicht-religiösen Kontext) ist. Z.B. der Hof, die Pinkertons, die Ranger, die Triaden, die Armeen von Nord bzw. Süd, die Geheimdienste, die Railcompanies, das Collegium, Hellstromme Industries, usw. ALLE haben eigene Ideen, was sie als Gut und was als Böse auffassen. Und das gänzlich ohne Religiösität. - Warum? Weil das prinzipiell erst einmal JEDE Gruppe macht um sich bewußt oder unbewußt abzugrenzen (Wir sind wir, die anderen sind anders.) und ihre Ziele zu erreichen (Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.).

Diese Gruppen kommen bei Deadlands noch ZUSÄTZLICH zu den spirituellen Konflikten hinzu und machen den Reiz des quirligen Chaos im Weird West aus.
 
AW: Abenteuerplanung - Anregung erwünscht!

Hallo Zornhau!

Danke für Deinen sehr engagierten Beitrag.

Ich antworte trotz mehrmaligen Lesens sicher nur unvollständig und nachher werd ich sicher wieder merken, was ich NOCH alles sagen wollte... Dennoch:

In der Tat bemerke auch ich (einfach an mir selber, habe mit noch niemandem speziell darüber gesprochen) eine merkwürdige Zurückhaltung, wenn es darum geht, den christlichen Glauben aus der Sicht eines Gläubigen auszuspielen. Das bezieht sich dabei wiederum NICHT darauf, wenn ich als Marshal einen sagen wir Priester-NSC darstelle, sondern "nur" auf das Darstellen des Glaubens durch meinen Charakter. Und in der Tat habe ich diese Zurückhaltung NICHT, wenn ich einen Hesinde-Gläubigen bei DSA darstellen soll.

Und soll ich Dir was sagen? Ich halte das für völlig NORMAL!
Warum? Nun, grundsätzlich unterscheiden sich ja beide Systeme, wie Du schon bemerktest (und was Auslöser diverser Grundsatzdiskussionen zur Verteufelung des Rollenspiels war, wie hinlänglich bekannt und breitgetreten) von unserer realen Welt vor allem dadurch, dass Gottes EXISTENZ UND MACHT BEWIESEN und BEKANNT ist und von allen ERFAHREN werden kann.
Z.B. durch das Funktionieren von Wundern.

Was ist der Unterschied? Dieses Mal handelt es sich um UNSEREN "realen" Gott, denjenigen, vor dem wir vielleicht eine modern-schicke Gleichgültigkeit aus dem Hut ziehen können, aber dessen Diskussion in uns evtl. dennoch eine Saite zum Klingen bringt. Es ist genauso ein modernes "Mode-Tabu", überzeugt, fromm und offen seinen Glauben zu leben, wie es das ist, komplett garnix zu glauben und sich gar über Gott lustig zu machen oder ihn ins Banale zu ziehen. Selbst die grössten Atheisten werden irgendwo respektvoll mit der Idee eines Gottes umgehen (meiner Meinung nach)...

So, und was hat das mit der Diskussion zu tun? Ganz einfach, man spürt eine gewisse Berührungsangst mit dem Thema, fiktiv zu spielen, dass der irgendwo diffuse Gott real eingreift, das ist schon irgendwie schräg!

Ich kann es kaum besser in Worte fassen, tut mir leid. Dieses Phänomen zu verdammen bringt im Übrigen auch überhaupt nichts (und Deine Rede las sich stellenweise sehr zornig).

Als unbestimmte Analogie mag vielleicht folgendes dienen: Für mich persönlich käme es auch nie in Frage, ein Rollenspiel über einen realen Krieg zu spielen, mit dem ich "ein Jahrhundert geteilt" habe. Ich habe von ner Menge Zeugs gehört, was bspw. im 2.WK spielt, oder sogar im Golfkrieg. Würde ich nie machen. NIE. Warum nicht? Nun, ich spüre die gewisse Berührungsangst, die Abstraktion der Gewalt ist mir nicht gross genug, ich kann zwar bedenkenlos blutrünstige Typen im Wilden Westen spielen und Horror en masse inszenieren, aber wenn ich dabei nicht die Abstraktion dazwischen habe, dass es da nunmal um eine andere, völlig idealisierte und romantisierte Epoche geht, würde mich mein Nachdenken über Moral und Gewaltverherrlichung ständig bremsen... Macht die Analogie die Sache ein wenig klarer?

Im Licht dieses Vergleichs kann ich schon fast selber nicht mehr nachvollziehen, was "mein Punkt" war, da ja nunmal in Horrorszenarien BEKANNT ist, dass Glauben hilft...

Nun ja, wie dem auch sei, ich sehe das Weltbild in Deadlands auch keineswegs so strikt religiös motiviert wie Du. Sicher sind da gewisse Gestalten gewissen Kapiteln der Bibel entsprungen und sicher läuft es am Ende auch darauf hinaus, diese zu bekämpfen, und wie könnte man das wirksamer als mit dem wahren Glauben?
Und dennoch - sowohl der wirksame Glauben als auch die gewissen Gestalten als Gegenspieler und ihr Ursprung in der Bibel stehen in keinerlei Widerspruch zu einer modernen (Du würdest sagen weltlich-beliebigen) Betrachtung der Dinge. Im Gegenteil. Gerade die kleinen feinen Unterschiede, die sich da einschleichen, FÖRDERN meiner Meinung nach die Sicht, die ich vertrete. So wurde ja schon lang und breit diskutiert, dass sich die Schilderung der Endzeit von dem entsprechenden Kapitel der Bibel deutlich unterscheidet, das passt einfach nicht zusammen. Ebenso steht da doch sehr hinderlich im Wege, dass eben andere Glauben auch "funktionieren", der Schamanenglaube an die Naturgeister ist ebenso wirksam wie der christliche, andere zumindest in meinem Weltbild sicherlich auch. Wenn man sich das ganze aus der Distanz betrachtet, so MUSS man ja eher zu einem sehr multi- oder eher pan-theistischen Weltbild kommen, das Deadlands da zeichnet als dem monotheistischen der Christen und daneben gibt es nur das Böse. (Genau der Widerspruch, an den sich die Kirchen unserer Tage wohlweislich immer noch nicht konsequent heranwagen, nein, sogar zwischen Konfessionen werden die Andersgläubigen "gedisst" (Stichwort Heilige Kommunion) )

Ich sehe das ganze also als meine ganz persönliche multi-kulti-Jenseitswelt, in der sich alles tummeln kann und in der sich manches, sei es Gegenspieler oder Heilbringer, in einem christlichen Gewand darstellen darf, die Wahrheit aber VIEL komplexer ist. Nur ein Beispiel dazu: Irgendwo findet sich in den Abhandlungen zur Schwarzen Magie die Aussage, dass, wenn es Satan/Luzifer gibt, er vermutlich nur den Abrechnern erlaubt, Belohnungen zu verteilen. Oder gar Satan/Luzifer nur einer der Abrechner ist. Oder oder oder... Da merkt man doch, dass selbst die Deadlands-Macher sich keineswegs über all das Gedanken machen wollen, sondern die Sache OFFEN FÜR ALLES, was sich da an Jenseitigem tummelt, erdacht haben. Unter anderem das führt mich dazu, dass die Abrechner nicht wirklich vollständig mit einer gewissen Prophezeihung aus einem gewissen Buch übereinstimmen können (sondern sich nur eine Legende zunutze machen?)...


Fazit:

Ich halte als Marshal niemanden davon ab, irgendwelchen Glauben irgendwie auszuspielen und werde ihn im Rahmen der obigen Sicht auf den Metaplot auch regelkonform mit Wundern etc. belohnen wie ihm das zusteht. Sicher werde ich mich auch nicht darüber lustig machen, nicht mal dadurch, dass am Ende alles doch ganz anders war als man vermutet hat.
ABER ich werde auch keine Gruppe fördern, in der Glauben gewissermassen zum guten Ton gehört (und ohne diesen auszuspielen sollte man ihn sich IMHO auch nicht zulegen, die betreffende Passage von Dir dazu klang fast munchkin-haft, sorry, wenn ich das aus einer verkürzten Darstellung falsch geschlossen habe und eigentlich auch nur deswegen "gestichelt" habe).

Sondern gehe davon aus, dass der Deadlands-Metaplot für alles offen ist, dass die Faszination des Bösen UND die Motivation, es zu bekämpfen, auch ohen christlichen Glauben zustande kommen und erfolgreich erhalten werden können UND sogar die üble Faszination des Bösen, das durch Fanatismus entsteht, auch für jeden als üble Faszination rüberkommt, ob er nun von seiner (Spieler- UND/ODER Charakter-) Grundeinstellung her eher sagt "Mann, die Jungs sind doch eigentlich auf dem richtigen Weg, warum müssen die es immer so übertreiben?" oder eher ein "Diese dummen Schafe sind GEFÄHRLICHE dumme Schafe!".
Im Übrigen sehe ich die meisten Ausführungen von Dir zum Fanatismus eher als Punkte PRO meiner Sicht auf den Glauben im Deadlands-Universum, gerade bezüglich der Auslösung der Abrechnung letzten Endes durch von Christen begangenes Unrecht...

Hoffe, wir sehen die Dinge nun ein wenig klarer, ich lass Dir Deine eher "fromme" Sicht wenn Du mir meine "pan-theistische" nicht ausreden willst...

Gruss Guido
 
AW: Abenteuerplanung - Anregung erwünscht!

Hello again,

noch zum Thema heutige Weltsicht und "gutes Rollenspiel" in dem Sinne, dass man eigentlich etwas anderes spielen sollte, als wie man selber wirklich die Welt sieht.

Dazu zwei Dinge:
- Ich bemühe mich um einen gewissen Realismus bei den Weltanschauungen, sprich dem, was ich bei NSCs darstelle o.ä. Und ich finde es auch klasse und belohne es, wenn Spieler sagen "ok, ich seh das differenzierter, aber vermutlich würden wir das 1877 doch ein wenig simpler betrachtet haben". So z.B. am Ende von Independence Day, wo ja klar wird, dass der blutrünstige Killer eigentlich auch nur ein Opfer ist (nach heutigem Rechtssystem jedenfalls gewaltige mildernde Umstände zugesprochen bekäme)... Da haben meine Spieler ein Weilchen diskutiert, auch in-game, und haben sich mit obigem Argument selber in die Richtung gedrängt, ihn NATÜRLICH dem Gesetz auszuliefern, OBWOHL ihnen klar war, dass der Strick ihn erwartet und sie das eigentlich zu hart finden (wegen s.o.). Fand ich rumdum klasse!

- Obwohl sie sich dafür entschieden haben, hart zu sein und nicht die sehr nachgiebige "Guthelden"-Attitüde walten zu lassen, GIBT es diese Attitüde im Rollenspiel häufig! Und das ist auch gut so, besonders in Systemen, die einen eher den HELDEN spielen lassen (als Gegenbeispiel empfehle ich Sturmbringer), wobei ich das ja auch bei Deadlands wie gesagt differenzierter sehe...
Und auch ansonsten bin ich dafür, dass die Helden in meiner Gruppe gerade DURCH das undurchschaubare Chaos das in Deadlands herrscht, ein Weltbild entwickeln, welches über das damals realistisch anzunehmende weit hinausgeht. Ein erweiterter Horizont, der am Ende teils sogar noch über die Abrechner hinausgehen wird (habe ich erwähnt, dass ich lose versuche, die Dunkler-Turm-Saga von King einfliessen zu lassen?)... Und dieses soll ihnen, ohne dabei religiös sein zu müssen, die Einteilung in Gut und Böse sehr differenziert und kontextabhängig erlauben. (Nebenbei bemerkt, die Behauptung, Religion solle nicht auch Gut und Böse trennen, kann ich nicht nachvollziehen, im Gegenteil ist das doch einer der Hauptgründe für Religion, ein Wertesystem!)

Wird diese diffuse Sicht auf die Dinge ein wenig klar, die ich da innehabe und die ich den Spielern nach und nach beibringen will?

Gruss Guido
 
AW: Abenteuerplanung - Anregung erwünscht!

Marshal G schrieb:
(Nebenbei bemerkt, die Behauptung, Religion solle nicht auch Gut und Böse trennen, kann ich nicht nachvollziehen, im Gegenteil ist das doch einer der Hauptgründe für Religion, ein Wertesystem!)
Nur in Kürze: Es gibt auch Wertesysteme ohne eine "Gut"/"Böse"-Trennung. Und diese sind auch in Religionen zu finden (z.B. Taoismus, was ja auch für Deadlands wiederum passend ist, da es dort ja auch Taoisten-Priester als Gesegnete gibt, die NICHT die typischen christlichen Werte vertreten). Später mehr dazu.
 

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