[28.04.2008] Aufbruch ins Unleben, Teil II

Marius Köppke

Neonate
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9. Juli 2008
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Das Blubbern des schweren Motors starb ab, als Stefan den Schlüssel auf die Aus-Position drehte und die schwere Maschine auf den Seitenständer kippen ließ.
Als nächstes öffnete der Mann Mitte Anfang Dreißig den Kinnverschluss des offenen Helmes, zog diesen vom Kopf und fuhr sich mit der freien Hand durch die halblangen, lockig nach oben gegelten Haare.
Dann schaute er sich das Gebäude an, vor dem er geparkt hatte.

Is ja noch mächtig viel Betrieb hier... Er schaute abermals auf die Armbanduhr an seinem linken Handgelenk. Es war eine von den Uhren, die von weitem aussahen, wie ein breites Lederarmband - fast so eines, wie er es am anderen Handgelenk trug.

Viertel vor Vier.

Oder schon... keine Ahnung, wann die hier anfangen und aufhören.
Stefan schob das Bike auf den Hauptständer - er hatte schließlich keine Lust, das irgendein Mongo seine heißgeliebte Harley mal so locker vom Seitenständer kippte.
Er hatte viel zu viel Zeit in die Verschönerungen der Lackierung gesteckt und heute Abend keinen Bock, einen eventuellen Vandalierer aufzuspüren und ihm die Scheisse rauszuprügeln.
Naja, glaub' mal nich', dass das hier 'ne Gegend is', wo sowas leicht passiert. Aber man muss es ja nich' drauf anlegen...
Als nächstes wollte Stefan eigentlich das Wohnheim suchen, um bei dem Bekannten eines Freundes, der in der Fachschaft aktiv war, ein gegen ein wenig Kleingeld bereitgestelltes leerstehendes Zimmer zu beziehen - will sagen, die Satteltaschen ablegen.

Da er aber bis zum Ende der Öffnungszeiten der "Unterstützungs- und Vermittlungsagentur", die Stefan als Ziel genannt worden war, nur noch wenig Zeit blieb, schulterte der gelernte Lackierer und Bekannter in der Custom- und Bikerszene besagte Sattaltaschen und machte sich auf den weg zum Haupteingang.

Nichts. Die Tür war verschlossen, keine Klingel und kein passendes Schild.
Na Kacke, wäre auch zu einfach gewesen.
Weiland zog ein Softpack Zigaretten aus der Jackentasche, schnippte eine aus der Packung und steckte sie zwischen die Lippen.
Während er in der linken Hosentasche nach seinem Zippo suchte, schaute er sich um.
Ostflügel... Westflügel... eigentlich egal, wo ich anfang'.
Das gefundene Zippo in einer flüssigen Bewegung auf- und anschnippend, steckte er die Zigarette an und nahm einen tiefen Zug.
"Auch egal...", mrumelte er an der Zigarette vorbei zu sich selbst. "Ich find' diese dämliche Tür schon."

Als Stefan zum letzten Mal um 5 Minuten vor 4 auf die Uhr schaute, stand er vor einer Tür, neben der - versteckt - ein Schild mit der Aufschrift "Unterstützungs- und Vermittlungsagentur, Akademie Finstertal", stand, gleich darunter die Öffnungszeiten, die er um ein Haar fast verfehlt hätte.
Kann mir schon denken, 'ne öffentliche Infobörse is' das hier sicher nich'. Und'n Touristikbüro sieht auch anders aus.
Aber das war Stefan für den Moment egal. Auch wenn er seine kriminelle Vergangenheit seit einigen Jahren hinter sich gelassen hatte, zwielichtige Deals war er gewöhnt.

Keine Klingel. Na dann...
Mit der linken Hand die Satteltaschen auf der Schulter haltend, trat der Mann an die Tür heran und klopfte vernehmlich mit der behandschuhten Rechten dreimal dagegen.
 
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Ghul des Prinzen, Toni Romero:

Als der leise Warnton eines sich nähernden Besuchers erklang, war der italienische Ghul grade dabei alle Unterlagen der Seneshall nach einer möglichen Spur durchzusehen. Ein Strohhalm nur, aber mehr konnte er in seiner jetzigen Lage eh nicht unternehmen.
Konzentrierte blätterte er durch die Aufzeichnungen der letzten Tage und war derart darin vertieft das es einige Sekunden dauerte bis er auf das leise summende Alarmsignal aufmerksam wurde.

Neugierig lies er seinen Blick zu dem verstecketen Bildschirm der Überwachungskameras wanderen und schaltete routiniert durch die verschiedenen Einstellungen der Außenansicht. Anscheinend war der erwartete Besucher endlich eingetroffen, etwas spät vielleicht aber in Anbetracht der vergangenen Nacht vielleicht am Besten so. Noch vor zwei, oder drei Stunden hätte der Italiener sich kaum die Zeit nehmen können.

Nur Augenblicke nachdem der Fremde an die Tür des Büros geklopft hatte, lies ein gut zu vernehmendes Schnappen im Schloß der Eingangstür vernehmen, dass der Zugang zum Büro der Agentur nicht länger verwehrt war.

Kaum hatte Stefan das Büro betreten, fiel sein Blick auf einen teuer gekleideten Mann Mitte dreißig. Anscheinen verdiente er hier gutes Geld den der Anzug war auch für ungeübte als ausgesprochen kostspielig zu erkennen. Romeros gewohnt einnehmendes Lächeln rundete das Gesamtbild ab.

"Willkommen an der Akademie der feinen Künste zu Finstertal. Mein Name ist Toni Romero und es ist mir eine Freude sie als erster in unserem bescheidenen Hause begrüßen zu dürfen. Aber bitte nehmen sie doch Platz und machen es sich gemütlich, darf ich Ihnen vielleicht etwas zu trinken anbieten. Einen Drink vielleicht, oder eine Tasse Kaffee?"
 
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Stefan begutachtete das Bild, das sich ihm bot, einen Augenblick lang.
Der Mann vor ihm war ein Anzugträger. Das hatte der Mensch schon erwartet, bei der Location und der merkwürdigen Anreise.
Sozusagen war er von der Überschung nicht sonderlich überascht.

Aber etwas machte ihn noch ein wenig argwöhnischer. Die Einnehmende Art des Mannes ihm gegenüber, sein geübtes Lächeln und sein Auftreten weckten eine leise Vorahnung, dass an dem Deal wahrscheinlich mehr dranhin, als nur ein leerstehender Shop.
Genauer einordnen konnte Stefan das Ganze zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht.

Schließlich war ihm klar, dass er hier derjenige war, der etwas wollte und dass er deshalb genausogut das Zuvorkommen des Ghouls - noch ein Umstand, von dem Stefan natürlich noch keine Ahnung hatte -, also besser des südländisch wirkenden Mannes vor ihm annehmen konnte.
"Stefan. Stefan Weiland." Er schaute in die Richtung der Sitzgelegenheit, die Romero offensichtlich meinte und stellte seine Taschen so in der Nähe des Einganges ab, dass sie nirgends im Weg standen.

Er öffnete den Reissverschluss seiner Bikerjacke und schlug diese locker zurück, sodass zum ersten Mal ein Teil seiner Tattoos sichtbar wurde - auf den Seiten seines Halses und im Nacken waren nun, da der steife Kragen der Jacke nicht länger den Blick versperrte, der Ausschnitt eines Muster ab dem Kragen des weissen Tank-Tops aufwärts zu erkennen.

Er setzte sich.

"Ein Drink wäre gut, danke", antwortete er auf die Frage und schaute sich abermals im Raum um.
Na dann wollen wir mal sehen, was das hier wird...
 
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Ghul des Prinzen, Toni Romero:

Der Sekretär begab sich zu einem Schrank im hinteren Teil des Büros und holte von dort eine Flasche 93er Balmenach und zwei entsprechende Whiskeygläser. Diese stellte er auf den Schreibtisch und goß vorsichtig ein wenig des bernsteinfarbene Nasses hinein.

"Hat eine leichte Sherrynote, aber besonders das gefällt mir daran. Kosten Sie, ich bin ehrlich an ihrem Urteil interessiert."

Mit einem auffordernden Heben der Augenbraun unterstrich der Ghul das gesagte. Dann stellte er die Flasche ab.

Whiskey für über tausend Euro die Flasche, mein Freund So wie du aussiehst verlangst du gleich sicher nach einer Flasche Cola zum mischen. Wundern würde es mich bei diese Aufmachung nicht!

"Aber sagen Sie. Wie war Ihre Reise hierher? Hatten Sie eine gute Fahrt, haben Sie die Akademie gut finden können?"

Romero setzte sich wieder auf seinen ledernen Sessel und begann während des Gesprächs verschiedene Papiere zu ordnen. Sein Blick glitt dabei aber immer wieder zu seinem Besucher zurück und behielt dabei einen ehrlich interessierten Ausdruck. Anscheinend war er einer der wenigen Männer die sich problemlos mit mehreren Dingen gleichzeitig beschäftigen konnten, vielleicht war er auch einfach nur ein begabter Schauspieler.
 
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Als Stefan zu dem Glas griff, wäre ihm beinahe wieder das leichte Misstrauen entfallen, das er bereits bei seiner Ankunft in Finstertal verspürt hatte.
Romero wirkte offen und freundlich, aber allein der Umstand, dass er sich wohl in einige Tausend Euro Stoff hüllte, ließ Stefan die zweite Frage zuerst beantworten, bevor er trank.

"Wie ein Fahrt auf 'ner Harley durch die Nacht eben ist. Lang, windig, aber ich kann mich nich' beschweren. Die Kunstakademie zu finden war auch nich' besonders schwierig, aber Ihr Büro hier...", er lachte kurz "... das war schon 'ne kleine Herausforderung."

Dann setzte er das Glas an und trank - einen Schluck - bevor er es wieder abstellte. Er ahnte, was man von ihm verlangte und da er immernoch derjenige war, der hier etwas wollte, schluckte er das Getränk nicht sofort, sondern zwang sich, ein wenig den Geschmack auszuloten.

"Ziemlich mild, aber Sie haben Recht, der Sherry hat was."
Stefan konnte den Whiskey genauer einordnen, als er die Flasche in der Hand des Ghouls gesehen hatte. Es hatte zwar - vor allem von offizieller Seite - einige Leute gegeben, die ihm "jedes gute Benehmen" in Abrede stellten, aber ein wenig Kultur hatte sich der Lackierer trotzdem angeeignet.

Aber das musste Romero ja nicht wissen.

"Hör'n Sie, ich seh' ja, dass Sie hier ziemlich viel Arbeit rumliegen haben. Wie Sie wahrscheinlich eh wissen, bin ich wegen einer leerstehenden Lackiererwerkstatt in der Gegend und der Mann, von dem ich den Tipp hab', hat mir auch Ihre Adresse gegeben", versuchte Stefan das Gespräch wieder zurück auf das eigentliche Thema zu lenken.

Dann griff er nochmals nach dem Glas und trank einen weiteren Schluck.
 
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Ghul des Prinzen, Toni Romero:

Natürlich war dieses Büro schwer zu finden, es wollte ja auch gar nicht gefunden werden.
Aber dies musste der Mann nicht wissen, noch nicht. Wenn Weiland sich am Ende der morgigen Nacht wieder hier einfand, würde er keinen mehr Whiskey wollen.
Nie mehr!
Es war ihm ganz sicher nicht klar, aber dieses Glas war wohl das kostbarste was er jemals zu trinken bekommen würde. Nun, zumindest wenn man es mit sterblichen Maßstäben maß.

"Ich hörte davon ja! Wenn Sie möchten, führe ich Sie im Anschluß an Ihr Getränk zu ihrem Zimmer im Wohnheim des Studentenflügels. Sehen Sie sich dann morgen in Ruhe die Stadt an, gehen Sie ein wenig herum, genießen den Stieed, die Fußgängerzone, oder auch unseren berühmten Stadtpark. Ganz wie es Ihnen beliebt. Gegen Mitternacht finden Sie sich dann bitte wieder hier ein."

Mitfühlendes Kopfnicken und eine gehobene Hand, verdeutlichten das die erklärenden Worte jeden Moment folgen würden.

"Die Besitzerin des Grundstückes, eine gewissen Hannah Kelly ist derzeit geschäftlich unterwegs. Sie hat mich gebeten direkt zu Ihrer Ankunft den Termin mit Ihnen zu machen... Na ja und das wäre dann eben zur Mitternacht! Ich hoffe das macht Ihnen keine größeren Umstände, immerhin dürfte es auch in Ihrem Sinne sein, wenn wir zu einem schnellen Abschluß des Geschäftes kommen?"
 
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Stefan nickte knapp.
Stimmt, im Moment will ich von eurer Sorta ganz schnell los...
"Jap, je eher ich weiss, ob ich meine Sachen von der Spedition herbringen lasse, oder nicht, desdo besser."
Der Blutsauger in spe trank den Rest Whiskey.
"Und das Angebot mit dem Zimmer nehm' ich auch gerne an. War 'ne lange Nacht bisher."
Er stellte das Glas auf dem dafür vorgesehenen Platz ab.
"Aber ich muss schon sagen, merkwürdige Öffnungszeiten habt ihr hier alle..."
Mitternacht... wie in 'nem schlechten Krimi oder Horrorschinken. Was haben die hier nur alle mit Terminen mitten in der Nacht?

Fast überlegte Stefan es sich anders. Beinahe hätte er beschlossen, einfach wieder zu fahren, den Laden hier Laden sein zu lassen und übergangsweise bei seinem alten Chef in Köln weiterzumachen.

Aber nur fast.

Erstens klang das Angebot, endlich seinen eigenen Laden zu bekommen, ziemlich verlockend.
Und zweitens war da neben dem Misstrauen auch Neugier auf diese Typen, die schwer zu finden waren, anscheinend alle einen Arsch voll Kohle hatten und ihre Termine grundsätzlich nachts angeraumten.

Der gelernte Lackierer mit dem Hang zur Extravaganz stand auf und sah den Ghoul an.
"Wie gesagt, war 'ne lange Nacht. Könnt' ich jetzt das Zimmer seh'n?"
 
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Ghul des Prinzen, Toni Romero:

"Natürlich, bitte folgen Sie mir!"

Der Sekretär des Prinzen ging mit seinem Gast hinaus, befestigte ein Schild mit den brühmten Hinweis: "Zurück in 5 Minuten" an der Tür und führte Stefan dann um ein größeres Gebäude herum zur Wohnanlage der hiesigen Studenten.

"Sie haben Glück, ich konnte ein sehr schönes Zimmer für Sie ergattern. Es steht zufällig leer und so stört es nicht wenn Sie es eine Zeit lang nutzen. Ich wette Sie werden schlicht begeistert sein!"

Mit dieser und ähnlicher Konversation versuchte Romero seinem Gast die Zeit des Fußmarsches so kurzweilig wie möglich zu gestalten. Etwa fünf Minuten später standen sie im Obergeschoß vor der Tür eines größeren Apartements. Romero öffnete die Tür mittels Checkkarte und trat ein.
Der Raum den sie betraten schien eine Art Wohnzimmer zu sein. Sehr teures Möbiliar war mit viel Geschmack ausgewählt und zusammengestelt worden. Ein großer Flatscreen-Bildschirm, eine hochmoderne HiFi-Anlagen, Spielkonsolen der neusten Generation und diverse andere beeindruckende technische Geräte versprachen jede Menge Kurzweil und Luxus.

Weiland konnte es nicht wissen, aber er befand sich in der frisch überholten Wohnung Delilah Gerlishs. Einst hatte die Hüterin persönlich hier gewohnt und zumindest sie war dieses Heim fest ans Herz gewachsen.
 
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