[28.04.06] - Experimente

Smokey Crow

Fear & Skaring in Münster
Registriert
11. September 2003
Beiträge
18.444
Karl atmete tief ein. Jetzt galt es. Empirische Versuche über das Vampirsein.
Vorsichtig nähert er sich der kleinen, katholischen Kapelle, immer damit rechnend das er im nächsten Augenblick zu Asche zerfallen würde.
Wenigstens gibt es hier keine Maskerade-Bruch wie es ihn beim Dom gegeben hätte.
Es waren jetzt noch 5 m und immer noch nichts.
Kein Prickeln, kein Schmerz, kein Drang zu fliehen oder sich im Staub zu wälzen.
Vor der großen, eisenbschlagene Eichentür hält er kurz inne und streckt dann die Hand aus, die sich langsam, Millimeter für Millimeter, der Türklinke nähert.
Es passiert immer noch nichts. Kein Blitz um ihn zu strafen, kein brennender Schmerz, kein zorniger Gott.
Mit einem rostigen Knarzen lässt sich die Klinke bewegen. Es scheint so laut zu sein, dass es selbst noch die Engel und die Teufel hören müssen und ganz Finstertal.
Das was die Klinke an Lärm verbreitet hat, gleicht die Tür wieder aus; Fast geräuschlos gleitet sie nach innen und gestattet Karl Einlass in die St.-Bonifaz-Kapelle.
Vorsichtig setzt er den Fuss über die Schwelle und rechnet fest damit, ihn zu verlieren.
Aber nichts geschieht.
Der gekreuzigte Heiland steigt nicht vom Kreuz herab um den Sünder, den Dämon, davonzujagen. Keine göttliche Stimme, kein göttlicher Zorn.
Trotz allem ist er immer noch Teil der Kirche, immer noch ein Sohn Gottes, erlöst durch Jesus Christus, der geboren ist von der Jungfrau Maria.
In der letzten Reihe, soweit wie möglich vom Kreuz entfernt, sinkt Karl auf die Knie und beginnt zu beten.
Ave Maria gratia plena
Dominus tecum benedicta tu
In muli eribus et benedictus
Fructus ventris tui Jesus

Sancta Maria Sancta Maria
Maria ora pro nobis
Nobis pecatoribus
Nunc et in ora
In ora mortis nostrae

 
Nach dem er einzige Zeit gebetet hat, immer wieder die ewiggleichen Verse, die schon in der Kindheit wie Zaubersprüche für ihn waren, tritt ein Priester aus der Seitenpforte im Altarraum und geht zum Beichtstuhl.
Karl zögert kurz. Kann er es wirklich wagen in seinem Zustand ein Sakrament zu teilen?
Und geht dann unentschlossen und vorsichtig, wie jemand der die Festigkeit einer Eisdecke prüft auf den Beichtstuhl zu.
Die Reise scheint sich endlos zu strecken. Die 10m zum Beichtstuhl könnte auch 10 km oder 10000 km sein, und er ist mehrmals kurz davor umzukehren.
Bin ich vielleicht nur geduldet?
Doch schliesslich erreicht er die mit kunstvollen Ornamenten geschmückte Kabine und kniet sich auf die Kniebank an der linke Seite.
"Vater vergib mir, denn ich habe gesündigt!"
Die alte Formel, doch mit neuer Inbrunst. Noch nie hatte er das Gefühl so sehr beichten zu müssen, so sehr wirklich schuldig zu sein.
"Sprich mein Sohn. Gott hört dich!"
"Ich habe eine Frau getötet, Vater. Ich wollte es nicht, aber die Leidenschaft hatte mich in den Klauen und ich musste es tun, um zu überleben, um mich selbst zu erhalten.
Ich habe auch am Herrn gezweifelt, weil er zugelassen hat dass mir das passiert, weil er mir kein Zeichen gesandt hat, keine Ermahnung oder auch nur ein wenig Weisheit oder Weitsicht.
Aber er muss mich immer noch lieben, denn ich kann hier sein.
Sagt mir Vater, kann es Gottes Wille einen Mann so fürchterlich zu strafen dass er fast sicher seine Seele verliert?"
 
Karl hörte ein tiefes mitleidiges Seufzen aus dem Kabinett nebenan: "Du hast große Schuld auf dich geladen mein Sohn...", sagte die alte gebrechliche Stimme durch das Weidengeflecht:"...willst du Gott davon berichten?" Karl bekam tatsächlich das Gefühl einer höheren Macht die seine Aufmerksamkeit auf ihn richtete... allerdings war es nicht länger tröstlich wie es als Kind für ihn gewesen war, sondern eher beunruhigend. Du bist verflucht und er weiss es...
 
Wieder ein langes Schweigen:"Eines von Gottes gestrauchelten Kindern welches vom rechten Weg abgekommen ist...", antwortete der Priester kryptisch:"Aber es ist noch nicht zu spät für dich mein Sohn... es war die richtige Entscheidung dich vor Gott zu deinen Sünden zu bekennen... sprich weiter." Immernoch spürte Karrl dieses befremdliche Gefühl, dass er im Fokus der Aufmerksamkeit Gottes sass.
 
"Verstehe sie, ich wollte es nicht, aber plötzlich war da etwas, etwas was ich war und doch wieder nicht, dass kein NEIN gelten lassen wollte. Ich habe es versucht aufzuhalten, aber es war so laut, ich konnte kaum meine eigenen Gedanken hören. Und seitdem ist sie in meinem Kopf. Ich kann sie wispern hören. Sie erzählt mir wer sie war, welche Träume sie hatte.
Ich halte das nicht mehr aus.
Prüft Gott mich oder bin ich verflucht? Ich meine ich habe doch nichts getan um das herauszufordern.
Im einen Augenblick bin ich noch ein normaler Mensch und im nächsten Augenblick lande ich in einer Stadt voller Monster."
 
" In jedem von uns wohnt ein Funke Gottes und ein Funke Luzifers. In manchen überwiegt das eine in manchen das andere. Du bist erst dann verflucht wenn du dich für verflucht hälst. Ja, du hast gesündigt und es ist eine Sünde, die nicht durch einfache Buße vergeben werden kann.
Auch eine Prüfung ist es nicht, weiß Gott doch wieviel Gutes in jedem von uns steckt.
Nur Gott weiß wahrhaftig warum dir geschieht was du schilderst, aber da es dein Schicksal ist kannst du auf ein Blick in das Unergründliche hoffen.

Ein Nachts ging ein Mann in einem Traum an einem Sandstrand zusammen mit Gott. Als er am Ende seines Weges angekommen war blickt er zurück und sah, dass an den steinigsten Stellen des Strandes bloß die Fußspur eines Paar von Füßen war. Da erschrak der Mann und fragte Gott warum er ihn verlassen hätte an diesen schwierigen Stellen.
Doch Gott sprach: " An jenen schwersten Lagen deines Lebens wo du nur eine Spur siehst da habe ich dich getragen "

Genauso verhält es sich mit dir mein Sohn. Gott trägt dich und du fragst noch ob er dich prüft. Versuche mit ihm diese schwere Zeit zu meistern. "

Der Priester seufzte leise:"Aber du hast dich nicht nur gegen Gott versündigt mein Sohn..."
 
"Du hast ein unschuldiges Leben vor seiner Zeit genommen, mein Sohn... Sie hatte eine Mutter, einen Vater...Freunde, Familie...", sagte der Priester vorsichtig: "Wie gedenkst du mit den Konsequenzen zu leben?"
 
"Ich bin ein Geschöpf, dass eine Blasphemie vor Gott ist. Aber was sie angeht, so bedaure ich ihr Ableben, aber ich denke nicht das ihre Familie das kümmert. Sie ist in meinem Kopf und sie spricht mit mir. Ihre Mutter ist tot, ihr Vater ein Säufer. Sie hat sie verabscheut und ist blind vor Hass in ihren eigenen Untergang gegangen.
Aber sie scheint jetzt zufrieden zu sein...
Wie verträgt sich das Vater. Sie scheint im Himmel gelandet zu sein, trotz allem was sie getan hat in ihrem Leben und dennoch fühle ich mich schuldig... Ist es weil es noch nicht ihre Zeit war...?
Ich bin verwirrt Vater. Habe ich mich gegen die Menschen versündigt die sie hasste oder gegen Gott der alles lenkt?"
 
"Du fühlst dich Schuldig weil es nicht an dir ist Gott zu spielen und Leben zu nehmen." sagte der Prister leise. Dann folge ein Moment der Stille: "Hast du daran gedacht dich zu stellen? Dir Hilfe zu suchen? Ich fürchte, es liegt nicht in meiner Hand dir Erlösung geben, mein Kind..." Die Stimme des Paters klang aufrichtig mitleidig.
 
"Ich will nicht sterben. Ich bin nicht bereit. Wenn ich mich stelle, bin ich Tod.
Alles was mir bleibt ist mir die Hilfe in Gott zu suchen, wenn der Priester sie mir verweigert."
Damit steht er auf und verlässt grußlos die Kirche.
Er geht so schnell er kann um zu verhindern dass der Priester ihn erkennen oder die Polizie rufen kann.
 
Der Priester steht hinter ihm und ruft ihm etwas nach was ihm wohl den Rest der Nacht verfolgen wird: " ... wenn du jemanden brauchst steht die diese Türe immer offen. Du kannst nicht immer davonlaufen" Das Gefühl, dass Gott ihn heute Nacht gesehen hat bleibt...
 
Zurück
Oben Unten