Rollenspieltheorie 1of3s Richtlinien für das klassische Spielleiten

1of3

Gott
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Moin.

Wie wir wissen, ist "klassisches Rollenspiel" als kategorialer Begriff nicht zu brauchen, dass soll mich aber - ich hab da aktuell Anlass - nicht davon abhalten dafür pragmatiche Tipps zu geben. Fangen wir los.

Was ist denn das Schöne am Spielleiten?

Ich spiel gerne viele Charaktere!

FALSCH. Wenn du Charaktere spielen willst, mach dir nen SC und spiel. SL-Sein ist nicht Charaktere Spielen. Der SL benutzt seine NSCs nur für seine Arbeit. Merke: Wenn die NSCs mehr reden als die SCs, ist da was faul.

Ich erzähl gerne Geschichten!
FALSCH. Die Geschichte entsteht, aus dem was die Spieler mit deiner Arbeit machen. Du bist kein Geschichtenerzähler.


Was arbeitet denn aber der Spielleiter? - Ganz einfach: Er gibt den Spielern Dinge zu tun. Nun muss man sich überlegen, was dieses Tun beim Rollenspiel genau bedeutet. Das ist ganz einfach: Die Spieler entscheiden.

Daraus folgt:

Aufgabe des Spielleiters ist es, die Spieler vor Entscheidungen zu stellen.


Wie das geht, wollen wir gleich sehen. Zuvor drei typische Einwände.

Meine Spieler wollen eh nur Kämpfen!

FALSCH. Es ist nur so, dass ein Kampfsystem dir die Arbeit abnimmt. Denn sobald da ein Gegner steht, sorgt das Regelwerk dafür, dass die Spieler taktische Entscheidungen treffen. Wenn deine Spieler also scheinbar nur Kämpfen wollen, bist du einfach nur zu schlecht darin, selbst andere Entscheidungssitationen zu kreieren.

Aber Charakterspiel ist doch schön!
JA, ABER die einzigen Charaktere bei deinen das Ausspielen einen Wert darsstellt, sind die SCs. Deine NSCs sind nur Staffage. Wenn die Spieler also ein Kaffee-Kränzchen spielen wollen, lass sie machen und genieß die Show. Du hast damit nichts zu tun. Versuche insbesondere nicht Charakterspiel zu provozieren.

Entscheidungen? Geil! So richtiges Character Drama! Aber die Spieler geben mir nichts...

TJA, Entscheidungen, die den Charakteren an die Nieren gehen und sie bis in die Grundfesten ihrer Seele erschüttern, sind mit Sicherheit ansprechend. Nur brauchst du dafür die richtigen Spieler. Wenn du das willst, rede mit ihnen und versuchs ggf. mit Techniken wie R-Mapping, Character Flags oder direkt mit TSoY Keys. Qualifizerte Hilfe dazu wirst du z.B. auf Tanelorn finden. Bedenke aber, dass gewisse Spieler da einfach keinen Bock drauf haben.


Nun gut, hier also einige klassische Entscheidungssituationen, die nichts mit Kämpfen und nichts mit der Psychologie der SCs zu tun haben:

- Mehr als ein interessanter Ort: Mehr als einen Ort anbieten und schauen, wo die SCs hinwollen.

- Viele Angebote: Mehrere Parteien würden die SCs gerne unter Vertrag nehmen, aber die Mitgliedschaften schließen einander aus.

- Viele Zeugen: So macht man Krimi-Abenteuer. Keine NSCs, die nichts sagen, sondern ganz viele Redseelige, die alle Verschiedenes sagen. Die Entscheidung ist dann, wem man glauben soll.

- Mehrere planbare Anwendungen: So benuzt man mächtige Artefakte. Keine McGuffins, die "irgendwie mächtig und mysteriös" sind, sondern Objekte, mit klaren Anwendungen und Grenzen, über deren Einsatz die Charaktere dann entscheiden können.


Danke, Stefan, du hast mich erleuchtet. Fehlt noch was?
Nein, eigentlich nicht, nur sollte man nochmal herausstellen, dass ohne Informationen keine Entscheidung möglich ist. NSCs dienen also dazu kurz und bündig (möglicher Weise widersprüchliche) Informationen zu liefern, die SCs also geradezu mit Information zu überrennen.

Und um es es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Jede von dir vorbereitete Szene, die nicht in einer Entscheidung durch die Spieler resultiert, ist nicht spielenswert.
 
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Eine Frage noch: Was mache ich, mit Spielern, die nur DSA-Kaufabenteuer spielen wollen? Was mache ich mit diesen Abenteuern? :D
 
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Kaufabenteuer kommen in meinem Horizont nicht vor.
 
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Spielleiter sind keine Geschichtenerzähler, sie sind Regisseure. :)
 
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Und was, wenn nun jemand sagt, dass du, sobald Spielleitung sein für dich Arbeit bedeutet, etwas falsch machst?
 
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Aufgabe des Spielleiters ist es, die Spieler vor Entscheidungen zu stellen.

Diesem Punkt stimme ich zu. Den Rest sehe ich eher als frei wählbare Vorliebe, auf die sich eine Runde einpendeln muss.

Und wer Worthick-hack betreiben möchte, kann das auch als: "Der SL ist dafür verantwortlich, dass die Spieler vor Entscheidungen gestellt werden." verstehen.
 
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Und was, wenn nun jemand sagt, dass du, sobald Spielleitung sein für dich Arbeit bedeutet, etwas falsch machst?

Das sag ich immer. Das ist mein Standardspruch. Siehe auch meine Tipps für das entspannte Spielleiten.

Die Frage ist, ob man eine ehrenvolle Aufgabe übernimmt, oder sich eine Last aufbürdet. Wenn Arbeit per se nicht lustvoll wäre, gäbe es keine ehrenamtliche Arbeit.
 
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Oh je.. ich mach alles falsch..
Naja.. bis jetzt klappts ausgezeichnet..
 
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1of3 schrieb:
Meine Spieler wollen eh nur Kämpfen!
FALSCH. Es ist nur so, dass ein Kampfsystem dir die Arbeit abnimmt. Denn sobald da ein Gegner steht, sorgt das Regelwerk dafür, dass die Spieler taktische Entscheidungen treffen. Wenn deine Spieler also scheinbar nur Kämpfen wollen, bist du einfach nur zu schlecht darin, selbst andere Entscheidungssitationen zu kreieren.

Das sehe ich jetzt mal geflissentlich anders. Es gibt Spiele die forcieren durch ihre Archetypen die Handlungsbereitschaft des Charakters. Außerdem gibts auch einfach gestrickte Spieler, die immer nach Schema F (=Fight) agieren, oder zumindest dann immer besonders munter werden.

Aber Charakterspiel ist doch schön!
JA, ABER die einzigen Charaktere bei deinen das Ausspielen einen Wert darsstellt, sind die SCs. Deine NSCs sind nur Staffage. Wenn die Spieler also ein Kaffee-Kränzchen spielen wollen, lass sie machen und genieß die Show. Du hast damit nichts zu tun. Versuche insbesondere nicht Charakterspiel zu provozieren.

Wenn NSCs zu reiner Staffage verkommen beraubt man das Spiel einer Menge Atmosphäre. Das Spotlight sollte auf die Spielercharaktere gerichtet sein, aber das heißt nicht, dass es um NSCs herum nicht auch hell sein darf. ;)
 
AW: 1of3s Richtlinien für das klassische Spielleiten

Ich spiel gerne viele Charaktere!
FALSCH. Wenn du Charaktere spielen willst, mach dir nen SC und spiel. SL-Sein ist nicht Charaktere Spielen. Der SL benutzt seine NSCs nur für seine Arbeit. Merke: Wenn die NSCs mehr reden als die SCs, ist da was faul.
Verstehe ich nicht, denn für mich ist einer der besten Teile am SL-Dasein viele verschiedene Charaktere spielen zu können, sowie Charaktere spielen zu dürfen die nicht oder kaum zum SC taugen.

Natürlich heißt spielen "zielgerichtet einsetzen um Metaziel zu erfüllen", nicht "spielen als Selbstzweck", aber das gilt auch für meine SCs als Spieler, insofern sehe ich da keine Abgrenzung.


Ansonsten hast du den anderen besten Teil des SL-Daseins vergessen, wie Myrmidon bezeugen kann:
 

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ArchangelGabriel schrieb:
Wenn NSCs zu reiner Staffage verkommen beraubt man das Spiel einer Menge Atmosphäre.
Staffage muß ja nicht scheiße aussehen! Die soll ja Atmosphäre schaffen!
 
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Ich spiel gerne viele Charaktere!

FALSCH.
Denn: Richtig wäre: Ich konfrontiere meine Spieler gerne mit Charakteren. Will sehen wie sie mit ihnen und ihren Informationen umgehen; Was sie aus der ganzen Situation machen.







Danke Stefan! Selbst erklärt ist immer am besten erklärt!
 
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Eine Frage noch: Was mache ich, mit Spielern, die nur DSA-Kaufabenteuer spielen wollen? Was mache ich mit diesen Abenteuern? :D

Die Antwort auf beide Fragen lautet: Wegschmeißen.


@Skyrock: Wo zur Hölle hast Du das Bild von mir her?
 
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bedauerlicherweise gibt es ne menge spieler, die zu träge sind, entscheidungen zu treffen. ich kann mich auch an einen gwissen kultisten erinnern, der oft müde zum spiel kam und nicht gerade die spontanität in persona war ;)

mit spielern, die gerne entscheiden wolen und ihr schicksal gerne in die hand nehmen, kann man solch rpg auf höherem niveau (sag ich mal ketzerisch) machen. eine grosse masse möchte aber ihren kopf nicht zu sehr anstrengen und entscheidungen fällen gehört nunmal dazu. dann doch im bekannten schema durch nen dungeaon hacken, da ist die einzige entscheidung, die man fällen muss, wann nehme ich meinen heiltrank, oder welche zauber benutze ich.

szeenen, in denen so etwas wie gewissen/überzeugungen der chars im spiel zu erkennen ist, sind sicherlich meistens die besten.
 
AW: 1of3s Richtlinien für das klassische Spielleiten

dann doch im bekannten schema durch nen dungeaon hacken, da ist die einzige entscheidung, die man fällen muss, wann nehme ich meinen heiltrank, oder welche zauber benutze ich.
Wenn das deiner Erfahrung nach wirklich so ist, dann bedauere ich dich dafür dass du nie einen richtigen Dungeon bespielt hast.
Gerade der klassische Dungeon erfordert Entscheidungen und bietet Möglichkeiten zur Eigeninitiative. Bewohnerfraktionen gegeneinander ausspielen (oder auf seine eigene Seite ziehen), Aufklärungsstreifzüge (Wohin? Mit welchen Mitteln und welchen Leuten? Opfern wir dafür Ressourcen wie Unsichtbarkeitszauber?), Lager ausheben (und wie man es sichert), Mietlinge anheuern (oder auch nicht)... Da geht ne Menge wenn System und eSeL was taugen.
 
AW: 1of3s Richtlinien für das klassische Spielleiten

Der klassische Dungeon bietet meiner Erfahrung nach überhaupt keine Bewohnerfraktion die man gegen irgendwen ausspielen kann. Eigentlich sah sowas bisher immer wie folgt aus:

Gruppe betritt Dungeon, nach zig Random Encounters (die unwichtig für die Story sind - darunter Gigantenkraken, Oger, Zombies, Riesenratten, und interplanare Säbelzahntiger) trifft man dann auf die eigentlichen Bewohner - Drows/ Nekromanten/ Dunkelzwerge und alles andere lichtscheue Kroppzeug. Normalerweise wird ab dieser Stelle eine Initiative gewürfelt, weil die Bewohner grundsätzlich rassistisch gegen jedermann sind, die dunkelsten Rituale mit den Neuankömmlingen durchziehen wollen und überhaupt soziale Ordnung aus keinem logischen Grund zu bestehen scheint, weil die sich laut Gesinnung eigentlich auch untereinander permanent ans Leder müssten.

Nur der Gnade der Storyschreiber wegen wird heute eine Ausnahme gemacht und man lernt etwas über die noch viel wahnsinnegeren, böseren und verabscheuungswürdigeren Drows, Nekromanten und Dunkelzwerge, die die Heldengruppe bitteschön zu killen hat. Schaffen sie es nicht sind sie tot. Machen sie es nicht, wird direkt gekämpft und wollen sie es machen und das Problem beseitigen sind immer noch 90% der Hilfesuchenden feindlich und lassen das die Chars auch sehr deutlich spüren.

Und immer noch: Das sind die Erfahrungen die ich mit D&D und Dungeon Crawls gemacht habe. Offizielle Abenteuer waren da genauso Gift wie die eigenen geistigen Ergüsse mancher Spielleiter.
 
AW: 1of3s Richtlinien für das klassische Spielleiten

Der klassische Dungeon bietet meiner Erfahrung nach überhaupt keine Bewohnerfraktion die man gegen irgendwen ausspielen kann. Eigentlich sah sowas bisher immer wie folgt aus:

Gruppe betritt Dungeon, nach zig Random Encounters (die unwichtig für die Story sind - darunter Gigantenkraken, Oger, Zombies, Riesenratten, und interplanare Säbelzahntiger) trifft man dann auf die eigentlichen Bewohner - Drows/ Nekromanten/ Dunkelzwerge und alles andere lichtscheue Kroppzeug. Normalerweise wird ab dieser Stelle eine Initiative gewürfelt, weil die Bewohner grundsätzlich rassistisch gegen jedermann sind, die dunkelsten Rituale mit den Neuankömmlingen durchziehen wollen und überhaupt soziale Ordnung aus keinem logischen Grund zu bestehen scheint, weil die sich laut Gesinnung eigentlich auch untereinander permanent ans Leder müssten.

Nur der Gnade der Storyschreiber wegen wird heute eine Ausnahme gemacht und man lernt etwas über die noch viel wahnsinnegeren, böseren und verabscheuungswürdigeren Drows, Nekromanten und Dunkelzwerge, die die Heldengruppe bitteschön zu killen hat. Schaffen sie es nicht sind sie tot. Machen sie es nicht, wird direkt gekämpft und wollen sie es machen und das Problem beseitigen sind immer noch 90% der Hilfesuchenden feindlich und lassen das die Chars auch sehr deutlich spüren.

Und immer noch: Das sind die Erfahrungen die ich mit D&D und Dungeon Crawls gemacht habe. Offizielle Abenteuer waren da genauso Gift wie die eigenen geistigen Ergüsse mancher Spielleiter.
Ich war lange Zeit auch kein Dungeonfreund, aber es gibt echt ganz tolle: Dungeon Crawl Classics (Deutsch von Ulisses), die Paizosachen (Pathfinder) [siehe der Blog hier] wären nur zwei Beispiele - da findet man genau das, was Skyrock bescvhreibt - jedenfalls häufig.
 
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