[18.5.2008] Zwei kleine Italiener - Scheiß drauf, ob sie wirklich die Nationalität haben

Melody Sarah

Halbgott
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Schon wieder ging eine SMS an Moishe raus und danach stellte Melody ihr Handy auf lautlos und sämtlichen Vibrationsalarm aus. 'Bin jetzt raus da. Brauch noch ca. 'ne Stunde. Passt das? Hast du einen unauffälligeren Wagen als den vorhin oder soll ich dich abholen?'

Fuck. Sie hätte auch echt vorher nachdenken können! Wütend auf sich selbst lenkte sie ihr Bike zum Schrottplatz und ging sich umziehen. Den Weg hätte sie sich sparen können, wenn sie vorher nachgedacht hätte und etwas weniger eitel gewesen wäre. Vom Gildenhaus war es nicht weit bis zum Hafen. Na ja. Es nutzte nichts. Ihre normalen Klamotten packte sie trotzdem noch ins Auto und auch ein wenig was schickeres. Fürs erste tat sziemlich... schwarze Kleidung. Ne Leggings, ein Strechrock, damit das ganze nicht zu nuttig und nackt aussah, ein Top, eine leichte Sweetjacke um das Holster zu verbergen. Die zweite Messerscheide landete bei diesem Outfit an der Innenseite ihres Oberschenkel. Nicht perfekt, aber weniger auffällig. Und vor allem von dem kurzen Rock noch verborgen. Die Füße bekamen ein paar von diesen Fünf-Zehen Schuhen an. Wenn man es gewöhnt war, damit zu laufen, konnte man sich damit sehr viel leiser bewegen als mit normalen Schuhen. Sie waren weich und flexibel. Die Füße konnten sich dem Boden anpassen. Als Mensch wäre es ihr im Traum nicht eingefallen, die Dinger an zu ziehen. Bis sie sich an die dünne Sohle gewöhnt hätte, hätte sie ständig nur gejault. Der Gang war mit dieser Art Schuhen anders, vor allem, wenn man lief. Vor allem war er deutlich leiser, weil die Fußballen wesentlich federnder auf dem Boden aufkamen, als es Fersen möglich war und darauf kam es an. Wenn sie sich vorsichtig und langsam bewegte, ging das sogar auf Kies oder Schotter einigermaßen gut. Laub war da echt ne Nummer härter. In der Nähe des Gildenhauses und des Hafens – die Orte befanden sich einfach in unmittelbarer Nachbarschaft, parkte Sarah einen alten, aber gepflegten Golf.

So bald sie eine dunkle Stelle passierte, zogen sich die Schatten dichter um die Frau zusammen. Sie wollte nicht mehr gesehen werden. Einem einsamen Spaziergänger mit seinem Hund wich sie aus, in dem sie gleich ganz auf die andere Straßenseite wechselte. Sie wollte keine Begegnung riskieren und die Tiere nutzten oft andere Sinne.

Ihr Ziel war ein Lagerhaus der Italiener. Bevor sie schon bei der Suche Methoden anwandte, bei denen sie Moishe brauchte, konnte sie ja mit etwas Glück auch schlicht etwas belauschen. Je weniger Leute wussten, dass sie auf der Suche nach den beiden Schützen war, desto weniger Fragen würden später entstehen, wenn die beiden... sagen wir, Melody hatte eine nützliche Idee für die zwei.

Je dichter sie dem Lagerhaus kam, desto vorsichtiger wurde sie. Dabei achtete sie nicht nur auf den Weg vor sich, sondern sah sich auch nach Wachen um – menschlichen, tierischen und technischen. Kameras mussten sie selbst mit den Schatten um sie herum echt nicht gern aufnehmen. Normaler Weise herrschte hier selbst nachts zu mindest etwas Betrieb. Hoffentlich war es heute auch so und ihre ganze Mühe nicht umsonst.
 
Die Antwort kam prompt und sachlich kurz als SMS. "Fahr Du! Triff mich Ecke Berliner Straße." Das lag auf Melodys Weg. Moishe nutzte die Stunde bis sie sich treffen wollten dafür mit seinem neuen Bekannten, Richter Ströhr, seines Zeichens neuer Spitzenkandidat der Konservativen für das Amt des Bürgermeisters, zu telefonieren und sich zu erkundigen wer bei Polizei und Staatsanwaltschaft für die Untersuchung der Angelegenheit Kneipenschiesserei zuständig war.
Das sowohl Inspektor Martin als auch der stellvertretende Staatsanwalt Rieser als karrieregeil galten passte dem Ventrue als Ergebnis gut ins Konzept. Schnell notierte er sich die Handynummer der Beiden die er von Ströhr erfahren hatte...eine Hand wusch in der Politik wie in der Geschäftswelt die andere wusste der Jude und diese beiden Fliegen würde er durch Honig fangen...
 
Der Himmel war bewölkt und der eklige Sprühregen hatte mittlerweile auch das Hafengebiet erreicht.

Wie die meisten Lagerhäuser der Italiener befand sich auch dieses nahe des Finsterufers. Im Andenken an die vergangenen glorreichen Tage der hiesigen Schwerindustrie, waren an dieser Stelle einfach die größten Hallen zu finden. Abgesehen vom geräumigen Platzangebot lag man auch fern von unfreiwilligen oder besser unerwünschten Beobachtern und dank der wenigen Zufahrtsstraßen konnte man eine plötzliche Razzien der Polizei zum Beispiel schon Minuten vor ihrer Ankunft erkennen. Der ideale Ort für jedes nur erdenkliche Verbrechen. Es war wohl bezeichnend, dass sich hier ausschließlich die Italiener breit gemacht hatten.

Ein weitere nicht zu unterschätzender Vorteil war, dass Teile des Hafen auch heute noch genutzt wurden. Seit wenigen Wochen sogar wieder mit stetig steigender Betriebsamkeit. So lief Melody an einer ganzen Menge Arbeitern vorbei. Einige fuhren Gabelstabler, andere zählten Güter oder überprüften Bestände, hier und da stand eine einzelne Person bei einer verbotenen Zigarette oder einer kurzen Kaffeepause. Dazwischen rannten Anzugträger hin und her. Meist mit Aktentaschen oder Papierbündeln in Händen.
Wer dieser Männer ein angestellter der Mafia war, ließ sich unmöglich sagen. Auch konnte man nicht im geringsten abschätzen, welche der dutzenden Kameras noch funktionierten und welche davon einen rein abschreckenden Charakter hatten. Eines aber war sicher, durch die rege Betriebsamkeit eines vollkommen normalen Arbeitsalltages, gerieten die Machenschaften der Mafia noch einen Deut mehr in den Hintergrund.

Letztlich musste sich die Ventrue eingestehen, dass sich mitten in die Höhle des Löwen begeben hatte und den an diesem Ort scheinbar übermächtigen Feind vollkommen ausgeliefert war. Erst als sie die gesuchte Halle fand und sich ihr näherte, fiel ihr Blick auf einige eindeutig bewaffnete Männer. Es waren sechs... ungefähr und strategisch gut um das Gebäude herum verteilt.

Was darin wohl verborgen lag?
 
Okey... das hin kommen zum Lagerhaus erwies sich als kleiner Hindernisparcour weil so viele Leute unterwegs waren. Seid wann war hier wieder mehr Betrieb? Wo es ging, hielt sie sich dicht an den Wänden. Immerhin hatte der fiese Niesel noch keine richtigen Pfützen fabriziert.

Mit den Kameras war das so eine sache. Es gab hier echt zu viele von denen – vor allem zu viele um sicher zu gehen, dass sie jede einzelne rechtzeitig entdeckte. Schweren Herzens setzt sie die Kapuze ihrer Sweatjacke auf. Lieber zahlte sie mit etwas reduzierter Sicht als sich hübsch sichtbar auf irgend welchen Aufnahmen zu präsentieren.

Auch wenn sie den Leuten ausweichen musste, war es trotzdem gut, dass hier etwas mehr los war. Damit konnte sie auf ein offenes Tor oder eine offene Tür hoffen. Immerhin wollte sie unscheinbar bleiben. Sie webte die Schatten noch ein wenig dichter um sich herum.

Boah. Als einer der Knaben im Anzug dicht an ihr vorbei lief, juckte es sie in den Fingern. Er trug einen Hut gegen den Regen. Ein leichter Stupser und... aber sie war heute nicht zum Faxen machen hier und würde nicht für so einen Mist riskieren entdeckt zu werden.

Hmmh. Sie sollte echt an ihrer Aversion gegen Schlipsträger arbeiten. Sarah grinste in sich hinein, während sie sich eine Ecke suchte, wo weder Leute noch Fahrzeuge stark frequentiert hin und her huschten. Allerdings war sie immer noch reichlich dicht an einem Gabelstapler, der einen LKW belud - so fünf Meter entfernt. Sie brauchte die Geräuschkulisse, weil sie ihr Handy kontrollierte. Nichts wäre dämlicher, als das Ding auf laut oder vibrierend steh zu haben, während sie versuchte, sich in das Lager zu schleichen oder etwas zu belauschen. Kontrolle war in so einem Fall besser als Vertrauen – auch wenn sie selbst erst am Anfang genau für diese Dinge schon gesorgt hatte. Nein, sie lief nicht zehn mal zurück und kontrollierte, ob sie den Herd auch wirklich aus gestellt hatte. Das konnte man jetzt wirklich nicht miteinander vergleichen! Aber wenn sie schon dabei war...

...schaltete sie bei der Kamerafunktion den Blitz aus und chekte noch mal kurz ab, wie sie Audioaufnahmen starten konnte. Wer wusste schon, ob sie fand, was sie suchte? Nur so, wie die Wachen und Gebäude standen, war sie sich fast sicher irgend etwas zu finden.

Vorbereitung war immer gut.

Als erstes tapste sie einmal komplett um das Gebäude und die Wachen herum. Die Menschen waren gerade ihre geringste Sorge bei dieser Aktion. Die würden eh immer zufällig von ihr weg kucken und sie einfach irgend wie nicht wahr nehmen, so lang sie weiterhin nix dummes an stellte. Sie suchte nach einer offenen Tür oder einem Tor, an dem unter Umständen gearbeitet wurde oder ob irgend wo Leute ins Gebäude rein oder raus gehen. Auch erreichbare Fenster konnten eine Alternative sein, aber sie musste daran denken, dass sie alles leise und unauffällig machen konnte. Nach Möglichkeit wollte sie eine Tür nicht selbst öffnen. Aber hey, mal kucken, was die Situation so her gab. Vielleicht war ja auch jetzt schon irgend jemand dabei, was interessantes zu erzählen-
 
Die Wachen standen griesgrämig und mit hochgeklappten Kragen um die freistehende Lagerhalle herum und beobachteten das Terrain.Wegen des Sprühregens hielten sie die Köpfe eingezogen und die Augen zusammengekniffen. Wer aber dachte, dass sie deswegen ihren Job vernachlässigten, irrte. Im Gegenteil, die Wachen hier waren hervorragend ausgebildet und hochkonzentriert. Ungewöhnlich für die Mafia, den derart gute Leute waren teuer. Melody konnte darauf hoffen einem sehr interessanten Geheimnis auf die Spur gekommen zu sein. Nicht einmal Kamreas gab es. Hier war nichts mehr erwünscht, dass vor einem Strafgericht als Beweis missbraucht werden konnte. Egal wie unwahrscheinlich es war, dass es den Ordnungsbehörden in die Hände fiel.
Der Nachteil daran war, dass sich das Lager gleichzeitig wie eine Festung anfühlte und dass hier kaum eine Tür offen stehen würde...

Jetzt wo sich die Ventrue genauer mit der Halle beschäftigte, viel auch auf dass sich das gesamte Treiben des Hafens streng getrennt von dem Mafiaversteck abspielte. Das Lager glich einem Fels, der so von einem Fluss umspült wurde, dass er nicht einmal nass wurde. Die hier arbeitetenden Menschen, Malocher, Vorarbeiter und Schlipsträger fürchteten diesen Ort wie der Teufel das Weihwasser und mieden ihn wie echte Männer etwas in rosa...

Nach der umsichtigen Umkreisung, die trotz perfekt genutzter Schatten nur mit Mühen unentdeckt geblieben war, blieb Melody nur wenige Wege.
Es gab den Haupteingang mit zwei schon als riesig zu bezeichnenden und schwer bewaffnetenTürposten,
ein Fenster auf der Rückseite, dass gekippt worden war, sich aber leider in vier Metern Höhe nahe des Dachs befand,
einen kaum zu sehenden Hintereingang, der keinen Türkanuf besaß und
eine Feuerleiter die zum Wasser hin ausgerichtet war und nur einen Mann Bewachung auf halber Höhe aufwies.
 
Elender Mist verfluchter!

Kennt ihr das, wenn etwas in euren Fingern zu jucken beginnt?

Wenn ihr unbedingt etwas tun wollt, obwohl ihr wisst, dass es weder gut noch richtig ist?

Genau so erging es gerade Melody. Was auch immer da drinnen abging, Melody war sich fast sicher, dass es wenig mit der Schießerei zu tun hatte. Da war noch etwas anderes im Busch. Aber was, verdammte Nuss? Sie hatte keinen blassen Schimmer.

Der Mangel an Schimmer machte es schlimmer.

Jetzt rächte es sich, dass Melody viel von Marty gelernt hatte. Mit Waffen machte ihr so leicht keiner was vor und im Kampf war sie ganz sicher jemand, mit dem man lieber rechnen sollte, auch wenn gewisse Kampfmonster der Stadt sie wohl leicht in die Tasche stecken konnten. Ein Mensch, selbst so einer wie diese Wachen, dürfte es nicht ganz so leicht haben.

Dummer Weise hatte sie für andere Dinge viel von dem vernachlässigt, was ihrem Clan eigen war. Wie schön wäre es doch, wenn sie jetzt einfach als kleine Fledermaus oder so zu dem offenen Fenster fliegen könnte. Tjo. Ging aber nicht. War sie meilenweit von entfernt.

Der Typ auf der Feuerleiter war wenigstens nur einer. Nur wollte Melody keine Spuren hinterlassen. Dazu gehörte auch die Abwesenheit von Leichen oder Personen, die irgend wann vermisst wurden. Mal abgesehen davon, dass es wirklich fraglich war, ob sie ihn so lautlos wie nötig abmurksen konnte. Sie wollte echt nicht gegen die fünf anderen antreten, wenn die merkten, was Sache war.

Das Fenster und der Hintereingang, nein eigentlich erst mal das Fenster, war Melodys erste Wahl. Konnte sie einen Weg da hinauf finden? War es möglich, dort leise hoch zu klettern? Vor allem ohne Seil und ohne Enterhaken und ähnliche Kinkerlitzchen? Das Zeug hatte sie nämlich nicht dabei. Sie nahm das Ding genauer in Augenschein und auch die Hintertür bekam eine etwas genauere Inspektion. Fehlender Türknauf hin oder her... gab es einen anderen Weg die Tür zu öffnen oder war es wirklich so ein Ding, was nur von Innen zu öffnen war? Auf der anderen Seite... wollte sie wirklich eine Tür selbst öffnen und damit riskieren, ihre Anwesenheit bekannt zu geben? So etwas ließ sich nicht so leicht verbergen.

Während sie über ihren Weg nach drinnen nach sann, bewegte sie sich auf die beiden Wachen am Haupteingang zu und hüllte sich dabei immer noch in die Schatten. Wenigstens musste sie nicht atmen und dadurch irgend welche Geräusche verursachen. Vorsichtig und achtsam schlich sie sich immer dichter. Dabei beobachte sie die Wachen vorwiegend aus den Augenwinkeln. Solche Typen, na, sie wollte einfach nicht riskieren, dass einer von denen so ne Art sechsten Sinn hatte und quasi ihren Blick im Nacken spürte. Wie weit standen die Kerle eigentlich von der Mauer oder der Tür weg? Drückten sie sich wegen des Nieselregens dicht an die Mauer oder konnte sie quasi hinter die Knaben schleichen? Falls ja, würde sie wohl den nehmen, zu dessen Seite die Tür sich öffnete, wenn der Haupteingang nicht eh mehr aus einem Tor bestand – oder einem Tor, in dem eine Tür integriert war.

Es konnte ihr keiner einen Vorwurf machen, wenn sie auf ein wenig Glück hoffte – jemanden der rein oder raus gehen wollte – während sie über ihre Optionen nach sann.

Selbstverständlich könnte sie sich auch einfach dichter an die Wache vor ihr stellen und ganz dicht an ihrem Ohr nur ein leises, wirklich kein lautes 'Buh' ertönen lassen. Mit Glück verblüffte das die Knaben so sehr, dass sie rein gebracht wurde. Angesichts dessen, wer sie war – hätte sie nicht gerade etwas anderes an der Backe und nur sauer auf Hergül...

Oh verdammt.

Ihre Lippen zuckten.

Mann. Sie hatte echt nur Scheiße im Kopf, aber es wurde auch Zeit, dass Hergül begann sie zu respektieren. Wenn sie nicht rein kam....
 
Leider hatte der unangenehme Sprühregen zur Folge, dass auch die Wachmänner sich näher an den Wänden aufhielten. Viel brachte der notdürftige Schutz nicht, aber wenn man keine andere Wahl hatte, nahm man was sich einem bot. Aber das Wetter bot auch Vorteile. Der Regen nahm den Wachen die Sicht und ließ die Sichtweite, trotz kluger Beleuchtung, auf einige wenige Meter zusammenschrumpfen. Außerdem hatten die Männer ihre Kragen hochgeklappt und ihre Hüte tief ins Gesicht gezogen. So aufmerksam und trainiert sie auch waren, unaufmerksamer als heute Nacht würde man sie kaum erwischen. Melodys Talent, sich in den Schatten zu verbergen, zahlte sich in einer Nacht wie dieser also richtig aus.

Der Wächter auf der Treppe zündete sich eine Zigarette an. Er hielt schützend seine Hand über Glimmstängel und Feuerzeug, brauchte letztlich trotzdem drei Versuche bis die Kippe brannte. Der kurze Lichtschein in seinem Gesicht zeigte, dass er extrem gelangweilt schien.
 
Hmmh.

Ehrlich gesagt hätte Melody die Jungs lieber etwas aufmerksamer – und weniger dicht an der Mauer. Allerdings die Kragen....

Vorsichtig stellte sie sich einmal zwischen sie.

OK.

Die Kragen waren fast genau so gut, als wenn sie etwas mehr Abstand zur Tür hätten. Wenn die zwei Gelangweilten sich nur wenigstens unterhalten würden oder mal jemand durch diesen verdammten Eingang gehen würde und ihn dafür auf machen.

Ganz ehrlich glaubte Sarah nicht daran, dass ihre Schatten so gut waren, dass sie das Zeug quasi vor deren Nase alias Mantelkragen öffnen könnte. Mal abgesehen von den Geräuschen würde die größere Bewegung sie wohl doch irritieren. So gut wirkte der Kram dann doch nicht.

Es blieb die Hintertür. Die ohne Knauf. War es eine klassische Notausgangstür? War sie elektronisch gesichert um beim Öffnen einen Alarm ab zu geben? Oder war es einfach nur eher so etwas wie eine Kellertür nach aussen, nur gedacht um von Innen nach draussen gelangen zu können aber nicht in umgekehrter Richtung? Mit etwas Glück war sie nicht abgeschlossen und welcher Idiot würde schon versuchen in ein Lagerhaus einzubrechen, vor dem bewaffnetes Personal stand?

Wenn sie sich so ne Plastikkarte aus dem Auto holte, würde sie ausreichen können um den Schnapper zurück zu drängen und die Tür zu öffnen?

Die vier Meter zum Fenster schienen ihr aus dem Stand doch ein wenig sehr risikoreich, wenn sie an das Fenster dachte. Möglich, dass sie das packen konnte. Sie war viel stärker als sie aus sah und musste nicht so viel Gewicht mit ihren Muskeln in die Luft katapultieren. Nur konnte sie den Lärm, den sie dabei vielleicht machen würde, nicht kalkulieren. Mit den Wachen im Rücken war es zu risikoreich.

Notiz an mich: lern' verdammt noch mal Parcour!
 
Wie bei den meisten Entscheidungen wusste man erst hinterher, was der beste Weg gewesen wäre.
Ein beherzter Sprung zum Fenster in vier Metern Höhe war möglich, vielleicht sogar einen halben Meter mehr bis hoch aufs Dach. Auch die Idee mit der Kreditkarte mochte funktionieren, Notfalltüren waren nur selten abgeschlossen. Andersherum befand man sich nicht in den Vereinigten Staaten wo Türen quasi danach schrien mit solcherlei Tricks geöffnet zu werden.

Der Sprühregen fiel unverändert zur Erde hinab, die Wächter versahen trotzallem konzentriert ihren Job und keine der Türen öffnete sich.
In der Nähe des Lagerhauses fuhr ein Gabelstapler vorbei, sorgsam darauf bedacht, den Mafiosi dabei nicht zu sehr auf die Pelle zu rücken...
 
Sie hatte schon gemerkt, dass es sich rächte, alles auf's Schleichen ausgelegt zu haben. Langer Rede kurzer Sinn trabte Melody zu ihrem Wagen zurück. Amerikanische Serien waren im übrigen nichts, an dem sich Melody orientierte. Es war eher die Arbeit deutscher Schlüsseldienste die für sie den Maßstab bildeten. Wer scherte sich bei einem Einbruch schon um toll gesicherte Türen wie die der Firma Biffar? Der Haupteinstiegspunkt waren immer die Fenster. Na ja, aber um zu den Schlüsseldiensten zurück zu kommen – die arbeiten mit exakt solchen Karten, wenn eine Tür nur ins Schloß gefallen war. Hier jetzt groß mit Werkzeug einbrechen oder mit Gewalt wollte Sarah nicht.

Am Wagen angekommen packte sie sich einen kleinen Rucksack und achtete darauf, die einzelnen Teile so zu verstauen, dass sie nicht herum klapperten oder wackelten. Ein kleines Pickset, eine Karte, die extra zum Öffnen von zugefallenen Türen gedacht war und vor allem fast am wichtigsten ein Blatt Papier und in Ermangelung eines Stiftes nutzte sie sowohl ihren Lippenstift als auch ihren Kajal um etwas darauf zu schreiben.

Sie schrieb sehr vorsichtig nur mit der Kannte des Lippenstiftes in ca. 1,5-2cm großen Druckbuchstaben. Auf keinen Fall wollte sie sich erst vor Ort darum kümmern. Das ps schrieb sie mit dem Kajal in Schreibschrift. Ja. Klar, sie hätte alles sofort mit dem Kajal schreiben können, aber der Lippenstift musste einfach sein.

Vorsichtig bereitete Sarah den Zettel auch mit Panzertape vor um ihn später an eine Wand oder Tür kleben zu können. Die Folie von einem Teppichklebeband würde dafür sorgen, dass nicht gleich alles zusammen bappte, als sie es faltete und das zweite Blatt Papier sorgte dafür, dass die Schrift nicht so sehr verschmierte sondern nur einen zweiten, schwächeren und Spiegelverkehrten Abdruck auf dem zweiten Blatt hinterließ.

So bewaffnet machte sie sich wieder auf zu dem Lagerhaus in der schon gewohnten Manier. Die Idee den Zettel drinnen zu platzieren war einfach noch verlockender als ihn direkt zwischen die Wachen an die Tür zu kleben.

Zurück an der besagten Hintertür prüfte sie noch einmal, ob sie irgend eine elektronische Sicherung entdecken konnte. Erst bei einem negativen Ergebnis versuchte sie es mit der Türfallenkarte.
 
Was dem einen sein Leid, war dem anderen seine Freude!
Der ekelhafte Sprühregen machte des der Ventrue leicht sich ungesehen an den Wachen vorbeizuschleichen. So aufmerksam die Wachen auch waren, irgendwann konnte man das ständige Wasser, dass einem ohne Unterlass ins Gesicht spritzte nicht länger ertragen.

An der Fluchttür angekommen musste Melody feststellen, das zwischen Tür und Zarge nicht genug Platz war um eine Karte oder auch nur ein Stück Papier dazwischen zu schieben. Außerdem schien die Tür entgegen jeder Vernunft abgeschlossen zu sein. Offensichtlich hatte die Mafia hier keine Kosten und Vorsichtsmaßnahmen gescheut. Nur an der Schlossmechanik selbst schien gespart worden zu sein. Melody könnte sich mit etwas Talent vielleicht sogar Zutritt verschaffen, dass passende Werkzeug hatte sie ja. Wenn nicht ausgerechnet von der anderen Seite aus ein Schlüssel im Schloss stecken würde. Einer dieser guten alten mit Bart.

Elektronische Sicherungen waren keine zu erkennen, aber das waren sie ja nie. Sarah sollte bei einem derart gesicherten Gebäude allerdings davon ausgehen, dass man sich nicht mit irgendwelchen Eventualitäten zufrieden gab. Der Zugang hier war so dicht und gesichert wie das restliche Lagerhaus.
Einzig unterhalb der Tür war ein schmaler Spalt zu erkennen durch den Licht fiel. Etwas mehr als einen halben Zentimeter freier Raum befand sich zwischen Tür und Asphaltboden, mehr Öffnung gab es nicht...
 
Melody kotzte.

Natürlich tat sie das nicht wirklich, sondern lediglich mental und weil sie sich ärgerte. Warum war ihr dieser Spalt unter der Tür vorher entgangen? Und der andere Schlüssel?

Logo, sie hatte ein Blatt Papier dabei. Sogar zwei!

Nur, wenn sie den anderen Schlüssel an stupste und sie so viel Glück hatte, dass er auf das Papier viel und nicht auf den Boden, dann würde er klirren. Dafür hätte sie noch ein wenig Schaumstofffolie gebraucht. Die unter den Türspalt, darüber das Papier, Folie raus, Papier mit Schlüssel raus – der dann auch nicht mehr so gut weg springen würde, wenn unter dem Papier die Folie war – und gemütlich auf schließen.

FUCK!

Den Schlüssel im Zweifelsfall in eine gerade Position zu bringen sollte nicht unmöglich sein. Melody überprüfte erst mal, ob das überhaupt nötig war, in dem sie durch das Schlüsselloch linste.

Und dann stellte sich die Frage, ob es hier nicht irgend wo Papierabfall in der Nähe gab. Genauer gesagt Kartonage. Wenigstens etwas Zeit nahm Melody sich dafür noch bei den umliegenden Lagerhäusern mit Betrieb, bevor ihr Geduldsfaden riss.

Falls sie passenden Karton fand und sich aneignen konnte: An der Tür lauschen, ob sie dahinter was wahr nahm, ab durch den Spalt mit dem Karton, Papier drüber, Schlüssel schubsen...

Falls nicht... musste sie sich mit einem Geduldsfaden auseinander setzen, der langsam immer kürzer wurde.

Melody war nicht die geübteste Schlossknackerin, ganz gewiss nicht. Sie war aber auch nicht völlig talentfrei, auch wenn das Vorhängeschloss bei der Irrenanstalt letztlich nur der rohen Gewalt hatte weichen dürfen.
 
Keine Abfälle, keine Kartons, keine Hilfe. Einzig Asphalt und Schotterflächen umgaben die Ventrue. Dazu der ein oder andere Maschendrahtzaun und diverse Überseecontainer. Einmal mehr spielte ihr das Schicksal den ein oder anderen Streich, ließ sie aber auch nie vollkommen hilflos zurück.

Ein Blick durchs Schlüssel zeigte, das der Schlüssel ein wenig nach rechts eingedreht war. Den Bart senkrecht nach unten fallen zu lassen würde ein wenig Fummelei bedeuten, war aber nicht unmöglich. Und noch etwas zeigte sich Melody. Im Inneren der großen Halle ging es sehr geschäftig zu. Mehrer Personen bewegten sich hin und her, andere standen an Ort und Stelle und erledigten konzentriert was auch immer sie da taten.

Was nun?
 
Erinnerte sich irgend jemand an Melodys tolle Schleichkleidung?

Sie schon!

Cool stuff!

Unter der Sweatjacke war ihr Strechrock noch eher trocken als nass, auch wenn er durchaus etwas feucht war. Und solche Röcke bestanden aus einem genialen Material. Es war nicht nur dehnbar, nein, es war auch noch dünn und dabei trotzdem relativ fest. Eigentlich müsste der Stoff sogar fest genug sein, um ihn auf einem Betonboden hin und her schieben zu können, ohne dass er crunchte.

Mitra, erinnerst du dich an meinen ungefliesten Windfang? Sowohal auf der glatten Fläche als auch auf der rauen Fläche war ein hin und her schieben überhaupt kein Problem. Allerdings hat die Tür dort keinen Spalt (und auch keine andere in meinem Haus) wo ich versuchen könnte, den Rock durch zu friemeln.. und ich will die Dinger noch anziehen :p )

Gedacht getan. Melody hockte sich vor die Tür und hielt dabei die Ohren gespitzt, ob hinter der Tür jemand näher kam oder was zu bemerken schien. Bevor sie anfing, linste sie noch mal durch das nur halb offene Loch und kontrollierte auch zwischendurch noch so zwei Mal. Auch die Situation draussen versuchte sie nicht unbeachtet zu lassen. Ihr Einbr... Werkzeug für das Hobby Lockpicking half ihr dabei, den Rock durch den Türspalt zu bekommen und als er hindurch war, halfen ein paar vorsichtige Bewegungen an den Enden, um ihn recht gerade zum Liegen kommen zu lassen.

Wieder gab es einen kontrollierenden Blick durch das Schlüsselloch. Wenn alles so weit klar schien, folgte dem Rock ein Blatt Papier. Jenes, welches sie als Schmierschutz genutzt hatte. Das meiste überschüßige Zeug vom Lippenstift war inzwischen eh schon auf dem Zwischenblatt. Der Rest würde nicht mehr so arg verwischen, wenn sie nicht direkt kräftig über die Schrift rieb.

Jetzt konnte es an den Schlüssel gehen, der erst mal in die richtige Position gebracht werden musste und danach hoffentlich ohne viel Lärm oder wenigstens Lärm, der in dem Betrieb unterging, durch vorsichtiges und langsames heraus schieben exakt auf dem Rock landete, besser noch auf dem Blatt Papier. Falls es nicht gelang... und der Schlüssel irgend wo weiter weg landete...

...war es erst mal wichtig zu wissen, ob die ganze Aktion irgend wem drinnen oder draussen bisher aufgefallen war. Erwischen lassen wollte die Kleine sich nicht.
 
Noch immer rettete sie der Regen vor schlimmeren Konsequenzen. Eigentlich hätte eine Streife in unregelmäßigen Abständen um die Halle herumgehen müssen, die Männer ersparten sich die Arbeit aber. Bei so einem Wetter würden selbst Einbrecher mit dem Arsch im trockenen bleiben. Außerdem war im Inneren der Halle gerade soviel los, dass ein unbemerktes Eindringen weder Sinn machte, noch ratsam war.

Die Sache mit dem Schlüssel gestaltete sich erstanlich einfach. Kaum war er in der richtigen Position, da rutschte er auch schon aus dem Schlüsselloch und fiel nach unten. Es gab ein leises metallisches Klirren, da der Stoff des Rockes aber verhinderte, dass der Schlüssel sprang blieb er nach dem ersten Geräusch an Ort und Stelle liegen. Melodys Plan hatte funktioniert. Leider aber lag das Objekt ihrer Begierde nun zu hoch, so dass die erst ganz langsam und vorsichtig den Stoff wegziehen musste und dann erst das Papier hervorholen konnte.

Samt Schlüssel, wie sich letztlich bewies.
Eine gute Idee gepaart mit einem Hauch Glück hatten das Problem gelöst...
 
Hey...

das war exakt der Grund, warum Melody mit den zwei Lagen gearbeitet hatte und nicht nur mit einer. Gut, wenn der Schlüssel auf der anderen Seite liegen geblieben wäre, nachdem sie nur den Rock durch gezogen hätte, wäre das nicht soooo wild gewesen, aber warum sollte man sich mehr Arbeit machen, wenn es auch einfacher ging?!

Melody grinste nicht nur in sich hinein, sondern das Grinsen zeigte sich sehr deutlich in ihrem Gesicht. Was niemand sah, nicht einmal sie selbst. Also... Who cares?

Für einen normalen Menschen ohne diese Möglichkeiten mit den Schatten war es eine absolut beschissene Idee hier eindringen zu wollen. Kurz überlegte Melody ob sie für das rein gehen eher ne Maske wählen sollte... hmmmh.. nö... verborgen bleiben war für das, was sie vor hatte, besser.

Was hatte sie eigentlich genau vor?

Ihr ursprüngliches Ziel stand immer noch im Raum: Checken, ob es hier Infos zu holen gab, was bei der Schießerei passiert ist und vor allem, wo sich die Schützen auf hielten.

Es hatten sich noch zwei weitere Ziele dazu geschummelt. So quasi nebenbei, verursacht durch die heftige Bewachung.

Sekundärziel eins: Was machten die Typen da drinnen verdammt noch mal?! Warum war die schwere Bewachung notwendig? Oder wollten sie nur auf einen Gegenschlag der Russen gefasst sein und es fand da gar nix spannendes statt? Falls sie da drinnen Waffen verluden, wollte Melody das verdammt noch mal wissen. Alles andere würde sie mit Interesse und vielleicht auch mit Fotos wahr nehmen. Mal kucken.

Sekundärziel zwei und inzwischen fast, aber nur fast wichtiger als das Primärziel war das Platzieren des vorgeschriebenen Zettels. Echt mal jetzt. Hergül verlud sie doch, in dem er sie schlicht nicht anrief oder durch Bruno anrufen ließ. Er brauchte recht offensichtlich noch mal einen Motivationsschub! Und was konnte dafür besser geeignet sein als eine hübsch arrangierte Nachricht an einer Stelle, zu der sie nach seinem Dafür halten keine Möglichkeit haben sollte, einfach mal so auf zu tauchen. Gut, vielleicht machte ihn das... not amused.. aber das war sie verdammt och mal auch!

Maskeradegefährdung? Am Arsch. N verflucht guter Dieb konnte das genau so gut schaffen. Oder waren die ganzen Untersuchungen zum Thema blinde Flecken in der Wahrnehmung, Veränderungen in der Wahrnehmung und Seherwartungen nur dem Wirken von übernatürlichen Wesen zu zu schreiben und ihrem Versuch, das Ganze den Menschen zu verschleiern? Interessante Idee... die Melody nicht weiter verfolgte.

Ein letztes Mal kontrollierte die frisch gebackene Ventrue das Schlüsselloch und lauschte.

Hmmh.. nein... vorletztes Mal.. Der Rock wurde mit der Hand vorsichtig etwas abgeschlagen und wieder angezogen. Das feuchte Ding wollte sie nicht im Rucksack und liegen lassen ging auch nicht.

Also: noch ein letztes mal geluschert, ein letztes Mal gelauscht – und vor allem bestimmt zwei Minuten gewartet, ob sich da drinnen was tat, weil jemand Verdacht geschöpft hatte, Schatten noch mal feste zusammen gezogen.

So n Schatten wärmt doch besser als jede Decke, oder? Leider nein.

Öh... wo waren eigentlich die Scharniere der Tür? Drinnen oder draussen?

Dann ging die Ventrue in die Hocke seitlich vor den zu erwartenden Türspalt und definitiv nicht direkt vor die Tür und drehte den Schlüssel vorsichtig und sachte. Weil es draussen keinen Knauf gab, musste sie den Schlüssel mit etwas Druck halten, als der Schnapper sich öffnete. Waren die Scharniere der Tür drinnen, drückte sie die Tür dabei sanft, waren sie aussen, würde sie statt dessen ziehen.

So.. vorsichtig jetzt.. sanft und lieb.. nur einen Spalt, zwei, drei Zentimeter und dann kontrollieren, was da los war. Jederzeit rechnete sie damit, dass es von Innen einen angriff gab oder ein heftiges aufstoßen der Tür. Auf der anderen Seite würde es schon ein wenig dummer Zufall sein, wenn das wirklich geschah, gab es doch draussen die sichernden Wachen. Aber hey! Vorsicht war die Mutter der Porzelankiste.
 
Natürlich öffnete sich die Tür nach außen!
Bei einer panikartigen Flucht durfte sie den Fliehenden nicht im Weg sein. In Fluchtrichtung nannte es der Soldat.

Niemand nahm von Melody Notiz.
Im Inneren der Halle waren einige großflächige Tische aufgestellt an denen mehrer Leute damit beschäftigt waren weißes Pulver zu verschneiden, abzuwiegen und in kleine Tütchen zu verpacken. Allem Anschein nach, handelte es sich um Kokain. Aber da mochte sich die Ventrue auch irren.
Jeder der Arbeiter ging mit höchster Konzentration zu Werke, stets beobachtet von einigen Wächtern die bedrohlich mit ihren Sturmgewehren fuchtelten. Allesamt AK47 und alle mit dem typisch verblassten Rot am Schaft. Augenscheinlich alles Gewehre aus Zieges Sammlung, artig erstanden und bezahlt.

Wirklich interessant aber war der großgewachsene Mann in der Mitte der Halle. Mit zornigem Gesicht umschritt er zwei sichtlich eingeschüchterte Männer, die zusammengesunken und verängstigt auf ihren Stühlen saßen. Hier und da zeigte er mit dem Finger auf die Männer, fluchte und brüllte sie an. Seine Worte waren Italienisch, jedoch mit einem sehr starken Akzent. Sizilianisch, aber das erkannte nur jemand, der die Sprache wirklich beherrschte.

Wenn sich Melody ranhielt kam sie ungesehen ins Innere.
 
MIST!

Als erstes huschte Melody leise durch die Tür. Sie machte die Tür nur so weit auf, dass sie ohne Tür und Zarge zu berühren auch wirklich rein kam und machte sie dann ganz achtsam leise zu. Es war ihr zwar unangenehm, aber dennoch steckte sie den Schlüssel wieder von innen rein. Hoffentlich hatte niemand den durch blöden Zufall da vergessen und kam ihn abholen, sondern er steckte quasi immer da.

Sie achtete auch auf die richtige Stellung des Schlüssels.

Kannte sie den Knaben, der sich da in der Mitte gebärdete wie eine Furie?

Melody hatte so eine Idee, worüber er da schimpfte und was für seinen Wutausbruch sorgte. Dummer Weise konnte sie dem Szenario als erstes nicht ganz so viel Aufmerksamkeit widmen, wie sie wünschte.

Erst galt es noch einmal die Schatten fester zu zurren und einen Blick auf die Mitarbeiter und Wachen zu werfen. Wie konnte sie sich hier bewegen, ohne jemanden in die Arme zu laufen oder an zu rempeln? Wo gab es mögliche Stolperfallen, sei es für die Füße oder im übertragenen Sinne für den Kopf?

Sie klaubte schon mal ihr Handy raus – wir erinnern uns, zwei mal kontrolliert, Blitz und Geräusche waren so was von aus.

Gab es hier eigentlich auch so etwas wir ein Büro mit einer zusätzlichen Tür? Oder irgend eine andere hübsche, signifikante Stelle für ihre Nachricht?

Naturlement ohne französisch zu können, arbeitete sie sich vorsichtig und achtsam näher an die Szenerie heran.

Und? Waren das die zwei Überlebenden von dem Überfall, die sich gerade eine Standpauke anhören durften, weil sie Kameniev nicht erwischt hatten? Ihr einziges wirkliches Ziel an diesem Abend? Und der keifende... ein Offizier, den sie kannte, oder hatte sie das unbeschreibliche Glück quasi vor Hergül persönlich zu stehen, wenn sie die Informationen aus Martys Besäufnissen mit der Person vor ihr verglich? Obwohl sie leise und vorsichtig auf trat, bemühte sie sich sogar, wenn möglich, die Deckung von realen Personen zu nutzen... hinter ihnen im Gleichschritt zu gehen war beim Schleichen nie eine schlechte Idee, wobei dank des Lärms des schreienden Gockels so viel Vorsicht wahrscheinlich schon fast übertrieben wirkte und im Zweifelsfall sogar verzichtbar war.

Auf dem Weg gab es schon mal Fotos vom Verpacken der Drogen. Na ja, die drei in der Mitte und ein Schnappschuß der Wachen war auch nicht uninteressant.

Blieben die im italienisch oder wurde da auch noch mal was verständlich? Vor allem: Wo kamen die Knaben hier hin, wenn die Triade vorbei war, die sie sich anhören mussten? Und war der schwarze Kleinbus auch rein zufällig irgend wo hier in der Halle?

Sie hatte hier nur hören wollen wer und wo die Kerle waren, sie hatte sie nicht finden wollen. Ihre ganze hübsche Idee, was sie mit den Zweien anstellen wollte, wurde dadurch doch ein wenig verkompliziert. Wenn sie es wirklich waren.

Na ja. Das eine, was man will, das andere, was man kriegt.

Melody spitzte die Lippen wie zum pfeifen, während sie darauf wartete, was sich da an Situation vor ihr entblätterte. Nein! Sie ließ weder Luft durch diese Lippen ausströmen noch einströmen! Hallo?! Sie war doch nicht vollkommen lebensmüde!
 
Eine Menge Wenn's und Aber's kamen zusammen, begrüßten sich freundlich und hielten ein gemütliches Stelldichein.

Der schimpfende Hüne konnte tatsächlich Hergül sein. Die Beschreibung passte ziemlich gut ebenso Verhalten und Stimme. Trotzdem blieb bei solchen Sachen immer ein gesundes Restrisiko. Bei den zusammengesunkenen Männern konnte es sich ebenfalls um die benannten Zeugen handeln, aber auch das war letztlich nicht eindeutig, da die Jungs mehr damit beschäftigt waren ihre Schuhe zu beobachten als Melody ein klares Bild zu verschaffen. Manchmal war es zum aus der Haut fahren.

Auch gab es in der Halle keine Büros oder anderweitig abgeteilte Räumlichkeiten. Nur die Halle mit den Tischen und viel zu viele Deckenstrahler die kaum eine schattige Ecke ließen...

Dann fiel der Blick der Ventrue doch auf etwas, das man vielleicht nutzen konnte.
In der Halle befanden sich zwei Lieferwagen und ein schneeweißer Mercedes 500 SL.
Sicherlich der Wagen des schlechtgelaunten Italieners?
 
Na, zum Glück war das ja irgend wie die Umleitung von Licht und Aufmerksamkeit, was sie da machte, obwohl die Atmosphäre hier ihr unerkanntes rum drucksen nicht erleichterte.

Der Mercedes war schick. Zum Glück waren moderne Alarmanlagen darauf ausgerichtet, den Innenraum und die Schlösser zu überwachen – und nicht mehr darauf, auf irgend welchen Druck empfindlich zu reagieren. Ihre sachte Berührung würde auch so eine Anlage wohl weniger stören, aber die hatten zu häufig zu viel Lärm produziert und wurden nicht mehr verbaut.

Melody streckte dem Ding die Zunge aus.

Ob er wohl selbst fuhr?

Auf dem Weg zum Wagen suchte sie sich eine Ecke, die zwar leider nicht hübsch schattig war, aber abseits von den Verkehrswegen.

Weiterhin trotz aller Öffentlichkeit um Unauffälligkeit bemüht, holte Melody ihren vor bereiteten Zettel raus. Dem ps in Kajal wurde noch ein pps in Kajal hin zu gefügt. Der Kajal wurde sicher verstaut – die Kappe war während des Schreibens übrigens zwischen ihren Lippen. Dorthin wanderte jetzt auch ihr Lippenstift.

Na komm schon, erzähl was interessantes. Etwas, was ich auch verstehe! Sei lieb!

Die Kuppe des rechten Daumens erhielt einen leichten roten Film aus eben jenem Lippenstift. Sie schmierte ihn nicht deckend ein wie bei Lippen, aber sie wollte damit einen hübschen, sichtbaren Fingerabdruck hinterlassen können. Einen prägnanten. Auch dieses Utensil wurde brav wieder verstaut, während Meldoy sich daran machte, leise die Folie vom Teppichklebeband von dem Isoliertape zu lösen und ebenfalls in ihrer Tasche verschwinden zu lassen.

Derweil hielt sie die Ohren gespitzt und die Augen offen. So bald sie fertig war und hoffentlich deutlich bevor sich der Mann dort seinem Wagen näherte – Melody hatte nicht vor hier Stund um Stund zu zu stehen - schlich sie dichter an den Wagen heran. Klar, so bald sie das Ding (den Zettel) da los ließ, würde es sichtbar werden, doch es würde den Wachen wohl kaum in exakt der Sekunde auffallen. Wer keine Bewegung wahr nahm, rechnete auch nicht mit einer Veränderung.

Der Zettel kam hübsch auf die Fahrertür. Weiss mit weissen Zettel, roter und schwarzer Schrift, schwarzem Isotape.. hübsch, nicht wahr? Und links daneben auf den Lack, also deutlich entfernt vom Türschloß drückte Melody sanft ihren Daumen auf den Wagen.

Danach huschte sie wieder zur Tür. Zettel oder nicht Zettel, sie fühlte sich gar nicht wohl dabei, hier im Lager zu bleiben mit den ganzen bewaffneten Leuten. Es ging also wieder zur Hintertür. Dumm nur, dass das Draussen im Dunkel lag. Nützte wohl nix. Luschern würde nix bringen und die Geräusche hier drinnen waren definitiv auch lauter als irgend welche Typen, die draussen 'nen Gang machten.

Informationen hatten wohl nur noch in dieser Zeit Gelegenheit an ihr Ohr zu dringen und von ihr beachtet zu werden. Wieder an der Tür angekommen, versuchte sie einen günstigen Moment zum nach draussen huschen ab zu passen.

Gott, sie würde sonst was dafür geben zu sehen, wenn der Italiener den Zettel an der Autotür entdeckte. Aber nicht so viel, dass sie hier länger bleiben wollte.
 
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