[17.5.2008] Geschäfte

Melody Sarah

Halbgott
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Melody erstickte ihren Schrei in dem Kissen. Verdammt! Ruckartig war sie wach. Eben noch hatte Marty sie angeklagt. Das Fleisch hing ihm in Fetzen von seinem Körper und doch war er am Leben und sie... hatte nur zu ihm hin gewollt, wollte ihn um Vergebung anflehen. Dieser Mistkerl. Er hatte versucht sie um zu bringen. Warum sollte sie jetzt einen Finger dafür rühren ihn zu befreien, wie er es im Traum so eindringlich von ihr verlangte?! Verdammt. Hoffentlich war das wirklich nur ein Traum. Wer wusste schon, welche Tricks der Wiedergänger von seinem Meister gelernt hatte und ob er irgend wie in ihren Kopf eindrang.

Scheiße. Die Laken waren blutig geschwitzt. So sehr hatte der Mahr sie gefangen gehabt. Natürlich hatte sie niemanden, der sich für sie darum kümmern würde, also musste sie selbst Hand anlegen. Sie fühlte sich wie gerädert.

Heute war also der Tag der großen Verhandlung. Ihr war es schnurz piep egal, wer da nachher auf dem Prinzenstuhl saß. Was ging es sie an? Die Bonzen interessierten sie nicht mehr. Von denen kam nichts anderes als Verrat und sie ließen einen fallen, wenn es ihnen bequem war. Missmutig stopfte sie ihr Bettzeug in die Waschmaschine und stellte sie an. Seid Lurker Marty in Gewahrsam hatte, fühlte sie sich wieder etwas sicherer und hatte sich schon nach draußen getraut. Es war schon ein Witz, dass noch keiner der Speichellecker der Stadt bei ihr vorbei geschaut hatte und ihr auf die Finger klopfte, weil sie ihre Nase wieder an die Luft steckte.

Meye und einer von den neuen Kanalratten hatten sie ja erst vor kurzem gesehen. Cat schien sich wieder verpisst zu haben. Gut so. Sie war nicht traurig drum nach deren ersten Abgang. Seid dem Tag hatte sie damit gerechnet, dass irgend wer bei ihr aufschlägt und ihre Bemühungen um den Schrottplatz verstärkt. Nachdem die anderen Tussis sich überzeugt hatten, was in den Kellern noch zu sehen war oder eben auch nicht, hatte sich Melody selbst auch noch mal auf den Weg darunter gemacht. Der unterste Scheiss war wirklich komplett zerstört und das war gut so. Meine Güte, sie brauchte Beton um den da unten rein zu gießen, damit dort nichts mehr lebend raus kam. Ohne Blut würde das Zeug zwar eh verrecken, aber Vorsicht war da immer noch besser als Nachsicht.

Langsam glaubte sie, dass Lurker recht daran getan hatte, sie davon zu überzeugen sie nur zu verstecken und nicht gleich auch noch sterben zu lassen. Der Mistkerl hatte es einfach rundweg abgelehnt ihr zu helfen jemanden zu finden, der den Dom mit Beton zu schüttet. Meine Güte, das da unten war nur noch eine Ruine voller Geröll und Widerlichkeit, aber Sarah wollte den Mist dort so endgültig wie möglich zu wissen. Es fehlte ihr noch, dass sich die Kanalratten dort häuslich einrichten wollten und den Bereich für sich beanspruchten. Also war sie so klug nicht weiter zu bohren. Irgend wo musste sie jemanden finden, der ihr Beton beschaffen würde, dessen Firma nicht aus Finstertal kam und nicht zu viele Fragen stellte.Vielleicht hatte sie bei der 'Ndrangheta Glück? Es kotzte sie an, dass dadurch die anderen Aufräumarbeiten verzögert wurden. Bevor der Dom nicht dich war, wollte sie keine Arbeiter in den normalen Keller runter lassen.. Das obere Stockwerk hatte es weniger schlimm erwischt, als sie es erwartet hatte. Es würde wohl noch einige Zeit dauern, bis sie da unten die Sachen wieder her richten konnte. Dafür hatte sie sich ein paar Container besorgt, die seid heute auf dem Gelände standen. Fuck. Sie konnte dort schlecht ein richtiges Arsenal einrichten. Das war zu anfällig für eine Razzia, aber es war ein Anfang. Wer Waffen kaufen wollte, musste eben ein wenig Geduld mit bringen, bis sie die Sachen aus dem jeweiligen Versteck ran schaffte. Oh ja, sie hatte sich fast die gesamte Ware von Marty gesichert genau so wie sein Geld. Langsam wurde es Zeit, dass sie sich auch mehr um die Kontakte kümmerte. Es würde nicht mehr lange dauern und die verschiedenen Gruppierungen in Finstertal würden anfangen sich um den Waffenhandel zu bemühen, selbst wenn sie sich bisher erstaunlich Kleinlaut gegeben hatten. Tja, Marty war nicht das erste Mal verschwunden. Er war eine verflucht ungemütliche Dreckssau, wenn man ihn ärgerte. Sie kannten Melody als seine Freundin. Bei mehr als einer Geschichte hatte sie ihn schon begleitet und der eine oder andere hatte von ihr auch schon etwas auf's Maul bekommen. Die Gangrel wirkte zwar durchaus etwas trainiert, aber trotzdem eher zierlich und schlank. So leicht traute man ihr nicht zu, einen Schrank um zu nieten. Trotzdem konnte sie sich nicht nur mit Waffen gegen irgend welche Idioten durch setzen, auch wenn die ihre erste Wahl waren.​

Inzwischen verzichtete sie auch wieder darauf, sich die Haare abends schwarz zu tönen und ihre natürliche braune Haarfarbe durfte die Nacht wieder erfreuen. Es war mal an der Zeit sich ein wenig in der Stadt umzusehen. Wenn die Bonzen in der Akademie tagten, kroch weniger Kroppzeug in den Straßen herum, dem sie unfreiwillig begegnete. Also war es genau die richtige Nacht um Mal die Stimmung zu sondieren bevor sie die wichtigen Leute ansprach. Natürlich dachte sie dabei an keine Vampire. Die konnten ihr zur Zeit gestohlen bleiben. Nein, der Waffenhandel gehörte verdammt noch mal unter ihre Fittiche und sie würde sich den nicht von irgend welchen Schleimscheißern streitig machen lassen. Das musste sie nur auch noch den Fraktionen verklickern. Finsterburgh schied erst mal aus wegen dem gesperrten Tunnel. Aber ein Ausflug ins Rotlichviertel und einer in den Hafen würden schon drin sein. Und weil es so schön war und die Straße immer etwas aufschlußreicher als Arbeit war, fuhr sie nach einer Dusche und ohne Make Up auf ihrer Maschine erst Mal in das zwielichtige Gebiet. Ihre schwarze Lederhose und die Jacke aus dem gleichen Material waren deutlich getragen und alles andere als neu. Dafür blitzte ihr weisses Shirt sogar sauber unter der Jacke hervor, als sie nach dem Absteigen und dem Absetzen des Helmes die Jacke auf machte.​
 
Erster und bester Anlaufpunkt, um mit der Mafia in Kontakt zu kommen, war das alte Hafengebiet. Der Ort, an dem der mittlerweile versiegte Stahlhandel auf Lastkähne und anschließend in den Norden oder über Umwege ins Ruhrgebiet verschifft wurde. Hier herrschte die 'Ndrangheta unter Führung des 'Türken'. Wenn es Sarah gelang sich hier durchzusetzen, war der Rest einfach. Weder die Russen, noch das Kartell oder die langsam aufkeimenden aber noch immer vollkommen unbedeutenden Chinesen hatten im Waffenhandel irgendetwas zu melden. Nur Hergül, wie der Türke hieß, hatte die Eier sich gegen Zieglowski aufzulehnen. Oder besser sich ganz vorsichtig heranzutasten. Ziege war eine Macht, der man nicht vors Schienenbein trat. Der Türke selbst hatte Ziege dreimal erschossen, mitten zwischen die Augen. Seine Leute hatten ihn erschossen, erstochen, ertränkt, zerquetscht und sogar einmal bis zu einem kleinen Häufchen Asche verbrannt. Jedes Mal kam Ziege einige Tage zurück und nahm blutige Rache an seinen Mördern. Solange, bis es niemanden mehr gab, der sich mit dem Unsterblichen anlegen mochte. Solange, bis Hergül selbst vor Angst zu schlottern begann. Marty Zieglowski hatte einzig und allein daran Interesse, den Waffenhandel zu kontrollieren. Er kümmerte sich um nichts sonst, stand nie im Weg und hatte sogar stets ein offenes Ohr und eine hilfreiche Hand. Die 'Ndrangheta durfte sogar selbst Waffen an Dritte verkaufen. Allerdings nie ohne Zieges Erlaubnis und schon gar nicht ohne seine Kenntnis.
Aber das wusste ja niemand und so wirkte es nach außen, dass der Türke selbst hier der Herr des Geschehens war. Er beschloss also, weise wie er war, dass es durchaus klug war, einen Unsterblichen zum Freund zu haben, solange beide Seiten daraus ihren Vorteil zogen.

Nun aber war Ziege verschwunden. Sein Boxbude war samt Schrottplatz in die Luft geflogen und flüsternde Stimmen behaupteten, dass der Lude endlich seinen Meister gefunden hatte und für alle Zeiten verschwunden war. Wenn also der Unsterbliche nicht mehr unsterblich war, dann hatte er auch kein Recht mehr anderen auf der Nase herumzutanzen.

Grenzen verschwammen, nichts war vergänglicher als Macht.

Sollte Melody etwas daran ändern wollen, musste sie zum Hafen und Präsenz zeigen.
Lokale gab es hier viele. Die 'Landungsbrücke', das 'Pier 13' oder auch das 'Lili Marleen' waren Orte an dem man immer den ein oder anderen Handlanger antraf. Es würde nicht gleich dazu führen, dass Sarah einen Termin bei Hergül persönlich bekam, aber vielleicht bemerkte sie einer seiner Offiziere. Was ein Anfang war...
 
Im Rotlichviertel hatte sie nur kleine Lichter entdeckt, die Wache standen. Davon waren mehr auf der Straße gewesen als üblich. Was war hier los? Die Nasen, die sie sah, kannte sie zum Teil vom Sehen, aber nicht viel mehr. Bei denen nachfragen zu wollen war in etwa so, als würde man Antwort von einem Grashalm wollen. Ob sie wirklich was wussten und ob sie es ihr sagen würden, war mehr als fraglich. Deshalb versuchte Sarah es auch gar nicht erst bei den Russen sondern fuhr dort hin, wo es wirklich wichtig wurde. Mehr als kurze Grüße, die eher aus einem zu Nicken bestanden, hatte sie hier nicht aus getauscht. Die Braut hievte ihren Hintern wieder auf die Maschine und bewegte das knackige Ding in Richtung Hafen. Täuschte sie sich oder nahm sie auch hier eine Spannung wahr, die unüblich war? Ob das an Zieges Wegfall lag und ob die unterschiedlichen Seiten sich bereit machten, den scheinbar frei gewordenen Raum zu erobern?

Melody war sich immer noch nicht so ganz sicher, wie sie auf die Mafia zu gehen sollte. Sich als eigenständiges Machtmittel zu etablieren - Schuster, bleib bei deinen Leisten. Sicher, sie konnte austeilen und so lang die ihr nicht zu arg auf die Pelle rücken, konnte sie genau so überraschend zurück kommen wie Ziege. Nur konnten sie Sarah auch wirklich erledigen, etwas, was ihnen bei Marty nie gelingen würde.

Mit Hergül hatte sie das gleiche Problem wie die meisten Schleimscheisser in dieser Stadt: Sie kannte ihn nicht. Sicher, sie hatte von ihm gehört und Ziege hatte ihr auch von ihm erzählt, aber sie hatte ihn nie getroffen. Bei seinen Handlangern und auch ein paar aus der höheren Riege sah das anders aus. Von denen hatte der eine oder andere auch schon mal mit bekommen, wie die Tussi tickte, die es geschafft hatte, sich in Martys Herz zu schleichen und mehr zu sein als eine der vielen Frauen, die er bestieg. Der eine oder andere wusste auch, wie dieses zarte Persönchen kämpfen konnte würde sie gewiss nicht unterschätzen. Oder damit rechnen, dass die Lady unbewaffnet in das Gebiet der Mafia kam.

Sie hatte den Schrottplatz. Sie hatte Zieges Geld. Sie hatte seine Waffen. Nichts lag näher als vor zu geben, sie würde in seinem Auftrag handeln. Sollten die Wichser doch weiter Angst vor ihm haben. Irgend wann würde ihr eigener Ruf ihr auch weiter helfen, sie vor den miesesten Typen zu schützen. Was das andere anging... nun, sie würde wohl schneller ziehen müssen als die. Mit etwas Glück kam sie ums schießen herum. Und wenn sie doch trafen, dann hoffentlich nicht zu gründlich. Hey, wo ein Unsterblicher war, konnte es auch noch einen zweiten geben, oder nicht? Aber das war Zukunftsmusik und mehr Show als Realität.

Dreist wie sie war, belegte sie mit ihrer Maschine direkt den Parkplatz vor der 'Landungsbrücke', nachdem sie eine kleine Rundtour durch das Gebiet gemacht hatte. Der Helm wurde verstaut, die Haare etwas aufgelockert und die für die Fahrt geschlossene Jacke wieder zur Hälfte geöffnet. Hergott noch mal. Sie zog sogar ihren Lippenstift nach. Ein wenig Stil durfte für die ruhig sein. Es wurde Zeit mal zu schnuppern ob sie hier jemand interessanteren aufstöbern konnte.
 
In dem Lokal ging es hoch her! Laute Musik, irgendein deutscher Schlager aus den frühen Siebzigern. Vicky Leandros wohl, für jene die sich mit sowas auskannten oder gar ein gewisses Interesse hatten, es handelte sich um den Song: Ich hab' die Liebe gesehen! Sicherlich erfüllte dies ein gewisses Klischee, zielte aber richtiger darauf ab, unerwünschte Gäste fern zu halten. Kein Jugendlicher oder Feiersüchtiger in den Zwanzigern, würde sich zu einer Party an einen Ort wie diesen begeben. Man wünschte unter sich zu sein und hielt, auch das war nicht ganz falsch, an gewissen alten Traditionen fest.

Der typische Geruch alter Kneipen umwehte Sarahs Nase. Eine Mischung aus abgestandenem Bier, kaltem Rauch und männlichem Schweiß, drang durch die auf Kipp gestellten Fenster nach draußen. Die 'Landungsbrücke' war das einzige Lokal im größeren Umkreis, sonst fand man an dieser Stelle des Hafens nur Lagerhallen und Containerstellplätze, hauptsächlich also Freiflächen, da der Hafen durch die Industrie nur noch wenig benutzt wurde.

Auffällig war das Fehlen der sonst üblichen Wachen. So etwas war ungewöhnlich für einen Ort wie diesen, ganz besonders zu einer Zeit in der es spürbar rumorte. Sarah war lang genug im Geschäft um zun wissen, was das hieß. Man hatte den Schutz des Lokals verlagert. Die offensichtliche Unbedarftheit dieses Ortes war nur vorgetäuscht. Irgendwo lauerten Schützen und bewaffnete Trupps in ihren Verstecken.

Anscheinend hatte sie sich nicht die Beste Zeit ausgesucht um wieder ins Geschäft einzusteigen. Oder die genau richtige, wenn sie es richtig anging...!?
 
Die rassige junge Frau wirkte in ihrem schwarzen Motorradleder unter Umständen etwas deplatziert in dieser Kneipe. Ihr Bike war ihrer Ansicht nach auffällig genug, da brauchte sie nicht noch irgend welche blöden Verzierungen an ihrer Kleidung. Insbesondere die Hose brachte ihren Po gut zur Geltung, während die halb geöffnete Jacke nicht ganz so eng und figurbetont saß. Irgend wo musste ja auch ihr Zeug Platz finden. Der Absatz ihrer Stiefel war echt zu vernachlässigen und kaum der Rede Wert. Mehr als zwei Zentimeter waren das nicht. Sarah konnte zwar auf hohen Schuhen durchaus perfekt laufen, aber sie tat es nur noch selten wenn sie zum Tanzen ging und das letzte Mal war schon eine gute Weile her. Die Musik in der Landungsbrücke war sicher nicht ihre erste Wahl. Aber es gab schlimmeres als das. Dieses Gedudel konnte sie ausblenden. Entweder hatte man sie erkannt oder man wollte sich nur nicht so offen mit dem Schutz zeigen. Jedenfalls hatte sie beim Reinkommen niemand angepestet, dass sie ihr Motorrad gefälligst wo anders abstellen soll. Eigentlich sah die Frau genau wie die Sorte Menschen aus, die man hier mit der Musik abhalten wollte: Hübsch und Anfang bis Mitte zwanzig.

Sehr offensichtlich sah sich die Frau um und schien jemanden zu suchen. Sie hatte keinen Grund ihre Anwesenheit zu verbergen. Genau das Gegenteil war der Fall. Je mehr Leute mit bekamen, dass sie hier war und sie unter Umständen erkannten, desto besser war es für ihre Zwecke. Während sie das Lokal ging, glitt ihr Blick systematisch über die Gäste um jemanden aus der höheren Riege zu finden. Sollte jemand aus den unteren Rängen da sein, bekam er unter Umständen für's erste nur ein knappes Nicken. Wenn es hier einen Tisch oder einen Raum gab, der normaler Weise für die höheren Riegen reserviert war, führte ihr Weg zielstrebig dort hin. Immerhin war sie nicht zum Spaß hier. Die ungewöhnlichen Sicherheitsmaßnahmen nervten sie und verbesserten nicht unbedingt ihre Laune.
 
Sarah erkannte gleich beim hereinkommen einen der kleineren Offiziere. Hugo Cassano (Chugo gesprochen) hieß er und war einer der neueren Emporkömmlinge. In weniger als einem Jahr hatte er es vom Schläger zum angesehenen Anführer gebracht. Wohl auch, weil er ein Talent dafür hatte stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Viel war der Gangrel nicht über ihn bekannt, dazu war er zu neu. Aber sie hatte von Ziege erfahren, das Hugo ein kaltblütiger Mistkerl war, der nur wenige moralische Hemmschwellen besaß. Offensichtlich bestand er fast schon übertrieben auf die richtige Aussprache seines Vornamens und besaß gleichermaßen eine Vorliebe für junge Männer als auch für leicht sadistisch angehauchte Liebesspielchen.
Das dieser Typ irgendwann Karriere machen würde, war dem Luden schon vor Monaten klar gewesen, niemand kannte die Mafia, sogar jeden einzelnen Gangster in Finstertal, besser als Marty Zieglowski! Früher hatte es Sarah genervt, wenn Ziege sie gezwungen hatte sich das Charakterprofil jedes einzelnen Mafiosos anzuhören und auswändig zu lernen, heute konnte sie dafür dankbar sein.

Hugo war kein kompletter Drecksack, er war das typische Ergebniss aus der Mischung einer schlechten Kindheit und eines wachen Verstandes. Gepaart mit einer nicht zu unterschätzenden Zielstrebigkeit. Ihm gegenüber saß ein junger Mann von höchstens zwanzig Jahren. Er hatte ein sehr jugendliches Aussehen und wirkte extrem eingeschüchtert.

Es war nicht der beste Hebel um an Hergül heranzukommen, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht kannte Hugo ja jemanden, der jemanden kannte mit dem man dann was anfangen konnte?
 
So bald Melody Hugo entdeckt hatte und niemanden, der sich besser eignete, ging sie zielstrebig auf seinen Tisch zu. Sie hätte es besser treffen können, aber auch schlechter, wenn gar keiner hier gewesen wäre. Na, was hatte er denn da an seinem Tisch? Sein Spielzeug für heute Nacht? Glück für das Spielzeug, Pech für Hugo. Für die beiden gab es weder ein Grinsen noch ein Lächeln in Sarahs Gesicht, als sie an den Tisch heran trat. Wer sadistische Spielchen liebte, musste mit ein wenig Schärfe leben, selbst wenn sie für ihn vom falschen Ufer kam. Während sie auf den Tisch zu ging, hatte sie überlegt, es auf ein Machtspielchen an kommen zu lassen und das Jüngelchen nur mit einem Blick zu vertreiben um sich auf seinen Stuhl zu setzen. Aber warum Autorität riskieren, falls er ihrem Wunsch nicht entsprechen wollte oder sich erst bei Hugo zurück versicherte und der beschloss, ihr diese Höflichkeit zu verweigern und dabei einen strategisch ungünstigen Platz ergattern? Statt dessen schnappte sie sich einen der beiden anderen Stühle am Tisch und zwar den auf Hugos Seite. Der Typ hatte sich natürlich so plaziert, dass er den besseren Überblick hatte und das Jüngelchen mit dem Rücken offen zu den anderen saß.

„Hey Hugo.“ Sarah war sogar so lieb seinen Namen korrekt aus zu sprechen. Sie musste ihn ja nicht gleich völlig vor den Kopf stoßen. Als sie ihn begrüßte, sah sie auch zu ihm hin. Dann wanderte ihr Blick allerdings zu dem Jungen vor ihnen beiden. War ihr Blick vorher einfach schlicht ernst/neutral, drückte er jetzt nur noch eines aus: verpiss' dich. Wenn der Junge nicht ganz blöd war, kam die Botschaft bei ihm auch genau so an, wie sie gemeint war, ohne dass Sarah ein Wort sagen musste. Ob es Hugo gefiel, dass eine Frau an seinem Tisch Platzhirsch spielte, war Melody herzlich egal. Sie war gespannt, ob er sich an sie erinnerte und wie er auf ihre spartanische Eröffnung reagieren würde. Und ob er willens war, Geschäfte vor seinem Spielzeug zu besprechen in dem Versuch, ihr Grenzen auf zu zeigen. Seine Wahl, seine Entscheidung. Das Melody an seinen Tisch kam um mit ihm zu flirten, durfte er wohl als unwahrscheinlich einstufen.
 
Melody war, aus ersichtlichen Gründen, eh nicht sein Typ!
Das männliche Spielzeug verstand sehr gut, wass die Fremde ihm sagen wollte, aber er war auch hervorragend konditioniert. Nachdem er Sarahs Blick gedeutet und verstanden hatte, blickte er zu Hugo hinüber. Dieser machte nur eine schräg nickende Bewegung mit dem Kopf Richtung Tür und verdeutlichte dem Jungen so, schleunigst zu verschwinden. Dieser ließ sich das nicht zweimal sagen und verschwand, so schnell es ihm ein halbwegs ehrwürdiger Abgang erlaubte, durch den Haupteingang nach draußen. Unter den hartgesottenen Mafiosi sorgte die Flucht ddes Kleinen für unverholene Heiterkeit.

Hugo beachtete ihn überhaupt nicht, er war einer von vielen.

"Sie an...!", sprach er mit lauernder Stimme. "Das Püppchen des großen Zieglowski! Was treibt dich denn zu uns in den Hafen? Ist dein Herr und Meister wieder aufgetaucht? Das letzte, dass ich hörte, klang.... als hätte endlich jemand den Luden aus dem Weg geschafft? Wird etwas mehr brauchen als einen gekonnt geschwungenen Hintern und nen bösen Blick, wenn er wieder mitspielen will. Die anderen Gruppierungen sind neugierig geworden, weißt du... Neugierde ist nicht gut fürs Geschäft! Ebensowenig wie Abwesenheit!"

Er sah zur Theke. Ein kurzer Blick genügte, um sich der uneingeschränkter Aufmerksamkeit des Barmanns zu versichern.

"Was willst du trinken! Geht auf's Haus!", seine Stimme duldete keinen Widerspruch. Sollte Melody ablehnen, würde er dies persönlich nehmen. "Ich mache niemals Geschäfte mit jemandem, mit dem ich noch nicht getrunken habe. Wir haben hier einen ausgezeichneten Chianti.."
 
„Kein Alkohol, wenn ich mit dem Bike unterwegs bin. Traubensaft, wenn du hast.“ Nicht von ungefähr nannte Sarah ein Getränk, was seltener auf Karten von Kneipen und Restaurants zu finden war. Gleichzeitig sah sie sich nebenbei nach einer Möglichkeit um, das Zeug dezent zu entsorgen.

„Wer war noch der letzte, der behauptet hat, er hätte Marty umgelegt und sieht sich jetzt die Radieschen von unten an? Diese Art von Gerüchten ist so haltlos wie eh und je.

Allerdings bin ich nicht hier um Geschäfte mit dir zu machen, wie du es ausdrückst. Doch erst mal was anderes: Kennen mich die, die Wache schieben? Falls nein, haben sie dich vor gewarnt, wer hier gerade rein schneit und deine Erlaubnis geholt, falls die Antwort wiederum nein lautet, wie viele Waffen sind gerade auf mich gerichtet?“

Na ja... so wirklich langes Fackeln konnte man Melody wohl kaum unterstellen. Sie selbst wollte mit ihren Fragen nur fest stellen, welchen Grad der Gereiztheit sie zur Zeit akut an den Tag legen sollte. Interessanter Weise würden auf sie gerichtete Waffen sie sogar eher milde stimmen als nicht funktionierende Sicherheitsmaßnahmen auch wenn sie sie trotzdem alles andere als positiv oder beruhigend empfand.
 
"Hey Bodo, mach der Kleinen hier mal ne Cola!", er grinste. "Traubensaft haben wir nicht, iss hier nicht das Ritz!"

Der Wirt brachte nur Augenblicke später das bestellte Getränk. Hugo nickte ihm zu und wartete bis er sich wieder entfernt hatte. Dann lehnte er sich zurück und grinste.

"Natürlich kennen dich die Jungs! Du gehörst zu Ziege und wir haben Befehl dir nicht zu nah auf die Pelle zu rücken. Noch...", fügte er theatralisch und nicht ohne einen vermeintlich wissenden Unterton an. "Niemand hier will Ärger mit deinem Freund. Aber er hat sich schon einige Tage nicht mehr um seine Geschäfte gekümmert, so etwas lockt die Ratten aus ihren Löchern und macht die Geschäfte für Leute wie Hergül nicht einfacher. Er bezieht seine Knarren von euch und verkauft sie mit eurer Erlaubnis weiter. Beides hat es in letzter Zeit nicht gegeben und das macht einen eben nervös..."

Hugo nahm einen Schluck Wein, in seinen Augen blitzte es schelmisch.

"Nie würde ich es wagen eine Waffe auf dich zu richten, Schönheit! Dein Freund ist der Partner meines Bosses. Wie sähe es denn aus, wenn wir nicht in der Lage wären uns wie zivilisierte Leute zu unterhalten? Jeder hier sieht dich als gern gesehenen Gast und solange das auch so bleibt, werden wir daran nicht ändern. Wir sind deine Freunde, wenn du unsere Freundin bist. Ein gemütlicher Abend zwischen Bruder und Schwester könnte man sagen."

Er lachte, es klang unangenehm und Aufmerksamkeit erheischend.

"Also Sarah Schmidt, Freundin des legendären Marty Zieglowski, was kann Hugo denn heute für dich tun?"
 
„Mit einer Sache hast du mich schon zufrieden gestellt. Ich hätte es zum Kotzen gefunden, wenn deine Jungs mich einfach so bewaffnet in das Lokal rein gelassen hätten, so wie die Stimmung im Moment auf der Straße ist. Aber es hätte eh an dir oder deinen Oberen gelegen, daraus Konsequenzen zu ziehen und nicht an mir.“

Sein Lachen kam im Tonfall nicht mal im Ansatz an Zieges Meckern heran. Wenn er damit bei Sarah in irgend einer Weise punkten wollte, musste er sich schon mehr Mühe geben. So lächelte sie ihn für einen Moment einfach nur süß und verschmitzt an. Nach wie vor achtete sie darauf, seinen Namen richtig aus zu sprechen.

„Was Hugo für mich tun kann, ist eigentlich ganz einfach. Du kannst etwas verbreiten. Du hast es selbst schon auf den Punkt gebracht. Marty und ich waren für einige Tage weg. Weisst du, es ist schon wirklich erstaunlich, dass für Ziege Finstertal nicht der Nabel der Welt ist, sondern ab und zu auch Dinge nach seiner Aufmerksamkeit verlangen, die ausserhalb dieser Stadt liegen. Auf Dauer den Rücken gekehrt hat er ihr jedoch nicht. Deshalb und weil er schon ahnte, dass die Ratten aus ihren Löchern kriechen, hat er mich zurück geschickt. Rate Mal mit welchen Worten er das getan hat.“

Manchmal war es besser, die Fantasie der Leute selbst arbeiten zu lassen statt sie gleich mit Ideen zu füllen. Vielleicht kam ja das, was Sarah sich ausgedacht auch dem, was Hugo denken würde, auch schon recht nahe.
 
"Hehe, ich kann es mir lebhaft vorstellen!", natürlich kannte Hugo Ziege persönlich, der Lude war überall in der Stadt bekannt. Seine Art auszudrücken, das ihm eh niemand etwas konnte. Ziege spazierte überall hin, wonach ihm der Sinn stand. Keine Wache oder Türsteher, der ihn jemals hätte aufhalten können. Und wenn doch, dann stand Ziege einige Stunden später kerngesund einfach wieder vor der Tür und versuchte es erneut. So lernte man Menschen das Fürchten.

"Klar könnt ihr verreisen! Nach Malle oder wegen mir auch zu den süßen kleinen Mädchen in Thailand. Allerdings geht hier das Leben weiter und das Geschäft verzeiht keine Fehler. Wenn man der Boss sein will, kann man sich auch mal ne größere Auszeit nehmen, aber wenn man ein Monopol halten will, dann muss man sich in jeder freien Minute darum kümmern. So ist das eben in unserer Branche. Das er dich zurückgeschickt hat, ist nett."

Er nahm einen Schluck Wein, ließ Melody dabei jedoch keine Sekunde aus den Augen.

"Aber es wird nicht reichen! Ziege untermauert seine Stellung durch seine übernatürliche Unverwundbarkeit. Dadurch das er immer und immer wieder kommt. Ich fürchte, Kleines, das ist dir nicht gegeben."

Ein Schuß bellte durch das Lokal. Hugo hatte eine Pistole unter dem Tisch versteckt gehalten und Sarah damit in den Bauch geschossen. Gut gezielt, mittig, etwas eine Handbreit über dem Bauchnabel.

"Nicht's für ungut! Ich denke, dass ich von dieser Sekunde an, mit dem Waffenhandel beginne. So mach man Karriere, weißt du? Ziege ist fort, das weiß ich! Und du, Schätzchen..."

Entsetzt brach der Mafioso mitten im Satz ab.

Out of Character
Vier Schadenspunkte, Schlagschaden. Natürlich absorbierbar...
 
geeinigte Variation mit Mitra: die beiden saßen über Eck am Tisch wegen unterschiedlicher Wahrnehmung der Schreiber der Situation ^^

Das Entsetzen stand Hugo zu recht ins Gesicht geschrieben. Selbstverständlich ruckte Melodys Körper durch den Einschlag etwas zurück. Wenn alles mit rechten Dingen zu ging, müsste die Kleine eigentlich gerade auf dem Boden liegen und ohne ärztliche Behandlung am verrecken sein, sich nur noch den Bauch halten.

Statt dessen nutzte die süße Frau seine Überraschung aus, überwand die kurze Distanz und setze ihm ihr Messer an die Kehle. Er hatte noch einen Blick auf ihren Bauch erhaschen können, auf ihr Shirt. Er hatte auch ein Loch in ihr T-Shirt geschossen. Das konnte er ganz deutlich sehen. Es trat sogar Blut aus der Wunde aus Da war verdammt noch mal viel zu wenig Blut für so einen Schuß. Extrem wenig. Was für Hugo unter anderem noch deutlich schlimmer war, mochte der Umstand sein, dass der Fleck sich runderhaus weigerte die Außmaße anzunehmen, die er haben müsste. Für Sarah war diese Kugel gerade mal ein kleiner Kratzer gewesen. Mehr hatte die Kugel nicht an ihrem Körper ausrichten können und dabei war sie noch nicht mal wirklich auf das hier vor bereitet gewesen.

Das Schwein hatte wirklich ausgesprochenes und unheimliches Glück. Sarah war der Kram hier wichtig und sie hatte nicht die geringste Lust hier etwas zu verbocken. So kratze sie ihren Willen zusammen um ruhig zu bleiben.

Was ihr irrwitziger Weise ausgesprochen gut gelang!

Sie hatte sich schon lang nicht mehr so ruhig und abgeklärt gefühlt wie heute und in dieser Situation. Irgend ein Teil von ihr musste wohl mit dieser Möglichkeit gerechnet haben, auch wenn sie sich den Abend anders vor gestellt hatte.

Auf ihre Kraft konnte Melody sich verlassen. Im Kampf musste jemand schon echt gut sein um mit ihr mit halten zu können und wenige Menschen erreichten ihre Liga. Ihre größte Schwachstelle war genau die, die der Mistkerl hatte ausprobieren wollen. Sie war einfach nicht ganz so hart im Nehmen wie manch anderer Vampir.. Das änderte ihr Blut in dieser Sekunde. Wer wusste schon welche Idioten sich noch beflissen fühlen mochten auf sie zu schießen, bevor die Situation hier unter Kontrolle war.

Sie erwog, ob sie die Unbeteiligten auffordern sollte zu gehen, während Hugo in ihre Augen starren durfte. Hugo hatte es gewagt auf sie zu schießen. Also gehörten die Leute in Kneipe wahrscheinlich alle zur Mafia auf die eine oder andere Weise.. Oder er war sich sicher, andere gut genug einschüchtern zu können, nachdem er einen Mord begangen hatte.

„Wenn hier noch Zivilisten drin sind, schafft sie raus.“ Ihre Stimme war so kalt und ruhig wie sie es nur vermochte. Laut war sie ausserdem um die Musik zu übertönen. Wenn Hergül nicht persönlich anwesend war, dann war der Mann in ihren Händen ranghöchste unter den Anwesenden. Und der hatte so eben eine Bestie an seine Kehle gerufen. Erstaunlicher Weise befand sich Hugo wohl nur in mittelbarer und nicht in komplett unmittelbarer Gefahr sein Leben zu verlieren. So lang keiner der Anwesenden eine Dummheit machte, die das Messer zum abrutschen brachte. Bildete sich da schon ein leichter Schnitt durch den Druck an seiner Kehle?

Sarah warte genau so lang, bis sie sich sicher war, dass nur noch die Leute drin waren, die auch drin bleiben wollten. Waffen oder ähnliches, die auf sie gerichtet waren, ignorierte sie in dieser Pattsituation.

Als sie in der sie umgebenden Stille das Wort ergriff - irgend wer hatte wohl die Musik aus gemacht -, hatte sie einen Plaudertonfall drauf. Fast könnte man meinen, dass es hier keinerlei tödliche Bedrohung gegeben hatte oder gab. Wenn man natürlich bereit war von dem Messer an Hugos Kehle abzusehen. Weiteres Blut stählte ihren Körper und gab ihr etwas zusätzliche Beweglichkeit für den Fall der Fälle

„Weisst du Hugo, ich hätte ein wenig länger gebraucht um zum Kern der Dinge zu kommen. Ich wünschte wirklich, du hättest dir ein bisschen mehr Zeit mit mir gelassen. Jetzt ist das Ganze hier wesentlich unentspannter und öffentlicher als ich gewünscht hätte. Aber sei es nun drum.

Ich wollte dich um etwas bitten, Hugo. Und zwar in aller Freundschaft. Ich hatte gerade mit meiner Einleitung begonnen und wollte, dass du dir erst selbst Gedanken machst. Leider hast du dich ja zu einer etwas voreiligen Handlung hin reissen lassen. Worauf ich ursprünglich hinaus wollte, ist, dass du bemerkst wie egal es Marty ist, ob ich hier wirklich Erfolg habe oder nicht. Weisst du, für ihn geht es dabei nur um eines: Er prüft, ob ich mich hier durch setzen kann und genügend Schneid dafür habe. Das ist alles. Natürlich findet er es vorteilhaft, wenn die Einnahmen weiter in unser Säckerl fließen und nicht in irgend ein anderes. Ganz ohne Frage. Aber das ist für ihn höchstens ein positiver Nebeneffekt. Er weiss ganz genau, dass ihr hier so schnell wie möglich versuchen werdet etwas auf zu bauen. Und nicht nur ihr. Immerhin geht es darum, eine Vormachtstellung auf zu bauen, nicht wahr?“

Scheinbar sprach Melody nur mit Hugo, doch der ganze Raum konnte sie verstehen.

„Genau so sicher ist sich Marty aber auch, dass er sein Monopol ohne größere Probleme wieder aufbauen kann, wenn er wieder in Finstertal ist. Nun, ohne etwas, dass er als größere Probleme bezeichnen würde, wenn du verstehst, was ich meine.

„Du siehst, für uns dreht sich alles nur darum, ob sich mein Fell als dick genug erweist um hier zu bestehen. Für die Zukunft Finstertals und sein Waffengeschäft ist das auf lange Sicht egal. Das ist so fest zementiert wie eh und je. Mach dir da bitte keine Illusionen. Es geht nur darum, wie die Zwischenepisode aussieht. Ich denke du ahnst, was Marty's Empfehlung ist, wie ich mit der Situation hier umgehen soll. Wie ich mich seiner Ansicht nach hier durch setzen soll. Du kennst seine Methode gut genug.“ Na ja. Wenn sie Martys Methoden folgte, dann war der Mann vor ihr tot.

„Ich hatte vor, dich in aller Höflichkeit und Freundlichkeit zu bitten, von Schwester zu Bruder, zu verbreiten, dass ich wieder da bin und dass das Geschäft wieder läuft. So, wie es immer gelaufen ist. Martys Abwesenheit heisst nicht, dass eine Finger nicht noch immer mit im Spiel sind. Natürlich weiss ich, dass unter Umständen ein gewisser Redebedarf entstanden ist. Und ich bin eine Frau. Als solche bin ich naturgemäß etwas sanfter im Gemüt als ihr Männer. Nicht gleich so vollständig aggressiv. Ich habe mir ernsthaft überlegt, welche alternativen Handlungsweisen mir zu Martys Methode zur Verfügung stehen und mir ist eine eingefallen. Davon wollte ich dir erzählen. Als aller erstes wollte ich dir sagen, dass jeder, der von sich behaupten kann, einmal der Meinung gewesen sein Marty erledigt zu haben, sich das Recht verdient hat, mit mir über diese Angelegenheit in aller Ruhe und Beschaulichkeit zu reden. Ich weiss sehr genau, auf wen wen diese Aussage zu trifft und wer dazu überhaupt noch in der Lage ist. Ihr solltet nicht versuchen mich in dieser Hinsicht täuschen zu wollen.

Dann hatte ich meine Hand auf deine legen wollen. Ganz sanft.“ Sarah lächelte traurig und durchaus bedauernd. „Ich hatte dich bitten wollen nicht zu denen zu gehören, die ausprobieren wollen, wie ernst mir diese Angelegenheit ist. Du bist jemand der aufstrebt und der es noch recht weit bringen kann. Ich wollte nicht, dass so jemand irgend wann Wut gegen mich im Bauch hat.“ Der Plauderton wich aus der Stimme der Gangrel und nahm einen schneidenden Tonfall an, was irgend wie passend war. „Und ich hätte dir erzählt, dass ich überlege, dem ersten die Eier für seine Dreistigkeit abzuscheiden. Immerhin würde ihn das nicht gleich das Leben kosten. Wenn ich jetzt genauer darüber nachdenke, scheint es mir auch eine gute Idee zu sein, so jemanden die Wahl zu lassen, ob er sein Ei fressen will oder ob das zweite Ei dem ersten folgen soll. Damit hätte er wenigstens eine Chance, seine Zeugungsfähigkeit zu behalten. Und ich will ja steigerungsfähig bleiben. So etwas ist immer gut, oder? Der zweite, der es versucht, würde dann direkt beide Eier verlieren und wenn er sie isst, darf er sein Leben behalten.“

Sarahs Stimme wurde wieder etwas sanfter und Bedauern war wieder aus ihrer Stimme heraus zu hören.

„Weil du der erste warst, mit dem ich überhaupt geredet hatte, wollte ich dir sogar ein gewisses Sonderrecht einräumen, in Bezug auf die Diskussion über den Waffenhandel und in wessen Händen der wohl liegt. Sicher schwebte mir kein Recht vor, dass auch nur annähernd so umfänglich ist, wie ich es Hergül zu gestehen wollte.

Bitte Hugo, hilf mir.“ Noch immer sprach sie den Namen so aus, wie er es mochte und verballhornte ihn nicht, wie es sicher so manch anderer in der konkreten Situation getan hätte. Ihre freie Hand strich mit den Fingerspitzen zart über seine Wange „Sag mir, was ich mit dir tun soll. Sag mir, wie ich dabei mein Gesicht wahren kann. Es würde mich traurig machen, meine Idee bei dir anwenden zu müssen. Hilf mir, Hugo.“

So sanft, so lieb und so aufrichtig Sarah auch klang: wenn der Mann ihr in die Augen sah, konnte er sehr wohl sehen, was ihm blühte, wenn er ihr keine Alternative bot, die sie akzeptabel fand. In ihren Augen lag eindeutig das Versprechen ihm im Fall der Fälle mindestens eines seiner Eier zu nehmen. Aber auf der anderen Seite – hatte er als Schwuler überhaupt Verwendung dafür?

insgesamt 3 BP in Widerstandskraft, 1 BP in Geschick – Verwundungsstufe blaue Flecken nicht geheilt
 
Niemand der Anwesenden verließ die Kneipe.
Alle betrachteten gebannt die Szenerie und sahen dabei zu, wie Hugo sich selbst um sein Leben brachte. Hergül hatte streng verboten irgendetwas gegen Ziege zu unternehmen. Natürlich brodelte es in der Gerüchteküche, gehörig sogar, aber noch hatte der große Boss nicht vor die Geschäftsbeziehungen zum Luden einzustampfen. Die Einigung zwischen den beiden Männern war einfach zu lohnend um sie wegen irgendwelcher Nichtigkeiten aufzugeben. Ziege behielt bezüglich des gesamten Waffenhandels die vollständige Kontrolle, Hergül bekam ein kleines Stück vom Kuchen, durfte hier und da sogar selbst ein wenig handeln und seine Männer auf diese Art mit dem besten Zeug ausrüsten, das der Markt hergab.
Am wichtigsten an diesem Handel aber war, dass die Konkurrenz dabei komplett leer ausging. In dieser Beziehung hatte Ziege stets Wort gehalten und so dafür gesorgt, dass nur Hergüls Männer diejenigen waren, die eine Schießerei (oder auch einen umfassenden Bandenkrieg) siegreich überstanden. Auch deshalb war er die Nummer Eins. Und das wollte Hergül auch bleiben!

Hugo, gerade frisch zum Offizier befördert und ohne jeden Sinn dafür, das Große und Ganze zu erkennen, hatte seine Chance gewittert und gegen diesen Befehl gehandelt. Den Mutigen gehört diese Welt! Nur wer Risiken eingeht kann am Ende den großen Reibach machen. Und das ganz große Geld war zum greifen nahe...
Hugo war eine Kofferraum voll russischer Pistolen und automatischen Kalaschnikov angeboten worden, sogar ein paar Handgranaten waren darunter und nun kam diese Schnalle um die Ecke und behauptete Ziege wäre noch immer im Rennen. Ausgrechnet jetzt! Seine Quellen hatten doch etwas ganz anderes behauptet! Es hieß, Ziege hätte seinen Meister gefunden, irgendein Monster, dass ihn gefressen oder hinab zu sich in die Tiefe gezogen hätte. Hugo wusste nichts genaues, aber Unsterblichkeit war etwas, dass es nicht gab. Nicht geben durfte! Jeder den er bis zum heutigen Tage erschossen hatte war röchelnd umgefallen und verreckt. So wie es sich gehörte. Auch Ziege war sterblich und endlich verschwunden! S0 sah es doch aus! Hugo wollte sich die einmalige Chance nicht nehmen lassen, deshalb hatte er Melody erschossen. ER würde fortan den Waffenhandel übernehmen und eine ganz große Nummer werden!

Aber das Dreckstück kratzte nicht ab! Scheiße, sie zuckte nicht einmal mit der Wimper! Dabei hatte er ihr extra in den Bauch geschossen. Durch sowas starb man erst nach Stunden qualvollen Leids. Zeit genug die Kleine noch ein wenig auszuquetschen. Nun aber starb sie nicht und war sauer! Wenigstens einer der Zeugen würde Hergül als nächstes stecken was vorgefallen war und dass die Kleine vom Ziege ebenso unverwundbar war, wie ihr berühmter Stecher. Wenn Ziege also am Leben und höchst wahrscheinlich sauer war, wenn diese Melody nun ebenfalls unsterblich und schlecht auf ihn zu sprechen war, dann würde auch Hergül seine gute Laune verlieren. Und was das hieß, hatte Hugo mehr als nur einmal selbst miterlebt. Er war ja sowas von geliefert!

Alles was ihn jetzt noch retten konnte, war Vergebung! Melody musste ihm den kleinen Fehltritt verzeihen und den Zwischenfall für sich behalten.

"Du bist die Meisterin aller Waffen!", presste er gequält hervor. "Ich weiß nicht was du bist und warum man dich nicht verletzen kann, aber ich stehe ab jetzt auf deiner Seite. All meinen Leuten werde ich stecken, dass Ziege wieder da ist und dass du mit ihm zusammen die Geschäfte führst. Alles wird bleiben wie es immer war, ich werde alles daran setzen. Ich gehe auch zu Hergül und erzähle ihm all das was du mir gesagt hast. Abe heute bist du die Nummer eins! Wir wollen ja gar nicht das sich was ändert! Ich... Ich... Ich dachte nur, ich könnte auch mal den großen Griff machen. Verstehst du? War nichts persönliches, nur ein Versuch. Du hast gewonnen, ich verloren!"

Ein gequältes Grinsen.

"Freunde?"

Vom der Theke her erklang eine tiefe Stimme. Sie gehörte Bodo, dem Wirt dieses Lokals. In den Händen hielt der stämmige Mann einen doppelläufige Flinte. "Schneid dem Wichser die Kehle durch, Mädchen! Er hat sich gegen den Boss gestellt und ist so oder so Geschichte! Wenn du sein willst wie Herr Zieglowski, dann weißt du was zu tun ist..." Viele der Anwesenden nickten.

Das Leben in der Mafia war offensichtlich kein Zuckerschlecken.
 
Sarah sah Hugo in die Augen. Das letzte, was er sah, bevor die Schnitte ihn aus ihrem Blick entließ um ihren Kopf zu heben, war eine eindeutige, massive Warnung. Sie hatte ihn im übrigen noch immer nicht aufgefordert, seine Waffe fallen zu lassen. Das hatte sie nicht nötig. Die Stimmung hier war dezent zum Schneiden. A pro pro Schneiden. Der Druck des Messers an Hugos Kehle verstärkte sich und brachte ihn jetzt definitiv zum Bluten nur für den Fall, dass der Mann die Warnung in ihrem Blick nicht richtig verstanden hatte.

Sie blickte zu Bodo. Wenn sie dem Knaben unter ihr die Kehle durch schnitt, war alles gut. Die Männer hier würden ihr nichts tun und sich sogar um die Beseitigung der Leiche kümmern. Aber wollte Sarah das? Sie kalkulierte kühl ihre Möglichkeiten. Der Mistkerl hatte sie angegriffen, sie in den Bauch geschossen und wollte sie umbringen. Qualvoll. Das war jedem einzelnen Anwesenden hier klar.

„Bodo. Ich glaube, du hast nicht richtig verstanden, was ich gesagt habe. Ich versuche nicht Marty zu sein. Ich bin eine Frau.“ Das Lächeln von Sarah war unglaublich süß und niedlich. Es hatte nur einen großen Makel. Es erreichte nicht im geringsten ihre Augen. „Und das, mein Freund, ist um ein vielfaches schlimmer. Ich dachte, das hättet ihr nach meinen Worten begriffen.“

Ihr Blick glitt wieder zu dem Mann, der das Messer an der Kehle hatte. Jep, seine einzige, winzige Chance war, dass Sarah ihm vergab und die ganze Geschichte hier irgend wie für ihn deckelte. Was er ihr anbot, war jedoch ein herrlich lächerlicher Preis für sein Leben. Das bekam sie oder so. Von jedem einzelnen anwesenden hier in der Kneipe, so bald sie ihm die Kehle durch geschnitten hatte.

Der Wichser hier spielte gern Dominanzspielchen, oder? Nur war er normaler Weise der Top und nicht Sub. Wenn er wusste, was gut für ihn war, würde er gehorchen. Wieder wirkte sie so, als würde sie ausschließlich mit Hugo reden, was ganz eindeutig nicht der Fall war. Er war ehrlich gesagt sogar nur das schmückende Beiwerk.

„Nun, Hugo, du hast Bodo gehört. Er fordert im Gegensatz zu mir nicht nur deine Eier, sondern dein Leben. Und was du mir da anbietest: Mal ehrlich, welcher von den Männern hier wird mir nicht genau das geben, was du mir eben versprochen hast, wenn ich dir Kehle durch schneide. Im Gegenteil, ich bekomme mit ihnen eher Probleme, wenn ich mich entscheide dich leben zu lassen.“

Die Gute schwankte wirklich hin und her. Konnte sie Hugo überhaupt leben lassen? Sie würde ihn massiv demütigen müssen und jemand wie er... entweder verehrte er sie mit seinem kranken Hirn dann wirklich oder sann auf Rache.

„Du hast mir nicht eine klitzekleine Sache geliefert, die dafür sorgt, dass du dein Leben, geschweige denn deine Eier behältst.“ Sarah kam ihm mit dem Kopf etwas näher, aber nicht zu nah. Verdammt noch mal! Sie wollte ihm die verflixte Kehle durch schneiden. Aber jetzt war sie so blöd gewesen, den Männern zu sagen, dass sie schlimmer als Ziege war. Jetzt musste sie ihnen das auch beweisen. Und ob ihre Idee ausreichend war? Ihn sich einnässen lassen und ihn dann zum Tanzen zwingen? Sie bezweifelte es. Und änderte ihren Plan. Seine Hoffnung war wohl, dass sie immer noch redete und nicht handelte.

Mit der freien Hand griff sie nach seiner Waffe und nahm sie ihm sanft aus der Hand.

Dann landete ihr Messer mit einer schnellen Bewegung in seinem Bauch. Dabei versuchte sie sogar lebenswichtige Organe zu meiden. Sie hielt ihn mit kräftigem Griff, viel zu kräftigem Griff für eine so zierliche Frau an der Schulter fest, der trotzdem nicht verletzen sollte, als sie ihr Messer heraus zog ohne dabei mehr Schaden an zu richten als unbedingt nötig war.

Sie wischte das Messer flüchtig an seinen Haaren ab, richtete sich auf und sah wieder zu Bodo. „Besorg' ihm einen Arzt, der ihn zusammen flickt. Wenn er lebt, dann lebt er und ist mein Freund. Wenn Hergül persönlich sein Leben will, steht es ihm natürlich frei. Richte ihm aus, dass ich es als persönlichen Gefallen betrachten würde, wenn Hugo am Leben bleibt. Wenn ihm einer jetzt direkt das Licht ausblasen will...“

Sarah blickte sich in der Runde um. Das blutige Messer hatte sie noch in der Hand und der Mann vor ihr schien sie nicht mehr im mindestens zu interessieren. Wollte hier irgend jemand gegen ihre Entscheidung aufmucken? Ihr Blick suchte jeden einzelnen. Offensichtlich war sie diskussionsbereit. Mit dem Messer. Der eine oder andere mochte inzwischen auch durchaus bemerkt haben, dass Sarah auch noch eine Schusswaffe am Körper hatte... ebenso wie das nur leicht blutige Loch in ihrem ansonsten strahlend weissen T-Shirt. Blut spritzte in der Realität viel weniger als in Filmen.
 
Nach all den Anstrengungen der letzten Jahre war Hugo am Ende seines Weges angekommen.
Er war über Leichen gegangen, hatte gelogen, betrogen, vergewaltigt, gemordet und andere nur so zum Spaß in den Drogensumpf gestoßen. Nie war er dabei besonders rücksichtsvoll gewesen oder hatte Gefühle wie Gnade gezeigt. Nun aber, wo ihm der Schmerz fast die Sinne zu rauben drohte und er sich seinem eigenen Ende bewusst wurde, verfiel der Mafioso in eine Mischung aus Selbstmitleid und Todesangst. Er begann zu weinen.

"Lass mich hier nicht einfach so verrecken, Melody! Bitte... bitte, bring mich zu einem Arzt! Lass mich hier nicht sterben... Ich flehe dich an, ich will nicht sterben!", flehte er zwischen Wellen aus Schmerzen hindurch. Rotz lief ihm aus Mund und Nase.

Das Knallen eines weiteren Schusses brachte ihn endgültig zum Schweigen. Bodo, der Wirt des Lokals hatte abgedrückt. Die Schrotladung verfehlte Sarah nur um Haaresbreite, traf aber genau ins Ziel. Hugo Kopf platze wie eine reife Melone. Während Melody mit der streuenden Schrotladung noch Glück gehabt hatte (oder der Wirt konnte wirklich ausgezeichnet zielen), verließ sie selbiges bei Hugos Körpersäften. Sie verteilten sich weitgefächert über den Körper der Ventrue. Blut spritzte in der Realität weniger, doch es gab offensichtlich Ausnahmen in denen die Realität die Darstellung in Filmen um ein Vielfaches übertraf.

"Du hast deinen Standpunkt deutlich gemacht, Mädchen.", sagte der Wirt und legte die Flinte wieder unter den Tresen. "Ich denke, das Hergül dich nach all dem hier sprechen möchte. Er wartet schon länger auf eine Nachricht von Herrn Zieglowski. Es wird das Beste sein, wenn du mir deine Nummer gibst, dann gebe ich dir Zeit und Ort des Treffens durch. Einverstanden?"

Ohne sonderliche Gesichtsregungen nickte er zu dem Leichnam hinüber. "Mach dir wegen dem keine Sorgen! Das erledige ich schon..."
 
Bin ich hier in einem Splatterfilm? Sarah hatte keine Zeit gehabt, sich um Hugos Flehen zu kümmern. Sie war zu sehr damit beschäftigt ihm den Arsch zu retten – und der einzige mit einer Waffe in der Hand machte ihr einen verfluchten Strich durch die Rechnung. War es Melody zu verdenken, dass sie zusammenzuckte? Immerhin fand da gerade ne Schrotladung in ihrer unmittelbaren Nähe ihr Ziel.

Und kleckerte Schädelknochen, Gehirnmasse und Blut auf sie.

„Verdammt! Ich hasse es, Ressourcen zu verschwenden.“ kommentierte sie Hugos Tod. Sie atmete tief durch, nahm ihren Blick wieder von der Leiche und zupfte sich ein etwas größeres Stück Hugo von ihrem Shirt. Mit dezent spitzen Fingern ließ sie es auf den Boden des Lokals fallen. Dann blickte sie zu Bodo. In dem Gesicht des Mädels konnte er kein Lächeln entdecken, aber auch nicht all zu viel Schrecken. Eher so was wie dezente und mühsam unterdrückte Wut. Sie würdigte den armen Hugo keines Blickes mehr sondern ging schnurstracks zur Theke. Sie hatte nicht gewollt, dass der Mistkerl starb! Sie hatte Tote komplett vermeiden wollen! Die Welt war ein gieriges Raubtier und an den Rändern der Gesellschaft war sie noch viel gieriger als dort, wo der Anschein von Zivilisation über sie gestülpt worden war.

„Gib mir wenigstens was, damit ich den gröbsten Dreck los werde. Du schuldest mir eine Freundschaft, Bodo. Und einen verdammten Tanz.“

Sarah stellte sich an die Theke. Die Barhocker ignorierte sie. Den linken Arm legte sie auf die Theke während sie in der rechten noch immer das blutige Messer hielt. Die Klinge hatte irgend wann während des Gehens die Richtung gewechselt, falls jemand darauf achtete. Sie ragte nicht mehr nach vorn aus der Hand heraus, sondern lag an ihrem Unterarm an. Immerhin sollte sich nicht wer durch nen blöden Zufall daran verletzen. Sie wartete auf etwas zu Schreiben und ein Handtuch oder so. Fragte sich Bodo, was für eine Art Tanz Melody meinte? Forderte sie ihn gerade zum Kampf? Die Antwort bekam er schon all zu bald.

„Zu Knef. Rote Rosen.“ Das war wenigstens einer der Schlager, die sie gut ertragen konnte, ja sogar mochte.
 
"Du verkennst die Lage!", sagte Bodo und deutete auf den Leichnam. "Ich habe mehr zu sagen als der dort. Wir hatten schon länger den Verdacht, dass der Kerl irgendetwas mit den Russen am Laufen hatte. Das er es gewagt hat auf dich zu schießen war mir Beweis genug. Ich sagte ja, dass es deutliche Befehle gibt, wie wir mit Ziege, oder auch mit dir, zu verfahren haben. Hergül steht euch nach wie vor wesentlich freundlicher gegenüber, als dieser Abend vermuten lässt."

Er hielt Melody ein paar halbwegs saubere Trockentücher hin.

"Wir stehen kurz vor einem Krieg, musst du wissen. Die Russen begehren auf und die verschissenen Triaden denken sie könnten uns aus dem Drogenhandel verdrängen. Wir brauchen also die Zusammenarbeit mit deinem Freund und bauen darauf, dass er auch weiterhin allein auf unserer Seite steht?"

So freundlich die ersten Worte waren, so deutlich klang die Drohung aus dem letzten Satz. Hergül würde sich loyal und friedlich verhalten, wenn alles so blieb wie bisher. Jegliche Änderung, jedes Abweichen vom Kurs aber, würde er nach Kräften bekämpfen. Selbst wenn der Gegner unsterblich war, konnte man ihn empfindlich treffen.War der Händler nicht zu besiegen, musste man eben die Ware beschädigen oder die Kunden vergraulen. Irgendetwas in der Art.

Noch war allerdings alles bestens.

"Tanzen werde ich mit dir nicht, Kleine! Ich verbinde privates niemals mit geschäftlichem. Außerdem bin ich der falsche Ansprechpartner. Hugo ist den Weg gegangen, den jeder Verräter geht. Er war keine Ressource, er war Abschaum. Verräterischer Abschaum! Ich habe es erledigt, wie wir es immer tun."

Das zustimmende Murmeln der Umstehenden unterstrich die Worte.

"Und nun gib mir deine Nummer, damit ich etwas habe das ich Hergül geben kann. Danach gehst du besser, wir haben nichts mehr zu besprechen. Außerdem solltest du duschen, das dort auf deinen Klamotten fängt bald an zu stinken!"
 
Melody nahm die Tücher und es war ihr scheiss egal, ob die nun sauber waren oder nicht, so lang die nicht gerade mit Öl oder so verschmiert waren und alles nur noch schlimmer machen würden.

Das erste, was sie reinigte, war ihr Messer, bevor sie irgend etwas anderes tat. Es geschah zügig und für die bescheidenen Mittel, die ihr zur Verfügung standen, trotzdem erstaunlich gründlich und effektiv. Erst dann steckte sie es wieder in seine Scheide, die sich offensichtlich in der Schnürung ihrer Lederhose am rechten Oberschenkel bestand. Sie brauchte dafür noch nicht einmal hin sehen.

Dann wischte sie sich das Gesicht ab, wobei sie ihre dezent geschminkten Augen ausließ.

„Du willst die Nummer nur gesagt bekommen? Ansonsten gib mir Stift und Papier.“, reagierte sie recht trocken auf seine Forderung. Ein wenig sorgfältiges Wischen über ihre Kleidung folgte. Es ging ihr wohl nur darum, die gröbsten Brocken los zu werden. Um draussen unauffälliger zu sein, schloss sie ihre Jacke. Weiss zeigte so schön die Flecken. Auf dem schwarzen Leder war viel weniger davon aus zu machen. Falls er ihr das gewünschte gab, begann sie zu schreiben, während sie ruhig weiter redete. Auf den Zettel würde nur die Nummer selbst kommen, kein Name

„Deine Frage, wo wir stehen, ist überflüssig. Ich habe bereits sehr deutlich gesagt, dass ich das Geschäft in seinem Namen weiter führe. An einer gut laufenden Maschine werde ich nichts ändern.

Du glaubst ich verkenne die Lage? Jeder andere hier im Raum hätte für das, was du eben getan hast, mit dem Leben bezahlt. Meine Geduld kennt ihre Grenzen.

Der Tanz, den ich von dir fordere, ist der Preis dafür, dich ansonsten ungeschoren davon kommen zu lassen. Daran ist nicht das geringste privat. Es stimmt mich lediglich milde.

Wer glaubt, dass ich in diesem Schweinkram und so versifft tanzen will, ist ein verdammter Idiot. Beim nächsten Mal, wenn wir uns treffen, forderst du mich zu dem langsamen Walzer auf. Sonst wird es eine andere Art von Tanz. Egal, welchen du dir aussuchst, ich bin bereit auf Waffen zu verzichten.“

Wenn er ihr bis dahin noch nichts zu schreiben gegeben hatte, sagte sie ihm jetzt ihre Nummer. Ein Mal. Ansonsten ließ sie den Zettel mit der Nummer und den Stift genau dort liegen, wo sie geschrieben hatte und schon sie keinen Millimeter in seine Richtung.

Melody wandte sich ab und ging raus. Offensichtlich war ihr nicht daran gelegen noch auf eine Antwort von Bodo zu warten. Nachdem sie draussen ihren Helm aufgesetzt hatte, fuhr sie vollkommen normal los. Der eine oder andere hätte vielleicht den Motor aufheulen lassen oder einen besonders beeindruckenden Start hinlegen wollen. Melody ging so etwas vollkommen am Arsch vorbei. Jup. Sie wollte duschen! Und zwar so schnell wie nur irgend möglich! Und ihr Leder pflegen. Das Shirt war wohl nicht mehr zu retten. Sie fuhr in einem Tempo, das 5-10 km/h über der zugelassen Geschwindigkeit lag, durch die Stadt nach hause.
 
Der Wirt tippte die genannten Zahlen direkt in sein Smartphone, auch die Mafia ging mit der Zeit.
Bezüglich Melodys Drohungen machte er sich wenig Sorgen. Eine Schießerei oder andere Gewalttaten ihrerseits würden die geschäftlichen Beziehungen umgehend beenden. Man hatte großes Interesse an einer Zusammenarbeit, aber man würde sich auch nicht vorführen lassen. Hergül war nicht zum mächtigsten Gangster dieser Stadt aufgestiegen, weil er eine Auseinandersetzung scheute. An Ziege hatte man mehrfach die Unsterblichkeit getestet, an Sarah noch nicht.

Gut laufende Geschäfte mit dem Luden waren gut, sicher und einträglich! Viel, viel besser aber war es, wenn man selbst das Monopol inne hatte. Daran war derzeit nicht viel zu rütteln, aber wenn es einen Anlaß gab es auszuprobieren, dann wurde es auch ausprobiert. Besonders wenn man nachher mit dem Finger auf die zerfetzten Reste der Ventrue zeigen und nachhaltig beweisen konnte, dass sie angefangen hatte. Ziege war grob und böse, aber er war auch ein großer Freund des direkten Weges. Es war nicht einmal unwahrscheinlich anzunehmen, dass es ihn eher verstimmen konnte, wenn die Mafia Sarah nicht von sich aus auf die Probe stellte. Nach allen Regeln der Kunst, besonders da man nun gesehen hatte, das auch sie nicht so ohne weiteres erschossen werden konnte.

Bodo tippte Hergüls Nummer, es gab einiges zu besprechen...
 
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