(17.05.2008) Nachtflug über Finstertal

Liberian1

Hector
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Die Dunkelheit war über die Stadt gekommen und wiegte die Sethskinder in den Schlaf, gebettet von Wolken und der Mond ihr Nachtlicht.
Nur Flügelschläge brachen die Harmonie der Stille.
Ein schneidender Wind strich sein Gefieder als er durch die Decke stieß und sich unter ihm diese Irrlichter der Technik darboten.
Es war lange her das er einen solchen Ort besuchte.
Menschen und Vampire, sie hatten sich weit entfernt von dem was sie einst waren.
Das Land welches durch ihren Willen geformt wurde bot ein beinahe groteskes Schauspiel.
Straßen schnitten wie Todesstreifen durch die Natur, ihre Mauern, gebaut aus totem Stein, Dächer aus totem Holz und Träume aus toten Gedanken.
Das war es, was sein Falkenauge erblickte.
Dies Land war korrumpiert, es schien Ihm in Dieser sogar noch schlimmer als in Anderen.
Etwas war hier anders.
Trotz seiner Abscheu sagte ihm sein Instinkt es war dennoch richtig hier zu sein.

Er zog seine Kreise über dem Zentrum und versuchte einen Eindruck der Stadt zu erhaschen, ihrem Puls und Geschehen.
 
Die Gebäude unter ihm waren alt, aber natürlich modern ausgehöhlt und vollgestopft mit moderner Technik, kaltem Kunstlicht und plärrender Musik. Dennoch, die Knochen dieser Häuser schienen aus älteren Zeiten zu stammen.
Noch war die Nacht nicht alt und da es Wochenende war sah man Menschen über die Kopfstein gepflasterten Wege zwischen den Gaststätten wimmeln und Fahrzeuge durch die Venen der Metropole Finstertal strömen. Besonders viele waren auf einer Autobahn zu sehen die weiter entfernt war vom Zentrum. Dort standen lange Reihen von Auto Scheinwerfern, aufgereiht wie eine Perlenkette aus Licht und schoben sich qualvoll langsam durch eine Schneise zu etwas hinüber was vermutlich ein anderer Stadtteil sein mochte, der jedoch geographisch durch einen Fluss und einen Bergrat von dem pulsierendem Geschwür unter ihm getrennt war.
Was wie ein störendes Summen, knapp unterhalb der Hörschwelle, vibrierte, was man trotz wittern nicht genau erkunden konnte war eine Art Spannung, die man fast auf der Haut spüren konnte, ähnlich wie das Knistern beim berühren einer alten Mattscheibe. Fernseher hießen die Dinger. Etwas ging vor sich. Etwas das in dieser Nacht passieren würde, aber dessen Folgen wie die verästelten Wurzeln von Unkraut in die Zukunft reichen würden. Es war das Gefühl das man hatte, wenn man das Gebiet eines großen Raubtieres betrat und man plötzlich damit rechnen musste, dass sich etwas im Schatten duckte um auszuloten, ob man als Beute taugte.
Dann waren da Sirenen. Ihr Heulen kam nur durch den Wind verweht zu ihm hinauf, aber die flackernden Lichter waren deutlich zu sehen. Sie schoben sich wie eine Kolonne aus mehreren Richtungen zu einem Ziel im Norden über die geteerten Adern. Was immer auch passierte, vermutlich passierte es dort.
 
Ein widernatürliches Geflecht aus Ranken, Dornen und sich brechendem Zwielicht. Dem Versuch gewidmet eine Ordnung auszudrücken die Ihr Chaos aus der menschlichen Vorstellung gebar, ein Paradoxon. Doch der wahre Jäger lauert stets in den Schatten, er spürte die Wahrheit seiner Gedanken, im verstohlenen Anpirschen durch das Dickicht, dem Wind im Gesicht, im Duft seiner Opfers in der Nase, wenn der Geschmack seiner Beute bereits auf der Zunge kribbelte und im Luftholen vor dem Sprung.
Dieses Kitzel kurz bevor man sich auf seine Beute stürzt und Ihr Genick unter den Reißzähnen mit einem befreienden Knacken zerbricht.
Das Blut welches heiß in Kehle strömt und den Durst in Extase zum Schweigen bringt, während das Leben aus dem Körper fließt und eins mit seinem wurde.
Die Stadt war eine Bestie, dieses Kitzeln unter seinem sich im Sturzflug, wie ein Komet aus dem Himmel fallend, biegendem Gefieder, machte es deutlich. Er war der Jäger und die Witterung war aufgenommen!

Etwa 20 Meter über dem Boden breitete er seine Schwingen aus und griff nach dem Strom, so schoss der Falke, gleich dem Raunen in den Wäldern, mit immenser Geschwindigkeit durch die Schluchten der Sethskinder.
Ihre Särge aus Stein pfiffen an ihm vorbei. Das Leuchten der Laternen wurde ein schillernder Silberstreif.
Im Rausch jener tanzenden, blauen Irrlichter zum Reigen, brächten ihn zu seiner Beute wunderschönem Schweigen.

Er wollte Sie sehen, denn er musste Sie kennen, um Sie zu erlegen.
 
Die warme Nachtluft und der Südwind warfen sich ihm entgegen, hielten ihn mit sicherem, aber nicht einengendem Griff als er hinab raste. Es war wie ein Tanz bei dem niemand zu führen brauchte. Alles ergab sich aus der Situation, jede Feder stellte sich im Wind so auf, wie es ihre Aufgabe war.
Der Falke schoss hinter den lärmenden Sirenen und grell blitzenden Lichtern her und hielt mühelos ihr Tempo durch die vorbei schießenden Fassaden der Häuser. Manche dunkel, andere erleuchtet durch kleine Fenster in denen noch Licht brannte, wild gemischt mit aufwändigen Leuchtreklamen. Die Kolonne fuhr auf ein Gelände zu, dass er bereits aus der Luft gesehen hatte. Von oben hatte er mehrere große Gebäude Komplexe mit viel Grünfläche dazwischen gesehen. Das Schauspiel aber das sich ihm bot war grotesk.
Eine Horde nackter Menschen rannte wie vom wilden Affen gebissen mal hier hin, mal dort hin, verfolgt von einigen Polizei Beamten mit verkniffenen Gesichtern.
Umringt wurden sie von Einsatzwagen und einigen Vans, in denen anscheinend Fernsehübertragungseinrichtungen installiert waren. Reporter warfen sich vor Kameras in Posen und nutzen den bizarren Reigen im Hintergrund als Kulisse.

Noch etwas lag in der Luft. Artgenossen. Es waren Untote anwesend.
Out of Character
 
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