Gildenhaus [15.5.2008]keine glamouröse Rückkehr

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Tremere
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Heute

Himmel Hergott noch mal. Kann nicht irgend jemand dieses Gejammer abstellen? Das ist ja fürchterlich. Ich will schlafen! Dieses Wimmern ist unerträglich!

Vor fünf Nächten

Da, Genau dort war die Information in Annas Hirn versteckt, die der Koldune brauchte. Sie war zu abgelenkt durch die Anforderungen der Realität, die Konzentration auf den bevorstehenden Kampf. Er hatte das Schlupfloch gefunden, dass er brauchte.

Schweig! befahl er Anna mit der Stimme ihres Erzeugers.Du gehörst mir und ich kann mit dir machen was ich will., wiederholte er die Worte Güldens in ihrer ersten Nacht nur um sie jetzt ein klein wenig zu variieren. Stirb!

Innerlich schrie Anna auf. In der Realität kam kein Ton über ihre Lippen. Der Koldune hatte alle Macht in seinem Geist aufgebracht, die er erübrigen konnte und für Anna wurde es zu viel. Sie konnte sich nicht mehr wehren. Ihr Körper sank in dem Fond des Wagens zusammen, der sie zu dem Kampf gegen ihn bringen sollte. Ihr Geist zog sich tief in ihren Körper zurück, als ihre Verteidigung gegen den Koldunen vollständig unterlaufen wurde. Sie war zu keiner Reaktion mehr fähig und bekam nichts mehr mit.

Zwischenzeit

Anna schrie. Anna versteckte sich. Sie flüchtete in die Stadt in ihrem Kopf, nutzte jeden Winkel, den sie dort fand. Es brachte ihr nichts. Andere fraßen sich durch ihre Stadt, durch sie selbst. Gnadenlos zerrten sie alles ans Licht. Jede einzelne Erinnerung wurde hervor geholt und Anna konnte nicht das geringste dagegen tun. Alles wurde begutachtet. Sie waren noch nicht einmal grausam. Es gab keinen Spott. Aber sie waren gnadenlos und ließen Anna nichts. Jede einzelne Barriere, die sie zu errichten versuchte, wurde hinfort gewischt. Intime Details, Ängste, Banales. Alles wurde hervor gezerrt, gewogen und bewertet. Auch die Erinnerungen an Max wurden hervor geholt ebenso wie der verborgene Wunsch sich mehr getraut zu haben in jenem Moment der Intimität, als sie die Wunden des Brujahs versorgt hatte, ganz gleich welchen Weg er später genommen hatte.

Ihre Nahrungsgewohnheiten, warum Anna nie lächelte, bevor sie nach Finstertal kam und auch danach noch so gut wie gar nicht, selbst solche Banalitäten wie der Versuch den Wolfsschwanz zu präparieren. Natürlich wurde auch und vor allem nach den wichtigen Dingen gegraben. Wie es kam, dass der Clan den Wiedergänger verlor und aushändigen musste. Auch, wie sie sich zuvor an ihm gelabt hatte, den Geschmack als zu köstlich empfunden hatte. Selbst dass sie dem Wiedergänger wahrscheinlich verfallen wäre, hätte er Gnade bewiesen und ihr erlaubt ihn am Leben zu lassen. Selbst ihr kleines innerliches Aufbegehren und Begehren gegen und von Enio. Die Ungereimtheiten des Verhörs. Alles wurde heraus gewühlt, analysiert, betrachtet und beurteilt. Und Anna hatte keine Wahl, keinen Schutz.

Heute

Dieses Wimmern ist nicht zum Aushalten! Warum stellt es nicht endlich mal jemand ab? Wer wagt es, solche erbärmlichen Töne von sich zu geben? Immer weiter drangen Geräusche des Weinens aus Annas Kehle. Blut lief aus ihren Augen über ihre Wangen, doch sie spürte sie nicht.

NEIN! Ruckartig setzte Anna sich auf. Das durfte nicht wahr sein. Das war sie die dort so kläglich geheult hat? Das hatte sie schon seid langem nicht mehr getan. Was war geschehen? Anna zwang sich, sich ruhig umzusehen. Bloß keine hastige Bewegung. Sie schluckte trocken. Sie war in einem kleinen, fensterlosen Raum. Sie lag auf einer harten Pritsche ohne Decke. Weitere Möbel gab es nicht. Es gab zwei Türen. Oben in einer Ecke entdeckte Anna eine Kamera. Man hatte sie beobachtet, während sie sich so jämmerlich verhalten hatte. Versagt.Wie ein Roboter stand Anna auf. Ihre Bewegungen waren steif. Sie trug so etwas wie ein Nachthemd. Das war alles, was sie an Schutz hatte. Der Schnitt des Raumes ließ sie hoffen, dass hinter der ersten Tür eine Naßzelle war. Sie hatte Glück und wenigstens mit dieser Vermutung recht. Eine Toilette gab es dort selbstverständlich nicht. Nur eine Dusche und ein Waschbecken über dem ein Spiegel hing. Auch ein Handtuch war dort. Anna entdeckte das Blut in ihrem Gesicht. Mechanisch zog sie sich aus. Sie wollte nicht denken. Sie weigerte sich zu denken. Unter der Dusche wusch sie das Blut ab, dass ihr Gesicht verunstaltet hatte. So ließ sich keine Tremere sehen. Notgedrungen zog Anna das Nachthemd wieder an, bevor sie wieder in den Raum trat. Jemand hatte ihre Kleidung auf ihre Bettstatt gelegt, während sie unter der Dusche war. Sie hatten also schon bemerkt, dass sie aufgewacht war. Nun, sie hatte es auch nicht anders erwartet. Anna zog sich zum umziehen nicht in das kleine Bad zurück. Es war nicht notwendig. Nichts anmerken lassen. Gleichmut.

Anna hatte Angst. Aber sie war auch nicht tot. Sie versuchte die zweite Tür. Sie war verschlossen. Ohne mit der Wimper zu zucken, drehte Anna sich um und setzte sich auf die Pritsche um zu warten. Regungslos. Sie hatte keine Möglichkeit die Zeit zu messen. Sie versuchte auch nicht zu zählen. Sie saß kerzengerade und aufrecht da, die Hände knapp oberhalb der Knie auf den Oberschenkeln. Saß sie eine Stunde? Zwei? Drei? Anna wusste es nicht. Hunger hatte sie nicht. Anscheinend war sie gefüttert worden, auch wenn sie sich nicht daran erinnern konnte.

Irgend wann öffnete jemand die Tür und forderte sie stumm auf mit zu kommen. Sie ging lange Flure entlang, die sie nicht kannte. Schutzmaßnahmen versperrten den Weg, die ihr Begleiter ohne jede Mühe ausser Kraft setzte. An einer Tür blieb er stehen, klopfte einmal kurz, knackig aber dennoch leise. Ein 'Herein' gewährte Einlass. Er öffnete die Tür und bedeutete ihr hinein zu gehen.

Anna kannte den Mann nicht, der dort saß und blieb stehen. Er schrieb noch irgend etwas zu ende, bevor er zu ihr blickte und sie stumm musterte. Anna regte nicht einen Muskel. Sie konnte nicht wissen, welche Begrüßung angemessen war auch wenn er offensichtlich höher gestellt war als sie.

„Frau Reeben., Ihre Leistungen waren unzureichend. Sie hätten nicht zu lassen dürfen, dass Ziegelowsky nicht mehr unter dem Zugriff des Clans steht. Sie hätten dem Angriff des Koldunen widerstehen müssen. Wir erwarten von Ihnen, dass sie in Zukunft bessere Arbeit leisten. Sie fliegen noch heute wieder nach Finstertal. Beschämen sie unseren Clan nicht wieder.“ Lediglich durch eine Geste entließ der Mann Anna. Sie wusste immer noch nicht, wer mit ihr gesprochen hatte. Offensichtlich wurde von ihr auch keine Antwort erwartet. Sie verbeugte sich und ging wieder hinaus.

Draussen wartete ein anderer Führer als vorhin auf sie. Sie stellte keine Fragen, richtete kein Wort an irgend jemanden. Sie wurde genau so wenig angesprochen. Sie vermeinte Verachtung zu spüren. Ob dem wirklich so war, wusste sie nicht. Ihr wurden Papiere ausgehändigt und ein Fahrer brachte sie zum Flughafen. Irgend wann erkannte sie anhand der Schilder wo sie war: Wien. Sie schluckte nicht. Sie blieb unbeweglich. Fast wie in Trance checkte sie am Flughafen ein und fand ihren Flug. Ihr Ticket verriet ihr den Tag. Sie war nur fünf Nächte fort gewesen. Es kam ihr vor wie Jahre. Endlich allein. Was für eine Gnade.

Wenige Stunden später kam die Tremere in Finstertal an. Das Geld in ihrem Portemonnaie reichte für eine Taxifahrt zum Gildenhaus. Sie sah niemanden dort, der da gewesen wäre um sie abzuholen.

Am Gildenhaus angekommen klingelte sie wie immer. Selbstverständlich war Anna nach wie vor nicht in der Lage, die Tür eigenständig zu öffnen.
 
Anna wurde von Maria herzlich begrüsst und als diese bemerkte das die schöne Frau nicht reden wollte schnell auf ihr Zimmer geleitet und mit einem kleinen Schlummertrunk alleine gelassen. Nichts schien sich in Annas bescheidenen vier Wänden geändert zu haben, auch wenn sie schnell anhand einiger ihrer Sicherheitsmaßnahmen merkte das die Räumlichkeiten durchsucht worden waren, aber das bespitzeln der Jungen gehörte bei den Tremeren quasi zum guten Ton.
 
"Guten Abend, Maria." grüßte Anna die Guhlin in ihrer vollkommen gewohnt neutralen Art. "Ich danke Ihnen.", verabschiedete Anna die Guhlin an ihrer Tür. Na ja.. wirklich gesprächig war Anna noch nie so recht gewesen. Zu mindest nicht, seid sie Kainitin war. Den Schlummertrank rührte Anna zu erst nicht an, auch wenn er nett gemeint war. Wobei... bei ihrem 'Glück' würde der ihr inzwischen sogar schmecken. Tatsächlich nahm sie den Becher dann doch auf, um an dem Inhalt zu riechen, ob er ihren Bedürfnissen gerecht würde.

In ihren Sachen konnte nichts gefunden werden, was in irgend einer Form bedenklich war. Anders als in ihrem Kopf und den hatte man ihr auch nicht gelassen. Da war das Zimmer ... nun... nicht von Relevanz.

Ungefähr fünf Minuten lang stand Anna vor dem Fenster, sah nach draussen und.... dachte nichts. Dann begann sie sich unvermittelt zu bewegen und verließ ihren Raum. Sie suchte das Kellerlabor auf, in dem sie den Wolfsschwanz zum Gerben angesetzt hatte. Maria würde sich wohl kaum die Zeit genommen haben und den Prozeß weiter überwacht und gepflegt haben. So erwartete sie jetzt nur noch Gestank und verdorbenes Fell vor zu finden und zu entsorgen, bevor sie sich für diese Nacht an das Lernen ihrer Sprachen machen würde, bis sie gerufen würde.
 
Tatsächlich hatte Maria etwas mehr Zeit gehabt, da jetzt weitere Guhle im Gildehaus wohnten. Zwar bedeuteten mehr Adepten auch mehr Arbeit aber die teilte sie ganz gut auf, sodass in Summe alles besser lief. Was dieses seltsame Zeug mit dem Fell bedeutete, hatte Maria Caitlin gefragt, und die hatte entschieden ihn zunächst in die Lauge zurückzulegen, bis sie mehr Zeit hatte, sich darum zu kümmern. Dann kam Wien dazwischen und die Regentin hatte andere Sorgen gehabt. Also lag der Schwanz brav in seiner Lauge und wartete auf irgendwen. Der Raum war dunkel, kühl und sonst soweit unangetastet.
 
Anna stutzte. Konnte es möglich sein? Gut, der Geruch war... nicht lecker, aber das war bei dieser Art von Arbeit auch nicht zu erwarten. Sie betrachtete des Fell in der Lauge und es schien.... alles so weit in Ordnung zu sein. Das Fell hatte ein, zwei Nächte länger darin gelegen als erwartet. Aber da die Woche eh nur eine Schätzung von Anna war, und länger laut der anleitung eher besser zu sein schien, war das wahrscheinlich nicht weiter von Belang. Maria war einfach ein Goldstück und Anna hatte etwas zu tun, während sie im Gildenhaus auf was auch immer wartete. Angenehm würde es sicher nicht werden. Anna ging erst mal wieder nach oben, um die Küche des Gildenhauses zu plündern. Die armen Guhle. Eier und Öl würden sie morgen vergeblich in ihrer Küche suchen. Auf einem kleinen Zettel hinterließ Anna den Guhlen dann wenigstens noch eine kurze Nachricht: 'Ich habe Eier und Öl verbraucht. Gruß Reeben' Das war zwar nicht unbedingt nötig, aber wenigastens ansatzweise höflich, wenn man schon die Sachen von anderen Leuten aufbrauchte. Das Eiweiss brauchte sie selbstverständlich nicht, sondern nur die Eigelbe. Wasser fand sie wieder unten und... 'Backpinsel sollte auch neu gekauft werden.' fügte sie dem Zettel dann noch hinzu und entführte den selbigen aus der Küche. Mit ihrer Mischung aus Eigelben, Öl und etwas Wasser ging sie wieder hinunter zu ihrem Fell. Sorgfältig wusch sie die Lauge und die Salzkristalle dieses Mal nur aus der Fellseite. Auf der unteren Seite sollten das Salz und die Lauge haften bleiben. Nach dem Waschen bestrich sie diese untere Fellseite mit ihrer selbstgemachten Mayo, die dem Fell Geschmeidigkeit geben sollte. Sie hing das Fell auf, gespannt, ob sie sorgfältig genug gewaschen hatte und tatsächlich alles Salz aus der Fellseite entfernt und ob das Fell geschmeidig werden würde, wie es sollte oder ob sie noch einmal nach gerben müsste. Die Lauge ließ Anna für diesen Fall noch in dem Behälter, trotz des deutlich strengen Geruchs.

Angesichts der Umstände war ihre Laune so mit erstaunlich gut, als sie sich wieder in ihr Zimmer zurück zog, um weiter persisch zu lernen. Selbstverständlich drangen während ihrer Arbeit im Labor dieses mal auch entsprechend persische Reziationen durch die die Lautsprecher ihres Laptops in die Luft so wie vor einigen Nächten noch chinesisch zu hören war. Ebenso erwartungsgemäß war ihr von ihrer leicht gebesserten Laune nicht das geringste anzumerken. Der Schritt war nicht beschwingter als sonst und auch Lächeln fehlte nach wie vor vollkommen auf ihrem Gesicht.

 
Während Anne lernte, geschah auch noch etwas anderes in ihrem wunderbaren Köpfchen. Sie wusste, was sie da hatte. Eine riesige Stadt voller Wissen, voller Bücher. Und das Wissen steckte nicht nur in den Büchern, sondern in jedem einzelnen Gegenstand, in jedem einzelnen Kalenderblatt, in jedem Stein eines Hauses war ein Platz für Wissen ob nun schon belegt oder noch frei. Jede Straße, jede Gehwegplatte, jede Fuge zwischen den Platten, jeder Grashalm innerhalb einer Wiese konnte eine besondere Bedeutung haben. Ihre Stadt war riesig und änderbar. Sie wuchs und gedieh mit jedem Tag, oder besser jeder Nacht in der Anna bei Bewusstsein war. Innerhalb der Starre oder was auch immer ihr Zustand gewesen war, hatte sie sich nicht wehren können. Aber wie viel Zeit hatten sie gehabt? Vier Nächte, wenn es hoch kam. Annas Unterbewusstsein zog all diese Schlüsse. Ihr Bewusstsein beschäftigte sich weiterhin mit dem Lernen. Und das Unterbewusstsein begann zu arbeiten, legte Dinge an, veränderte hier mal etwas größeres, dort mal etwas kleineres. Wer in ihr Hirn eindrang um es zu durchsuchen, würde seinen Spaß haben dürfen. Allein die Bibliothek und sämtliche anderswo verstauten Bücher gründlich zu durchsuchen, die anderen Plätze von Büchern, die wegen ihrer Bedeutung für Anna andere Orte hatten. Allein das wäre ein Unterfangen von Jahren, nicht von Sekunden oder vier Nächten. Und selbst in dem Katalog, der sie selbst war, würde man schon wissen müssen, unter welchem Schlagwort man nach schauen müsste um weiter zu kommen und hinter welchen Türen, Regalen, Tischen oder auch nur einzelnen Steinen ihre Gedanken lagen.

Mauern? Mauern brauchte Anna nicht. Das war ihr Fehler gewesen. Ihr einmaliger Fehler. Sollte ein Eindringling doch über sie spülen wie eine Flut. Sie würde ihm einfach nicht erlauben hier etwas fort zu reissen und schuf Verbindungen, Verknüpfungen, wusste sie doch um die Eigenart der Kainiten auch Erinnerungen manipulieren zu können. Und je verknüpfter Gedanken waren, desto mehr würde Anna ihr Fehlen oder ihre Veränderung auffallen. Selbstverständlich behielt sie die Mauern trotzdem an Ort und Stelle. Versuchte sogar, sie zu verstärken. Immerhin brauchte es auch Ablenkungsmanöver...
 
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