[13.06.06] Ende der Prokrastination

Grinsekind

Antonin Philippe Tesnos
Registriert
22. Juni 2005
Beiträge
3.332
Fabian schloss die Tonne nachdem der dunkelblaue Sack darin verschwunden war. Er wischte sich die Hände an den Hosen ab und atmete erleichtert aus. Er hatte es heute tatsächich geschafft sich aufzuraffen und das Haus aufzuräumen. Er hatte vieles ausgepackt, den Dreck von Horst weggeräumt und das wichtigste, sich endlich ein wenig ein Zuhause gebaut. Zwar war er nie wirklich abhängig von einem Heim gewesen und hatte auch nie das große Bedürfnis verspürt, sich irgendwo eine Heimat aufzubauen, aber es tat doch ganz gut, wenn man das Gebäude in dem man die Nacht...den Tag verbrachte als das Eigene ansehen konnte. Eine Heimat hatte Fabian schon längst in den unzähligen Clubs und mit all den Menschen, die wussten wie man eine Nacht auszukosten hatte. Trotzdem zehrte diese physische Heimatlosigkeit an einem und hielt einen gleichzeitig auf Trab. Immer wieder hatte sich Fabian die verschiedenen Winkel dieses Hauses angesehen, in denen jetzt ein Teil von ihm steckte und immer wieder musste er grinsen, wegen diesem guten Gefühl das sich einstellte. Gleichzeitig hatte es etwas endgültiges. Jetzt war es klar, das er hier in Finstertal bleiben würde.
Außerdem waren die Erinnerungen wieder hoch gekommen. Für Fabian war einiges wieder präsent, was man bisher erfolgreich verdrängt hatte. Er musste etwas in der Sache Horst unternehmen. Er musste den Tod seines Onkels klären. Und dann war da noch die Sache mit dem Hammer und Enio. Einem aufstöhnen gleich wich die Luft, die Fabian zuvor eingeatmet hatte, wieder aus seinem Körper. Wenn er an all diese Dinge dachte wurde das Gewicht auf seinen Schultern plötzlich ungemein schwerer. Und manches Mal mochte er sich fühlen wie Atlas, mit der gesammten Weltkugel auf den Schultern. Kurz rotierte sein Kopf und dann begann er sich den Nacken zu massieren. Mit geschlossenen Augen sann er noch einmal nach, wie er am besten vorgehen würde. In Richtung Horst hatte er am wenigsten Lust zu gehen und schloss mit sich den Kompromiss, die Sache einfach so lange tot zu schweigen, bis jemand auf ihn zukommen würde. Und so lange das nicht geschah, musste man sich auch nicht damit beschäftigen. Das er gestern einen Nosferatu getroffen hatte, lies den Tod seines Onkels und das Geheimniss darum, als lösbar erscheinen. Der Nosferatu hatte dem jungen Brujah auch eine Adresse gegeben, vielleicht sollte er sich also an ihn wenden. Allerdings hatte Fabian wenig Lust sich mit diesem komischen Kauz einzulassen.
Das Hammer war eine ganz andere Sache. Fabian wollte etwas in Gang bringen, wollte sich in die Stadt einbringen, wollte ihr seinen Stempel aufdrücken. Aber das würde bedeuten sich mit den anderen Brujahs/Ravnos und vor allem dem Primogen auseinander zu setzen. Zwar war dieser das letzte Mal auf ihn zugekommen, aber wenn Fabian sich wirklich um das Hammer kümmern wollte, dann war er wohl gezwungen den Italiener aufzusuchen. Auch hierzu hatte er wenig Lust, denn wenn er zu ihm kam, bedeutete das automatisch, das er was von Enio wollte. Zwar hatte er beim letzten Gespräch nicht unbedingt einen Hehl darum gemacht, dass er Feuer und Flamme für den Wiedeaufbau des Hammers war, trotzdem war da diese Hemmschwelle.
Und dann gab es ja auch noch diesen anderen Freak, den Malkavianer Ingo. Fabian hatte nicht vor sich bei diesem beizeiten zu melden, aber vielleicht war es sinnvoll diesen Kontakt aufrecht zu erhalten, um wirklich etwas daraus gewinnen zu können. Und vielleicht war ja diese zweite Person, der andere Anarch, etwas (v)erträglicher. Interessanter Weise schien Ingo wirklich recht behalten zu haben. Fabian hatte den restlichen Weg vom Industriegebiet hier her leichte Panik gehabt. Immer wieder erschien es ihm, als würde er verfolgt werden. Das musste diese ominöse Kraft gewesen sein, die Malkavianer zu besitzen schienen. Andererseits könnte es auch dieser Nosferatu gewesen sein. Oder aber der Nosferatu war ein Teil der Halluzination? Aber wenn er so anfangen würde, konnte er auch alles in Frage stellen und darauf hatte Fabian gerade wenig Lust.

Er öffnete die Augen und besah sich kurz den Himmel, ohne wirklich zu beachten, was er sah. Dann wand er sich von der Mülltonne ab und blickte über den Teil der Stadt, den er von hier aus sehen konnte. Das war nicht viel, gerade mal die Straße zu seinem Penthouse, die anschließenden Gebäude, die Gärten, die anderen eher reich wirkenden Gebäude hier in diesem Viertel. Man merkte, das man sich in einer Managergegend befand. Fabian fragte sich, ob sein Onkel hier Freunde besessen hatte. Als er hier zu Besuch war, hatte er zumindest nichts davon gemerkt. Aber sein Onkel als Alt-Hippie hätte auch nicht in diese Yuppiezunft gepasst. Grinsend besah Fabian sich den Nachbarzaun, der kunstvoll gestaltet war und wohl irgendein Kunstzeitalter repräsentierte, das schon längst vorbei war. Weiter schmunzelnd wand er sich um und marschierte zurück zu dem weißen Klotz, der minimalistisch designt dann doch etwas unter den restlichen Gebäuden herausstach.

~

Mit ziemlich tiefhängenden Augenlidern versuchte Fabian trotzdem noch etwas zu erkennen. Das dümmliche Grinsen auf dem Gesicht und die versagende Motorik würde jedem Drogenpolizist genügend Gründe zur Urin- und Blutüberprüfung geben. Die leicht zitternden Finger tasteten nach dem Weinglas, das neben dem Liegestuhl auf einem kleinen Basktischchen stand. In einer Laune hatte Fabian den Sonnenschirm aufgeklappt und genoss wie die warmen Sonnenstrahlen durch das wunderbar rot/grüne Spanntuch strahlte. Er genoss die Infrarot-Strahlung, von der er immer wieder sicher war sie sehen zu können. Zumindest würde das seine Aura erklären. Die schillernden Farben seiner Finger hielten ihn dann auch davon ab, das Glas zu ergreifen. Er führte sie näher an sein Gesicht und wendete sie mit einem erstaunten Gesichtsausdruck hin und her. Es war immer wieder erstaunlich, wie sehr die Farben ineinander übergingen. Es kam ihm vor als würde im Sekundentakt die Farbe langsam übergehen in eine dunklere Abart und schließlich war es ganz schwarz. Nach zehn Minuten war er dann doch wieder in der Lage einen Schluck von dem Blut-LSD-Cocktail zu nehmen.
Wieder zurückgelehnt im Liegestuhl schloss Fabian die Augen und genoß die wärme der Sonne. Zwar fiepte irgendwo in seinem Hinterkopf ein kleines Stimmchen der Vernunft, das besagte, er könne die Sonne gar nicht genießen, schließlich war er tot, oder so, aber Fabian lies sich davon nicht stören. Im Gegenteil, er war sich selbst noch nie so bewusst gewesen wie in dem jetzigen Augenblick. Und doch hatte er keine Ahnung, was eigentlich gerade vorging. Er sah nur immerwieder diesen Regenbogen und wusste das es schön war. Und es war nicht wichtig was schön war. Es war schön und Punkt. Seine Extremitäten zuckten und wanden sich immer wieder leicht zu dem Album von Sphongle, das jetzt bestimmt schon den fünften Durchlauf hinter sich hatte. Wirklich bewusst war sich Fabian nicht einmal der Musik, aber er wusste das dies irgendwie zu dem Ganzen gehörte. So wie alles andere eben auch. Die Vögel, die Fabian auf dem Balkongeländer vermutete, die Blumen, die überall zu blühen schienen, zumindest konnte der Brujah sie riechen und die wunderbar warme Sonne.
 
Zurück
Oben Unten