Einfluss [13.05.2008] Alte Bekannte - neue Bekannte

Drakun

Pflanze
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9. Juni 2007
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Eine weitere Nacht in Finstertal. Das Pfingstwochenende war vorbei und das Leben kehrte wieder in seine gewohnten Bahnen zurück. Arbeitstätige zogen sich langsam zurück um neue Kräfte zu schöpfen, während andere erst jetzt richtig munter wurden und im Dunkeln ihren - oft weniger 'rechtschaffenen' - Geschäften nachgingen. Hier im Osten gab es wohl mehr von der zweiten Sorte. Manche freiwillig, manche aus Notwendigkeit. Und für einige traf auch beides zu. Wie für die junge Frau, die gerade durch die Straßen schritt.

Martas Erscheinung war darauf ausgerichtet, sich nicht in den Vordergrund zu drängen und doch bei näherer Betrachtung Eindruck zu machen. Die Absätze waren zwar deutlich zu sehen, doch nicht hoch genug sie zu behindern. Der Rock war kurz ohne dabei aufreizend zu wirken. Eine dunkle Strumpfhose betonte die wolhlgeformten Beine und verhinderte gleichzeitig das Aufblitzen nackter Haut. Die Bluse, im Moment von ihrer Jacke verborgen, verfolgte das gleiche Ziel. Die Haare zusammengebunden und sparsam geschminkt, war sie eher ein Mauerblümchen, dessen Schönheit erst auf den zweiten Blick auffiel.

Perfekt für ihre Pläne. Dies war ein fremdes Jagdrevier und sie war hier um einen alten Bekannten zu treffen. Sie hatten einige Zeit keinen Kontakt mehr gehabt und seine Nummer schien nicht mehr aktuell zu sein. Er hatte zu Phillips Leuten gehört, bevor er weggezog. Man hörte er wäre hier nicht minder aktiv, gegen die rechte Gefahr anzukämpfen. Martin Hoffmann hatte sich diesem Kampf verschrieben. Hoffentlich ist das noch so... So wie Marta das Hovel einschätzte - sie hatte es ja bloß während der 'Krankheitswelle' erlebt - konnte es durchaus ein Ort sein, den er regelmäßig aufsuchte. Also war dies ihr erster Anlaufpunkt.

Komplett ohne Bedenken war Marta nicht Sie kannte zwar einige Leute, doch das hieß nicht, dass sie in der Szene zu Hause war. Mal was sich noch ergibt. So bewegte sich wie ein kleiner Hai inmitten von Schwärmen von Fischen durch ein Riff, das ihr größtenteils unbekannt war. Trotzdem wirkte sie weder unsicher noch übermäßig selbstbewusst. Für viele wohl nur ein weiterer Fisch zwischen den Korallen. Zierlich und elegant, doch mit scharfen Zähnen. Auch wenn man diese nicht unbedingt sehen konnte.
Tu mir einen Gefallen und sei da.
 
Martin Hoffmann war ein mittelgroßer Mann in Jeans und Wollpulli. er saß an der Bar und war in sein Bier versunken, das je wie man wollte noch halbvoll oder halbleer vor ihm auf dem Tresen stand. Seine Lederjacke mit mehreren Antifa - Aufnähern lag auf em Barhocker neben ihm. Er bemerkte Marta nicht während er vos sich hin zu brüten schien.
 
Volltreffer! Saß er doch tatsächlich and der Bar mit einem Bier und starrte Löcher in die Luft. Immer noch der Alte wie es scheint. Laut der Jacke neben ihm war er immer noch im Geschäft. Marta Blickte sich kurz um, überflog die Anwesenden, heute zahlreich erschienen, um zu ermitteln, wer freundlich, wer neutral und wer eher feindselig eingestellt war. Unabhängig davon bewegte sie sich auf ihn zu, nicht eilig, doch auch nicht außergewönlich langsam. Ihre Schritte gingen dabei in der allgemeinen Geräuschkulisse unter.

An der Bar angekommen verwarf sie den Gedanken, ihn einfach von hinten anzutippen. Stattdessen schob sie sich neben ihn an den Tresen. Etwas mehr Dekolleté hätte die Sache bestimmt erleichtert, aber wohl auch zu viel andere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Und hier gab es zumindest einige Gestalten, denen man lieber nicht auffiel. Marta sah zu ihm herüber, legte den Kopf leicht schräg, musterte ihn kurz, bevor sie ihn ansprach. Deutlich, doch unaufdringlich.

"Martin?"

Mal sehen, ob du mich auch noch kennst...
 
Seit wann werde ich denn in der Kneipe von ner heissen Mieze angesprochen? Hat das Universum die Regeln geändert während ich beim Biertrinken war? Ne, halt, die kenn ich schon...Martina, Marion oder so. Jetzt schön cool bleiben, vielleicht geht doch was.

"Was sehen meine entzündeten Augen? Was treibt Dich denn hier her, meine Schöne?"
 
Hinter seiner Stirn schien es zu arbeiten. Name vergessen, oder? Den Gefallen tat sie ihm erstmal nicht. Mal sehen, ob er noch allein darauf kam. Sie grinste ihn unschuldig an und drehte sich etwas weiter zu ihm.

"Ich bin am umziehen, hatte mal einen Tapetenwechsel nötig. Und da ich gehört habe, dass du vor einiger Zeit auch hierher gezogen bist... dachte ich, ich könnte mich mal mit dir in Verbindung setzen."
 
"Biste beim LKA oder Verfassungsschutz das Du so genau weisst wo ich mich aufhalte?" Es war nur halb im Scherz gesprochen. Die linke Szene wurde überwacht und es gab einige Mitarbeiter besagter Dienststellen die sie unterwanderten.
Ich muss vorsichtig sein, wenn die Kleine so plötzlich auftaucht könnte da was im Busch sein. Mal sehen worauf sie hinaus will...und zum Teufel noch mal wie heis die noch gleich...der Nachname war irgendwas aus dem Nibelungenlied...
 
Wie bitte?

"Nein, aber du warst gerne mal an solchen... Orten."

Das Grinsen war verschwunden. Sein recht offenes Missvertrauen schien sie zu treffen. Ihr Blick wechselte von enttäuscht zu vorwurfsvoll und wieder zurück. Marta seufzte.

"Entschuldige, ich... habe dein Gedächtnis wohl überschätzt. Ich bin Marta. Und nein, ich arbeite nicht für solche Leute."

Glaubst du wirklich ich würde Phillip so verraten?
 
"He, nicht eingeschnappt sein, Marta! Das Klima diesbezüglich ist rauher geworden. Erst vor wenigen wochen wurde einer meiner alten Freunde als vom Verfassungsschutz eingeschleuster Informant enttarnt. Wenn man gleichzeitig sieht das die braune Soße hier fast ungestört ihre Hetze verteilen dürfen...aber egal, nimms mir nicht krumm und setz Dich her und lass den Schmollmund, auch wenn extrem süss bei Dir aussieht."
Martin nahm seine Lederjacke vom Barhocker neben sich und bot Marta so Platz an.
"Also Marta, was machste denn wieder hier und was kann ich für Dich tun?"
 
Jetzt war auch wieder ein dankbares Lächeln in ihrem Gesicht erschienen. Klar war der Test noch lange nicht bestanden, aber das konnte man ihm ja nicht verübeln. Hoffentlich niemand, den ich auch kenne. Marta konnte sich eigentlich nicht vorstellen, wer das getan hätte. Die Frage hing trotzdem unausgesprochen im Raum.

"Ja, auf dem rechten Auge blind wie meistens. Sieht es hier denn schlimm aus?"

Sie glitt anmutig auf den Hocker - nachdem sie sich noch einmal kurz von dessen Sauberkeit überzeugt hatte - und schien die Antwort mehr aus seinem Gesicht abzulesen, denn schon war sie beim nächsten Thema.

"Wie gesagt, ich bin dabei hierher zu ziehen. Bessere Aufstiegchancen und so. Privat hält mich auch nichts mehr - zu viele Erinnerungen weißt du."

Ein trauriger Ausdruck huschte ihr über die Züge. Nur kurz, dann war er bereits wieder verschwunden. Zu viele Erinnerungen!? Was war das dann gestern?
 
"Ach, es geht eigentlich. Mir macht mehr dieser Industriemoloch Sorge. Es hat schon mehrere Zwischenfälle gegeben und es wird einfach totgeschwiegen.
Was machste eigentlich beruflich wenn es hier so gute Aufstiegschancen gibt und der Normalo keine vernünftige Arbeit findet?"
 
"Immer noch die selbe Büroarbeit, beziehungsweise bin ich zur Zeit Mädchen für alles. Ich hatte wohl einfach Glück, dass ich schon angestellt bin. Aber hier werden öfters mal Positionen frei. Aber die Firma ist nunmal knauserig mit Einstellungen."

Das war vollkommen korrekt - auf eine gewisse Art und Weise.

"Sag mal was ist denn mit diesem Industriemoloch?" Außer du möchtest das jetzt auch totschweigen.
 
"Ach, vor einigen Jahren gab es wohl mal einen Unfall als chemische Substanzen ins Trinkwasser gerieten udn die ganze Stadt ein oder zwei Nächte völlig malade war. Dabei sind immens viele Menschen gestorben und irgendwie wurde das Thema komplett totgeschwiegen. Und ich meine das dabei eine große Prozentzahl der Menschen in der Stadt gestorben sind. Aber niemand erinnert sich genau was danals war und vor einigen Nächten lagen wieder alle in einer merkwürdigen Art von Koma und ich vermisse mit Paul seither einen Freund und erreiche ihn nicht mehr. Und soll ich Dir was sagen, wieder scheint sich niemand darüber zu wundern. Ich will garnicht wissen welche Opfer diese Katastrophe wieder nach sich zieht."
 
Chemieunfall vor einigen Jahren, viele Tote. Nie davon gehört. Konnte ein Zufall sein, doch gerade die erfolgreiche Vertuschung machte sie skeptisch. Merkwürdiges Koma vor einigen Nächten. Habe ich mitbekommen. Und sie war sich immer noch nicht sicher, was genau dahinter steckte.

"Ja, das habe ich mitbekommen. Bei uns sind auch sehr viele ausgefallen. Man sagt, es wäre eine Krankheit gewesen?"

Martin schien diese Variante - gehört hatte er sicher davon - allerdings nicht wirklich zu glauben. Und wahrscheinlich stand er damit nicht allein. Die offizielle inoffizielle Erklärung ist übrigens kaum besser. Beunruhigend war auch, dass Martin von 'Nächten' sprach.

"Kann ich dir da irgendwie helfen? Mit deinem Freund meine ich."
 
"Nein, lass mal, wenn ich ihn in den nächsten beiden Tagen nicht erreche geh ich zur Polizei, dann sollen die mal nachsehen. Aber Krankheit ist gut - ich wess nicht wie es für Dich war, aber mir war so elend das ich mich kaum bewegen konnte und das scheint mehr als der Hälfte der Bevölkerung genauso zu gehen. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen die sich alle an diese zwei Tage ncht erinnern können, aber alle Syptome beschrieben als wären sie auf einem fiesen LSD - Trip gewesen...nur kommt man von dem schneller wieder runter als binnen 48 Stunden...
Ich wüsste wirklich gerne was hier wirklich vorgeht. Man glaubt fast das es da hinter den Kulissen Strippenzieher gibt die eine großangelegte Verschwörung vertuschen...ich komm mir langsam vor wie Fox Mulder wenn ich darüber nachdenke."
 
Und was wenn er dringend Hilfe braucht? Marta schien das nicht so recht zu gefallen, doch wirklich tun konnte man da auch nichts. Wenn, dann ist es schon zu spät. Eigentlich war Martins Vorgehen ja naheliegend. Zumindest für Leute, die keine Sonnenallergie haben.

"Was denn für eine Verschwörung? Meinst du irgendein Konzern hat seine Anlagen nicht ganz unter Kontrolle? Und vielleicht war es wirklich nur eine schlimme Gripoe oder sowas."

Sie selbst war sich nicht sicher, wer oder was tatsächlich verantwortlich war. Es gab so einige Verdächtige. Natürlich war es vorteilhaft, wenn die Mehrzahl der Bevölkerung an eine Krankheitswelle glaubte. Genau wie es vorteilhaft ist, dass andere an einen Sabbat-Hexer glauben. Marta war von beidem nicht überzeugt. Doch wirkte sie so.
 
"Ne Grippe ist das bestimmt nicht. Ich nenn die Strippenzieher hinter den Kulissen immer die Mächte die sind. Andere glauben an die Illuminaten oder eine Art neue Weltordnung oder Syndikat - eine Gruppe von einflussreichen Bonzen die gemeinsam Kapital, Politik, Medien und Wirtschaft kontrollieren. Es wird Zeit das die Menschen endlich aufwachen und die Kapitalisten an die Wand stellen!"
 
Marta zuckte mit den Schultern, schien nicht wirklich überzeugt von der 'Hintermänner-Theorie'. Zu einfach...

"Ich denke, das 'gemeinsam' kannst du weglassen. Das einzige ist, dass sie sich nicht immer gegenseitig an die Gurgel springen. So läuft das eben. Viel Geld verdienen wollen, an allen Ecken sparen. Und wenn dann etwas passiert, wird es vertuscht. Dazu braucht man keine großartige Verschwörung. Es reicht die Kombination aus Macht und Unfähigkeit."

Auch wenn es manchmal so aussah, es gab keine Gruppe, die alle Fäden in der Hand hielt. Jeder hatte ein paar, der eine mehr, der andere weniger. Kaum einer wusste mit Sicherheit, welche er selbst besaß. Die selbsternannten Puppenspieler taten im Grunde genommen auch nichts anderes, als hier und dort etwas anzustoßen. Man mochte mit der Zeit ein gutes Händchen entwickeln, Geschehnisse zu manipulieren, doch vollständige Kontrolle konnte niemand erreichen, ob nun einflussreicher Bonze oder uralter Blutsauger. Zu viele Spieler, zu viele Möglichkeiten.
 
"Mag sein, die meisten sehen das als Hirngespinste an, warum nicht auch Du. Also, wenn Du hier arbeitest und länger bleibst, was kann ich für Dich tun? Oder hast Du mich nur wegen meines guten Aussehens, brillianten Verstands und Sex Appeals wiedersehen wollen?"
 
Ein freches Zwinkern begleitete ihre Antwort.

"Nicht nur - ich dachte, ich könnte vielleicht behilflich sein." Und umgekehrt.

Mit Sex Appeal war er hier einfach am falschen Ort. Wenn man davon absah, dass Marta nähere Bekannte nicht als Nahrungsquelle nutzte. Sie warf einen Blick über die Schulter, als ob sie nach jemandem suchte, schien aber nichts zu entdecken. Ganz allein hier? Also bekam er nun wieder ihre volle Aufmerksamkeit.

"Wie sind denn deine Bemühungen gediehen. Oder bist du zum Einzelkämpfer mutiert."
 
"Ach, die Bewegung ist nicht mehr das was sie mal zu Zeiten von Rudi Dutschke war und Joschka Fischer ist ja inzwischen auch bürgerlich geworden, die RAF - Gefangenen versuchen sich zu rehabilitieren...es ist wie Kurt Tucholsky schon sagte: Wenn Du in Deutschland einen Bahnsteig stürmen willst stellen sich zuerst mal alle an um eine Bahnsteigkarte zu kaufen.
Die Leute sind faul, satt und träge. Die sitzen alle lieber vor der Glotze und schauen zu wie irgendein Idiot den nächsten Superstar sucht oder gegen einen Ball tritt, als sich zu engagieren. Es ist wie im alten Rom - panem et circenses - Brot und Spiele.
Aber vielleicht bringt diese Immobilien - und Bankenkrise was ins Rollen...wenn unsere Rentner ihre Pensionsansprüche und unser Mittelstand sein Erspartes verliert kommt vielleicht Bewegung in die tumbe Masse. Eine Revolution funktioniert nur wenn die Leute hungern und wenn die Parasiten von den Banken noch lange so weiter machen könnte was anfangen hochzukochen.
Vielleicht sollte sich die Bewegung mehr darauf verlegen den Kreditinstituten und den internationalen Finanzmärkten auf die Pelle zu rücken, das könnte vielleicht was werden. Was denkst Du dazu?"
 
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