[09.05.2008] Langschläfer

Drakun

Pflanze
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9. Juni 2007
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Ein Geräusch hatte ihn geweckt. In seinem Kopf versuchten Mühlen anzulaufen, nur um sofort wieder in klebrigem Brei stecken zu bleiben. Ein langgezogener schnaufender Ton erklang. Ein Rad ruckte, begleitet von einem pfeifenden Klang. Langsam, unendlich langsam, formierte sich die Idee, dass er selbst die Quelle der Ruhestörung sein könnte. Vorsichtig öffnete er die Augen. Er konnte nichts weiter erkennen als eine Ansammlung von Symbolen. Die Symbole, bei genauerer Betrachtung als Zahlen zu identifizieren, starrten ihn ebenso verduzt an wie er sie. Anscheinend hatte jede ihr eigenes Feld, abgesetzt vom Hintergrund, einen festgelegten Ort also. Apropos Ort - wo befand er sich denn mit all den Zahlen? Sein matter Verstand fand eine Möglichkeit, irgendwo außerhalb des Sichtfeldes Bänder zu bewegen, was mit einer Verschiebung der Ansicht änderte. Es erschien eine größere Fläche, ebenfalls mit Symbolen bestückt. Ganz schön spät. Wie? Worte hatten sich in seinem Kopf gebildet. Nach einiger Zeit wurde ihre Bedeutung klar. Er starrte den Gegenstand an, der diese Regung in ihm ausgelöst hatte. Frech saß er auf einer Art Fuß und schien sich über ihn lustig zu machen. Lass mich in Ruhe. Ruhe? Müsste er um diese Zeit nicht auf Arbeit sein? Ein weiterer Kraftakt, manche würden ihn auch als Umsehen bezeichen, brachte die Einsicht, dass es nicht nur so sein müsste, sondern auch so war. Das Foyer der Absteige, die sich selbst mit dem hochtrabenden Titel 'Hotel' schmückte lag direkt vor ihm. Auf einer Seite führte eine Tür ins Freie, wo es finster und ungemütlich war. Auf der anderen ging eine Treppe in die Höhe. Dazwischen eine unscheinbare Tür mit einem Männchen, dass ihn auf ein unangenehmes Gefühl in seinem Unterleib aufmerksam machte. Mühsam und unter größter Überwindung erhob er sich, um lustlos auf das Männchen zuzustampfen. Kurz darauf wurde es mitsamt Untergrund beiseite geschoben und gab den Weg frei.

Als die ersten Tropfen ins Becken fielen, schlug wenige Mter darüber eine Frau die Augen auf. Na gut - aufschlagen traf es nicht ganz, eher wurden sie kurz aufgezogen und fielen beinahe sofort wieder zurück. Marta wälzte sich herum. Am liebsten würde sie einfach liegenbleiben und weiter schlafen. Doch daran war nicht zu denken, schließlich fühlte sie sich, als hätte sie seid Tagen nichts nahrhaftes mehr zu sich genommen. Was? Diese Gedanken waren genug, sie aus dem Dämmerzustand zu befreien. Sie saß nun im Bett, ihre Augen suchten eine Uhr. Verdammt! Was sie sah gefiel ihr nicht. Es war spät. Viel zu spät. Und sie hatte Hunger.
 
AW: [09.05.2008] Langschläfer

Im Bad angekommen offenbarte der Spiegel, was sie bereits geahnt hatte: Sie sah furchbar aus. Eigentlich war nicht wirklich etwas anders, doch die helle Haut kam ihr fahl vor, ihre Haare wirkten Stumpf und ihre Augen leer. So kannst du da nicht rausgehen. Glücklicherweise standen ihr Mittel zu Verfügung, zumindest etwas zu tun. Wenn einem Maler das Bild zu grau war, griff er eben zum Farbtöpfchen. Nichts anderes tat Marta, auch wenn eine Dame solche Tätigkeiten anders zu nennen pflegte. Na dann wollen wir mal sehen... Die Zielstellung war klar: Weg von der wandelnden Leiche, hin zur vitalen jungen Frau. Es muss ja nicht gleich jeder sehen, wenn man sich mal schlecht fühlt.
 
AW: [09.05.2008] Langschläfer

Na also - ist doch schon viel besser! Zufrieden betrachtete sie das Geschicht im Spiegel. Die Haut war immer noch hell, doch hatte sie einen leicht rosigen Ton angenommen. Das Haar fiel in formvollendeten Wellen auf ihre Schultern. Die Augen wirkten deutlich lebendiger und schienen zu strahlen wie Edelsteine. Die Frau im Spiegel war offenbar gesund und munter. Wenn sie sich bloß auch so fühlen würde... Jetzt noch schnell ein paar Sachen zusammengepackt und es konnte losgehen. Die Kleidung war wie immer elegant, doch ein gutes Stück bequemer als in der letzten Nacht, um ihre Bewegungsfreiheit nicht einzuschränken. Jacke ann, Tür auf und - war das ein Knurren? Marta erinnerte sich an die Geschichten über Werwölfe, welche die Stadt unsicher machen sollten. Hatten sie etwa... Hier oben sitzt du in der Falle. Klar sie konnte aus dem Fenster springen. Aus dem zweiten Stock? Wenn dich jemand sieht bist du geliefert! Wieder Knurrgeräusche. Sie kamen von unten. War da ein Schnüffeln? Ihre Hand verschwand in der Tasche, während sie leise zur Treppe schlich, die Ohren soweit gespitzt wie es ihr im momentanen Zustand möglich war. Ein weiteres Knurren. Das klingt aber seltsam regelmäßig. Langsam stieg sie die Treppe herunter und mit jedem Schritt kam ihr die Erklärung 'Werwolf' unwahrscheinlicher vor. Unten angekommen warf sie einen vorsichtigen Blick ins Foyer. Die Geräusche kamen vom Empfang, wo ein feister Herr lautstark vor sich hin schnarchte. Kein Werwolf. Ihr Hunger meldete sich. Wie einfach wäre es ihm die Zähne in den Hals zu schlagen? Der Schläfer schien ein wehrloses Opfer zu sein. Aber willst du wirklich von diesem Fettsack trinken? Der schmeckt bestimmt ganz ölig. Ein lautstarkes Grunzen seinerseits schien ihre Gedanken zu bestätigen. Beinahe hätte sie sich vor Ekel geschüttelt. So hungrig war sie dann auch nicht und es gab da draußen bestimmt bessere Beute. Begleitet von Schnarchgeräuschen trat Marta ins Freie.
Na toll - was für ein Wetter...
 
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