[05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

Morticcia

Addams
Registriert
11. Mai 2006
Beiträge
2.184
Etwa zwei Stunden vor Tagesanbruch schlich die junge Anarche zwischen den Gräbern des Ostfriedhofes hindurch. Dies war das zweite Mal diese Nacht, dass sie einen Totenacker betrat. Dieses mal jedoch, erwartete sie wesentlich weniger Gefahren. Sie hatte sich bei ihrem kleinen Abenteuer auf dem Südfriedhof heimlich mit ihrem Ziehvater verabredet, denn es gab eine Menge Dinge die sie dringend mit ihm besprechen musste.

Morgen Nacht stand eine äußerst gefährliche Auseinandersetzung an und Jenny hatte entschieden, dass sie unbedingt mehr über die Hintergründe dieses ganzen Durcheinanders erfahren musste. Mittlerweile riskierte sie ihre Existenz nur noch für Enio allein und bei aller Liebe, das war einfach nicht mehr genug. Der Sheriff hatte die Angewohnheit entwickelt, sie zwar eng an seine Aktionen zu binden, sie aber in keinster Weise über die wichtigen Einzelheiten zu informieren. Sicherlich ein deutliches Zeichen seines Mißtrauens ihr gegenüber, vielleicht hielt er es auch einfach nicht für nötig.

Aber man war ja nicht umsonst das Kind eines der bestinformiertesten Wesens der Stadt. Wenn ihr sonst niemand etwas erzählte, dann eben über diese Weg. Anscheinend hielten sie viele für dumm und naiv, ein Fehler wie sich noch zeigen würde.

Ungeduldig wartete sie, dass Lurker sich zeigen würde.
 
AW: [05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

Die Nacht wurde langsam immer blasser, die Schwärze zog sich langsam zurück, kroch über die verwitterten Gräber und dunstigen Wiesen wieder in ihr Versteck, so als müsse auch sie sich vor den Strahlen der Sonne verbergen. Sie war mehr als nur der Lebenrsaum der Vampire, sie war eine Verbündete, eine Mutter, vor allem für das Blut der Verborgenen. Feucht vom Tau war die Erde und versuchte sich mit großen Brocken an der Sohle festzusaugen.

Für die einsame Gestalt, die auf dem Boden des Totenackers saß und sich mit dem verbogenem Rücken an einen Grabstein anlehnte, war es immer ein wenig wie nach Hause kommen, wenn sie hier her kam. Auch wenn die ehemalige Gruft im alten Brunnen in diesen Tagen nicht mehr von Lurker genutzt wurden, war dies doch der Ort, den er sich seinerzeit als erstes erwählt hatte. Bevor er heute hier her gekommen war, hatte er das Haus der ehemaligen Geissel besucht. Er hatte es als Gefallen für Dargol bereitgestellt, aber wie sich herausgestellt hatte machte Dargol den Fehler dem falschen zu misstrauen. Sicher war es eine an sich eine kluge Idee, sich eine Unterkunft zu besorgen und die Nosferatu wissen zu lassen wo diese lag. Immerhin konnte man sich so woanders eine Zuflucht suchen und davon ausgehen, dass die Verborgenen dann die Information über die falsche Unterkunft verkaufen würden.
In zweifacher Hinsicht, war diese Idee allerdings unvorteilhaft. Im allgemeinen, weil jeder Nosferatu der sich seine erste Eiterbeule verdient hatte wusste, dass die Leute zu diesem Trick griffen und daher stets davon ausgingen, das die Information über die Zuflicht nur eine Ablenkung war und hier im speziellen, weil es sich herausgestellt hatte, dass die Geissel noch durch die Straßen der Stadt wandeln würde, wenn sie eben doch in dem Haus am Friedhof geruht hätte.

Lurker hatte das Haus unangetastet und friedlich vorgefunden. Es war nicht nur völlig unauffällig und tauchte in kaum einer Akte auf, nein, es war so verdammt unauffällig, gerade weil es in den richtigen Akten auftauchte. Er hatte dafür gesorgt, dass dieses Gebäude in jeder Liste in der so ein Haus stehen sollte auch vorkam. Perfekt versteckt in einem unübersichtlichem und schrecklich langweiligem Wust aus Informationen. Man versteckte Sachen am besten, indem man sie den Leuten so vor die Nase setzte, dass diese sie, auf der Suche nach ihnen, verärgert beiseite stellten und dann am falschen Ort zu wühlen begonnen. Hätte Dargol wirklich dort gelegen, hätten ihn die Wölfe vielleicht nicht gefunden. Sein Pech, dass er dem Nosferatu nicht vertraut hatte. Geschäft war Geschäft und eigentlich hätte der Franzose das wissen sollen.

Auch das war eine Lektion die er an seine Tochter weitergegeben hatte. Sie hatte viel gelernt hier, hatte von ihm beigebracht bekommen, dass sie das Bild das andere von ihr als notorische Nörglerin und Unruhe Stifterin perfekt nutzen konnte um dahinter zu agieren. Wenn sie es nur geschickt genug anstellte, war sie immer die erste Verdächtige in einem Fall, aber auch immer als erste wieder von der Liste gestrichen. Niemand kam jemals darauf, dass eine bereits verworfene Verdächtige doch schuldig war. Das widersprach der logik und zerschlug manchem die Kausalität, sowas mochten die Leute nicht.

Sie wusste wonach sie Ausschau halten musste, daher war es ihr ein leichtes die zusammengekauerte Gestalt zu entdecken. Er hob trotzdem grüßend eine Hand und winkte sie zu sich. Als sie ihn erreichte streckte er kurz seine langgliedrigen Finger nach ihr aus, so dass sie seine Hände zur Begrüßung fassen konnte.

Schön das du da bist. Ich habe mich schon umgesehen, es ist niemand hier außer uns. Willst du hier bleiben, oder woanders hin?

Mit einem leisem Schmunzeln musste er sich eingestehen, dass auch dies eine Art Test für Stray war. Es wäre klug einen Ortswechsel vorzuschlagen, oder zumindest in Bewegung zu bleiben, auch wenn sie ihm vertraute und davon ausging, dass ihr Vater eventuelle Beobachter und Lauscher lange vorher entdeckt hätte.
 
AW: [05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

"Gehen wir einfach ein Stück. Ich mag den Friedhof und noch mehr mag ich es mit dir hier spazieren zu gehen."

Sie zwinkerte Lurker zu und wartete bis er sich erhoben hatte. Dann hakte sie sich bei ihm ein und überließ ihm die Führung. Wahrscheinlich würden sie in den nächsten Sekunden sowieso aus der allgemein beachteten Realität verschwinden und unter dem sicheren Mantel von Lurkers Künsten durch die Nacht wandeln. Wahrscheinlicher aber war, dass er es längst getan hatte.

Die ersten Minuten sagte Jenny gar nichts und genoß es einfach nur einen friedlichen Moment mit ihrem Vater alleine zu sein. Dann aber fing sie plötzlich an zu reden.

"Ich habe mittlerweile sehr viel für die Stadt getan Vater, aber noch immer zieht mich niemand ins Vertrauen. Ich weiß kaum etwas über die Gründe unseres handelns. Was ich weiß sind oberflächliche Überschriften und grobe Umrisse. Nichts mehr. Das stört mich, weißt du? Was ist denn jetzt mit dem Prinzen? Warum darf dieses frisch verstorbene Betthäschen die Stadt regieren? Warum stört es keinen, das so ein Flittchen jetzt hier das Kommando hat? Ist die Camarilla derart vernagelt, dass sie jeden dahergelaufnene Idioten als Chef akzeptieren nur weil er ernst genug darauf besteht ein toller Typ zu sein?"

Ein verlegenes Lächen schlich sich auf die Lippen der Anarche und verlieh ihr für einen Augenblick ein fast kindliches Aussehen.

"Verzeih, ich stelle tausend Fragen..."
 
AW: [05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

Er erhob sich und es sah aus, als faltete sich ein riesiger, schwarzer Käfer auseinander. Pendelnd kam er zum stehen und nickte zufrieden über Strays Wahl. Schnell hatten sie einander an den Arm genommen und nun schlenderten sie geradezu über die Wege des Friedhofes. Lurker war sich selber nicht ganz bewusst, dass er mit ihr praktisch direkt den Weg zum altem, verwilderten Teil des Geländes einschlug. Wäre dies eine touristische Führung gewesen, dann hätte er seiner Tochter erzählen können, dass es ganz hier in der Nähe gewesen war, als er Fabian Mahler das erstemal getroffen hatte.

Fragen sind gut Stray, sie halten die Welt am Laufen.

Er trug seine Kapuze, verzichtete aber in Gegenwart seiner Tochter darauf sein Gesicht zu verbergen, so dass sie aus dem Schatten deutlich ein Grinsen sehen konnte, dass aus schadhaften und vor allem zuvielen Zähnen bestand. Es war schlicht zu groß für einen menschenählichen Kopf.
Zumindest Lurkers Welt hielten sie in Gang, soviel stand fest.

Nein, niemand zieht dich ins Vertrauen. Natürlich nicht. Du bist eine Clanlose. Nicht einmal dein Erzeuger hielt es für nötig sich mit dir abzugeben. Du weißt wie sie sind. Beachte es nicht, nutze es. Du gehörst hier her, zu mir...zu uns. Wir haben die außerordentliche Chance alles zu beobachten, weil wir außerhalb von allem stehen. Weil sie uns nicht dabei haben wollen.

Ein humorloses Auflachen, das wie ein schlecht geölter Metallriegel klang, entrann sich den aufgesprungenen Lippen des Verborgenen. Die Gesellschaft der Untoten war ein Witz. Ein bitterer, tragischer, boshafter Witz. So war das nunmal.

Aber es ist gut, dass es dich stört, wenn du etwas nicht weißt. Es ist gut. Der Prinz, er ist ein verdammter Rosenzögling wie er im Buche steht, musst du wissen. Beschäftigt sich mehr mit Kunst als mit Realität, tanzt wo gehen genügt und singt wo ein gesprochenes Wort ausreicht. Aber ist auch ein gerissener Fuchs. Er ist sehr alt und er ist schon so verdammt lange hier Prinz, dass an ihm mehr dran sein muss, als nur ein parfümierter Charmeur und Opernball Besucher. Niemand überdauert in dieser Stadt, wenn er nicht gut darin ist zu bluffen und seine Trümpfe richtig auszuspielen. Als die Stadt das letztemal bedroht war unter zu gehen, hat er es auch geschafft in Deckung zu gehen und hinterher die Lorbeeren einzuheimsen. Wenn du mich fragst, der Schweinehund ist noch da. Er hat sich aus der Schusslinie gebracht, aber er ist noch da. Ich vermute, dass die Seneschall selber, sein geliebtes Weib,

er spieh es aus, und die Worte troffen vor ironie, gezischt als würde eine Schlange etwas hervorwürgen,

seine Reiseroute an jemanden veraten hat, oder sogar selber etwas eingefädelt hat, um ihn loszuwerden. Aber ich glaube nicht, dass er in diesem Auto saß.

Sie kannte ihren Vater gut genug um seine Bewunderung für den Rosenprinzen herauszuhören. Er mochte ihn und seine Sippe verabscheuen, aber er kam nicht umhin den Toreador zu respektieren für seine Schläue. Immerhin traute er ihm einiges zu, wahrscheinlich ein Zeichen für Jenny diesen Oliver Buchet im entsprechendem Licht zu sehen.

Es spricht für dich, dass du dir Gedanken um die Seneschall und ihre Position machst. Ich werde dir sagen, warum sie im Amt ist und wenn es nach mir geht, auch zunächst bleibt. Sie hat gestern versucht es los zu werden. Sie hat gezetert und geschimpft wie ein Rohrspatz und hanebüchenes Zeug geredet und es war eindeutig, dass sie den Posten loswerden wollte. Ich denke, weil sie weiß, dass der Anführer der Stadt ein prächtiges Ziel abgibt. Sie wollte, dass Pareto die Position an der Spitze einnimmt. Entweder hatte sie vor, ihn dabei draufgehen zu lassen, oder ihn als unfähig da stehen zu lassen, wenn dieser Krieg beendet ist. Dann könnte sie nämlich alle Verantwortung für diesen Mist von sich und ihrem Clan abwälzen und plötzlich wären andere Schuld, verstehst du? Vielleicht hat sie auch noch einen anderen Grund, den ich mir nicht einmal vorstellen kann, einerlei, ich weiß nur was sie wollte und das sie das nicht bekommen darf. Ihre Führung ist ohnehin nur nominell, alle würden dem Sheriff folgen, wenn es hart auf hart kommt und das wird es auch noch.

Er suchte ihren Blick um ihr zu verdeutlichen, dass diese Sache noch wichtig werden würde. Sein lispelndes Krächzend wurde eindringlich und beschwörend.

Wir werden sie und ihresgleichen loswerden. Aber auf unsere Art. Es läuft alles darauf hinaus, dass wir die Noir und alle die an ihr und der Herrschaft hängen durch etwas ersetzen, dass uns mehr entspricht. Ich glaube, dass wir mit Pareto gut beraten wären, am Ende. Darum lassen wir die 'Lady Noir' wo sie ist, weil sie ganz genau da hockt, wo wir sie brauchen. Mitten auf der Zielscheibe. Und wir lassen nicht zu, dass sie jemand anderen zwischen sich und die Gefahr zerrt.

Es war gut, dass Stray das Küken in Frage stellte. Sie musste es nur einmal von der anderen Seite betrachten. Wer Chef war, durfte alles bestimmen, war aber auch alles Schuld. Wenn man den Chef aber ohnehin überging und schon lange mit jemand anderem kollaborierte, was blieb dann von so einer Position? Richtig, plötzlich war man nur noch alles Schuld.
 
AW: [05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

Wie immer zeigte sich in Lurkers Worten viel Weisheit. Nicht zum ersten Mal, war die junge Anarche von seinen Worten und Ansichten zutiefst beeindruckt. Sicher, ein Nosferatu wusste immer mehr als alle anderen. Aber bei ihrem Vater war es, als könnte er auf wunderbare Weise immer auch zwischen den Zeilen lesen.

"Ich verstehe was du sagen willst! Wenn der Prinz aber verraten worden ist und noch lebt. Dann muss er sich doch irgendwo aufhalten? Meinst du nicht, dass man ihn finden könnte? Ich denke mir, dass es recht lustig werden könnte, wenn der Chef persönlich wieder in den Ring klettert und seiner Anvermählten mal zeigt wo der Hammer hängt..."

Jenny stockte und rieb sich den Nacken.
Ihr war da gerade in Gedanke gekommen.
Vielleicht etwas spät, aber immerhin...

"Es sei denn, er will gar nicht gefunden werden und wurde gar nicht verraten! Wenn die Seneschlampe ihn hätte ausschalten wollen wäre sie doch doof ihn am Leben zu lassen, oder nicht? Wenn Buchet also noch lebt, dann ist alles was geschehen ist, nur deshalb geschehen, weil er es so wollte? Meine Güte, wenn man sich so etwas überlegt, fragt man sich doch, ob man gegen solche Wesen überhaupt ne Schnitte hat. Ich meine im Ernst, ich und meine anarchistischen Gedanken kommen uns da verdammt kläglich vor! Jämmerlich gradezu..."

Sie seufzte.
Wenn Buchet schon derartige Dinge konnte, was hatte dann erst so ein Drecksack wie Zacharii auf dem Kasten? Jenny gab es nicht zu, aber sie wurde in diesem Augenblick von einer tosenden Welle hoffnungslosigkeit überwältigt. Hatte der ganze Mist überhaupt einen Sinn? War es nicht eher so, das sie alle - Lurker und Enio eingeschlossen - bestenfalls Marionetten waren? Puppen denen man einredete sie hätten einen freien Willen?

"Moah, das ist doch alles Scheiße!"
 
AW: [05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

Was mit Jenny geschah, passierte mit jedem der Untoten, früher oder später. Manche wurden sich dessen vielleicht niemals wirklich bewusst, aber jeder einzelne von ihnen öffnete eines Nachts die Augen und starrte in die endlose Wüste aus leerer Ewigkeit. Die Zeit trieb wie der Wind Augenblicke, Sandkörnern gleich, über die Dünen der Einöde aus Unendlichkeit. Nicht wenige von ihnen verloren den Verstand. Viele vernichtete diese Ungeheuerlichkeit, wenn sie mit der Wucht der Erkenntnis für einen Augenblick völliger Klarheit erkannten, dass es für alle Zeiten so weiter gehen würde. Der Verstand eines Menschen war nicht für die Unsterblichkeit geschaffen. Das Monster konnte überleben, aber der Mensch brauchte eine Brücke, etwas woran er sich klammern konnte. Eine Tretmühle, wenn man so wollte, damit er wie in einem Hamsterrad immer weiter laufen konnte. Sonst drehte man einfach durch.

Ja, die schiere Größe dieser Sache sprengt einem den Verstand. Wir können niemals wirklich das ganze Bild sehen Stray. Selbst diejenigen, die denken, dass wir die Ratten in ihrem Labyrinth sind und sich über uns beugen um uns zu beobachten, mögen nur Handpuppen sein. Aber es ist auch eine Gnade. Konzentriere dich. Konzentriere dich auf das hier und jetzt, auf das unmittelbare und plane daraus das abstrakte. Wenn die Dinge anfangen sich zu ändern, und das tun sie andauernd, dann passe dich an. Bedenke... Ratten wird es noch geben, wenn der letzte Wissenschaftler längst nur noch ein verwesener Haufen, bleicher Knochen in einem weißem Kittel ist.

Er tätschelte beruhigend ihre Hand und gab ihr eine Sekunden ihre Gedanken zu sortieren. Man verlief sich praktisch sofort, wenn man versuchte zu weit oben anzusetzen im Baum der Erkenntnis.

So wie ich das sehe, hockt der alte Belgier irgendwo und wartet ab, bis die Hunde den falschen König zerrissen haben. Entweder dass, oder sein eigenes Kind hat ihn tatsächlich erwischt und ausgelöscht. Das wäre mir beinahe noch lieber, denn das hieße, dass wir uns nach Noir keine Gedanken mehr machen müssten, dass jemand Enio wieder die Butter vom Brot nehmen will. Ich hoffe aber, dass diese Sache so große Wellen geschlagen hat, dass der Rosenprinz sich diesesmal unmöglich gemacht hat und seinen Thron nicht mehr besteigen kann.

Pareto hatte eine gute Basis um sich herum und war selber kein geeignetes Ziel für Buchets größte Waffe. Die Politik. Wenn der alte Toreador seine Köder und Fallstricke auswarf, dann würde wahrscheinlich einigermaßen verzweifelt feststellen, dass der neue Brujahprinz sich schlicht und ergreifend nicht danach bücken würde. Deswegen war der Italiener ja so eine ausgezeichnete Wahl. Seine schrecklich unpolitische Art, machte ihn beinahe unverwundbar gegen solche Angriffe.

Kurz plärrte eine kleine, paranoide Stimme im Kopf des Nosferatu ob der Ahn vom Clan der Krawallbrüder genau dies nicht vielleicht viel berechnender einsetzte, als er das eigentlich glaubte. Möglich das Pareto nur den raubautzigen Brujah gab und dass tatsächlich Kalkül dahinter steckte?
Kurz packte Lurker dieselbe Panik, die auch Stray erfasst hatte. Dann riss er sich aber wieder zusammen. Er würde den Sheriff einfach im Auge behalten. Bislang gab es keine Anzeichen dafür, dass der Turiner mehr war, als Lurker dachte. Alleine dass er sich aber der Tatsache bewusst war, dass es so sein könnte, würde seinen Verstand schärfen und ihn auf derartiges achten lassen.

Oder deine paranoiden Vorstellungen treiben dich in den Wahnsinn und du siehst Dinge und Zeichen, die es nicht gibt.

Es gibt zumindest keinen Grund dir jämmerlich vorzukommen. Du glaubst an etwas, du hast eine Idee. Im schlimmstenfall irrst du dich halt, aber vielleicht hast du auch Recht mit dem was du denkst, wer kann das wissen? Der Schwachpunkt deiner Idee ist wie so oft, das Individuum. Das was du als höchstes gut ansiehst, ist nicht jedermanns Ding, weißt du? Deine Idee mag wunderbar funktionieren, solange der Einzelne gut, stark und edel ist. Aber was wenn er schwach ist? Falsch und feige? Wenn er andere ansteckt mit dieser Fäule? Die Menschen sind schwach Stray, schwach, korrupt, grausam und neidisch, gemein und rachsüchtig und wir Stray...wir werden aus Menschen gemacht.

Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, auch wenn er nicht unbedingt ihrer Meinung war. Ihm war es egal wie das System hieß, Camarilla, Sabbat, Anarchen. Schall und Rauch, was viele für Regen hielten entpuppte sich als Tau, die große, alles lösende Antwort auf die Frage war manchmal einfach 'wie war die Frage noch gleich'? Was nutzte einem der philosophische Diskurs? Er war kein Idealist, er war Opportunist.
Er wollte sie nicht schwermütig machen. Darum wurde sein Grinsen wölfisch und seine Stimme neckend als er fortfuhr.

Oder....ich irre mich...wer weiß?

Er knuffte der Caitiff gutmütig in die Seite.
 
AW: [05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

Sie grinste und legte ihren Kopf auf seine Schulter.

"Ich weiß nicht! Wenn du mich fragst haben Menschen viel mehr Potential, wenn man ihnen die richtigen Möglichkeiten gibt. Das Problem ist nicht der Mensch selbst, das Problem ist das System in dem er lebt. Sieh dich um. Machtgier, Selbstsucht und Rücksichtslosigkeit werden gefördert. Je brutaler ich mit meinem Gegenüber umgehe, desto erfolgreicher bin ich. Mein Traum dreht diese Sache um. Sie stellt die Gemeinschaft vor das Individuum. Nur wer sich für die Gruppe stark macht, kann Ruhm ernten. Und nur wenn er seine Anstrengungen allein auf das Wohl der Gemeinschaft richtet, kann er diesen Ruhm beibehalten. Bei den Menschen klappt das nicht, weil sie so viele sind. Bei uns aber, die wir in kleinen Gruppen leben, ist es perfekt. Jeder Clan legt Ziele und Wünsche fest und bestimmt einen wechselnden Vertreter der sie in der großen Runde für sie spricht. Wenn alle ihre Gedanken vorgebracht haben, wird beraten. Dann wird abgestimmt, wobei jeder Clan unabhängig von seiner Größe eine gleichwertige Stimme hat."

Sie grinste, es war das erste Mal das sie mit ihrem Vater über diese Thematik sprach. Stolz berichtete sie von ihrem Traum.

"Ein Problem ist, dass es unter Umständen recht schwerfällig werden kann. Aber auch dafür habe ich eine Lösung. Man könnte ein Notfallgremium bennenen, dass in Notfällen Entscheidungen vorweg nehmen kann, diese aber nachher trotzdem vertreten muss. Zudem muss jeder Clan in der Lage sein, innerhalb kürzester Zeit Heim und Hof zu verteidigen. Die Macht wird verteilt, Besitztümer können so verbleiben wie sie sind, denn glücklicherweise benötigt der Vampir kaum Geld und Vermögen. Wir beziehen unsere Nahrung durch Gewalt und nicht durch Reichtum. Äh, ich fange an zu plappern, verzeih!"
 
AW: [05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

Hatte Stray nun eine Schwäche für Menschen? Oder war es nicht eher eine Schwäche für Hilfebedürftige? Wohl eher letzteres, denn für wohlhabende Menschen der Oberschicht hatte die adoptiv Nosferatu ebenfalls nur Verachtung übrig. Es war für ihn aber gar nicht wichtig ob ihre Gedankenkonstrukte nun funktionieren konnten oder nicht, noch nicht einmal ob ihre Ambitionen politischer Natur waren oder sich in ganz andere Bahnen brechen wollten. Für Lurker war nur wichtig, dass seine Tochter ihren Kopf benutzte. Es brachte rein gar nichts, wenn man sie tadelte, oder versuchte sie zu sehr zu lenken. Sie würde nur nicken und Besserung geloben, aber genauso gut konnte man versuchen mit einem bodenlosem Krug Wasser zu schöpfen.

Wenn man aber die richtigen Themen fand, dann war sie sofort Feuer und Flamme und jederzeit bereit jedes Quentchen ihres Intellektes aufzubieten. Das war es was er schärfen wollte. Ihre Denk Prozesse. Seine Tochter hatte mittlerweile verstanden, dass es viel einfacher und effektiver sein konnte wenn jemand nur dachte, dass er gleich von ihr eine üble Schelle bekommen würde, als wenn man mühsam erst wirklich jeden einzelnen verprügeln musste um ihm etwas zu beweisen.

Er würde also ihre Gedankengänge am Laufen halten, egal um was es dabei eigentlich ging.

Und was ist mit solchen wie Meyye? Was passiert, wenn sie plötzlich als Vertreterin in irgendeinem Rat sitzt? Im Augenblick ist sie die Vorsitzendes eines unorganisierten Haufens und ihr Clan hat genau ihr Gewicht und sonst keines, weil kein anderer Gangrel hier mitmacht. Sollte sie plötzlich dann gleichberechtigt sein? Wechselnde Vertreter wird der Clan des Tieres wohl kaum stellen, solange er immer nur ein Mitglied hat, dass sich um irgendetwas kümmert.

In dieser Frage steckte natürlich auch zwischen den Zeilen das Problem, dass sich immer bestimmte Personen als Vertreter in so einem Rat durchsetzten würden. Nur wer profilierungssüchtig genug war und sich selber gerne in so einer Postion sah, würde sich in Strays Rat als Vertreter aufstellen lassen. Wer wirklich einfach nur etwas für die Gemeinschaft tun wollte, wem wirklich nur das Wohl anderer am Herzen lag, der ging einfach los und tat etwas. Politik war immer auch eine Bühne und auf eine Bühne wollten immer Schauspieler. Die wirklichen Macher waren viel zu sehr mit der tatsächlichen Arbeit beschäftigt, als das sie sich um ein Publikum bemühen könnten.

Und dann haben wir da noch Clans wie die Königsblütigen. Da würde ein schlauer Strippenzieher sicher schnell dafür sorgen, dass nur leicht zu beeinflussende Abkömmlinge, die nach seiner Pfeife tanzen, in den Posten des 'Clans Vertreters' kommen, oder? Selbst wenn die dann plötzlich alle gemeinnützig werden, was ist mit waschechten Psychopathen? So wie Fabian Mahler einer ist. Der wäre doch in deinem System sicher gut gediehen nicht war? Jetzt denk mal daran, dass es in unseren Reihen eine ganze Gemeinde gibt, die aus Psychopathen und Irren besteht.

Sein witzelnder Abschluss des Themas, in dem er die Mondkinder ansprach, nahm der Frage nach dem Brujah DJ die Schärfe. Aber das Problem blieb bestehen. Mahler wäre bestimmt ein wichtiger Teil so eines Konstruktes wie es Jenny vorschwebte geworden. Solange bis er es aus Spaß in Brand gesteckt hätte.
 
AW: [05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

"Hehe! Ich sagte ja das jeder Clan wechselnde Vertreter zu entsenden hat. Nicht nur weil einige mehr Talent zur Manipulation haben, als andere, sondern auch damit jeder im Clan die Möglichkeit hat, sich in der gleichen Weise einzubringen. Ich gestehe ein, dass gerade die Gangrel und Meyye ein gutes Zeichen für mögliche Schwachstellen in meiner Idee sind. Aber wenn ein Clan nur aus einem einzigen Mitglied besteht, dann hat er doch eh genug Probleme am Hals, meinst du nicht? Dann soll auch der Eine die Chance haben seine Interessen zu vertreten."

Ein vergnügtes Grinsen umschlich ihre Lippen.

"Auch die Verrückten haben Rechte! Warum sollte man sich nicht wenigstens anhören was sie zu sagen haben? Und die richtig gefährlichen sind in jedem System gefährlich. Fab hat sich durch die Regeln der Camarilla auch nicht halten lassen, nicht wahr? In meiner Welt aber, ich nenne sie jetzt einfach mal so, würde sein Fehlverhalten wenigstens sofort auffallen. Denn wo ein aufrichtiges Miteinander herrscht, Fairniss, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung die Maßgebenden Regeln sind - Nicht etwa Knechtschaft, Angst, Terror und Unterdrückung - da hält man eben auch zusammen. Ich wette, dass es Terroristen in dieser Gemeinschaft wesentlich schwerer fällt ihre Pläne durchzusetzen."

Sie seufzte.

"Außerdem! Ich rechne nicht damit, das meine Idee der Gemeinschaft frei von Bedrohungen sein dürfte. Sicherlich gibt es auch in dieser Idee den ein oder anderen inneren Feind. Solche die es immer besser machen wollen, oder solche die geil sind auf die Macht. Aber daran wird sich zeigen, wieviel mein Traum wert ist. Sollte ich auf das falsche Pferd gesetzt haben, dann gehe ich halt mit ihm unter. Aber ich habe dann wenigstens versucht die Welt für alle ein wenig besser zu machen. Und Vater, dass können hier in der Stadt ja mal die wenigsten von sich behaupten!"
 
AW: [05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

Sie hatten den alten und verwilderteren Bereich des Friedhofes erreicht. Hier waren sie von einer Ansammlung von Bäumen geschützt. Der alte Brunnen in dem Lurker sich eine Zuflucht errichtet hatte, seine Erste feste Behausung in der Stadt, war nicht weit von hier. Auch diese Höhle unterhalb der verwitterten Steine war vermutlich eine Hinterlassenschaft des Koldunen. Ein Altar, direkt aus dem Gestein geschlagen und ein verrosteter Haufen Ketten in einer Halterung in der Wand, zusammen mit einem Haufen alter Erde.
Die meisten seiner Art in dieser Stadt wären wahrscheinlich schreiend davon gelaufen, bei dem Gedanken in einem Loch zu hausen, in dem vormals ein Former sein Unwesen getrieben hatte, aber der Nosferatu hatte tatsächlich sogar auf dem Altarstein geruht während der Tagesstunden. Er war kein Narr, er wusste um die Bestialität des Drachenclans, sogar zu gut. Aber wirkliche Angst machten ihm nur jene Pläne dieses Zacharii, in denen es darum ging alle Vampire der Stadt auszulöschen.
Er setzte sich im Schneidersitz auf einen alten Grabstein, der wie ein maroder Zahn aus dem Boden zu wachsen schien. Schwer zu sagen wie alt das aufgegebene Grab hier sein mochte.

oh..ich fürchte wenn du es besser machen willst, darfst du dich nicht auf der Tatsache ausruhen dass solche Leute auch in anderen, für dich schlechteren, Systemen gefährlich sind. Sonst ist es nur ein kleiner Schritt dahin zu sagen 'natürlich bleiben bei uns Leute auf der Strecke, aber das ist bei der Camarilla auch so und bei uns sind es doch viel weniger'. Entweder machst du es besser, oder nur anders. Beides ist legitim, aber schreibe dir nicht das Eine auf deine Fahne, wenn du das Andere meinst.

Hatte sich da ein leiser Hauch von Härte in die Stimme des Nosferatu geschlichen? Stray wusste, dass ihr Vater praktisch nicht an der Gemeinschaft der Camarilla teilnahm. Es gab einige Dinge, die über ihn in den Akten auftauchte, aber das war kaum mehr als die Tatsache, dass er in der Stadt war. Natürlich hatte der fleissige Italiener Romero, mögen Maden seine Eingeweide fressen und ihm ihre Hinterlassenschaften aus den Ohren quellen, eine Menge über ihn gesammelt. Sicher in Bezug auf seine Kontakte zum Sabbat vor einigen Jahren. Aber im Grunde, was bedeutete es, wenn man über einen Verborgenen in seiner Akte führte, dass er sich im Untergrund aufhielt und mit dem 'Feind' umtriebig war? Taten das nicht alle diesen Blutes? Kamen nicht genau daher die Informationen die die Camarilla über den Feind hatte? Genauso gut konnte man auf einer Landkarte die vielen, weißen Flecken beschriften, indem man überall hinschrieb 'Hier könnte es Drachen geben'.

Obwohl er also nicht in ihren Elysien auftauchte, obwohl er keinen Umgang mit den offiziellen hatte und sich niemals mit den Amt und Würdenträgern der Gesellschaft abzugeben schien, hatte er vielleicht doch einiges mehr einstecken müssen, als man bei seiner harschen Art annehmen würde?
Jenny wusste, dass er sich einen Dreck für diese gesellschaftlichen Themen interessierte. Er nannte das spöttisch die 'Sektenfrage' und hielt das ganze in etwa für so wichtig, wie der Spatz die Fellfarbe der Katze halten mochte. Aber hatte sie sich jemals gefragt warum er diese Einstellung hatte?

Wie mochte es gewesen sein für dieses Geschöpf? Er war ausgestoßen worden aus der einen Gemeinschaft, die ihn und seinesgleichen ohnehin niemals wirklich wollte und hatte sich eine andere Familie gesucht. Eine monströse Familie, ohne Frage, aber sie war sein Heimat. Doch sie waren alle weggebrochen. Wie verkrusteten Schlamm hatte der harte Regen Finstertals sie Stück für Stück weggespült. Lurker war sehr lange alleine gewesen. Der Einzige seiner Art in dem riesigem Labyrinth unter der Stadt.
Als einziger war er übrig geblieben wo viele andere aufgegeben hatten. Was hatte ihn zu dem gemacht was er war?

Es brach kein Gewitter über sie herein. Nichteinmal Wolken zogen wirklich auf. Vielleicht hatte Stray auch nur geglaubt fernen Donner gehört zu haben. Das sie damit tiefer in die zerklüftete Landschaft der Seele ihres Gegenübers geschaut hatte als er für irgendjemanden zuließ würde er sicherlich nicht kommentieren.

Die wenigsten in der Stadt können überhaupt von sich behaupten irgendetwas getan zu haben, dass weiter reicht als ein Penny breit ist, aber um die ist es noch nie gegangen, nicht wahr? Wenn sich alle Dinge so weit bewegt haben wie wir es geplant haben, dann werde ich mit Enio sprechen. Er wird dir zuhören.

Es war Lurkers ernst. Was auch immer in seiner Vergangenheit geschehen war, er war noch immer hier und er wollte es irgendjemandem heimzahlen. Er war entschlossen etwas zu verändern und das tat er. Unmerklich vielleicht, ungesehen, ohne dass man etwas ahnte, türmte er jede Nacht ein Sandkorn auf das Andere.
Wenn er sein Ziel erreicht hatte, würde er dafür Sorgen, dass man seiner Tochter zuhörte.

Aber wir sind politisch geworden, nicht wahr? Wir waren bei der Seneschall. Du verstehst nun, warum sie wichtig ist, da wo sie ist? Es hält sie beschäftigt, sorgt dafür dass wir Ressourcen frei haben und kann später weggeschnitten werden, wenn es darum geht die Sache zu...bereinigen. Ist sonst noch etwas unklar? Und vielleicht viel wichtiger, ist dir noch etwas auf- oder eingefallen? Haben wir noch etwas übersehen oder nicht bedacht?

Niemals würde er ein so offenes Gespräch außerhalb des Clans führen, aber Stray war Familie und ihre Gedanken gehörten genauso hier her wie seine. Gut möglich dass sie etwas bemerkt oder erkannt hatte, das allen anderen bisher entgangen war.
Es war einfach die kleine Caitiff als Kettenhund in den Kampf zu werfen und sich dann hinter sie zu stellen. Sehr bequem und die Oberen der Stadt kamen sicherlich gerne auf sie zurück, wenn es darum ging. Aber sie hatte sich Gedanken gemacht, sonst wäre sie nicht hier. Er hatte bis heute Schwierigkeiten sie einfach so in eine Gefahr ziehen zu lassen, so sehr sie ihn auch gebeten und so oft sie ihm auch das Versprechen abgerungen hatte, dass er sie gehen ließ und sie als Kämpferin akzeptierte, er wäre immer noch am liebsten immer hinterher gegangen um sie zu beschützen. Aber gut, er hatte ihr versprochen es zu akzeptieren. Nicht das er es mögen musste. Viel weniger Probleme bereitete es ihm hingegen sie als gleichwertige Gesprächspartnerin zu akzeptieren. Auch schon als sie nichts mehr als ihren 'ungebildete, freche Göre' Modus in die Waagschale geworfen hatte.
Seltsam, denn in vielerlei Hinsicht war er in dieser Hinsicht das genaue Gegenteil von dem, was die meisten anderen von ihr dachten. Es fiel den meisten leichter sie als Haudegen zu akzeptieren, als als Gesprächspartner.
 
AW: [05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

"Ich will es nicht nur 'anders' machen und 'besser' ist sicher auch nicht das richtige Wort. Ich will es 'richtig' machen, Vater. Und ich weiß, dass ich noch Ewigkeiten von einer perfekt geregelten Form der Gemeinschaft entfernt bin. Typen wie Fabian aber, Terroristen ohne Ziel und innere Werte wird es immer geben. Was ich mir vorstelle ist aber, das so jemand in einer eng zusammenstehenden Gemeinschaft gar nicht erst Fuß fassen kann. Fabian war abhängig von meiner Mitarbeit und hat sich meine Unzufriedenheit mit dem System für seine Scheiße zu nutze gemacht. Stell dir vor, dass es eine Stadt gibt, in der sich niemand auf Fabians Seite stellen würde, weil er keinen Sinn darin sieht ihn zu unterstützen."

Ein tiefer Seufzer entrang sich ihrer Kehle. Es war nicht zu überhören das er nicht nur aus ihrem Inneren sondern dieses Mal sogar aus den Tiefen ihrer Seele selbst nach oben kam.

"Ich fürchte nur, dass es derartig viele Feinde von außerhalb geben würde, dass an eine friedliches Zusammenleben nicht zu denken ist. Aber ich gebe den Gedanken nicht auf, niemals!"

Schweigend hörte die Caitiff Lurkers weiteren Ausführungen zu. Als er geendet hatte schwieg sie selbst eine ganze Zeit und dachte nach. Dann, völlig unvermittelt, begann sie zu sprechen.

"Ich weiß nicht? Ich kenne diese Noir ja nicht. Aber ich kenne andere Mächtige. Aus Hamburg, Bremen, wo auch immer. Was bei diesen Mistkerlen immer gleich war ist, dass sie stets drei Schritte weiter sind als alle anderen. Wie gesagt ich kann nur raten, aber ich wette Noir weiß das sie auf einem sehr wackeligen Stuhl sitzt. Trotzdem hat sie sich draufgesetzt. Was wenn nicht wir am Drücker sind, sondern sie uns genau dort hat, wo sie uns haben will? Und das jetzt nicht als Verschwörungstheorie gesagt, die gibt es über die alten Säcke ja nu zu Hauf. Nimm es mal als ernsten Gedanken zu einem möglichen Problem. Wenn ich alles zusammenrechne was ich weiß, gut das ist verglichen mit dir nicht mehr als der Furz einer Amsel, dann komme ich immer wieder zu dem Schluß das diese Noir entweder vollkommen verblödet ist, oder es eben faustdick hinter den Ohren hat. Und mal ehrlich Vater, wieviele mächtige Idioten kennst du?"
 
AW: [05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

Der für ihn wichtige Punkt war eher, dass Stray erkannte wie wichtig sie für Mahlers Pläne war und wie er sie eingespannt hatte. Für ihn stellte sich das alles ziemlich einfach dar. Wenn er und die seinen alle Fäden in der Hand hielt, konnte niemand mehr seine ganz eigene Suppe kochen und sie über anderen ausschütten. Schön wenn alle in trauter Gemeinsam- und Glückseeligkeit ohnehin nicht mehr auf die Idee kämen irgendwo Unsinn zu fabrizieren. Dann hatten sie auch nichts zu befürchten, wenn jemand sie streng kontrollierte. Nur zur Sicherheit.
Es war das alte 'wenn alle ihre Haustüren abschließen, wird nicht mehr so viel geklaut' Argument, in dem die Opfer generös eine ordentliche Portion Mitschuld eingeschenkt bekamen.

Gut. Du siehst also dass jemand deine Ziele auch immer gegen dich einsetzen kann. Je mehr man bereit ist den Kopf zu senken um damit durch die Wand zu gehen, desto eher schafft es jemand dann dich in die falsche Richtung zu drehen, weil du nicht mehr hinsiehst wo du gerade hin unterwegs bist. Wenn du denkst das jemand dein Verbündeter ist, frage dich jeden Tag aufs neue warum zum Geier derjenige das eigentlich ist.

Sie konnte hören das er zumindest mit ihrer Analyse sehr zufrieden war. Es hätte bei der Sache für Lurker freilich auch um einen geplanten Leberwurst Diebstahl gehen können, aber immerhin legte er seiner Tochter lobend die Hand auf den Kopf und hatte ihre Ideale nicht völlig verworfen, sondern im Gegenteil noch gesagt er wolle dafür sorgen dass sie eine Chance bekäme. Das war mehr Partei, als er jemals ergriffen hatte, seit dieses 'kleine Missverständnis' seinerzeit passiert war und er zwischen die Sekten Fronten geraten war.

Auf ihre Frage nach mächtigen Idioten schmunzelte der Nosferatu und ein schalkhaftes Glitzern tropfte in seine sonst so steril wirkenden Augen. Tatsächlich gluckste er leicht, als er schließlich antwortete.

Du meinst außer unserem Oberhexer?

Immer noch breit grinsend winkte er dann aber ab. Sie hatte Recht, aber sie waren unter sich, da erlaubte sich Lurker desöfteren einen Scherz, wo er bei jedem Anderen nur ätzenden Sarkasmus oder wortkarge Verachtung übrig hätte.

Du hast natürlich Recht, ja. Die wirklich mächtigen einer Domäne sind immer auch die besten Puppenspieler. Aber einige Dinge sind für uns auf der Haben Seite. Zum einen, wir sind für die nur Ratten. Sie trauen uns nichts rechtes zu und sind blind in ihrer Arroganz. Wir sind nur Dreck und laufen den Happen hinterher die sie uns zuwerfen. 'Macht die hässliche Kröte zum Primogen und sie wird uns gefällig sein um ihre Macht zu erhalten.' Pah.

Er spieh aus, wenn auch nur symbolisch, um zu verdeutlichen was er von dieser ganzen Posse hielt. Natürlich nahm er das Amt das er angenommen hatte durchaus ernst und war bereit sich um sein Blut hier in der Stadt zu kümmern, aber das hatte er seit eh und je getan.
Aber er ließ sich nicht einwickeln oder damit abspeisen. Er würde nicht anfangen knurrend den Knochen zu verteidigen den man ihm hingeworfen hatte um ihn abzulenken, sondern weiter den fetten Braten auf dem Fensterbrett anvisieren.

Zum Anderem versuchen uns jene eben mit dieser Furcht zu kontrollieren. Sie wollen uns nur zu gern glauben lassen, dass sie stets drei Schritte voraus alles geplant haben und wir ihnen nur in die Hände spielen. Ich behaupte aber, dass sie auch nur geschickte Opportunisten sind, die das Eisen schmieden solange es eben heiß ist und es zu dem hämmern was ohnehin gerade herauskäme. Wenn es dann eben ein Schürhaken anstelle eines Schwertes wird, behaupten sie einfach, dass wäre natürlich alles von langer Hand geplant gewesen und sie hätten sich halt darauf verlassen, dass man dächte sie wollten ein Schwert schmieden, obwohl es stets ein Schürhaken werden sollte. Solange wir immer denken, dass sie alles kontrollieren, tun sie das auch. Und sei es auch nur durch uns selbst, die wir ihnen das zugestehen, weil wir ihnen den Mumpitz abkaufen.

Er war nun lange genug auf fahrende Züge aufgesprungen um zu verstehen dass man sich keine Gedanken machen sollte wie man zu einem bestimmtem Bahnhof kam, sondern sich lieber umschauen sollte wie einem der nächste Bahnhof auf dem man nun einmal gelandet war, nutzen konnte. Nur so kam man irgendwann dazu, auch an den Fahrplänen mitschreiben zu dürfen.

Außerdem ist die Noir kein mächtiger alter Vampir. Sie ist ein Rosenküken. Aufgezogen, gefüttert und gehätschelt von einem Meister seines Faches persönlich, ja. Nur darum ist sie überhaupt noch an der Spitze und konnte so lange dort herumkrauchen, aber auf lange Sicht...nur ein Küken. Natürlich hat sie einen Plan und natürlich wird sie versuchen uns zu benutzen, so wie das Mahler versucht hat, aber sie weiß nichts von dem was wir vorhaben. Sie ahnt hier etwas und hört dort etwas, schön und gut. Aber nur wenn man bis zum Ende mitpokert, kann man sehen was der Andere auf der Hand hat. Und wer hat schon ein bessere Pokerface als wir?

Den letzten Teil raspelte er wieder mit dem rostigem Charm eines Zahnlücken behafteten Sägeblattes hervor. Es war scheußlich wenn er grinste. Aber immerhin war er scheinbar gut gelaunt.
 
AW: [05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

"Also wenn ich eines mittlerweile verstanden habe, dann das es kein Thema gibt, das so kompliziert ist wie die kainitische Politik.
Aber ich bin fest entschlossen mich einzuarbeiten und mehr über die fiesen Tricks der hohen Damen und Herren zu lernen.
Momentan stehe ich alleine da mit meiner Idee. Ich meine außer dir jetzt! Kann also nichts wirklich bewegen. Aber ich kann lernen und zusehen.
Wenn ich dann irgendwann auf andere treffe, die denken und fühlen wie ich, kann ich den Kampf wieder aufnehmen."

Nachdenklich und entschlossen sah Jenny zu ihrem Vater hinüber.

"Und ich werde den Kampf wieder aufnehmen. Egal was passiert und egal wie es endet!
Ich kann die Gesellschaft in der wir leben einfach nicht kampflos hinnehmen.
Die Camarilla ist falsch, ihre Strukturen und Gefüge sind falsch. Und auch wenn ich es niemals schaffen sollte wirklich etwas zu verändern, so werde ich doch verdammt noch mal so feste wie ich nur kann von außen gegen den Rahmen treten. Möglich das ich nix kaputt mache, aber zumindest hören wird man mich, dass schwöre ich dir, Vater!"
 
AW: [05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

Den ersten Teil ihrer Ansage hörte er, wie stets, mit Wohlwollen. Je mehr seine Tochter wusste, je mehr Informationen sie ansammelte, seien sie allgemeiner oder persönlicher Natur, desto wertvoller wurde sie Andere und desto mehr Macht konnte sie selber ausüben. Wenn man etwas über jemanden wusste, dann konnte man ihn beeinflussen. So einfach funktionierte das. Daher schenkte er ihr ein Nicken.

Tue das. Aber sei umsichtig dabei. Am erfolgreichsten bist du gewesen, wenn alles sich so entwickelt wie du es wolltest, ohne das jemand auch nur weiß, dass du da warst, oder entsprechende Ziele verfolgst.

Das sie darin eine Aufforderung für ihre kleine Rebellion sehen mochte, kam Lurker gar nicht recht in den Sinn. Er hätte aber wohl auch nichts dagegen, wenn es den politischen Umsturz seiner Tochter geben würde. Ihm Recht war alles recht, solange sich die Dinge so entwickelten wie er wollte.
 
AW: [05.05.2008]Wir müssen reden Vater...

"Da hast du mit Sicherheit recht!"

Für einen Moment war Jenny sichtlich verunsichert. Wusste Lurker von ihrem Mord an der Geißel und dem kleinen aber wohl postierten Steinchen das den Krieg gegen die Garou erst ausgelöst hatte? Nein, ihr Vater war gut, verdammt gut. Aber außer ihr und Fabian wusste niemand etwas darüber. Sie hat nie ein Wort über dieses Thema verloren, er konnte es also gar nicht wissen, weil es keine Quelle gab durch die er es hätte erfahren können. Unmöglich!
Und doch...

"So Vater, ich muss los! Danke das du dir die Zeit genommen hast. Bis später dann!"

Jenny erhob sich von dem Platz auf dem sie gesessen hatte und verschwand nur wenig später im Dunkel der Gräber
 
Zurück
Oben Unten