AW: [04.05.2008] Tremeregespräche
Hatte Kiera sie zuvor nicht als zugeknöpft beschrieben? Auch wen Caitlins Rede weit weniger.... drastisch war, als sie es bei einem Tadel gewohnt war, war ihre Reaktion ganz automatisch. Natürlich hatte sie einen Fehler begangen und würde dafür büßen. Ebenso natürlich sank sie augenblicklich in den Knicks und neigte tief ihren Kopf ihren Kopf so bald Caitlin die fehlende Augenbinde erwähnte. Da war kein gekränkter Stolz zu bemerken bei Anna vor anderen getadelt zu werden, die sie zum Teil noch nicht einmal kannte, nein, sie unterwarf sich völlig dem Urteil der Älteren. Oh, sie legte sich nicht nur das zu Last. Es war nicht Max erster Besuch im Gildenhaus und er war an diesem Abend nicht der einzige gewesen, der so zu sagen unter ihrer Aufsicht das Gildenhaus betreten hatte. Sie hätte umsichtsvoller sein müssen, hinterfragen, sich erkundigen. Es war für Anna vollkommen unerheblich, dass nicht sie das Gildenhaus als Treffpunkt ausgewählt hatte und nicht sie die Einladende gewesen war. Sie hatte um die Clanlosigkeit von Kiera gewusst und so hatten diese Dinge als ranghöchste Tremere ihrer Pflicht unterlegen. Sie hatte falsche Schlüsse aus den Umständen gezogen. Dafür gab es keine Entschuldigung. Nicht bei den Tremere – zu mindest nicht bei denen, die bisher für sie zuständig gewesen waren, also ihrem Sire. Ebenfalls ein Zeichen ihres Unvermögens war das schlechte Auskommen mit dem Ghul des Lords. Hätte sie ihn mehr für sich einnehmen können, wäre er vielleicht von sich aus mitteilsamer gewesen und hätte sie vor dem Fehler bewahrt
Eigentlich hoffte sie nur eines und es war verwunderlich, dass sie ausgerechnet das hoffte. Sie hoffte, die Strafe würde nicht in einer weiteren Versetzung oder der Rückkehr nach Hamburg bestehen. Der Umstand, ob es überhaupt eine Bestrafung geben würde, stand für sie ausser Frage. Es war so sicher wie das Amen in der Kirche. Sie fing jetzt auch keine Ausflüchte oder Erklärungen an. Das war nicht ihre Art. Die Gründe, weshalb es zu einem Fehler kam, interessierten auch nicht, es sei denn ein höher gestellter fragte explizit danach. Das war es, was Anna gelernt hatte, oder vielmehr, was ihr eingetrichtert worden war. Ein Fehler war ein Fehler und sie hatte die Konsequenzen zu tragen. Weshalb es zu dem Fehler gekommen war, war unerheblich. Aber diese Stadt? Jeder vernünftige Kainit wäre wohl heilfroh die Stadt verlassen zu können und erst recht viele Tremere, egal aus welchem Grund. So war es jedoch nicht bei Anna. Sie hätte die Gründe nicht in Worte kleiden können, aber sie wollte nicht fort.
Die Regentin hatte ihr auch eine Frage gestellt, also war es ihr erlaubt zu reden. Sie wartete natürlich, bis die Regentin ausgeredet hatte. Ihre ersten Worte waren jedoch nicht die Antwort auf ihre Frage, sondern etwas anderes, schlichtes, was sie mit ruhiger und klarer Stimme vor trug.
„Ich bitte um Vergebung.“, sagte sie schlicht. „In Hamburg bin ich nie clanfremden Besuchern des Gildenhauses begegnet.“ Genau genommen hatte sich ihr Kontakt zu Kainiten ausserhalb des Clans auf genau fünf Gelegenheiten beschränkt, die allesamt offizielle Anlässe gewesen waren. Zwei davon waren der Hof während dem sie vorgestellt wurde und ein weiterer zu ihrer Anerkennung. Ansonsten war sie lediglich bei den Veranstaltungen gewesen, bei denen die Anwesenheit aller Kainiten der Stadt 'erwünscht' gewesen war. Alles in allem betrachtet hatte sie sich nüchtern gesehen dafür bisher ganz gut geschlagen. Aber eine nüchterne Betrachtung lag Anna derzeit sehr, sehr fern.
Wenn man Fehler beging, war es unerläßlich zu ihnen zu stehen. Nur so konnte der Schaden für den Clan eingegrenzt zu werden. Und so hatte sie noch etwas zu beichten, denn auch dafür fühlte sie sich verantwortlich.
„Vor unserem Aufbruch zum Friedhof heute Abend war Herr Reeser ebenfalls im Wohnzimmer gemeinsam mit Herrn Pareto. Sie waren zur Besprechung und Planung des Einsatzes her gekommen.“ Die Regentin brauchte diese Informationen, damit sie ihre Reaktion auch gegenüber Max darauf abstimmen konnte. Etwas anderes könnte fatal enden. War sie verwundert gewesen, Sammelpunkte der einzelnen Clans in der Karte aus der Kunstakademie vor zu finden? Ja. War sie noch mehr verwundert gewesen, dort auch das Gildenhaus zu finden? Ja. Hatte sie sich deswegen und wegen dem Verhalten von Kiera dazu verleiten lassen, anzunehmen es sei in Ordnung? Ja. Aber es war nicht relevant. Sie hatte die Verantwortung und es war ihr Fehler. Sie suchte keinen anderen Schuldigen und versuchte auch nicht irgend etwas abzumildern oder zu beschönigen Blieb noch eine Frage, die sie stellen musste.
„Wird jemand anderes im Gildenhaus bleiben und kann die Sachen von Herrn Reesers Ghul annehmen oder soll er erst zu einer bestimmten Uhrzeit eintreffen?.“ Fehler beging Anna selten zwei mal. Sie verharrte weiter im Knicks mit geneigtem Kopf. Ohne Aufforderung würde sie sich wohl auch nicht wieder erheben.
Immerhin schien sie nicht völlig versagt zu haben, wollte die Regentin sie doch bei der anstehenden Expedition auch dabei haben. Wenn auch ihre Worte eine Frage gewesen waren, so war es der Betonung nach ein Befehl gewesen und so verzichtete Anna auf eine direkte Antwort. Sie empfand es ebenfalls nicht als merkwürdig, das Max nicht gefragt wurde. Er war ohnehin viel zu schwer verletzt und wäre er es nicht gewesen, hätte der Clan wohl die damit einhergehende Verpflichtung gescheut.