[04.05.08] merope

Grinsekind

Antonin Philippe Tesnos
Registriert
22. Juni 2005
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„Du schaust umher und siehst nicht, wo du stehst im Üblen,
Nicht, wo du wohnst, und nicht, mit wem du lebst –
'Weißt du, von wem du bist?“

Seine Augen begannen zu zucken. Das war meißt das Erste an dem man erkennen konnte, das er wieder am leben war. Es sah fast so aus als wäre er in seine REM-phase eingetreten und würde träumen. Vielleicht war das ja so, vielleicht war dies alles nur ein Traum. Ein Traum aus dem er herauswollte. Und er hatte den Ausgang gefunden. Er wusste wohin er zu gehen hatte, er würde nicht geblendet sein, er würde sehen.

Doch noch blieben seine Augen geschlossen. Das nächste was sich regte war die Brust. Er atmete einmal tief ein und aus. Erst dann begann sich der Rest des Körpers zu bewegen. Es war ein langes Ritual, das jeden Abend nach Sonnenuntergang stattfand. Er kam zu bewusstsein, wurde sich und seines seltsamen Lebens klar, wurde sich der Welt, die ihn noch immer in ihrer Mitte empfing bewusst. Dann schickte er das Blut -das ihm gehorchte wie ein zusätzliches Sinnesorgan- durch den Körper, lies es zirkulieren und die Muskeln aktivieren. Es schien als würde jede Zelle plötzlich wieder lebendig und begann eifrig um ihren Kern zu wabbern.
Doch alles war ein mystischer Vorgang, etwas das er nie begreifen würde, wenn doch er schon längst begriffen hatte WAS er war.

All dies geschah in wenigen Sekunden, dann regten sich die Extremitäten. Die Beine wurden angezogen, der Kopf gedreht und die Arme angewinkelt.
Mit offenen Augen und einem leeren Blick empfing Fabian die neue Nacht. Die letzten Nächte hatten ihn hier her gebracht, jetzt war es an der Zeit, dass er den Weg ging, der ihm vorbestimmt war. Bis zum Ende. Denn er war geheilt und er wusste um all die Dinge, die auf ihn zukommen würden. Nicht nur er selbst, sondern auch die Dinge um ihn schienen darum bemüht gewesen zu sein, ihn vorzubereiten. Ihm das zu zeigen was er sehen musste.
Die ganzen Weggabelungen hatte er mit Mühe und Not beschritten und oft hatte er sich einfach nur verlaufen, aber jetzt gab es nur noch eine kurze Strecke zurück zu legen und diese führte nur in eine Richtung.

~

Nachdem der Brujah aufgestanden war, hatte er sich kurz nach seinem Ghul umgesehen. Olaf hatte sich in den letzten Tagen ziemlich verändert. So hatte er es sich zu eigen gemacht, Kokain in großen Mengen zu konsumieren. Außerdem hörte er so ziemlich auf alles was Fabian ihm sagte und versucht ihm jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Viel war das sowieso nicht, denn das wichtigste war bereits getan.
Fabian trank von ihm und konnte augenblicklich fühlen, wie ihm das drogendurchsetze Blut einen Kick gab. Er spürte es durch die eigenen Venen rauschen und schon wurde sein Sichtfeld weiter und seine Konzentration gebündelter. Die vermeintliche Müdigkeit eines frischen Abends war sofort verflogen und er machte sich ans Werk.

Erneut fragte er den Redskin, ob er den anderen bescheid gesagt hatte und ihnen erzählt hatte, was es zu tun gab. Erneut griff er nach den drei hölzernen Gegenständen und wiegte sie gedankenverloren in der Luft. Es waren diese phallischen Symbole, die ihn immer wieder daran erinnerten, das in ihm ein unbändiges Verlangen brodelte.
Zu guter letzt trat er vor den Spiegel und besah sich selbst. Sah sich in die Augen, erkannte sein äußeres Ich, das ich, dass die anderen Personen sahen, das Fleischliche, dass ihm durch die Jahre fremd geworden war. Doch jetzt hatte er sich selbst wiedergefunden und er war auf dem Weg nicht nur seinen Körper zurückzuerlangen, auch seine Psyche würde er endgütlig zurück gewinnen können. Er würde sie einfordern von dieser Welt da draußen, die ihn von dem abgelenkt hatte was am wichtigsten war: Ihm selbst.

Viele Dinge hatten ihn abgehalten sich zu finden. Angefangen von den Ränkespielchen der Kainskinder und der Sekten, bis hin zu seinen eigenen tapsigen Versuchen auf dem politischen Parkett. Alles Schwachsinn. Er war nie ein Anarch gewesen. Er war Teil der Camarilla gewesen. Doch sowohl die übergestülpte Maske des Anarchen, als auch die Struktur der Camarilla waren nie seine eigene gewesen. Wäre er von einem Sabbatmitglied gezeugt worden wäre die ganze Sache vielleicht anders gelaufen. Aber er hatte den Sabbat immer nur als Feind erkannt. Als weitere Ablenkung von dem eigentlichen. Und so hatte er beide Dinge abgestülpt. Das überhaupt jemand auf die Idee gekommen war ihn als ernsthaften Anarchen zu sehen. Er selbst hatte es sich immer wieder sagen müssen um es zu glauben. Hatte er nicht deshalb all diese Gerüchte um eine Anarchenverschwörung in die Welt gesetzt? War dies nicht der Grund, warum er dem Nosferatu Grosini frei erzählt hatte, dass er hinter der großen Demonstration stand und der Anführer dieser ominösen Anarchengruppe war?

Letztendlich war dies doch nur die Suche nach sich Selbst gewesen. Genauso wie die vermeintliche Liebe, die er entdeckt hatte. Dani, von der er geglaubt hatte, sie würde ihn lieben. Und die er für einen Menschen hielt, für den er selbst Emotionen hatte und um den er sich sorgte. Es war falsch gewesen, von Anfang an. Es war ein weiterer Trick gewesen, sich selbst hinter etwas -einer fremden Idee- zu verstecken, um sich selbst nicht zu sehen.
Doch jetzt wusste der Brujah, wer dieser Fabian Mahler gewesen war. Jetzt wusste er, was aus ihm geworden war. Er war eine tote Leiche, die noch immer die Gabe des Existierens besaß. Er war ein Vampir, der sich von Menschen ernährte.
Und er wusste ganz genau was er nicht war. Er war kein Mensch mehr, der sich mit anderen auf eine Beziehung einlassen konnte. Er war kein Weltverbesserer oder Aktivist. Er war kein stummes Mitglied einer großen Organisation, die das (un)leben strukturierte.

Er war alleine. So etwas wie Freundschaft oder gar Liebe gab es nicht. Hatte es nie für ihn gegeben. Zumindest glaubte er das. Zumindest hoffte er das. Und doch war da dieses Verlangen. Dieses Ding, dass ihn immer noch davon abhielt er selbst zu sein, der unbändige Trieb all die Einsamkeit mit vollen Zügen zu stillen. Er würde die letzten Schritte tun um dem großen Ziel näher zu kommen.

Wie der verschrobene Spinner Schmidt ihm gesagt hatte, alles ging zu Ende. Die ganze Welt ging zu Ende. Doch mit dem Unterschied, dass Fabian davon wusste und dass damit nicht die materialistische Welt gemeint war, sondern die Welt, die er bisher erlebt hatte. Sein Wesen hatte sich noch weiter verhärtet und nun dazu geführt, dass er nicht nur von den allgemeinen Vorstellungen abwich. Nein, bald würde er ein Exempel sein für seine Vorstellungen. Bald würde er beginnen seine eigene Welt nach außen zu tragen.
Nicht in den stümperhaften Versuchen sich selbst zu finden wie in der Vergangenheit. Sondern in dem einzig möglichen Schritt der ihm geblieben war.
 
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