Sie

SeelenBlut

Devil was an angel too
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26. Januar 2004
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Sie sitzt auf dem Sofa, locker baumeln ihre Beine über die Lehne. Die Sonne scheint und das Zimmer wirkt wie in gold getaucht. Schön. Einfach nur schön. Vorallem aber so ruhig und friedlich. Den Stift hält sie in der Hand, den Block auf ihren Schoss und versucht zu schreiben, was ihr so einfällt. Gedanken ordnen oder einfach nur was aufschreiben, dass darf dann der Leser endscheiden, sollte es so jemanden geben.

Es ist warm, behaglich warm. Wenn die Ruhe doch nur auf die Seele überschwappen könnte. Der Lautstärkeregel ihres Discmans wird um einiges hochgefahren, dort singt eine tiefe weibliche Stimme:

Did you ever wake up in the morning
With a freight-train running through your head
An empty whiskey bottle by your pillow
And a burned out unfinished cigarette
The night went up in smoke
Life is but a joke man
But I see nobody laughing

Did you ever live a day
Like the next day would never come
Blood's dripping on the floor, but who cares
Who needs you anyway
You're a stranger to yourself
And this ain't no joke man
But I can't stop laughing (Anouk: Who Cares)

Sie lächelt, ja sie weiss wovon die Frau singt, wenn es nicht einfach nur Komerz ist und irgend jemand etwas bewegendes schreiben wollte. Dann hat Sie die Aussage des Liedes verstanden. Der Gedanke treibt ihr die Gänsehaut auf die Arme. Da ist sie die Ruhe, zwar nur für den Bruchteil des Augenblicks, aber hier gibt es Seelenfrieden frei Haus. Nun summt sie leise mit, singt dazu und kritzelt wahrlos Kreise und kleine Blumen auf ihren Block. Gedanken: Defragmentiert. Bericht speichern?

"Musst du denn hier so einen Krach machen?" na, noch freundlicher kann man doch nicht angesprochen werden. Pause für den Discman, einen fragenden Blick zur Tür, dort wo einer der Erzeuger steht. "Sei leise und mach die Musik nicht so laut." Aha, Musik nicht so laut. Per Discman! Toller Aufforderung. Gehen sie über Los und ziehen sie 50€ ein. Statt dessen wird genickt und die Lautstärke auf ohrenbetäubend gestellt. Gedanken defragmentieren? Mission failed.

Da ist er wieder der Zorn, gerade noch versucht zu unterdrücken, will er jetzt nur eins: Ausbrechen. Nein, ihr Zorn, ist nicht nur einfach eine Emotion. Er führt sein Eigenleben. Nenn es cholerisch oder sonst was. Aber mit so einem Zorn zu leben ist nicht leicht. Sie könnte anfangen und versuchen zu erklären warum es diesen Umstand gibt. Ob es so eine gute Idee ist? Schroff liegt gerade auf der Wunde, pule dran und der Eiter wird hervorquellen. Dann wird es schwerer sein zu verheilen. Die Narbe bleibt eh, aber vielleicht bleibt sie so, dass man sie nicht immer sieht, dass sie nur ab und an mal silbernd glänzt wenn die Sonne die Haut eigentlich bräumen sollte und die Narbe nur noch ein Mahnmal ist.

Schon lustig, wie ein Ereigniss beinahe ein ganzes Leben verändern kann. Auch wenn es ein widerkehrendes Ereigniss war. Aber niemals wieder wird sie darüber einen Ton verlieren, nur damit sie sich anhören kann sie würde lügen? Himmel, wer denkt sich den leidvolle Geschichten aus und münzt sie auf sich. Aber keine Panik, sie hat daraus gelernt. Der Freund war kein Freund und niemals wieder wird nur ein Wort darüber verloren.

Den Kampf mit den eigenen Dämonen kennt wohl jeder, aber sie wünscht sich nicht abzustumpfen um für das Leid ihrer Mitmenschen kein Mitgefühl mehr zeigen zu können. Was sind denn schon ihre großen Probleme im Vergleich? Es laufen Vergewaltiger, Mörder, Terroristen in der Welt herum und die "Big Bosse" sind nicht in der Lage etwas dagegen zu unternehmen. Nein, ihr Leid ist lachhaft im Vergleich.

Nur ab und zu, da gönnt sie sich das Selbstmitleid. So wie gerade. Ein einfacher Prozess der doch nicht verstanden wird. Wie eine Furie kreischt sie auf, schlägt um sich. Kennt nur ein Ziel, etwas zu zerstören. Der Papierkorb wird an die Wand geworfen, das Handy demoliert. Schreit, um den übermächtigen Zorn Herr zu werden. Nicht einen Gedanken verschwendet sie daran, wie es wirken könnte. Sie, eine Wahnsinnige? 100%tig! Warum ist das so? Gute Frage! Sie kommt doch aus einem liebevollem, solidem Elternhaus. Hier ist der Einschnitt: Streit gab es immer mal wieder. Doch wie lautet der kluge Spruch? Streit gibt es in jeder Familie? Gut, dann ist ihre Familie normal und durchschnitt. Das Lachen überwiegt den Streit.

Fein, dass wir das klären konnten. Wo liegt dann ihr Problem? Im Freundeskreis? Nein! Freunde, die sie wirklich Freunde nennt, sind Freunde fürs Leben und würden durchs Feuer gehen.

Was man so alles für Bestandsaufnahmen machen kann während man sein Zimmer zerlegt. Sie sollte Patent drauf anmelden. Nach dem Sturm kommt die Ruhe, Ruhe nach dem Sturm, vielleicht ist sie ja auch im Auge des Orkans. Für bescheuerte Formulierungen gibts heute extra Punkte, dass sei an der Stelle mal gesagt.

Matt und erschöpft lümmelt sie sich auf ihrem Sofa und keucht nach Atem, so schnell und so fest, dass es in den Lungen brennt. Zynische Zungen könnten behaupten sie sei nicht sportlich genug. Tschuldigung, sie spielt ja auch kein Fussball, der heimliche Familiensport. Nein, niemals nicht würde sie sich ausgeschlossen vorkommen, weil die Familie Tag aus, Tag ein auf dem Sportplatz zubringt. Also bitte, in dem Alter doch nicht mehr.

Aber eigentlich muss sie jetzt einsehen, dass sie keinen Schritt weiter ist als gerade noch. Im Gegenteil, nun kommt die Reue und die Gewissheit, dass sie wieder einmal missverstanden wurde. Sie schluchzt trocken und das brennen in den Augen spricht von den Tränen die geweint werden möchten. Aber, Holla. Sie wird doch nicht weinen. Niemals nicht um was denn? Sie hat doch keinen Grund, Tränen sind schlecht. Sind Pfui. SIE sind RAUS. Sowas von RAUS. Heulboje.

Weiteres suchen nach Antworten und die Erkenntnis ist nochmal wie ein Schlag ins Gesicht, ja, die bildlichen Schläge ins Gesicht sind heute frei Haus, greifen SIE zu.

ER, ist schuld. Nahm sich Glauben, Liebe, Hoffnung, Naivität und Unschuld. Was bleibt ist Chaos. Zerbrochenes Herz, der Zorn und die unterschwellige Liebe gepaart als Hass.

Heute verzichtet sie vollkommen auf die heroischen Worte. Mit den Gedanken, würde sie gern eine Portion Verständniss verteilen. So, als kleines Werbegeschenk.

Wettlauf mit sich selbst. "Versteht mich" will sie brüllen, statt dessen rinnt die träne über die Wange, die sie sich trotzig von der Wange wischt. Das Lied hat gewechselt nun singt die Frauenstimme:

I’m sorry for the times that I made you scream
For the times that I killed your dreams
For the times that I made your whole world rumble (Anouk: Nobody`s Wife)


Süss, erneut versteht sie was sie dort singt und im geheimen wünscht sie sich, auch soetwas von sich sagen zu können. Anstelle, führt sie Monolog mit sich. Warum um vergangenes und verlorenes Trauern? ER, war zu schwach für sie. Niemals, wäre er ihr gewachsen gewesen. Zu stark und du zu schwach. Was eine Rollenverteilung.

Was nun bleibt: Ist der Zorn, die brennenden Augen und ihr verwüstet Zimmer.

Sie richtet sich auf und beginnt auf zu räumen. Der Block ist vollgeschrieben mit irgendwelchem blödsinnigem Zeug. Sie wechselt die Musik, knippst das lächeln an. Morgen ist ein neuer Tag und er wird genauso sein wie alle anderen Tage zuvor auch. Solang bis.......
 
Eben das ist ja das Krasse, finde ich! Viele kennen diese Gefühle und erkennen sich darin wieder! Und dann ist es wirklich noch so real und überzeugend geschrieben!

@Seele:
Von all deinen Geschichten bislang, ist diese echt die Beste! *knutsch!*
 
Mitra schrieb:
@Seele:
Von all deinen Geschichten bislang, ist diese echt die Beste!
Ich kann da leider nicht so viel mit anfangen, spricht mich irgendwie nicht an.

Aber werten will ich es daher auch nicht. Wollte das nur gesagt haben...
 
Sie II

Soll eine Art Fortsetzung sein, deshalb wird es hier gepostet:

Das Surren der Klimaanlage hier im Raum ist eigentlich alles, was sie noch im hier und jetzt gefangen hält, ohne das sie sich endlich ihren Gedanken und erst recht ihren Gefühlen ergibt. Schaut sie aus dem Fenster dann sieht sie den trostlosen, tristen wolkenverhangenen Himmel, hört den LKW der ohne Rücksicht auf Verluste und ohne einen Gedanken an sie zu verschwenden an dem Fenster vorbei brettert.

Sie ist allein. -Gut so. Sie könnte nun niemanden ertragen.

Natürlich weiß sie, dass die Ballade die im Hintergrund läuft nicht unbedingt dazu beiträgt ihre Laune und ihre Stimmung zu verbessern, aber gleichzeitig fragt sie sich: Warum versucht sie sich eigentlich vor sich selbst zu rechtfertigen? Wenn sie traurig sein will, dann will sie traurig sein. Fertig, punktum. Nein, nicht ganz, dennoch fühlt sie sich schuldig. Lächerlich sogar.

Warum ist sie nicht zufrieden mit dem was sie hat? Wieviele Menschen gibt es auf der Welt die krank sind, am Existenzminimum leben? Wieviel Gewalt, wieviele Kriege und sie sitzt und bedauert sich selbst. Es widert sie an. In einem Anflug von Sarkasmus denkt sie daran, dass sowas wohl Depressionen seien müssen. Vielleicht sollte sie einen Psychologen aufsuchen, auf das er ihr hilft und das beewältigt was gegenwärtig ist, aber dem sie keinen Namen geben will.

Für den Zorn, den sie immer so sehr anpreist, für den Strum, für die Auseinandersetzung ist heute keine Zeit. Süss, nicht wahr? Keine Zeit, sie kann es noch nicht mal sich selbst eingestehen. Es gibt einfach keine Kraft. Heute gibt es keine Kraft fürs kämpfen, fürs toben, fürs schreien. Zusammengekrümmt will sie sich verstecken. Im Kleiderschrank vielleicht? Ein bitteres lächeln auf den Lippen bei diesem Gedanken. Damals, als Kind, hat sie sich da nicht immer im Kleiderschrank versteckt, wenn sie etwas ausgefressen hatte? Kind sein? War sie jemals Kind? es kommt ihr so unendlich lang vor.

Wenn sie heute eine Bestandsliste schreiben sollte, was würde wohl darauf stehen? Nichts, genau, dass und nicht mehr. Scheiß auf den Job, scheiß auf die Familie, scheiß auf die Freunde. Hach, da ist es ja wieder. "Sie sind krank. Geistig krank. Wie kann man nur solche Gedanken haben?" Sie weiß es nicht, lieber Teufel auf ihrer linken Schulter.

Ihr mehr oder minder gesunder Menschenverstand sagt ihr, dass sie ja doch irgendwie einen Sprung in der Schüssel haben muss. Aber ist es nicht leichter mal wieder alles auf ihn zu schieben? Joar, ist es, deshalb tut sie es auch. ER ist SCHULDIG.

Doch was ist sie für ein Mensch, der sich noch immer davon beinflußen lässt? Ein kaputter! Deren alles gekreische ums "kämpfen" und "besiegen" an Tagen wie diesen einfach nur leer erscheinen.

Hurra, sie sind emotional ziemlich labil. BESCHEUERT!

Aber kommen wir doch zurück zum eigentlichen Thema, den Sinn dieses Textes sofern er jemals einen gehabt hatte...

Draußen regnet es noch immer, reglos verfolgt sie den Regentropfen der über die Fensterscheibe perlt. Es klopft an ihrer Tür. Hurra! Besuch!​

"Aber sie haben doch alle recht. Es ist einfach zu viel, du bist süchtig. Tu was, geh weg, geh raus."

Sind es nicht die Kommentare die sie hören will? Das hilft doch wirklich, da fühlt man sich doch gleich besser, oder etwa nicht?

Die unsichtbare Hand die nach ihrem Herz greift und die es in der geballten Faust zusammen quetscht raubt ihr jegliche Chance zu atmen. Die aufkommende Trauer brennt auf ihrer Haut wie tausende Stiche von Stecknadeln. In ihren Augen brennen die Tränen, ihre Sicht verschwimmt bei dem Versuch zu weinen, nicht mal der Schluchtzer will über ihre Lippen kommen, er bleibt ihr in der Kehle stecken, so dass sie zudem das Gefühl hat ersticken zu müssen.

Chance vertan. Teufel komm und hole mich
 
Jetzt kriegst du bald von mir postverbot. Weil ich dir nämlich nicht immer Karma geben kann, wenn du solche Dinge schreibst. :motz:

das ganze... berührt.
 
Sei mal ehrlich, du bist doch nur eine von diesen karmasüchtigen Künstlern, oder?
(Andauernd so schön schreiben, pfft...)
 
Gegen Karmajunkies ist überhaupt nichts einzuwenden, weil sie dann anderen Leuten auch mehr Karma geben können. Sozusagen ein Junkiekreislauf des Karmas.
 
Um ehrlich zu sein bin ich jetzt, nach dem ersten Lesen zu sehr von den vielen Eindrücken geplättet, die sich mir hier auftun...

*Emotional overload*

Wenn ich das alles erst mal verarbeitet habe, wird mich der Text auch berühren...




@Seele:
Du weißt schon, dass deine Texte langsam waffenscheinpflichtig werden.
Du bist einfach zu gut...
 
Wow ich bin begeistert schreib weiter *fleh* Es liest sich wundervoll echt. Gebe das schreiben niemals auf.
 
Ums auf den Punkt zu bringen:
Es ist absolut klasse!
Du bist meiner meinung nach eine geniale
"Schriftstellerin". Gerne mehr von dir!
 
Ich freumich wenn es Euch gefällt und fühle mich echt geschmeichelt.

Ich werde ne Fortsetzung irgendwann mal in Angriff nehmen, wenn die Muse mich geküsst hat *g*
 
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