Moralvorstellungen im Mittelalter/Antike

vivienss

Unschuldiges Mädchen
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Ich hatte in den letzten Tagen etwas über die Verhältnisse im Mittelalter gelesen. Und da die Sterblichkeiten in jungen Jahre relativ hoch sind und das Leben insgesamt härter war, gab es natürlich auch andere moralische Vorstellungen.

Deswegen stellte sich für mich die Frage, wie der Menschlichkeitswert eines durchschnittlichen Menschens aus dem Mittelalter/Antike war?
 
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Ich würde behaupten, dass die nicht unbedingt niedriger war als heute. Den Tod als ständigen Begleiter macht ja nicht zwangsweise unmenschlich. Der normal Bauer ist da ja etwas anderes als der gekaufte Soldat, der mordend, plündernd und vergewaltigend durch die gegen zieht.
 
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Der Tod als ständiger Begleiter in Kombination mit der Indoktrination durch die Kirche, insbesondere in Sachen leben nach dem Tod, wären für mich sogar ein Grund dem Durchschnittsbauern ein bisschen mehr Menschlichkeit zu geben (8 fände ich realistisch). Immerhin hieß es ja, sie bekämen ein besseres Leben, wenn sie sich hier anständig verhalten... und wenn sie etwas wollten, dann doch ein bisschen Besserung in ihrem Leben.

Die machtgierigen Herrscher und die brandschatzenden Söldner stehen da auf einem anderen Blatt, aber das ist ja klar.
 
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Die schlechteren Lebensbedingungen könnten aber durchaus Grund sein, dass auch die einfachen Leute oft gezwungen sind, unmoralische Dinge für ihr Überleben zu tun, z.B. das Aussetzen von Kindern.
Ihr starker Glaube korreliert weiterhin mit einem ebenso starken Aberglauben. Nicht jede verbrannte Hexe oder gesteinigte Ehebrecherin war aller Verbrechen schuldig, die man ihnen vorwarf. Auch nicht jeder Kreuzzug wurde ausschließlich von Rittern und Söldnern geführt.

Daher würde ich vorschlagen, dass der Durchschnittswert von Menschlichkeit immer noch Sieben ist, aber es stärkere Abweichungen nach oben und unten gibt, als in der modernen Gesellschaft, also mehr Leute mit Menschlichkeit 5 & 6, aber auch mehr mit 8 & 9.
 
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Die schlechteren Lebensbedingungen könnten aber durchaus Grund sein, dass auch die einfachen Leute oft gezwungen sind, unmoralische Dinge für ihr Überleben zu tun, z.B. das Aussetzen von Kindern.
Das hängt davon ab, von welchem Punkt des Mittelalters wir ausgehen. In den Bauernfamilien zu Zeiten der Schollenbindung ist das Aussetzen von Kindern nicht unbedingt als gegeben anzusehen. a.) steckt da eine Disziplinargesellschaft in den Anfängen hinter, die zumindest feststellt, was sie an Bürgern auf der Schollen untergebracht hat und b.) sind Kinder auf Bauernhöfen billige Arbeitskräfte, die man so früh wie Möglich mit kleineren Aufgaben einspannen kann. Nicht zuletzt, dass sie einem im Alter auch noch versorgen.

Daher würde ich zumindest im europäischen Mittelalter nicht unbedingt soweit gehen zu behaupten, dass dort alles dermaßen schwarz sein müsste.
 
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Ich würde sagen, dass Krieger bei den Kreuzzügen, die davon überzeugt sind im Namen Gottes zu handeln, keine Menschlichkeit verlieren wenn sie im Krieg töten. Schließlich sind sie davon Überzeugt gutes zu tun. Sie machen es nicht um zu töten, sondern um Gott zu gefallen. Bei Söldnern, die auch für die Gegenseite kämpfen würden, wenn die mehr zahlt sieht das schon anders aus. Ich sehe das so, dass immer das Motiv mit ausschlaggebend ist, ob eine Tat zu Menschlichkeitsverlust führt.
 
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Das hängt davon ab, von welchem Punkt des Mittelalters wir ausgehen. In den Bauernfamilien zu Zeiten der Schollenbindung ist das Aussetzen von Kindern nicht unbedingt als gegeben anzusehen. a.) steckt da eine Disziplinargesellschaft in den Anfängen hinter, die zumindest feststellt, was sie an Bürgern auf der Schollen untergebracht hat und b.) sind Kinder auf Bauernhöfen billige Arbeitskräfte, die man so früh wie Möglich mit kleineren Aufgaben einspannen kann. Nicht zuletzt, dass sie einem im Alter auch noch versorgen.

Daher würde ich zumindest im europäischen Mittelalter nicht unbedingt soweit gehen zu behaupten, dass dort alles dermaßen schwarz sein müsste.

Naja, Vampire ist eine Dystopie, daher geh ich schon immer von den schlechteren Bedingungen aus. Nicht nur in Dark Ages, auch in VtM ist die Welt ja brutaler und heruntergekommener als es in unserer Welt ist.
 
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Da bin ich genau gegenteiliger ansicht!
Je leichter es zu entschuldigen ist desto leichter begeht man eine Gräultat und je mehr man begeht desto weniger entschuldigungen benötigt man dafür!
 
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Ich würde sagen, dass Krieger bei den Kreuzzügen, die davon überzeugt sind im Namen Gottes zu handeln, keine Menschlichkeit verlieren wenn sie im Krieg töten. Schließlich sind sie davon Überzeugt gutes zu tun.

Sie folgen aber nicht dem Weg des Himmels, sondern den Weg der Menschlichkeit. Töten ist klar eine Sünde und wer ein brutales Schlächter-Leben führt, mag sich für gut halten, ist es aber nicht.
Welcher Bösewicht sagt schon von sich er sei böse und tut Böses um des Bösen Willen?
Jede Schandtat hat ihre Rechtfertigung. Diejenigen die ihre Verbrechen als das erkennen, was sie sind, haben viel eher Hoffnung auf Erlösung, als alle die, die ihre Taten als notwendig oder gar "gut" wegrationalisieren. So ein Verhalten ist nämlich Vorraussetzung für jeden Massenmord.
 
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Der Tod als ständiger Begleiter in Kombination mit der Indoktrination durch die Kirche, insbesondere in Sachen leben nach dem Tod, wären für mich sogar ein Grund dem Durchschnittsbauern ein bisschen mehr Menschlichkeit zu geben (8 fände ich realistisch).
Die Aussage beinhaltet zwei Fehler:
1. Religösität hat in der Masse eher nichts mit moralischen Verhalten zu tun. Es gibt Studien, die zeigen, dass ich Schnitt Christen und Atheisten (ich glaube andere Richtungen wurden da nicht einbezogen) sich gleich ehtisch verhalten. An Unis war es sogar so, dass Atheisten weniger geschummelt haben...
2. Die breite Masse im Volk war nicht so religös, wie man das heute so denkt. Viele davon hatten noch heidnische Wurzel und das kam auch mal wieder hoch, Kirchenämter wurden damals nicht nach religösen Gesichtspunkten, sondern aus Machtinteresse heraus vergeben. Und der durchschnittliche Christ im Mittelalter hatte über seine Religion gar nicht so viel Ahnung, denn die Messe war noch auf Latein. Bildung erfolgte z.B. über so Dinge wie die Darstellungen auf den Glasfenstern in Kirchen. Ebenso hat die Kirche viele Dinge erst im Hoch- und Spätmittelalter langsam durchsetzen gekonnt - z.B. Moralvorstellungen, in dem z.B. das gemischte Baden untersagt wurde.

Ihr starker Glaube korreliert weiterhin mit einem ebenso starken Aberglauben. Nicht jede verbrannte Hexe oder gesteinigte Ehebrecherin war aller Verbrechen schuldig, die man ihnen vorwarf.
Hexenverfolgung ist bitte ein Phänomen der frühen Neuzeit bzw. auch schon im ausgehenden Mittelalter.Der Abergalube kam daher, dass die eigentlich gar nicht so genau wussten, was sie glauben und heidnische Wurzeln überlebten.

Ich würde sagen, dass Krieger bei den Kreuzzügen, die davon überzeugt sind im Namen Gottes zu handeln, keine Menschlichkeit verlieren wenn sie im Krieg töten. Schließlich sind sie davon Überzeugt gutes zu tun.
Nur weil es für die gute Sache ist, ist das - wie Magnus schon schrieb - trotzdem eine Sünde gegen die Menschlichkeit. Menschlich ist es gerade danach sich dessen bewusst zu sein, dass man da jemand getötet hat und das eigentlich nicht gut ist, aber aus der Vorstellung heraus nötig, sprich obwohl man glaubt etwas richtig getan zu haben, trotzdem den Schmerz zu fühlen, dafür ein Menschenleben beendet zu haben.
 
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Schließlich sind sie davon Überzeugt gutes zu tun. Sie machen es nicht um zu töten, sondern um Gott zu gefallen.
Also sollten sie gleiche Menschlichkeit mit höherem Gewissen haben. Denn sie begehen mehr und schwerere Taten, können diese aber leichter vor sich rechtfertigen. (Das würde ich auch auf moderne Fanatiker anwenden.)

Ich sehe das so, dass immer das Motiv mit ausschlaggebend ist, ob eine Tat zu Menschlichkeitsverlust führt.
Das und das Gefühl von Überlegenheit. Macht führt zu Machtmissbrauch und auch wenn man einen Schwerverbrecher tötet, fühlt man, dass man Gewalt über das Leben anderer hat. Mit der Zeit nutzen selbst die selbstlosesten Kämpfer (hohe Menschlichkeit) ihre Fähigkeiten auch zum eigenen Vorteil (mittlere Menschlichkeit) und wenn es lang genug dauert - Vampire haben sehr viel Zeit - korrumpiert die Macht ihn und er wird immer mehr zum Soziopathen (bzw. zum einzelgängerischen Raubtier).
 
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Ich würde sagen, dass Krieger bei den Kreuzzügen, die davon überzeugt sind im Namen Gottes zu handeln, keine Menschlichkeit verlieren wenn sie im Krieg töten. Schließlich sind sie davon Überzeugt gutes zu tun. Sie machen es nicht um zu töten, sondern um Gott zu gefallen.
So schwammig sind die 10 Gebote aber doch nciht, oder?
Töten stumpft ab, darum geht's doch, nicht um irgendeine 'Unwissenheit vs Strafe'-Frage.

Bei Söldnern, die auch für die Gegenseite kämpfen würden, wenn die mehr zahlt sieht das schon anders aus. Ich sehe das so, dass immer das Motiv mit ausschlaggebend ist, ob eine Tat zu Menschlichkeitsverlust führt.

Meh, Söldner kämpfen wenigstens um sich zu ernähren, und nicht, weil sie Morden so fucking geil finden.
So heroisch wir Soldaten und Krieger gerne darstellen: Das sind Berufsmörder, letztlich muss jeder Kriegseinsatz abstumpfen, egal worum's geht.
 
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Ich denke, da steckt ein Denkfehler dahinter.

"Moralität" bestimmt, wie sehr man sich an die gegebenen Moralvorstelkungen hält, nicht wie diese Moralvorstellungen aussehen. In einer Gesellschaft, in der es üblich ist kränkliche Kinder auszusetzen verstösst man nicht gegen die "Menschlichkeit", wenn man ein kränkliches Kind aussetzt (z.B.).
 
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Nein, man verstößt immer noch gegen die Menschlichkeit. Man verstößt nur eventuell nicht gegen gängige Moral, aber wenn du deinem eigenen Beschützerinstinkt derartig zuwiderhandelst, dann musst du ein Stück weit abstumpfen.

Ich sehe Menschlichkeit allgemein irgendwie weniger moralisch und mehr psychologisch. Ja, es basiert auf den aktuellen Wertvorstellungen der Gesellschaft und daher kann man gewiss etwas mehr Scheiße im Mittelalter abreißen, aber Kinder aussetzen ist mal einfach so ultimativ gegen die Instinkte jedes Säugetiers, dass man dafür einfach seine eigene Elternbindung ans Kind ignorieren muss. Sowas macht man nicht ohne zumindest ein bisschen was vom eigenen Mitgefühl und Gewissen einzubüßen.

Und das selbe gilt für so vieles, das mag damals evtl. alles an der Tagesordnung gewesen sein und einen nicht zu einem aussätzigen gemacht haben - es macht einen dennoch weniger... Was wir heutzutage 'Menschlich' nennen würden. Gewissensbefreit. Verschlagen. Zielorientiert.

Meine Sichtweise trifft sicher nicht auf jede 'Sünde' gegen die Menschlichkeit im modernen Sinne zu, aber auf die elementaren halt dann doch, wie Mord, Fürsorgepflicht vernachlässigen etc.
 
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Wie meinst du das genau? kannst du das bitte erklären?

Naja, z.B. bei Menschlichkeit 10 ist wirklich jeder Scheiß eine 'Sünde', also z.B. Lügen, Stehlen etc.;
ich habe das immer so interpretiert, dass das Sünden sind, nicht weil sie eben intrensisch so böse seien, sondern weil damit das Bewusstsein einhergeht, gegen die gesellschaftlichen Normen zu verstoßen, nicht dem hehren, klassischen Ideal zu entsprechen.

Es geht also hier mehr darum, die bewussste Entscheidung zu treffen, gegen eine gängige Konvention zu verstoßen. Das sind die weichen Sünden aus den hohen Menschlichkeitsregionen.
Ziemlich schnell kommt man aber zu einem Punkt wo verstöße gegen die 'Menschlichkeit' in der WoD ziemlich objektiv anderen Lebewesen schaden.
Und das halte ich halt bei Menschen als Sippenviechern für die psychologische Grundlage des Zusammenlebens. Menschen schaden instinktiv anderen Menschen in der Regel nur mit gutem Grund. Je geringer diese Hemmschwelle ist, desto unmenschlicher ist man, egal wie genau man den Schaden definiert.

Egal ob die Gesellschaft es toleriert oder nicht, wenn du als Elternteil deine Eltern-Kind-Bindung ignorierst und die Lütte in den Wald trittst, dann verstößt du sowas von gegen deine grundliegende psychologische Programmierung, Gesellschaftliche Akzeptanz hin oder her, dass du emotional ein Stück abstumpfen musst.
Und das ist keine Frage der Moral, man ist einfach per Hard- und Firmware dazu verdammt, die Frucht seiner Lenden zu lieben.

@Nogger: Jaja, das hab ich zu eng formuliert. Natürlich gibt es Momente wo das passiert. Was ich sagen will ist: Eltern pflegen ihre Kinder normalerweise, rein instinktiv, bis diese für sich selber sorgen können. Und das ist nunmal typisch für Säugetiere.
 
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Egal ob die Gesellschaft es toleriert oder nicht, wenn du als Elternteil deine Eltern-Kind-Bindung ignorierst und die Lütte in den Wald trittst, dann verstößt du sowas von gegen deine grundliegende psychologische Programmierung

meinst du damit gesellschaftliche normen?
 
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Und das ist keine Frage der Moral, man ist einfach per Hard- und Firmware dazu verdammt, die Frucht seiner Lenden zu lieben.

@Nogger: Jaja, das hab ich zu eng formuliert. Natürlich gibt es Momente wo das passiert. Was ich sagen will ist: Eltern pflegen ihre Kinder normalerweise, rein instinktiv, bis diese für sich selber sorgen können. Und das ist nunmal typisch für Säugetiere.

Zum einen gilt das für Menschen nur bedingt. Zwar sind auch beim Menschen noch die üblichen Instinkte aktiv und steuern unbewusst, aber der Verstand des Menschen kann da jederzeit den Vorrang übernehmen. Das Mutter-Kind verhalten ist zum Besipiel schon seit der Urzeit ein großes gesellschaftliches Thema und dementsprechend auch viel stärker von "gelernten" Verhaltensmustern geprägt als von Instinkt.

Zum anderen ist dieser Instinkt auch nicht so pauchal aktiv. Zwar lernt jeder in der Schulbioligie das "Kindchenschema" kennen, aber es gibt auch hier eine ganze Menge Konditionen, die dieses Schema aufheben können. Die extreme Mutter-Kind-Bindung setzt zum Beispiel nicht unmittelbar nach der Geburt ein, sondern erst mit ein bis zwei Tagen Verzögerung. Manche Verhaltensforscher gehen davon aus, dass diese "Latenzzeit" dazu dient, dass die Mutter ein störendes Kind ohne Hemmungen nach der Geburt töten kann.

Ein weiterer Punkt ist der, dass ein Kind heutzutage eine Ausnahmeerscheinung ist (relativ zur Vermehrungsfähigkeit des Menschen gesehen), während im Mittelalter Kinder Massenware waren und auch gestorben sind wie die Fliegen. Die "Wertigkeit" eines Kindes war damals völlig anders. Im Mittelalter waren Kindergeburt und Kindestot Dinge "die halt dauernd passieren".
 
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