SF RPGs - ein paar Gedanken

Infernal Teddy

mag Caninchen
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Seien wir doch mal ehrlich - Science Fiction ist als Rollenspiel-Genre nicht sehr erfolgreich gewesen. Fantasy ist recht einfach, ein paar elfen hier, ein paar orks da, fertig. Horror ist eigentlich auch recht einfach: Zombies, Vampire, und ein paar Tentakeldinger, gut is'. Aber SF? Da stellt sich erstmal die Frage: Welche? Reden wir hier von klassischer Space Opera, von Hard SF in unserem Sonnensytem? Cyberpunk/Postcyberpunk? Pulpige Planetary Romance? Licenced Properties? Oder gar Science Fantasy wie Star Wars?

Das Problem liegt also im Genre selbst begraben. Während (Um jetzt mal ein paar Beispiele aus der Luft zu greifen) Zornhau sein SW will, für Planetary Romance wie die Barsoom-Geschichten, und Settembrini eher zu Traveller greift, weil er eher klassische Space Operas mag, hätte Serafin vielleicht lieber Science Fantasy, oder Apocalypse eher Militärische Science Fiction wie Battletech. Während man bei Fantasy fast alle Gelüste mit einem generischen RPG wie D&D oder Palladium abdecken kann, wird es bei SF sehr schwer. Bisher wurden immer wieder RPGS zu den einzelnen Sub-Genres geschrieben, mit mehr oder weniger Erfolg.

Traveller gilt als DAS Space Opera RPG, war aber beim ersten Erscheinen fest an die Konventionen der 50er verhaftet, und lieg mittlerweile so weit hinter dem Genre zurück, das es für die meisten leser moderner Space Opera eher nostaligsich wirkt als interessant. Hard SF wird ebenfalls von Traveller abgedeckt, oder von spielen wie 2300AD oder dem Weltraumquellenbuch für Cyberpunk 2020 - und auch schon veraltet. Cyberpunk wird von Cyberpunk 2020 gut abgedeckt, technisch ist es allerdings zeit für einen neubeginn, um einen weil Cyberpunk das spiel nichts mit cyberpunk als literatur gemein hat. Postcyberpunk sieht man in Transhuman Space und Lesser Shade of Evil, ansonsten ist das Thema im Rollenspielbereich eigentlich untergegangen. Ich könnte die liste jetzt weiterführen, aber mir geht es um was anderes:

Wir brauchen meiner Meinung nach wenn es um SF-RPGs einen neuen Anfang. Wir müssen die Spiele der vergangenheit hinter uns lassen, und uns wieder an das Orientieren, was die SF-Literatur HEUTE bietet. Science Fiction besteht heute nicht mehr nur aus irgendwelchen Bösen Raumimperien oder kybernetisch aufgewertete Gelegenheitsverbrecher. RPGs um die Werke vo Heinlein, Asimov, Roddenberry oder Lucas nachzuspielenen habe ich zu genüge - wo bleiben die RPGs mit denen ich Reynolds, Stross oder Banks' werk nachbauen kann? Wo bleiben die posthumanistischen Space opera RPGs? Mir behagt es nicht, das ein neuaufguß von Traveller als bedeutendes Ergeignis und als Meilenstein gilt. Ich freue mich natürlich für die Fans dieses Spiels, aber ganz ehrlich: Science Fiction ist eine Literatur des Fortschrittes, der Innovation.

Wird es nicht langsam zeit das auch die Rollenspielgemeinde nachzieht?
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

Infernal Teddy hat durchaus Recht, allerdings rate ich die Sache auch von einem anderen Standpunkt aus anzusehen: Wer KENNT denn schon die von ihm genannten Werke?Kennt die breite Masse Stross´"Dämonentor" oder die Comics von Banks?

Aber cih stimme ihm zu: Wir brauchen mehr "Humanity In Space" Werke.Weniger feindliche Aliens, mehr multiplanteare gierige Konzerne und politische Machenschaften. Weg mit Neuafgüssen von Rodenberry,her mit Gibsons Biochips und Neuromancern!

P.S:: Infernal teddy.schäme dich!Du hast bei deiner Aufzählung den grossmeister des SF-Romans vergessen: Gibson!:D
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

@Infernal Teddy:
Vielleicht solltest Du Dir mal Transhuman Space anschauen. Das ist ein Rollenspiel, dass evtl. in deien Richtung geht.

Seien wir doch mal ehrlich - Science Fiction ist als Rollenspiel-Genre nicht sehr erfolgreich gewesen. Fantasy ist recht einfach, ein paar elfen hier, ein paar orks da, fertig. Horror ist eigentlich auch recht einfach: Zombies, Vampire, und ein paar Tentakeldinger, gut is'.

Das sind Allgemeinplätze, die ohne den Versuch, stumpfe Leser mit dem Satz "Seien wir doch mal ehrlich" einlullen zu wollen sofort kläglich scheitern würden.

Fantasy bietet genau so viel Diversität udn Subgenres wie die Science Fiction udn auch hier ist die Literatur nicht bei Tolkien stehengeblieben. Alleine bei klassischen Autoren liegen zwischen einem herrn der Ringe, einer Drachenlanze, einem Sturmbringer oder den Schnulzen von Tanith Lee genauso Welten wie zwischen Space Opera und Cyberpunk. Ebenso verhält es sich im Horror-Genre: mit einer noch längeren literarischen Tradition als die Science Fiction bieten sich hier zahlreiche Unterarten: von der klassischen Mensch vs. Gott-Mythologie über subtilen psychohorror, Serienkillergeschichten bis hin zum Splatterpunk.

Die Behauptung, Science Fiction sei da komplexer und schwerer im Rolenspiel abzubilden, ist meiner Ansicht nach nicht haltbar. Auch nicht, wenn man sie mit billigen Gebrauchtwagenverkäufer-Tricks rhetorisch an den Mann bringen möchte. :D
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

@Infernal Teddy:
Vielleicht solltest Du Dir mal Transhuman Space anschauen. Das ist ein Rollenspiel, dass evtl. in deien Richtung geht.

Postcyberpunk sieht man in Transhuman Space und Lesser Shade of Evil, ansonsten ist das Thema im Rollenspielbereich eigentlich untergegangen.

*Ahem*

Das sind Allgemeinplätze, die ohne den Versuch, stumpfe Leser mit dem Satz "Seien wir doch mal ehrlich" einlullen zu wollen sofort kläglich scheitern würden.

Fantasy bietet genau so viel Diversität udn Subgenres wie die Science Fiction udn auch hier ist die Literatur nicht bei Tolkien stehengeblieben. Alleine bei klassischen Autoren liegen zwischen einem herrn der Ringe, einer Drachenlanze, einem Sturmbringer oder den Schnulzen von Tanith Lee genauso Welten wie zwischen Space Opera und Cyberpunk. Ebenso verhält es sich im Horror-Genre: mit einer noch längeren literarischen Tradition als die Science Fiction bieten sich hier zahlreiche Unterarten: von der klassischen Mensch vs. Gott-Mythologie über subtilen psychohorror, Serienkillergeschichten bis hin zum Splatterpunk.

Die Behauptung, Science Fiction sei da komplexer und schwerer im Rolenspiel abzubilden, ist meiner Ansicht nach nicht haltbar. Auch nicht, wenn man sie mit billigen Gebrauchtwagenverkäufer-Tricks rhetorisch an den Mann bringen möchte. :D

Gut, dann mal ganz Provokant: Wo sind die RPGs dazu? Zu Fantasy kann ich jederzeit zu jedem SubGenre aus eine vielzahl von RPGs auswählen - warum geht das bei SF nicht, oder nur schlecht?

EDIT: Und die rhetorische formulierung mit den Gebrauchtwagen widerlegt mich auch nicht wirklich. Ehrlich gesagt geht es hier auch nicht um richtig oder falsch - mir geht es darum, ein wenig bewegung in eine diskussion zu bekommen.

Infernal Teddy hat durchaus Recht, allerdings rate ich die Sache auch von einem anderen Standpunkt aus anzusehen: Wer KENNT denn schon die von ihm genannten Werke?Kennt die breite Masse Stross´"Dämonentor" oder die Comics von Banks?

P.S:: Infernal teddy.schäme dich!Du hast bei deiner Aufzählung den grossmeister des SF-Romans vergessen: Gibson!:D

Bei Banks denke ich eher an den Culture-Zyklus, und wer den nicht kennt hat eindeutig die internationale SF der letzten zehn Jahre ignoriert. Bei Stross denke ich eher an die "Echnaton" und "Accelerando" reihen - "Dämonentor" fällt für mich schon unter Lovecraftiana. Gibson? Überbewertet, dann eher Sterling.
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

Zu einem verwandten Thema gibt es gerade einen langen Thread im Tanelorn:


Warum ist SciFi (Space Opera) Rollenspiel in Deutschland eigentlich erfolglos?


Ich habe jetzt nicht alle Argumente im Gedächtnis, aber einige waren IIRC:

-Fantasy bediene den Wunsch nach Eskapismus besser.
-Heutige fortschrittsskeptische Einstellung mache SF als Genre allgemein weniger anziehend.
-Speziell für Hard-SF bilde die angestrebte wissenschaftliche Plausibilität eine Einstiegshürde.
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

Das Problem, dass ich bei Science Fiction habe (und das meines Wisswens gar nicht so wenige teilen), ist dass Space Opera schnell als eine 'dumbed down' Version auftritt, bei der der Science Teil sträflich vernachlässigt und duirch Spezialeffekte ersetzt wird, und man für anspruchsvollere Science Fiction tatsächlich Ahnung von Naturwissenschaften haben muß, was den meisten Leuten abgeht. Ich habe im Allgemeinen weder Lust, die Version für Deppen zu spielen, noch Hausaufgaben zu machen, um die anspruchsvolleren (und damit für einen Wissenssnop wie mich überhaupt erst intreressanten) Szenarien verstehen zu können.
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

Bisher wurden immer wieder RPGS zu den einzelnen Sub-Genres geschrieben, mit mehr oder weniger Erfolg.
Das ist bei Fantasy genau so. Nur ist da ein Sub-Genre im Rollenspielbereich besonders überrepräsentiert. Ich nenne dieses Subgenre mal "D&D-ähnliche Fantasy".

Traveller gilt als DAS Space Opera RPG, war aber beim ersten Erscheinen fest an die Konventionen der 50er verhaftet, und lieg mittlerweile so weit hinter dem Genre zurück, das es für die meisten leser moderner Space Opera eher nostaligsich wirkt als interessant.
Wieso weigern sich eigentlich so viele Leute, Fans und Nichtfans gleichermaßen, hartnäckig, jede Traveller-Publikation nach den LBBs 1-3 zur Kenntnis zu nehmen? 80er-Jahre-Traveller schöpfte aus Anderson, Niven, Cherryh etc.

Cyberpunk wird von Cyberpunk 2020 gut abgedeckt, technisch ist es allerdings zeit für einen neubeginn, um einen weil Cyberpunk das spiel nichts mit cyberpunk als literatur gemein hat.
1. Stil ist mitnichten "nichts".
2. Die Inhalte des Cyberpunk-Literaturgenres (nach Deiner Definition verdient es diese Bezeichnung nicht, aber lassen wir das...) sind für das Rollenspiel halt uninteressant. Und auch ansonsten weniger tiefschürfend, als sich manch einer das einbilden mag.

Wir brauchen meiner Meinung nach wenn es um SF-RPGs einen neuen Anfang. Wir müssen die Spiele der vergangenheit hinter uns lassen, und uns wieder an das Orientieren, was die SF-Literatur HEUTE bietet.
Fantasy fährt sowohl im Rollenspiel- als auch im Buchbereich sehr gut damit, immer wieder die selben Dinge neu aufzugießen...

RPGs um die Werke vo Heinlein, Asimov, Roddenberry oder Lucas nachzuspielenen habe ich zu genüge - wo bleiben die RPGs mit denen ich Reynolds, Stross oder Banks' werk nachbauen kann?
[Obligatorischen "Rollenspiele sind keine Romane"-Rant hier einsetzen.]

Mir behagt es nicht, das ein neuaufguß von Traveller als bedeutendes Ergeignis und als Meilenstein gilt.
Na endlich. Ein Satz, dem ich zustimmen kann. Und ich bin Traveller-Fan.
Und da kommen wir auch gleich zu meinen Ansichten: Ja, SF-Rollenspiele haben ein Innovationsproblem. Aber das hat nichts damit zu tun, daß sie sich nicht an der neueren SF-Literatur orientieren. Das tun (sehr erfolgreiche) SF-Themen in anderen Bereichen (Film, Fernsehen, Videospiele) genau so wenig.
SF-Rollenspiele haben ein Innovationsproblem als Rollenspiele. Man kann von D&D 4E viel halten oder wenig. Genau so war es schon bei 3.0. Aber daß diese Spiele im Vergleich zu ihren Vorgängern die Spielweise umkrempeln und etliche Innovationen enthalten, kann man wohl kaum bestreiten. Daß inhaltlich die gleiche EDO-Fantasy verwurschtelt wird wie immer schon, ist uninteressant.
Mongoose-Traveller und das neue CP2020 hingegen sind weitgehend bzw. vollkommen die gleichen Spiele wie immer. Im Vergleich zu manchen der nach-CT-Traveller-Versionen ist MGT sogar weniger innovativ. BattleTech ist ein weiteres Beispiel - wenn auch kein Rollenspiel - für ein Produkt, das sich seit fast 25 Jahren spielerisch kaum bewegt hat.

Ich will keine transhumanistischen Postsonstwas-Artsy-Fartsy-Elemente in meinem Wunschtraveller oder Wunschcyberpunk. Ich will elegante neue Spielsysteme, 3D-Starmapping, modernes Artwork, mitgelieferte CDs mit Welten-, Begegnungs-, Robotererschaffungssystem etc.
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

@ Eumelos:
Yep, genau das ist mein Hauptproblem mit neuen Spielern für mein (fast) Hard SF-Setting. Bei Fantasy er-
übrigen sich Erklärungen des Aussehens, der Bedienung und der Funktionsweise der "Alltagstechnik", bei SF
sollte der Spieler zumindest ein "Basiswissen" aus Wissenschaft und Technik mitbringen, um die technische
Umwelt seines Charakters verstehen und sinnvoll nutzen zu können. Außerdem gehen in der SF die Plots in
ihrer Komplexität meist doch deutlich über "Totschlagen und Ausrauben" hinaus, was SF für einen Teil der
Rollenspielerschaft ebenfalls unattraktiv macht.
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

Bei Fantasy erübrigen sich Erklärungen des Aussehens, der Bedienung und der Funktionsweise der "Alltagstechnik",
Weit gefehlt. - Warum sonst stellen ausgearbeitete Fantasy-Kulturen, die eben ANDERS als mit einer "Mittelalter-Markt-Idylle" daher kommen, eine z.T. ERHEBLICHE Einstiegshürde für die Spieler (und den Spielleiter) dar?

Es ist doch EGAL, ob es sich um eine Kultur, deren Sitten, Gebräuche, technische Lösungen, usw. FREMDARTIG zu unserer heutigen 2008er-Mitteleuropa-Umgebung sind. - Wenn man es ERNST meint mit der Darstellung fremder Kulturen, dann wird es IMMER schwierig. Auch heute, auch bei zeitgenössischen Rollenspielen.

Wenn man Cthulhu Ende der Zwanziger Jahre in Deutschland spielt, und ein Spieler möchte gerne mit seinem Handy die Polizei anrufen, dann weiß man, wie problematisch schon allein das Zurückversetzen um 80 Jahre ist. - Was war denn damals so Sitte und Gebrauch? Was war technologisch bereits gängig verfügbar, was hat man grundsätzlich anders gemacht (man denke mal nur daran, wie sich die Nichtverfügbarkeit heutiger Haushaltsgeräte wie Waschmaschine, Kühlschrank, usw. auswirkt).

Das ist bei Fantasy, die ja absichtsvoll unhistorisch ist, jedoch überall Anleihen bei historischen Vorbildern nimmt, noch viel schlimmer! Man hängt ob der anachronistischen Zusammenstückelung von "das wirkt halt irgendwie mittelalterlich, das paßt schon"-Elementen völlig in der Luft. - Fantasy kommt oft als Flickwerk wie ein "Mittelalter"-Markt daher, d.h. mit "Wikingern", "Landsknechten", Böllerschützen des Trachtenvereins, Plastikgepanzerten Stunt-Rittern aus Film und Fernsehen, und Ritterspielern mit unterschiedlich peinlichen Aufzügen. DAS ist der Fantasy-Mix, der mindestens seit Anfang der Siebziger üblich ist.

Woher soll denn in diesem Kuddelmuddel der einzelne Spieler wissen, was geht, wie es geht, und wie die Basistechnologie funktioniert? - NICHTS weiß man da. Man nimmt sich das, was man kennt (Filme, Romane, Comics, Computerspiele) und füllt damit die Lücken so aus, daß man auch als Spieler selbst sagen kann "paßt schon".

Das ist auch bei heute angesiedelten Rollenspielen wie WoD oder UA der Fall. Wer nicht in den USA aufgewachsen ist und die dortigen "Beliebtheitswettläufe" an den High Schools mitgemacht hat, der VERSTEHT manche US-Szenarien völlig anders als das eigentliche Zielpublikum, US-Rollenspieler. - Kann man deswegen keine US-Szenarien mehr spielen? - Doch. Man kann. Aber man WIRD sie ANDERS spielen. Und das macht auch nichts. Man kennt hier "Die USA (tm)" aus den Medien, allen voran dem Fernsehen und dem Kino. Was wir alles nicht wissen, das flicken wir selbst schnellstens mit dem, was wir im Fernsehen gesehen haben. "wie das dort drüben so ist".

Und das macht man auch mit Sci-Fi. - Es gibt wirklich SEHR WENIGE Sci-Fi-Autoren, die es schaffen eine fremdartige Kultur WIRKLICH fremdartig rüberzubringen, wo man als Leser mit dem Verstehenwollen und dem zu verstehen Versuchen am Ringen ist. - Die meisten packen doch so oder so nur ihren Hinz und ihren Kunz in ein Kostüm, einen schillernden "Sci-Fi-Anzug" und lassen sie so agieren, wie man es heutzutage eh machen würde.

Und das ist auch verständlich. - Denn die Bücher sollen ja die Leser NICHT vor den Kopf stoßen und im Leser eine Distanz aufbauen, die dazu führt, daß er von diesem Buch und ggf. von diesem Autor oder gar von diesem Verlag die Nase voll hat. - Diese Bücher MÜSSEN sich verkaufen. Sie brauchen daher AKZEPTANZ der Leser.

Das trifft in gleichem Maße auf Sci-Fi-Rollenspiele zu.

Wenn Otto Normalspieler ein Sci-Fi-Rollenspiel mit seinen Kumpels spielen möchte, dann muß er als Spieler bald genug ins Spiel finden, daß er seinen Spaß hat. - Befremdet ihn das Spiel, sorgt es dafür, daß er sich innerlich von seinem Charakter, der Spielwelt, dem betreffenden Rollenspiel verabschiedet, dann wird er (und nicht allein er) nächste Woche vorschlagen doch mal wieder eine gemütliche Runde DSA oder D&D zu spielen. Das kennt er und da kommt er schnell rein.

Das ist der Erfolgsfaktor von Traveller. Die vielen Welten haben Techlevel und Sozialstrukturen, die irdischen Vorbildern (auch aus der Sci-Fi-Literatur bekannten) entsprechen, die man kennt, die man versteht, und die einem den Einstieg in dieses Universum erleichtern.

Traveller mag heute altbacken wirken. - Aber "Innovation" an sich ist KEINE spielspaßfördernde Eigenschaft eines Rollenspiels.

Anders als in der Sci-Fi-und-Fantasy-Literatur im englischsprachigen Raum, wo Sci-Fi VOR Fantasy lange Zeit die dominierende Rolle gespielt hat, war es im Rollenspiel seit den Anfängen eher umgekehrt.

Eskapismus? Daran denkt doch NIEMAND bewußt, der sich für Rollenspiele als Hobby interessiert. - Der will nur einfach mal was ANDERES sein und tun als im heutigen Normalo-Alltag. Schwerter schwingen ist (für die meisten) ziemlich anders. In einer Raumstation im Jahre 2556 herumzusitzen und dort den korrekten Lauf der Energieversorgung zu überwachen ist genauso öde wie dies im Jahre 2008 bei einem Energieversorgungsunternehmen zu tun. - Da fehlt das Wundersame, das Begeisternde.

Wie schätzt ihr denn den Anteil an zeitgenössisch plazierten Rollenspielen im Vergleich zu Sci-Fi-Rollenspielen ein? Daß Fantasy einen weit höheren Anteil hat, darüber besteht, meine ich, Konsens.

Ich habe den Eindruck, daß ein zeitgenössisches Rollenspiel, welches OHNE Übernatürlichkeiten (Vampire, Magie, Werwölfe, Psionik, Monster, usw.) daher kommt, schlichtweg nicht interessant ist. - Daher packen fast ALLE "modernen" Rollenspielsettings ihre Kiste mit Übernatürlichkeiten aus. nWoD hat ihre Magier, Vampire, und andere Monster. UA hat ihre Adepten und Avatare und anderes Gelichter. D20 Modern hat seine Fantasy-Ausrichtung.

Ohne das ÜBER-Natürliche wäre nämlich da Natürliche zu langweilig.

Gleiches Phänomen im Western-Setting. - Es gibt zwar in absoluten Zahlen nicht so viele, aber doch zahlreiche Western-Rollenspiele. Doch die Vertreter, die sich um einen historisch halbwegs akkuraten, nicht cinematisch (damit quasi-übernatürlich!) verfremdeten Westen bemühen, sind gering in Anzahl und werden so gut wie nicht gespielt. - Gespielt wird Western mit Magie, mit Steampunk, mit Horror, mit Werwölfen, mit cthulhoiden Monstern, mit Aliens, mit ...

Wer mit einem gerne wissenschaftlich ausgesprochen gut fundierten Hard-Sci-Fi-Rollenspiel ankommt, welches im Idealfalle von den Spieler NICHT erwartet, daß sie einen Physik-, Chemie-, Astronomie-, Geologie-, und diverse andere Abschlüsse gemacht haben, um "korrekt" in der Spielwelt mitspielen zu können, der wird TROTZDEM auf geringes Interesse stoßen. - Es ist zu wenig BESONDERES an solch einem Rollenspiel.

Die Handys heutzutage stellen jeden StarTrek-Kommunikator in den Schatten. Wir LEBEN in der ZUKUNFT. - Rollenspiele wie Shadowrun, Cyberpunk oder erst recht Traveller wurden von der IT-Technikentwicklungsgeschwindigkeit schlichtweg abgehängt. - Was bleibt einem Sci-Fi-Rollenspielautoren dann noch übrig?

Fantasy in Space!

Technik ist soweit fortgeschritten, daß sie einfach so funktioniert und NIEMAND mehr eine Erklärung braucht. - Damit wären wir bei Space Operas und Pulp-Sci-Fi angelangt. Schwerter und Plasmawaffen. - Das Übernatürliche kommt mit anderer Verkleidung daher: Magie? Haben wir nicht, wir haben Psionik, die "Macht (tm)", "Nanoroboter", oder was auch immer. - Magie eben.

Ist Sci-Fi zu nah dran am nächsten Apple-Produkt, das jeder haben will, ist es nicht WEIT WEG genug für längeres Rollenspielerinteresse (denn der kauft sich das Apple-Teil nächsten Monat oder in einem halben Jahr per Ebay - und dann hat er es; keine Sci-Fi, sondern heutiger Stand der Technik).

Somit MUSS Sci-Fi weit weg oder weit daneben plaziert sein.

Doctor Who zeigt das ja. Man KANN in vielen Varianten heutiger Alltagssettings spielen, wenn man immer etwas neues, schräges Übernatürliches oder Extraterrestrisches (oder beides) einbaut. Und das bleibt auch nach 45 Jahren noch interessant.

Firefly ist ein Sci-Fi-Mäntelchen, welches manche Plot-Vehikel bereitstellt, was aber letztlich auf eine Mississippi-Steamer-Crew kurz nach dem Bürgerkrieg abbildbar ist. Western mit anderem Schokoguß. KEINE Sci-Fi.

Shadowrun ist Fantasy. Und zwar noch viel näher am D&D-Klischee des Leute-umhauens-und-deren-Wertsachen-raubens, als das manchen vielleicht bewußt ist. Die SR-SCs sind solche Aussätzigen der Gesellschaft, wie es D&D-SCs wären, wenn sie das täten, was ihnen die absichtsvoll ignorierenden D&D-Kritiker vorwerfen, daß sie es täten.

Das ganze "Transhuman"-Thema stellt KEINE "Revolution" in der Sci-Fi dar. Im Gegenteil. Das ist Aufgekochtes aus den 50er-Jahren. (Wie auch Cyberpunk nur 50er-Jahre-Sci-Fi im Netzhemd und mit New Wave Musik im Neonlicht ist.)

Was hingegen quer durch ALLE Genres interessant bleibt, ist die menschliche Interaktion. Das Soziale. - Und hier hat Firefly und Buffy und Heroes eben etwas zu bieten, was UNABHÄNGIG von dem Genre-Anstrich die Leute interessiert.

So auch bei entsprechenden Rollenspielen.

Sci-Fi ist ständig "da" gewesen. Sci-Fi war nie weg vom Fenster. - Sci-Fi fand und findet nur nicht so viele Interessenten wie Fantasy. Das ist ein zu erwartendes Phänomen einer Zeit des Technikpessimismus.

Rollenspielautoren sind Kinder ihrer Zeit (und ihres Herkunftslandes).

StarTreks Anfänge sind Kalter Krieg pur. Damals sahen die Klingonen noch wie die wodka-statt-wasser-trinkenden Kommies aus und der gute All-American-Hero haut ihnen die "Democracy" mit seinen beiden bloßen Fäusten in die Fresse. Das ist Sci-Fi. Endlich kann man mal die Bösen desintegrieren! Yeehaw!

Raumpatroullie kennt und verwendet ohne zu zögern "Overkill". Auch hier die Infiltration, Verrat, Kalter Krieg überall.

Und Perry Rhodans Anfänge sind natürlich auch geprägt vom Kalten Krieg (nebst dem Entdecken neuer Welten und neuer Feinde der Menschheit und ihrer nützlichen Idioten Verbündeten).

Komischerweise hat sich StarTrek aber eine begeisterte Anhängerschar quer durch alle nachfolgenden, weichgespülten "PC"-gehirngewaschenen Versionen behalten können. Und PR ist DIE Sci-Fi-Erfolgsgeschichte schlechthin.

Sci-Fi als Genre in Büchern, Filmen, Fernsehen geht. Und es geht gut.

Ich kann keinen "gefühlten Mangel" an Sci-Fi-Rollenspielen erkennen. Und auch keinen Mangel an regeltechnischen Neuerungen (so verwendet ja das Starblazer Adventures Rollenspiel, auf Basis der englischen Comics aus den 70ern und 80ern, die Fate3-Mechanik, die erst mit SotC richtig publik wurde). - Traveller MUSS NICHT Innovation um jeden Preis bieten. Traveller bietet ohnehin soviel Anwendungsbreite für unterschiedliche Interessen (von ausgedehnten Raumschlachten von Großverbänden bis hin zum durchs All hopsenden Space-Cowboy). Es ist geradezu ein "generisches", wenn auch nicht universelles, Sci-Fi-Rollenspiel.

Daß es als solches nicht die SPEZIAL-Eigenschaften von thematisch enger gefaßten Rollenspielen hat, sollte nicht verwundern. - Diese thematischen One-Trick-Ponies haben aber noch lange nicht die DAUERBEGEISTERUNGSFÄHIGKEIT bei Rollenspielern bewirkt, die sich Traveller rühmen darf.

Was die "Innovationen" anbetrifft: Wenn ich mir anschaue, was allein DIESES Jahr an NEUEN oder Wiederaufgelegten bzw. übersetzten alten Fantasy-Rollenspiel-Schinken, Heartbreakern, oder Noch-nicht-einmal-Heartbreakern herauskommt, dann bin ich doch sehr froh, daß die Qualtität der dieses Jahr bei mir auf dem Schirm befindlichen Sci-Fi-Rollenspiele für ein verdammt gutes Verhältnis zur Quantität spricht. Die Fantasy-Rollenspiele, die praktisch jeder Rollenspielverlag irgendwo im Dutzend billiger in der Schublade hat, oder die einzelne ambitionierte Sich-gerne-Autor-nennen-Wollende in ihren Schubladen horten, die können gerne weiterhin unveröffentlicht bleiben.

Was da durch die Publikationserleichterungen der heutigen Zeit an überflüssigem Rollenspiel-SPAM auf den Markt kommt, ist nicht gerade ein gutes Zeichen - vor allem nicht gut für den Überblick der jeweiligen Autoren über ihr eigenes Hobby.

Sollte die Sci-Fi man unter solch einer Schwemme an überflüssiger Rohstoff- und Zeitverschwendung leiden, dann - aber ERST DANN - wäre ein solcher Lamentier-Thread wie dieser hier angebracht.
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken


Nun, ich bezog mich auf "Alltagstechnik". Und mich hat beispielsweise noch nie einer meiner Spieler gefragt,
wie die Ruder eines Ruderbootes funktionieren, oder wie hoch ein Baukran eine Last heben kann. Bei einem
Wasserstrahlantrieb oder einem Antigrav-Lastenheber höre ich solche Fragen schon häufiger, und bei kom-
plexerer Technik von neuen Spielern eigentlich ständig.

Soziale und kulturelle Phänomene wären eine ganz andere "Baustelle", die ich gerne Dir überlasse. :)
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

@Zornhau: Ich weiß ich werde es wahrscheinlich bereuen, aber kannst du (noch) ausführlicher darlegen was du meinst?

Einerseits sagtst du, dass Spieler schon Probleme damit haben sich in die Kultur der 20er Jahre "reinzudenken" (sind das Praxiserfahrungen?), andererseits behauptest du aber, dass Spieler keine Probleme hätten sich auf E-279A51 zurechtzufinden, weil "man die [Grundlegende Strukturen] kennt und versteht und sie den Einstieg ins Universum erleichtern."
Wie denn nun (IMO widersprechen sich die beiden Aussagen).
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

Fantasy hat Tolkien im Zentrum, um den alles andere kreist. Es existiert ein gemeinsamer Bezugspunkt. Science-Fiction hat... niemand. Es ist ein amorphes Asteroiden-Feld jenseits jeglicher Gravitation.
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

Fantasy hat Tolkien im Zentrum, um den alles andere kreist. Es existiert ein gemeinsamer Bezugspunkt. Science-Fiction hat... niemand. Es ist ein amorphes Asteroiden-Feld jenseits jeglicher Gravitation.
Das empfinde ich jetzt nicht wirklich als Nachteil, eher im Gegenteil.
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

Fantasy hat Tolkien im Zentrum, um den alles andere kreist. Es existiert ein gemeinsamer Bezugspunkt. Science-Fiction hat... niemand. Es ist ein amorphes Asteroiden-Feld jenseits jeglicher Gravitation.

Ob Du nun Tolkien oder Rowling nennen würdest, beides wäre ziemlich falsch.
Auch wenn sie häufig gelesen wurden und werden, Allgemeingut sind sie nicht.

Das Zentrum und der Bezugspunkt sind Märchen und Sagen.

Man zeige mir jemanden der noch nie ein Märchen oder eine Sage aus einer hypothetischen Vergangenenheit gehört, gelesen oder gesehen hat und das ist dann ein recht seltenes Exemplar Mensch. Durch alle Kulturkreise der Erde.

Klar steht Tolkien als Klischeevorlage für die meiste EDO-Fantasy, egal ob Buch oder RPG. Nur wird man wahrscheinlich, vor den HdR Filmen, mehr Rollenspieler sehen die Tolkien hinterher gelesen haben als Tolkien Leser die hinterher Rollenspiele anfingen...

Nochmals:

Das Zentrum und der Bezugspunkt sind Märchen und Sagen.

Und deswegen wird Fantasy immer viel erfolgreicher sein als SF. Weil mehr Leute geübt sind da ein Suspension-of-Disbelief aufzubauen.

Man akzeptiert Magie und deren "Logik" einfacher als die Funktionsweise einer Black Box die einen nach Alpha Zentauri teleportiert...

Und das bin immer noch Ich der auf der anderen Seite heraukommt?
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

Einerseits sagtst du, dass Spieler schon Probleme damit haben sich in die Kultur der 20er Jahre "reinzudenken" (sind das Praxiserfahrungen?)
Ja, das sind Praxiserfahrungen. Und nicht nur von mir, sondern auch aus vielen anderen Runden (im Verein ist Cthulhu eines der meistgespielten Rollenspiele).

Augenscheinlich ist für viele der Schritt in die "low tech"-Vergangenheit der 20er-Jahre schon deshalb holperig, ja geradezu mit Stolpersteinen gefüllt, da die betreffenden Spieler ausgesprochene Unkenntnis des damals gängigen Technologieniveaus und der Verbreitung von heutzutage als selbstverständlich angenommenen Geräten (Waschmaschinen, Spülmaschinen, Telefon in jedem Haus, usw.) unter Beweis stellen.

Aus diesem Grund ist auch für die knapp zurückliegende Zeit eine Information über den Stand der Technik (und der Gesellschaft) für die Spieler sinnvoll. Sie füllen nämlich auch hier ihre vorhandenen Lücken mit dem, was sie aktuell, d.h. heutzutage selbstverständlich als "das gab es doch schon immer" oder "das war doch schon immer so" annehmen, auf. Und damit produzieren sie Kollisionen mit den Setting-Informationen, der Plausibilität und der Glaubwürdigkeit der Settingumsetzung im Spiel.

Handys in den 1920ern stoßen zumindest manchen Leuten so auf, daß es sie stört.

Handys (nicht etwa Autotelefone) in einer 1982 spielenden Funky Colts Serie stoßen aber auch Leuten, die damals schon volljährig waren, als krasser Plausibilitätsbruch auf. - Daß damals CB-Funk die coole Kommunikationsweise für die harten Trucker war, das hat man heutzutage auch schon wieder vergessen.

Somit bekommt man sogar OHNE Science-Fiction, also OHNE rein fiktive, und somit erst und allein auf Basis der Settinginformation in den Quellenbüchern kennenlernbare, technologische "Allgegenwärtigkeiten" ein VERZERRTES Bild eines Settings. Man hat somit schon beim Rollenspielen in den 1980ern EINSTIEGSSCHWIERIGKEITEN für Spieler und Spielleiter.

Diese unterscheiden sich nur qualitativ aber nicht wirklich quantitativ von den Schwierigkeiten beim Einstieg in ein Sci-Fi-Setting, zu welchem es weder Filme, noch Bücher, noch TV-Serien, noch Comics, noch Computerspiele gibt.

Beispiel: Dawning Star - hätte man bei DS nicht "gut geklaut", dann wäre dieses Setting wirklich schlecht erschließbar gewesen. Durch geschicktes Verarbeiten von ganzen, längeren Zusammenhangsketten, die auf Standard-Versatzstücken aus Sci-Fi-Filmen, Serien und Romanen basieren, erschließt sich dieses Setting aber ausgesprochen schnell. Mich hat die Geschwindigkeit überrascht, mit der neue Spieler in das Dawning Star Setting finden können, OHNE irgendetwas über DS vorher schon gehört oder gelesen zu haben.

Der Unterschied bei Einstiegsschwierigkeiten in ein mittelalter(markt)-ausgerichtetes Fantasy-Setting, in ein Kino-Western-Setting, ein Deutschland-in-den-1920ern-Setting, in ein 1980er-TV-Serien-Setting oder ein Sci-Fi-Setting ist nicht quantitativ unterschiedlich, sondern nur qualitativ.

Es ist doch so, daß IMMER DIESELBEN DINGE aufkommen:
Wie macht man Licht? (B5: "Lights" rufen; Fantasy-Setting: Mit Feuerstein und Zunder irgendwas machen, daß man eine Öllampe anzünden kann. (Allein das ist schon eine Ansammlung von Annahmen, die recht weit weg von mittelalterlichen Verhältnissen liegen.), anderes Fantasy-Setting: Continual Light zaubern.)
Was ißt man hier? (Frage nach der Ernährung)
Mit was bewegt man sich fort? (Frage nach den Transportmitteln)
Wie teile ich jemandem, der weiter weg lebt, etwas mit? (Frage nach den Kommunikationsmitteln und den Verhaltensweisen rund um deren Nutzung (Anrede usw.))
Was passiert denn, wenn ich jemanden töte? (Frage nach dem Rechtssystem und dessen Umsetzung)
usw.

Das sind die Fragen, die man sich beim Entwurf EINES JEDEN SETTINGS beantworten können sollte. Diese sind zunächst einmal unabhängig vom Genre, von der Technologie, sondern sie betreffen einfach die DIREKTEN, die FÜHLBAREN Lebensumstände eines jeden Charakters in diesem Setting. - Somit hat auch ein Spieler ein echtes Interesse an solchen Dingen, da er sie BRAUCHT, sie wissen MUSS, um seinen Charakter normal und unbeschwert als einen Bewohner des Settings agieren zu lassen.

Fehlt nun die Information, daß es keinen Überlichtfunkverkehr gibt, sondern daß man Nachrichten per X-Boat-Service wie mit der Pferdepost von einem Sonnensystem zum anderen transportiert, dann kommt es zu einer Differenz der Annahmen (Überlicht- oder Hyperraum-Funk haben doch viele Sci-Fi-Settings, das wird hier wohl auch passen) und der Setting-"Realität" (Kein Überlichtfunkverkehr, sondern Pony-Express-via-Raumschiff). - Und so etwas stört.

Manche Spieler, manche Spielleiter, und vor allem den Spielablauf. - Je länger, je mehr Nachfragen und Erläuterungen von etwas kommen, was aus der Perspektive eines Charakters im jeweiligen Setting "Allgemeinwissen" wäre, desto zäher der Spielverlauf, desto schwerer der Einstieg ins Setting, desto höher die Einstiegshürde.

Ganz schlimm sind solche Spielwelten wie Glorantha, die nur sehr LOSE an irdischen kulturellen Vorbildern angelehnt sind. Warum lachen die Leute aus dem einen Volk darüber, daß die im anderen Volk Kamine und Schornsteine haben? Wieso hat mein Haus denn keinen Schornstein? Was soll das heißen, daß JEDES Haus in meinem Volk Windelementargeister hat, die den Abzug vom Herdfeuer gewährleisten? Das liegt daran, daß unser Pantheon das Sturm-Pantheon ist? Na, von mir aus. - Ich gehe mit meinem Hund jetzt mal jagen. Was heißt das, hier gibt es keine Hunde? Was? Katzen soll ich auf die Jagd mitnehmen? Wie groß sind die? - Gut, gehe ich malin den Tempel. Hügel? Wieso Hügel? Das soll das Hauptheiligtum hier sein? Aber da ist doch ein Tempel auf der Dorfübersicht eingezeichnet. Nur für Frauen? Ach, und die Rinderherden gehören auch nicht mir, sondern meiner Sippe als Kollektiveigentum? Und wieso hat diese Frau da einen falschen Bart umgehängt? Weil sie lesen und schreiben kann. Ja, klar. Wieso bin ich nicht von selbst darauf gekommen?

Wieso eigentlich nicht?

Das ist die Frage, die sich ein Setting-Autor stellen muß. - Wer will, daß sein Setting ZUGÄNGLICH ist, der muß solche einfachen (aus Sicht des Charakters, aber ggf. aus Spielersicht ausgesprochen gewöhnungsbedürftigen) Fakten klar verständlich (und nicht im Tonfall eines Erdkundebuchs) vermitteln können. Ob mit Comics, Beispielszene, Kurzgeschichten, oder als hilfreiche Tips und Zusammenstellungen ist egal. Aber wenn aufgrund HEUTIGER, HIESIGER Annahmen ein Spieler seinen Charakter in Schwierigkeiten bringt, da der Spielleiter die Welt nach deren inneren Gesetzmäßigkeiten auf das Handeln des Spielercharakters reagieren läßt, und man dann ganze Szenen oder ganze Spielsitzungen per "Backtracking" nochmal von vorne aufrollen muß, dann wäre es besser gewesen, die Spieler wären VORHER informiert gewesen.

Das gilt für Sci-Fi ebenso wie für Fantasy oder Western oder 1920er-Jahre.

Ein Spieler WIRD all das, wovon er nicht explizite Kenntnis hat, daß es in diesem Setting bemerkenswert ANDERS ist als man (er!) es erwarten würde, eben selbst hineintragen. Und dann gibt es in einem abgelegenen Dorf der Schwäbischen Alb im Jahre 1920 eben in SEINER Vorstellung ein Handy, mit dem er anrufen kann (auch wenn dort HEUTE immer noch der Empfang von Mobiltelefonen massiv gestört bis nicht möglich sein mag).

Cthulhu bemüht sich hierzulande weniger um die groben Pinselstriche, mit denen US-Szenarien in eher pulpiger Manier auftreten, sondern darum eine gewisse historische Simulationsqualität zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit des Settings an den Tag zu legen. Das hat sich bei den Spielern des neueren deutschen Cthulhu als die Art, "wie man es macht" (Cthulhu spielen), eingebürgert. - Das war in den Achtzigern noch vor Erscheinen der ersten deutschen CoC-Ausgabe jedenfalls deutlich anders. Aber da gab es auch noch keine Handys.

, andererseits behauptest du aber, dass Spieler keine Probleme hätten sich auf E-279A51 zurechtzufinden, weil "man die [Grundlegende Strukturen] kennt und versteht und sie den Einstieg ins Universum erleichtern."
Das "weil" stimmt nicht. Ich sage, daß die Spieler, und zwar jeder für sich, die Lücken ihrer Settingkenntnisse auffüllen mit dem, was sie bereits über unsere Welt und über andere Sci-Fi-Settings wissen. Man füllt halt mit dem bekannten Material auf, solange es paßt und man keine merklichen Kollisionen erlebt.

Wie denn nun (IMO widersprechen sich die beiden Aussagen).
Die Aussage - nur EINE steckt darin - ist, daß Spieler IMMER mit dem, was sie zum Spiel an eigenem Wissen, eigenen Kenntnissen und eigenen Erwartungen daran, wie sich "normale Dinge" zu verhalten haben, mitbringen, die Lücken füllen WERDEN, die ihre eigene Unkenntnis der Gegebenheiten des jeweiligen Settings aufweist.

Daher ist es gleich, ob in Traveller jemand meint er könne mal schnell per Hyperraumfunk mit jemandem auf einer anderen Welt reden oder ob in Cthulhu jemand meint er könne mal schnell per Mobiltelefon die Wachtmeisterei im nächsten Alb-Dörfle anrufen. - Auf den GEDANKEN, daß das doch gehen müßte, kommt der Spieler ganz von SELBST. - Daß so etwas aber in dem betreffenden Setting nicht möglich ist, das muß ihm in diesem Falle meist wohl vom Spielleiter erklärt werden.

Ich sehe daher die Aussage von rust: ". Bei Fantasy erübrigen sich Erklärungen des Aussehens, der Bedienung und der Funktionsweise der "Alltagstechnik", ... " als nicht zutreffend an. - Man kann NIE davon ausgehen, daß Spielern oder Spielleitern die "Alltagstechnik" AUSREICHEND bekannt ist. Je weiter weg man vom heutigen Datum in die Vergangenheit oder Zukunft geht, desto unsicherer wird die mögliche gemeinsame Basis der Kenntnisse über "Alltagstechnik". In der Zukunft ist sie spekulativ bis rein fiktiv, in der Vergangenheit ist sie von allen nur erdenklichen Medien und Erwartungen geprägt, daß man sich hier genauso wenig auf eine gemeinsame Basis verlassen kann wie bei Sci-Fi-Settings. Genre-Mischungen und bewußte Anachronismen (Steamtech usw.) tun ihr Übriges zum Erschweren der Verläßlichkeit des Mitgebrachten.

Da es bei Fantasy/Western/Weimarer Republik/Achtziger Jahre-Settings schon nicht realistisch ist eine "ausreichende Grundbildung" herzustellen, halte ich von rusts folgender Aussage: " bei SF
sollte der Spieler zumindest ein "Basiswissen" aus Wissenschaft und Technik mitbringen, um die technische
Umwelt seines Charakters verstehen und sinnvoll nutzen zu können." sogar noch viel weniger.

Wieviel technologisch-wissenschaftliches "Basiswissen" braucht denn einer der vielen Milionen Handy-Nutzer hierzulande um diese Teile ANWENDEN zu können? - Eben.

Und Strom kommt aus der Steckdose. - Heute. - Und auch in Zukunfts-Settings ist das nicht mehr, was es für den NORMALBÜRGER (also jemanden, der nicht gerade einen Wissenschaftler in diesem Sci-Fi-Setting mimt) zu wissen gibt.

Wer ernstlich meint, daß ein Spieler in einem Hard-Sci-Fi-Setting sich einen akademischen Grad in Naturwissenschaften und Technik aneignen muß, der vergißt den fast noch wichtigeren SOZIALEN Aspekt solche Settings völlig (die besten Hard-Sci-Fi-Romane zeigen aufgrund plausibler Technikspekulation die sozialen FOLGEN solcher Technik - Beispiele aus unserer Welt: Handys mit Kameras nehmen Kids auf, die sich die Scheiße aus dem Leib prügeln und stellen das dann im Internet zur Verfügung. Das gab es vor der Allgegenwart von Kamerahandys und Internet NICHT. Diese Störung im sozialen Bereich wäre ohne diese Technik nicht möglich gewesen. Aber dies zu kennen und zu beurteilen muß man kein Techniker sein.).

Und wenn schon Sci-Fi-Spieler Techniker werden "müssen", dann würde ich hier mindestens erwarten, daß ein Fantasy-Rollenspieler zu einem Mediävist werden MUSS und ein Piraten-Rollenspieler den Segelschein mindestens für Küstengewässer machen MUSS und ein Western-Rollenspieler gefälligst weiß wie man mit einem Pferd umgeht und was auf einem Viehtrieb zu beachten ist.

Wenn man nicht mehr mit einer gemischten Gruppe an Spielern unterschiedlichster sozialer und Bildungshintergründe gemeinsam ein (Hard-)Sci-Fi-Rollenspiel spielen kann, dann taugt dieses Spiel nichts.
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

Seien wir doch mal ehrlich - Science Fiction ist als Rollenspiel-Genre nicht sehr erfolgreich gewesen. Fantasy ist recht einfach, ein paar elfen hier, ein paar orks da, fertig.

Für Pulp-Fantasy a la Terry Brooks oder einige der D&D-Bücher mag das gelten. Anspruchsvolle Fantasy wird selten gespielt.

Horror ist eigentlich auch recht einfach: Zombies, Vampire, und ein paar Tentakeldinger, gut is'.

Eigentlich nicht. Die Pizzaschachtel macht noch lange keine Pizza. Horror der den Namen verdient ist so mit das schwierigste was es gibt.

Aber SF? Da stellt sich erstmal die Frage: Welche?

Du überbewertest den Bereich Science völlig. Fiction ist wichtiger. Du kannst noch so viel Science reinpacken, ohne die richtige Fiktion bleibt das ganze mau.

Reden wir hier von klassischer Space Opera, von Hard SF in unserem Sonnensytem? Cyberpunk/Postcyberpunk? Pulpige Planetary Romance? Licenced Properties? Oder gar Science Fantasy wie Star Wars?

Das Problem liegt also im Genre selbst begraben. [snip] Während man bei Fantasy fast alle Gelüste mit einem generischen RPG wie D&D oder Palladium abdecken kann, wird es bei SF sehr schwer.

Auf Pulp-Niveau (Settingtechnisch zumindest D&D) und mit viel Regelbiegen kriegst Du das hin ja. Aber Du kannst nicht ernsthaft behaupten das ein Tata das Auto schlechthin ist...


Bisher wurden immer wieder RPGS zu den einzelnen Sub-Genres geschrieben, mit mehr oder weniger Erfolg.

Da Du ja selbst zugibst das SF ein sehr weites Feld ist, wieso bestehst Du auf einer umfassnden Lösung Deines Problems?

Traveller gilt als DAS Space Opera RPG, war aber beim ersten Erscheinen fest an die Konventionen der 50er verhaftet,

Das Setting? Das bisschen Rahmenhandlung? Das kann man, wenn man möchte, Generationen lang ignorieren... Das ist doch aber glatt so als würde man bahaupten Greyhawk wäre die einzige Welt mit der man D&D spielen darf. Das Imperium hat schon was von Asimov, Anderson oder A.E.van Vogt, ja. Man darf die Regeln aber auch anders verwenden.

und lieg mittlerweile so weit hinter dem Genre zurück, das es für die meisten leser moderner Space Opera eher nostaligsich wirkt als interessant.

Traveller ist so generisch, es kann gar nicht alt werden. In gewisser Weise ist es der Zwieback der SF-RPGs.

Hard SF wird ebenfalls von Traveller abgedeckt, oder von spielen wie 2300AD oder dem Weltraumquellenbuch für Cyberpunk 2020 - und auch schon veraltet. Cyberpunk wird von Cyberpunk 2020 gut abgedeckt, technisch ist es allerdings zeit für einen neubeginn, um einen weil Cyberpunk das spiel nichts mit cyberpunk als literatur gemein hat. Postcyberpunk sieht man in Transhuman Space und Lesser Shade of Evil, ansonsten ist das Thema im Rollenspielbereich eigentlich untergegangen. Ich könnte die liste jetzt weiterführen, aber mir geht es um was anderes:

Wir brauchen meiner Meinung nach wenn es um SF-RPGs einen neuen Anfang. Wir müssen die Spiele der vergangenheit hinter uns lassen, und uns wieder an das Orientieren, was die SF-Literatur HEUTE bietet. Science Fiction besteht heute nicht mehr nur aus irgendwelchen Bösen Raumimperien oder kybernetisch aufgewertete Gelegenheitsverbrecher. RPGs um die Werke vo Heinlein, Asimov, Roddenberry oder Lucas nachzuspielenen habe ich zu genüge - wo bleiben die RPGs mit denen ich Reynolds, Stross oder Banks' werk nachbauen kann? Wo bleiben die posthumanistischen Space opera RPGs? Mir behagt es nicht, das ein neuaufguß von Traveller als bedeutendes Ergeignis und als Meilenstein gilt. Ich freue mich natürlich für die Fans dieses Spiels, aber ganz ehrlich: Science Fiction ist eine Literatur des Fortschrittes, der Innovation.

Wird es nicht langsam zeit das auch die Rollenspielgemeinde nachzieht?

Geht es Dir um Settings oder um Regeln?

Mir scheint es geht Dir eigentlich um Regeln. Trotzdem nennst Du nur potentielle Settings als nicht spielbar.

Umsetzungen von D20. D6 und GURPS zu den Settings gibt es, aber keine offiziellen. Das kann sich wohl auch keiner leisten... :D

Wenn man bedenkt das recht viel der SF-Literatur sich durchaus kritisch mit Innovation auseinandersetzt, verstehe ich Deinen
Science Fiction ist eine Literatur des Fortschrittes, der Innovation.
nur als missverstehen von SF. :)

Und James P. Hogan/Robert Forward als Autor mag zwar recht gute Science geliefert haben, die Geschichte(n) sind dagegen eher mau.

Und so etwas mag keiner spielen.
 
AW: SF RPGs - ein paar Gedanken

Star HERO bietet doch alles, um Banks zb. zu spielen... ?(
Sogar Regeln um Orbitale und noch größere Komplexe zu bauen...

Es sei denn man mag das System nicht... Warum auch immer.
 
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