Vorgefertigte Abenteuer ohne Spielwerte

Niedertracht

Sayeret Matkal-Operator
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Moin.

Ein befreundeter Spielleiter bat mich vor kurzem einen Blick über sein neuestes Abenteuer zu werfen. Er war der Meinung, es wirke an zwei, drei Stellen etwas "unrund" und vielleicht hätte ich ja eine zündende Idee, wie man diese Szenen besser lösen könnte.

Im Laufe des Abenteuers bestand die Möglichkeit/Gefahr, daß sich die Spielercharaktere mit einer konzerneigenen SWAT-Einheit auseinandersetzen müßten. Als ich mir die spielrelevanten Werte der Mitglieder ansah, kamen mir diese nicht angemessen genug vor.

In der anschließenden Diskussion kristallisierte sich heraus, daß wir beide eine unterschiedliche Auffassung über das Gefahrenpotential dieser Einheit haben. Mein Kumpel meinte, daß die Einheit höchstens eine mäßige Herausforderung darstellen sollte, da dieser Konzern noch über andere, besser ausgebildete und ausgerüstete Einheiten verfüge. Ich hingegen war der Meinung, daß die Beschreibung dieser Einheit schon ein gewisses Maß an Herausforderung nahelege, das über "mäßig" hinausgehe.

Da mir dann auffiel, daß ich häufig mit den Werten in offiziellen oder fanerstellten Abenteuern hadere (meistens erscheinen diese mir nicht angemessen genug, nur sehr sehr selten völlig zu hoch), kam mir die Frage, ob es nicht mehr Sinn macht, die Spielwerte außen vor zu lassen und lediglich das Gefahrenpotential zu beschreiben.

Negativ sehe ich, daß der Spielleiter nun (noch) mehr Zeit investieren muß, da er die Spielwerte der NSCs erstellen muß. Andererseits spielen nur sehr wenige Spielleiter, die ich kenne (jaja, keine Allgemeingültigkeit), ein Abenteuer wirklich "wie es im Buch steht", sondern nehmen Anpassungen an ihre Gruppe vor. Ob da der Aufwand für die Werte einen NSCs wirklich ins Gewicht fällt, ist eine Frage des Systems.

Das ist sicherlich der zweite Knackpunkt. Bei einem System wie D&D3.x/Pathfinder kann ich - zumindest ab dem mittleren Stufenbereich und entsprechendem Spielmaterial - (fast) nie einen NSC "aus dem Handgelenk" erstellen, da von Rasse/Stufe/Klasse(nkombination) alle Werte abhängen und es viele besondere Regeln zu beachten gilt.
Bei Shadowrun hingegen, ist dies, mit einer gewissen Erfahrung, kein Problem. Während ich früher haargenau jeden NSC auch mit Werten ausgestattet habe, bekommt heute kein NSC mehr Werte vor Spielbeginn, sondern ich lege diese fest, wenn sie erforderlich sind.
DSA ist hingegen wieder ein Beispiel, wo dies nicht so ohne weiteres funktioniert, während ich (auch wenn meine Erfahrung sehr gering ist) Savage Worlds wieder in die Kategorie "sehr gut möglich" einordnen würde.

Allerdings führt uns das natürlich unweigerlich zu der Gefahr, daß der Spielleiter willkürlich handelt. Ich bin ein großer Freund von harten Regeln, da diese eine gemeinsame, verläßliche Grundlage schaffen und von der Einhaltung eben jener. Insofern ist hier durchaus ein Widerspruch zu sehen, wie ich zugebe.
Ich bin jedoch der Meinung, daß dies eine Einstellungsfrage ist. Ein Spielleiter, der die Regeln hin und wieder auch biegt und bricht, der wird sich ja nicht nur deswegen an die Werte der NSCs halten, weil diese auf einem Blatt Papier stehen. Ein Spielleiter, der die Regeln befolgt, wird die Werte, die in seinem Kopf "stehen" nicht auf einmal ändern, weil der Spielverlauf nicht seinen Vorstellungen entspricht.

Ferner würden die Abenteuer (teilweise) erheblich an Umfang verlieren und damit kostengünstiger werden. Das mag sich bei einem pdf-Abenteuer für 1,99€/$ wahrscheinlich nicht merklich auswirken, aber bei einem farbigen Softcover durchaus.

Ich für meinen Teil bin zu der Erkenntnis gelangt, daß ich keine Spielwerte für NSCs in Abenteuern benötige, da ich sie meistens eh anpassen muss. Es sei jedoch angemerkt, daß ich solche Systeme wie D&D3.x und DSA3+ auch nicht (mehr) leite.

Die Frage ist allerdings, ob diese Ansicht geteilt wird oder ob ich positive Effekte von vorhandenen Spielwerten (bzw. negative von nicht vorhandenen) nicht berücksichtigt habe?
 
Ich denke so für mich, dass es keinen Unterschied macht, ob im Abenteuer steht, dass die Gegner "mittelstark" sind und ich das dann nach gusto anpasse, oder ob ich die Werte da stehen habe und die dann nach gusto anpasse. Auf der einen Seite stimmt es natürlich, dass die Abenteuer etwas an Speck verlieren ohne die ganzen Werte - was sich zum einen positiv für den Käufer auf den Preis auswirken könnte, aber genau deswegen wahrscheinlich nicht gemacht würde, weil die Autoren den Speck als Füllmaterial einfach brauchen/wollen -, zum anderen aber sind die Werte manchmal eine ganz nette Inspiration und man erfährt, was sich so die offiziellen Autoren denken, wenn sie "mittelstark" meinen.

Letztlich komme ich also zu dem Schluss, dass es für mich kaum einen Unterschied macht, ich aber ein wenig mehr Richtung Werte tendieren würde, weil ich dann länger Zeit auf dem Klo lesen kann. An eine nennenswerte Preissenkung glaube ich nicht, allerdings wäre das der Grund, warum ich doch Richtung "wert(e)los" (lol) tendieren würde, wenn dies tatsächlich den Preis beeinflussen würde.
 
Bei gesichtslosen Konzernsöldnern sollte das gut funktionieren. Andrerseits ist es natürlich schon so daß ich es ganz gut finde wenn ich alles vor mir habe, also nicht beim leiten das Monsterhandbuch und das Abenteuer vor mir liegen haben muß.

Ich denke das Problem wären aber die "besondern" Gegner.
Also zum Beispiel den Anführer der Söldner, die genetisch modifizierte Kampfbestie der Söldner etc. Also kein Standard 08-15 Gegner sondern eher der Endgegner.
Nicht jeder SL kann die schnell aus dem Handgelenk schütteln, mitunter haben sie besondere Eigenschaften/Schwächen etc. die spielwichtig sind.

Deswegen habe ich solche Gegner immer gerne mit Werten im Abenteuer drin-selbst bei Savage Worlds wo ich die meisten NSC's einfach W6 in alles was sie brauchen gebe.

Es gibt bei Savage Worlds einige Fan-oneshets die wegen Copyright/Platzmangel angeben "Werte siehe Regelbuch". Und dort fehlen mir die Werte schon irgendwie.

Ich will Werte in ein Abenteuer haben.
 
Ich bin vollständig für wertelose Abenteuer. Das liegt einfach daran, dass ich selber zu einfallslos für überraschende Abenteuerinhalte bin, also auf die Abenteuer angewiesen bin, die Regelsysteme in 99,9% der Fälle eine absolute Katastrophe sind, sie also im Weg stehen. Leider gibt es das nur sehr selten. Der dritte Punkt ist, dass ich kein Abenteuer kaufen würde, auf dem der Name eines grottigen Systems steht, um die Autoren nicht zu unterstützen oder - GOTT BEWAHRE - zu ermutigen!

Die Werte der (sehr linearen) Abenteuer vom Drachenland-Verlag (Midgard und D&D) kann man aber z.B. problemlos ignorieren und sie beeinflussen das Abenteuer auch kaum (z.B. werden keine Proben vorgegeben, sondern nur Gegnerwerte). Auch bezahlt man dort für den Abenteuerinhalt und weniger für das System.

Eine Skala für den Herausforderungsgrad ist eine sehr gute Idee. Ich kenne das so ähnlich von einem systemlosen Kampagnenbuch (dessen Name mir im Moment nicht einfällt), da wurde die Armee eines beliebigen Landes immer nur in Prozenten ausgedrückt.
 
Werte als Anhaltspunkte sind gut, bergen aber die Gefahr, dass sich viele SL daran klammern, was zu misslichen Ergebnissen führen kann - Gegner zu stark oder zu schwach ist beides supoptimal
 
Also ich paß auch bei fertigen Abenteuern eh alles für die Gruppe an sofern ich dieses für notwendig erachte; unsere D&D-Gruppe ist z.B. etxtrem kampfstark, so daß man sonst Gefahr laufen würde das alles zu einfach wird und die Spieler eigentlich überhaupt keine Herausforderung haben.

Man kann ja als SL sowohl an der Werteschraube wie auch an der Anzahlschraube drehen, also entweder Gegner stärker/schwächer machen und/oder Anzahl der Gegner erhöhen/verringern. Also wenn Werte drinstehen ist das gut, auch als Anhaltspunkt - zu Werten zähle ich aber auch Ausrüstung, Fertigkeiten, Talente, Magie usw.
Auf der anderen Seite sind Abenteuer ohne feste Werte vielleicht universeller einsetzbar, da man ggf. nur noch am Setting schrauben muss? Habe auch schon erfolgreich systemfremde Abenteuer gespielt, z.B. DSA-Abenteuer in unserer D&D-Runde. Allerdings muss man da bei den Personen/Kreaturen viel ändern bzw. ersetzen.

Generell würde ich einmal die These aufstellen, daß ein überwiegend mittleres Herausforderungsniveau die beste Lösung ist, denn ist das Niveau zu niedrig kommt Langeweile auf, ist es zu hoch sind die Spieler gefrustet.

Denke auch das es bei skill-basierten RPG-Systemen möglicherweise besser funktioniert als bei stufen-basierten? Bei unserer Cyberpunk-runde musste ich relativ wenig ändern, daß hat meist gepaßt.
 
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