Rezension Traveller - Grundregelwerk

Taysal

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Traveller


Grundregelwerk [T-Rezi]


„Traveller“ erschien bereits im Jahre 1977 und gilt als eines der ersten Rollenspiele überhaupt. Die ursprüngliche Fassung stammt aus der Feder von Marc Miller und entwickelte sich im Laufe der Jahre stetig weiter. Nun, im Jahre 2008, veröffentlicht der Verlag Mongoose eine überarbeitete Fassung des klassischen „Traveller“s, die wiederum vom deutschen 13Mann Verlag übersetzt und verlegt wird.

Das Grundregelwerk erscheint als Hardcover, in schlichtem schwarz und mit passendem Stofflesebändchen. Auch die Seiten sind klassisch weiß mit schwarzer Schrift, ebenso einfach sind auch die Illustrationen gehalten. Dieser Stil weckt sofort nostalgische Gefühle, die schon bald vom Grundregelwerk gefördert werden.

Insgesamt dreizehn Kapitel beschäftigen sich mit allem, was zum Spiel gehört. Dabei ist „Traveller“ in erster Linie ein generisches System. Somit sind viele Science Fiction-Szenarien mit diesen Regeln ohne weiteres denkbar. Durch die Psi-Regeln kann sogar ein übernatürlich erscheinender Hintergrund umgesetzt werden. Es gibt für „Traveller“ zwar auch so etwas wie einen Kampagnenhintergrund (Das dritte Imperium), doch wird diesen im Buch selten angeschnitten und ist kein zentraler Bestandteil der Grundregeln.

„Traveller“ basiert im Kern auf sechs Attribute (jeweils drei körperliche und geistige Attribute) und eine große Ansammlung von Fertigkeiten. Die Höhe des Attributs ergibt einen Wurfmodifikator (im Buch WM abgekürzt) und je nach Situation kann der Wert einer passenden Fertigkeit aufaddiert werden. Ziel ist es die 8 zu erreichen oder gar zu übertreffen, was wiederum sogenannte Wirkungsgrade ergibt – einfach vom Wurfergebnis 8 subtrahieren. Dieses Basissystem zieht sich durch das ganze Spiel und ist schnell verinnerlicht.

Die Charaktererschaffung ist bei „Traveller“ ein besonderer Spaß. Die Attribute können ausgewürfelt oder vergeben werden (je nach Gusto) und dann beginnt ein Charakter mit dem achtzehnten Lebensjahr seine Karriere. Für einen Abschnitt von jeweils vier Jahren kann der Spieler eine Karriere für seinen Charakter wählen und versuchen, das angestrebte Ziel zu erreichen. Dabei ist es möglich Attribute zu steigern, neue Fertigkeiten zu erlernen oder als Krüppel aus dem Dienst zu scheiden, um als Herumtreiber kleine Gaunereien durchzuführen. Wartet der Spieler zu lange damit seinen Charakter ins Abenteuerleben zu schicken, kann es passieren, dass dieser wegen seinem hohen Alter die Attribute senken muss. Optional ist auch die alte „Iron Man“-Regel im Buch beschrieben. Wird diese bei der Erschaffung eingesetzt, kann es den Charakter schon vor Spielbeginn dahinraffen. Das Karrieresystem ist jedenfalls eine nette Idee, die für griffige und lebendig wirkende Charaktere sorgt. Spieler die etwas gegen zu viel Zufall haben, können auch die – optionale - Punkteverteilung wählen.

Einen Stufenaufstieg – wie man ihn aus den meisten anderen Spielen kennt – gibt es keinen. Um in „Traveller“ Fertigkeiten zu erlernen oder zu erhöhen, bedarf es einfach nur genug Zeit, in der sich ein Charakter weiterbildet oder übt. Die elendige Hatz nach dem nächsten Erfahrungspunkt entfällt also. Überhaupt besitzt „Traveller“ andere Möglichkeiten, die Charaktere und ihre Spieler zu motivieren. Meistens dreht sich alles darum, sein Schiff am laufen zu halten. Wen das nun an die TV-Serie „Firefly“ erinnert (Browncoats dürfen jetzt selig seufzen, alle anderen haben etwas verpasst), der liegt vollkommen richtig. „Traveller“ hat einfach diesen Style. Es ist aber auch kein Problem, sich einer anderen Atmosphäre zu verschreiben. So sind Folgepublikationen zum dritten Imperium bereits angekündigt und somit wird auch die „Traveller“-Hauswelt bedient. Ansonsten gilt: Das Universum, unendlich Weite ...!

Zurück vom Spielplatz und wieder hinein ins klassisch anmutende Regelwerk. Wobei klassisch keinesfalls abwertend zu verstehen ist. Nein, der alte Haudegen zeigt den jungen Grashüpfern einfach wo es langgeht. Dementsprechend präsentiert sich auch der Kampf in „Traveller“, der seinen ganz eigenen Reiz hat.

So besitzt „Traveller“ eine dynamische Initiative. Ausgehend von einem Basiswert, verändert sich die Reihenfolge schon mal während des Kampfes ein wenig. Das birgt viele taktische Elemente in sich, was sich auch in den Optionen niederschlägt. So ist es im Kampf immer eine gute Idee mit dem Taktiker der Gruppe zu kommunizieren und die Ausrüstung gut einzusetzen.

Bei den Verletzungen benutzt „Traveller“ einen Schadensmonitor und bildet aus den drei körperlichen Attributen eine Art Trefferpunkte-Pool. Bei einer Verletzung reduzieren sich die Attribute langsam, was irgendwann zu Mali führt. Dieser Umstand wird im Regelwerk übrigens vernachlässigt und erschließt sich erst durch logisches Denkvermögen. Sind zwei Attribute von Schaden betroffen gilt der Charakter als verletzt, bei drei Attributen gar als schwer verletzt. Sinken alle körperlichen Attribute auf 0, so ist der Charakter hinüber. Witzigerweise ist auch der Schaden an geistigen Attributen vorgesehen, so dass auch Gedächtnisverlust prima dargestellt werden kann. Das ist eine gelungene Idee.

Hat man den Kampf sicher überstanden, offenbart sich die schöne Welt der Ausrüstung. Da es in einer zukünftigen Welt unendliche Objekte der Begierde geben dürfte, konzentriert sich das Regelwerk natürlich nur auf die wichtigsten Dinge, die jeweils stellvertretend für ihre Art sind. Regeltechnisch sind die Unterschiede auch kaum von großer Bedeutung. Eine Pistole ist eine Pistole ist eine Pistole und kein Gewehr. Wie es sich für ein Science Fiction-Spiel gehört, spielen auch die verschiedenen Technologiestufen der verschiedenen Zivilisationen und Planeten eine große Bedeutung und fließen gut ins Spiel ein.

Nach dem Handgepäck gehen wir zum Flieger hinüber, will heißen, die Raumschiffe. Wie bauen wir uns Raumschiffe, was können wir mit ihnen anstellen, wie sehen sie überhaupt aus ... auf all diese Fragen finden sich auch die entsprechenden Antworten und Regeln. Und ganz im Good Old Style präsentieren sich auch einfache Bodenpläne im Regelwerk. Klassisch schlicht in schwarzweiß und auf kariertem Papier. Na ja, Kästchen eben, die sind wohl zeitlos. Die Regeln zur Raumfahrt sind jedenfalls einfach gehalten, aber ein wenig komplizierter, als die vorangegangenen Texte. Allerdings offenbart sich dem Leser - meist nach dem zweiten Durchgang – was vermittelt werden soll. Die meisten Probleme entstehen auch mehr durch die manchmal holprige Übersetzung aus dem Englischen und dem damit verbundenen Satzbau. Das macht dem Lese- und Spielspaß aber keinen Abbruch.

Es folgt der Raumkampf, der ebenfalls klassisch angehaucht ist und ein Spiegelbild der späten 70er Jahre darstellt. Da gibt es Mesonenkanonen und Sandwerfer – ja, richtig gelesen, Sandwerfer, die machen sogar Sinn – und noch vieles mehr. Anhand der Regeln ist der Schiffskampf auch schnell umzusetzen und macht entsprechend Spaß („Streut Sand aus allen Rohren, Mädels!“).

Zurück aus dem Weltraum beschäftigt sich „Traveller“ mit den Möglichkeiten der Psi. Immerhin gibt es genug denkbare Möglichkeiten, diese Fähigkeiten auch einzusetzen. Teleportieren, Gedanken lesen und auch andere Spielereien sind möglich. Ein richtiges „Star Wars“-Gefühl wird sich jedoch kaum einstellen, immerhin wäre dieses Setting zu speziell. Doch die meisten normalen Kampagnen-Ideen sind kein Problem.

In „Traveller“ dreht sich vieles um den Raumflug und den Handel – ein klassisches Motiv der Science Fiction (denke man an Romane wie „Pells Stern“ oder gar „Kauffahrers Glück“). Das Grundregelwerk beschert dem Spieler da eine ganze Palette an Möglichkeiten, Ideen und Regellösungen, garniert mit unheimlich vielen Abenteuerideen. Das ist ein rundes Gesamtpaket.

Den Abschluss der Kapitel machen dann die Regeln für die Weltenerschaffung. Schick präsentiert, ist so ganz schnell mal ein kleiner Subsektor zusammengeschustert, in dem die Charaktere die Gegend unsicher machen. Es folgt der übliche Index und die Kopiervorlage für einen Charakterbogen. Allerdings gibt es auch noch eine Karte mit Hexfeldern, um eigene Raumkarten zu zeichnen. Eine nette Idee.

„Traveller“ ist zwar alte Schule, aber gute alte Schule. Die Regeln sind ziemlich knapp und verständlich gehalten, viel Platz wird der Welt- und Abenteuerentwicklung eingeräumt. Das spiegelt sich in unzähligen Tabellen wieder, die sich durchs ganze Buch ziehen. Hier kann für alles und jeden gewürfelt werden, es ist das kleine Paradies für Tabellenfetischisten. So kann Prinz Zufall einfach alles aus dem Ärmel schütteln – falls man denn will. Es ist natürlich auch kein Problem kontrolliert zuzugreifen und sich aus dem Fundus zu schnappen, was man schnappen möchte. Angriffe von Tieren, Tanken an der Station, verhalten einer Bardame, Auftrag eines Freihändler – alles kein Problem. Möglichkeiten und Anregungen gibt es hier ein ganzes Universum voll, oder halt beinahe.

Wie bei Regelwerken üblich, haben sich leider etliche Fehler und Unverständlichkeiten eingeschlichen. Über den Internetauftritt des 13Mann-Verlags in ein entsprechendes Forum, wo fleißige Gesellen die Fehler ausmerzen, die Unklarheiten beseitigen und sogar mit Hausregelungen dienen, was zum Beispiel das Erlernen von Fertigkeiten angeht. Ansonsten liegt auf der Traveller-Homepage des Verlags auch ein Errata vor.

Das Layout von „Traveller“ ist leider eher schlecht. So muss man öfters nach einer Tabelle suchen oder hat sich ein „d“ („dice“) anstelle eines „W“ („Würfel“) eingeschlichen. Sicherlich wären hier elegantere Lösungen möglich gewesen (zum Beispiel Zuordnung der Tabellen mittels einer Tabellen-Nummer). Die Texte sitzen nicht immer ganz richtig und manchmal wirkt eine Textbox etwas deplaziert. Egal, Hauptsache Spaß.

„Traveller“ ist ein gelungenes Science Fiction-Rollenspiel mit großem Potenzial, das viel Spielspaß und Spannung verspricht. Vor allem besticht es durch seine Zeitlosigkeit und seiner Liebe zur kreativen Idee. „Traveller“ ist einfach klasse!

Diese Rezension erschien zum Zeitpunkt des Eintrags ebenfalls auf Taysal.net, Taysals Abenteuerland und Buchrezicenter.de.Den Artikel im Blog lesen
 
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