[Karneval der Rollenspiel-Blogs] Wie dreht man an der Spannungsschraube?

Das unterstreicht aber die von mir im Eingangsbeitrag zum Karneval aufgeführte Ansicht, daß es eben Spieler gibt des es UNSPANNEND mögen.
Ich würde zwar nicht sagen, daß ich es immer unspannend mag, aber ich bin jemand, der in Sachen fehlender Spannung sehr tolerant ist. Vielleicht bin ich für das Gefühl der Spannung einfach weniger empfänglich als andere. Es macht mir z. B. wenig aus, wenn mir jemand erzählt, wie ein Film oder Buch ausgeht. Vor einiger Zeit habe ich auf einem Rollenspielblog eine Rezension zur Neuauflage von Heinleins "Weltraumkadetten" (jetzt unter dem englischen Originaltites Space Cadet) gelesen, in der kritisiert wurde, daß es an einem Spannungsbogen fehlt. Ich habe den Roman selbst vor 13 bis 15 Jahren zum ersten mal gelesen und kann dem beipflichten, allerdings hat es mich nicht gestört.
 
Mir geht es da ähnlich, ich bin relativ "spoilerresistent". Das liegt daran, dass mich meist eher interessiert wie etwas geschieht, als ob. Wenn ich weiß, wo die Reise hingeht, finde ich es umso spannender herauszufinden, wie sie das macht, wie sich gewisse Dinge ausgestalten, Konflikte ergeben und wieder auflösen etc.

Im Rollenspiel besteht meine Spannung als Spielleiter größtenteils aus dem ungewissen Faktor der (mit der Zeit schwindenden aber immer vorhandenen) Unberechenbarkeit meiner Spieler und dem Chaos-Prinzip von mehreren Spielern, die mit einer bestehenden Welt interagieren. Ich habe irgendwann für mich entdeckt, dass ich den größten Spaß daraus gewinne, meine Welt loszulassen und zuzusehen, was die Spieler damit und daraus machen.

Für meine Spieler ergibt sich Spannung in der Regel random, zumindest aus meiner Perspektive. Ich kann sie nicht gut forcieren, deswegen kann ich auch nicht an irgendwelchen Schrauben drehen - meistens generieren Dinge Spannung, die ich dafür nicht vorgesehen hatte oder die ich gar nicht im Blickfeld hatte. Die Fehlbarkeit meiner eigenen Wahrnehmung ist in dieser Hinsicht ein viel größerer Faktor, als bei der Konzeption einer statischen Geschichte (Buch, Film, Videospiel) durch die unmittelbare Interaktivität. Da kann es passieren, dass die Spieler plötzlich Fingernägel kauend und Popkorn mampfend über dem Tisch kauern, weil ich zwei NSC miteinander reden lasse, ohne groß darüber nachgedacht zu haben, was das impliziert. Oder, das ist eigentlich das Beste, einer der Spieler findet einen besonders kreativen/gewagten Weg, eine eigene Geschichte aufzubauen oder eine bestehende zu manipulieren und die Spannung entsteht darum, ob und wie das letztlich gelingt.

Ich schätze wenn ich ein Mittel nennen könnte, um in dieser Hinsicht an der Spannungsschraube zu drehen, dann würde ich raten, möglichst ergebnisoffen zu leiten und den Spielern viele Möglichkeiten zu geben, sich ihre Spannung selbst zu generieren / aus dem Spiel zu ziehen. Ich bin kein Autor am Spieltisch, der so durchdachte und dramaturgisch durchkonzipierte Geschichten entwickeln kann, dass sie ihren geplanten, statischen Spannugsbogen auch nach dem Auftreffen auf die Spieler und ihre Interaktion damit aufrecht erhalten.

Natürlich ist Ungewissheit immer ein praktischer Faktor, der allerdings auch nerven kann, wenn er falsch oder inflationär eingesetzt wird. Es gibt auch einfach Spieler, die von "klassischen" Spannungsbögen gelangweilt sind oder die, wie bereits im Thread genannt, gar kein großes Interesse an Suspense und Spannung im Spiel haben. Alles schon erlebt.
 
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