Detailgrad von Savage Worlds

Skar

Dr. Spiele
Teammitglied
#StandWithUkraine
Registriert
16. Januar 2003
Beiträge
69.713
Savage Worlds stellt die Anwendbarkeit von Skills im Spiel auf eine recht breite Basis. So kann man zum Beispiel mit dem Fernkampf-Skill einen Bogen, eine Pistole oder eine Kanone bedienen.

Mit diesem Detailgrad oder der gröberen Granularität wird zudem öfters argumentiert, wenn es um detailverliebte Ausarbeitungen zu SavageWorlds geht.

Dabei - und das nur am Rande - sind die Regeln zwar für schnelles Spielen ausgelegt, aber nicht durchgängig grobgranular. Worauf es mir aber eigentlich ankommt ist der Hintergrund.

Muss dieser Hintergrund ebenso grobganular sein, bzw. was bringt das für Vorteile? In einem Setting, dessen Fokus zum Beispiel auf Waffen und Ausrüstung liegt, oder dessen Corestory eben diese Elemente bedingt, möchte ich auf eine große Detailtiefe heranzoomen.
Was spricht dagegen?
 
AW: Detailgrad von Savage Worlds

Muss dieser Hintergrund ebenso grobganular sein, bzw. was bringt das für Vorteile?
Der HINTERGRUND kann BELIEBIG DETAILVERLIEBT gestaltet sein.

Nur sind dann nicht alle Details in Savage Worlds Regelmechanismen abbildbar.

Bestes Beispiel: Deadlands. - Die schönen, feinen Details aus DL:Classic gerade bei den Arkanen Hintergründen, sind durch die groben Mechanismen von Savage Worlds schon regeltechnisch "über denselben Kamm geschoren" worden. Somit gibt es das Besondere z.B. von Schamanen NUR NOCH IM FLUFF, aber nirgendwo im Crunch mehr (keine Ritual-Skills, keine Appeasement-Points, keine Guardian Spirits, etc. - sondern nur eine Variante von AB:Miracles mit automatischer Powerpoint-Regeneration).

Daher KANN man prinzipiell JEDES Setting mit beliebiger Detailfülle für Savage Worlds regeltechnisch erschließen. - Nur ob man das SOLLTE, das ist eine Frage der Akzeptanz der Kompromisse, zu denen man aufgrund der grobgranularen GRUNDMECHANISMEN der Savage Worlds Regeln dabei gezwungen wäre.

In einem Setting, dessen Fokus zum Beispiel auf Waffen und Ausrüstung liegt, oder dessen Corestory eben diese Elemente bedingt, möchte ich auf eine große Detailtiefe heranzoomen.
Was spricht dagegen?
Waffen und Ausrüstung sind in Savage Worlds MINDERWICHTIG. Ein Setting, das den FOKUS auf ellenlangen Listen mit pingeligst unterschiedenen Waffentypen legt, wird sich mit Savage Worlds ZU GROB anfühlen.

Man nehme z.b. mal Deadlands:Hell on Earth. Hier ist das Kaliber der Munition, die man irgendwo gefunden hat, SEHR wichtig. Manche noch so tolle Waffe ist in diesem Endzeit-Setting nutzlos, weil man praktisch KEINE Munition mit passendem Kaliber finden kann. - Zudem: Munition stellt auch noch die WÄHRUNG in diesem Setting dar, so daß man entweder die wertvollen Patronen behalten, oder sie auf die Gegner abfeuern kann. - Daher hat DL:HoE auch DETAILREGELN und lange Listen mit unterschiedlichen Waffen, Munitionstypen etc., weil das zwar nicht DER, aber doch EIN Fokus des Spiels ist.

Savage Worlds macht nur SEHR SELTEN in seinen Settings solche Haarspaltereien. - Nahkampfwaffen werden ganz simpel unterschieden in Str+1, Str+2, Str+3, Str+4, etc. -waffen. D.h. es ist vollkommen egal, ob man ein philippinisches Bolo, einen Gladius, ein Xiphos, eine Baumarkt-Machete führt, sie machen ALLE Str+2 Schaden, wiegen gleichviel und werden regeltechnisch NICHT UNTERSCHIEDEN.

50 Fathoms hat genau EINE Art von Kanone (implizit angenommen: 8-Pfünder), weil es vollkommen UNWICHTIG ist, ob eine Kanone nun ein größeres oder kleineres Kaliber hat, da ja auch bei den Schiffen, die man mit diesen Kanonen beschießt, NIRGENDWO unterschiedliche Bautypen, Versteifungen im Rumpf, Holzarten, Rumpfneigung, Mastpositionierung etc. unterschieden wird. - Man spielt Piraten mit Magie und Fremdrassen, wo eine Breitseite mit Kanonen oder ein Bündel Feuerbälle der Kraken-Magier oder ein Angriff durch einen beschworenen Riesenkraken GLEICHWERTIGE Kampfoptionen sein sollen.

Sobald man anfängt an einer Stelle SEHR in die Details zu gehen, ist die Frage, was ALLES davon betroffen wird.

Wo hört man dann auf?

Wann ist es GENUG DETAIL?

Savage Worlds beantwortet das ganz einfach: Solange es noch FFF ist, hat man kein Problem. - Wenn man also 20 verschiedene Geschoßtypen für Schiffskanonen unterscheiden mag, von denen eigentlich im Spiel vielleicht drei oder vier wirklich unterscheidbare Effekte haben werden, dann ist das nicht mehr FFF. So erklärt sich der Detailgrad bei 50F.

Gerade das Schiffskanonen-Beispiel zeigt ja, daß man, wenn man schon anfängt SEHR DETAILLIERT die unterschiedlichen Geschütze, Geschosse, Montierungen an Bord zu betrachten, daß man dann NICHT bei dieser Betrachtung AUFHÖREN DARF! Man MUSS dann nämlich tatsächlich auch unterschiedliche Bauarten von Rümpfen DERSELBEN Klasse von Schiffen beachten, da manche gegen Beschuß mit bestimmter Munition außerordentlich resistent sind, dagegen gegen andere Formen der Schädigung Schwachpunkte aufweisen.

Und dann darf man gleich ein HOCHDETAILLIERTES Kampfsystem mit detaillierter Trefferpositionierung einführen, da es weit mehr Unterschied macht, WO GENAU ein Treffer mit einem 8-Pfünder sitzt, als ob der Treffer nun mit einem 6-Pfünder, 8-Pfünder oder 12-Pfünder erzielt wurde.

Das betrifft aber dann schon ganz grundlegende Regelmechanismen: DAS GESAMTE KAMPFSYSTEM (da nämlich Fahrzeuge analog wie Lebewesen im Kampfsystem behandelt werden (Toughness, Armor, "Wunden")). Somit fängt man bei ZUVIEL Details an die KERNMECHANISMEN des Regelwerks zu ändern.

Und hier kommt ein Entwurfsprinzip auf das Savage Worlds ausgelegt ist: "Add, don't change!" - Also soll man neue Aspekte eines Settings HINZUFÜGEN, aber NICHT das Kernsystem ändern.

Mehr Details bei Ausrüstungen machen nur Sinn, wenn sie auch BENUTZT werden, wenn sie auch regeltechnische AUSWIRKUNGEN haben.

Regeltechnische Auswirkungen von MEHR DETAILS können aber nur dann FFF sein und die Kernmechaniken unangetastet lassen, wenn sie den "Gültigkeitsbereich" der Detailebene, auf der Savage Worlds Gear funktioniert, nicht verlassen. - Also wird eine Nahkampfwaffe, die sich nicht in das Schema STR+1/+2/+3/+4/... passen läßt, entweder ein UNIKAT (z.B. eine magische Waffe) sein, oder sie verläßt den Bereich, in welchem die Regelbalance noch greift und ist somit jenseits des FFF-Gültigkeitsbereichs.

Klar kann es hier settingspezifische Regeln geben, die manches ändern. Die "The Way of the Brave"-Schadensregelung in DL:R ändert den Nahkampfschaden drastisch, um die Nahkämpfer nicht gegen die dort allgegenwärtigen Gunslinger zu sehr abstinken zu lassen. Eine bewußte Verschiebung der Balance.

Für mich ist das beste Beispiel, wie UNTERSCHIEDLICH die Detailgrade eines Savage Settings gegenüber einem Setting mit dediziertem Regelsystem sein können, DEADLANDS. - Wenn ich DL:Classic spiele, dann WILL ich die endlosen Listen mit haarspaltenden Unterschieden bei den unterschiedlichen Knarren, dann will ich die kleinen Kaliberdifferenzen, Reichweitenunterschiede, etc. im Spiel haben. - Wenn ich DL:R spiele, dann machen eh fast alle Revolver DENSELBEN Schaden und die genaue Ausprägung, d.h. genau welches Modell, welche Version, ist nur noch für die Optik interessant.

Savage Worlds geht nicht so weit wie das cinematic Unisystem mit "Gun", "Big Gun", "Big Ass Gun", sondern hat demgegenüber schon noch mehr Details. Aber eben weniger als z.B. in DL:Classic und anderen Rollenspielen, die für dieses MEHR an Details auch den PREIS in der Spielgeschwindigkeit und - vor allem - in der LEICHTIGKEIT des Spielens zahlen.

Manche Settings VERMEIDEN sogar BEWUSST zuviele unwesentliche Details. Necropolis definiert alle Clips für die Flechette-Waffen der Kirche als austauschbar. Daher muß man sich darüber im Spiel keine Gedanken machen (außer man will Corporate Waffen verwenden, an deren Munition Kirchentruppen nicht so einfach herankommen werden). - Das ist Absicht. Für die Art taktischer Herausforderung in den Missionen von Necropolis will man die Spieler nicht auch noch mit langweiligem Mikromanagement unterschiedlicher Magazine, unterschiedlicher Kaliber etc. belasten (sie haben eh schon eine Fülle an unterschiedlichen Waffensystemen dabei bzw. zur Auswahl, so daß man auf solche Haarspaltereien zugunsten von mehr *WUMM!* im eigentlichen Spielen verzichtet hat).

Savage Settings "zoomen" in den wichtigen Bereichen durchaus auf größere Detailtiefe heran. - Aber was heißt hier "größer"?

Die Chase-Regeln sind grobgranular. Die Chase-Regeln in 50F oder PotSM enthalten ZUSÄTZLICHE Manöver und ein paar ALTERNATIVE AUSLEGUNGEN von den Grundregelwerks-Manövern, weil solche Schiffs-Verfolgungen in diesen Settings WICHTIG sind. - ABER: der GRUNDMECHANISMUS der Chase-Regeln wird an keiner Stelle geändert (Add, don't change.).

@Skar: Erläutere doch bitte einmal, was DU unter dem "Zoomen" auf "große Details" verstehst. Was heißt "groß" für DICH?

Solange die Kernmechanismen unangetastet bleiben, kannst Du Deine Ausrüstungslisten beliebig verlängern. Das Problem ist nur, daß Du dann haufenweise Waffen auflisten wirst, die ALLE DIESELBEN SPIELWERTE haben werden (siehe DL:R). Somit ist dieses Auflisten eigentlich Setting-FLUFF, weil es in puncto Crunch keinerlei "Gewinn" darstellt.

Z.B. Schiffskanonen mit Grape-Shot und Chain-Shot machen bei 50F für einen 8-Pfünder beide je 2d6 Schaden, für einen 4-Pfünder 2d6-1, für einen 16-Pfünder 2d6+1. Das ist die Detailtiefe, auf der man weitere Auflistungen erstellen kann, ohne die Kernmechanismen anzukratzen. - Nur: Was für einen spielerischen Vorteil bringt es, wenn man einen 2-Pfünder mit Grape-Shot für 2d6-2, einen 4-Pfünder mit 2d6-1, 6/8/10/12/14-Pfünder mit 2d6, und 16-Pfünder mit 2d6+1 listet? Wie man aus der "mittleren" Intervallbreite schon sieht, ist das der Bereich, in welchem sich eine FÜLLE an unterschiedlichen Geschütztypen tummelt, die allesamt DIESELBEN Spielwerte in Savage Worlds Regeln aufweisen.

Wozu hier also überhaupt die Arbeit machen?
 
AW: Detailgrad von Savage Worlds

Regelmechaniken will ich keinesfalls verändern, sondern im Bereich der Waffen eine größere Bandbreite schaffen. Also keine Schiffstrefferzonen, partielle Rüstung oder größere Damageschablonen, sondern eigene Reichweiten und Schaden für verschiedene Waffen.

Zornhau schrieb:
@Skar: Erläutere doch bitte einmal, was DU unter dem "Zoomen" auf "große Details" verstehst. Was heißt "groß" für DICH?

Z.B. Schiffskanonen mit Grape-Shot und Chain-Shot machen bei 50F für einen 8-Pfünder beide je 2d6 Schaden, für einen 4-Pfünder 2d6-1, für einen 16-Pfünder 2d6+1. Das ist die Detailtiefe, auf der man weitere Auflistungen erstellen kann, ohne die Kernmechanismen anzukratzen. - Nur: Was für einen spielerischen Vorteil bringt es, wenn man einen 2-Pfünder mit Grape-Shot für 2d6-2, einen 4-Pfünder mit 2d6-1, 6/8/10/12/14-Pfünder mit 2d6, und 16-Pfünder mit 2d6+1 listet? Wie man aus der "mittleren" Intervallbreite schon sieht, ist das der Bereich, in welchem sich eine FÜLLE an unterschiedlichen Geschütztypen tummelt, die allesamt DIESELBEN Spielwerte in Savage Worlds Regeln aufweisen.

Ich komme absolut damit klar in meinem Setting nur <4Pfünder-, 8-16 Pfünder- und >20-Pfünder-Kanonen zu unterscheiden. Aber diese Unterscheidung brauche ich, weil ich weiß, wie meine Gruppe zu spielen liebt und weil ich selbst auch die Elemente der Schiffsausrüstung in unserem Piratensetting sehr mag.
Daher reichen mir 3-4 Schadenskategorien bei den Kanonen und evtl. noch Reichweiteanpassungen. Schwieriger ist dann schon die Bewertung von Spezialmunition wie Schrot, Brandsatz und Chainshots.

Und wenn zum Beispiel in einem Kaperszenario Krähenfüße gegen die feindliche (barfüßige) Schiffsbesatzung von meinen Spieler eingesetzt werden will, dann will ich auch für solche Zwecke irgendwas bereitstellen können. Dafür brauche ich zwar keine niedergeschriebenen Werte/Regeln, sondern da tuts auch einfach ein Abzug von 2 auf gegnerische Proben, aber da geh ich schon mal gerne auf Details ein. Schließlich sind diese Details authentisch und bereichern mein Setting.
 
AW: Detailgrad von Savage Worlds

Ich komme absolut damit klar in meinem Setting nur <4Pfünder-, 8-16 Pfünder- und >20-Pfünder-Kanonen zu unterscheiden.
Siehe 50F und 50F Companion bzw. siehe PotSM.

Daher reichen mir 3-4 Schadenskategorien bei den Kanonen und evtl. noch Reichweiteanpassungen. Schwieriger ist dann schon die Bewertung von Spezialmunition wie Schrot, Brandsatz und Chainshots.
Siehe 50F, PotSM - dort sind Angaben für Grape-Shot, Fire-Shot, Chain-Shot, etc. vorhanden. Das sind normale settingspezifische Anpassungen, die aber allesamt bei grober Detailstufe bleiben (nicht zu vergleichen mit z.B. der Detailstufe bei Deadlands).

Schließlich sind diese Details authentisch und bereichern mein Setting.
Du weißt schon, daß bei PULP-Rollenspielen auf "Authentizität" geschissen ist?

Klar "bereichern" mehr Details das Setting. Aber bereichern sie auch das Spiel?

Wie authentisch ist "Der Rote Korsar"? - Eben.

Und Savage Worlds ist ein Rollenspiel für cinematische Action, nicht für "historisch-akkurates, authentisches Re-Enactment".
 
AW: Detailgrad von Savage Worlds

Du weißt schon, daß bei PULP-Rollenspielen auf "Authentizität" geschissen ist?

Klar "bereichern" mehr Details das Setting. Aber bereichern sie auch das Spiel?

Wie authentisch ist "Der Rote Korsar"? - Eben.

Und Savage Worlds ist ein Rollenspiel für cinematische Action, nicht für "historisch-akkurates, authentisches Re-Enactment".
Vollkommen klar. Ich hatte das nur dabei geschrieben, damit mir keiner mit feuchten Powergamerträumen (tm) gegenargumentiert und wollte damit die Settingstimmigkeit und Settingbereicherung von Detailelementen unterstreichen.
 
Zurück
Oben Unten