Rezension Angel - Grundregelwerk

Silvermane

Wahnsinniger
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Angel


Grundregelwerk


Schwungvoll packe ich den Blutsauger an seinem Hals und donnere ihn kraftvoll durch die Rigips-Wand. Er ist sichtlich überrascht, hat aber schon sein "Spiel-Gesicht" aufgesetzt. Auch gut. Es gehört mehr dazu, mich zu erschrecken.
Ich katapultiere mich vom Boden hoch und heize dem Vampir mit einem kräftigen Sprungtritt ein. Seinen müden Gegenangriff blocke ich souverän. Eine letzte Rechts-Links-Kombo und er beginnt zu taumeln.

"Ist einfach nicht dein Tag heute..." sage ich zu ihm, während meine Hand das Schwert aus der Scheide zieht "...warum bleibst du nicht einfach liegen?"

Er wirft mir einen verwunderten Blick zu; mein Hieb ist sauber und präzise. Dann schlägt sein Kopf dumpf auf dem Boden auf, während sein Körper zu Asche zerfällt. Das Skelett ist kurz sichtbar, zerfällt jedoch Sekundenbruchteile später. Ich stehe vor einem Haufen Staub.

Einer weniger.


***

(Oh, und ja, man kann auch Seifenopern damit spielen.)

Hallo Miteinander und herzlich willkommen bei einer unserer höchst unregelmässigen RPG-Rezensionen. Wie das Logo am oberen Ende bereits vermuten läßt geht es um Eden Studio's "Angel"-RPG, das, obgleich der Name für den Uneingeweihten darauf schliessen läßt, absolut nichts mit Engeln zu tun hat.
Mehr schon mit Dämonen.

Angel ist das Schwester-RPG zum Buffy-Rollenspiel; beide verwenden weitestgehend das gleiche System, und beide basieren auf einer mehr oder weniger erfolgreichen TV-Serie. Ich fange mit den Grundlagen an.

Physische Präsentation:
Das Regelwerk macht einen guten Eindruck; 260 Seiten, solides Hardcover, Hochglanzpapier, durchgehend 4-farbig. So muß das sein, so macht das Spass. Im Gegensatz zu diversen anderen Regelwerken finden sich kaum Zeichnungen, sondern qualitativ recht hochwertige Standbilder aus der Serie.

Inhalt:
Das Buch beginnt mit ein paar Grundlagen zum Rollenspiel und einer Zusammenfassung der Serie. Es folgt die Charaktererschaffung, einige Archetypen und die Hauptdarsteller der Serie, das Skillsystem, ein Kapitel über Kampf, eines über Magie, eines über den Aufbau einer Organisation und eines über die Opposition, also die "Bösen Monster".
Das Ganze endet mit einem recht nützlichen und umfangreichen Kapitel über den Aufbau einer "Serie" (das RPG orientiert sich sehr nah an einer Serienproduktion und verwendet auch etliche Ausdrücke aus dem Metier).
Der Schreibstil ist recht locker und macht etliche Popkulturreferenzen (z.B. die mit dem schiessenden Archäologen bei der beschreibung der Kampftechnik "Schwert herumwirbeln"). Alles in allem recht spassig und an einigen Stellen sogar ausgesprochen witzig. Das Angel-RPG nimmt sich selbst nicht zu ernst, und das heimst ihm bei mir Sympathiepunkte ein. Plus, ich mag Popkulturreferenzen.

Das System:
Angel benutzt cinematisches Unisystem, oder auch "Unisystem Light". Die Grundregeln sind so einfach das sie selbst ein trotteliger blonder Cheerleader beim ersten Durchlauf kapiert. Skill+Attribut+1W10. Wenn das Ergebnis höher als 9 ist, dann war es ein Erfolg. Wenn es erheblich höher als 9 war, gibt es mehrere Erfolge. Eine passende Tabelle ist auf jedem Charakterblatt abgedruckt.

Die Charaktererschaffung ist punktebasierend; je nach angestrebter Rolle innerhalb der Serie darf eine bestimmte Menge Punkte auf Attribute, Skills sowie Vor- und Nachteilen verbraten werden. Angel unterscheidet zwischen Champion, Investigator und Veteran.

Der Champion ist der prädestinierte Monsterkiller, ähnlich wie der Slayer in Buffy. Er hat mehr Attributs- und Skillpunkte als ein Investigator, aber weniger Dramapunkte. Dramapunkte sind Bonuspunkte, ähnlich der Willenskraft bei Vampire (aber ungleich mächtiger), mit denen man den Ausgang der Ereignisse in seinem Sinne beeinflussen kann.

Der Investigator ist das Bodenpersonal, derjenige der den Champion bei seinen Vorhaben unterstützt. Sei es durch Magie, Fähigkeiten, Nachforschungen oder einfach aufgrund der Tatsache, das der Champion ein gehörnter grüner Dämon ist, der Probleme hat sich eine Pizza zu holen ohne aufzufallen. Ein Investigator ist zwar schwächer als ein Champion, hat aber mehr Dramapunkte und kommt auch leichter an neue Dramapunkte heran.

Der Veteran schliesslich ist ein Oberbegriff für Charaktere zu einem späteren Zeitpunkt der Serie; Veteranen entsprechen Figuren, die die 3.-4. Staffel erreicht haben und/oder einfach "larger than life" sind. Ein gewisser schwarzer Halbvampir, der mit einem gehbehinderten Bastlercowboy zusammenarbeitet sind hier ein schönes Beispiel.

Es stehen eine Menge übernatürlicher Vor- und Nachteile zur Verfügung, die man als Teil des Charakterkonzepts kaufen kann. Immerhin sind ein großer Prozentsatz der Hauptfiguren geläuterte Vampire, Halbdämonen, Werwölfe, Geister und andere übernatürliche Wesenheiten. Das Schöne an diesem Spezialitätenbuffet ist, das es fast jeden Character aus den einschlägigen Filmen problemlos nachbilden kann. Ja, auch den Herren mit dem schwarzen Vogel und dem dicken Makeup oder den jungen Mann aus Schottland, der mit einem Schwert unter dem Mantel herumläuft.

Der Kampf

Früher oder später kommt es zum Kampf, und Angel bildet da keine Ausnahme. Abgesehen von diversen Mordinstrumenten aus allen Kategorien findet sich im Kampfkapitel auch eine Liste mit schönen, telegenen "Special Moves"; vom Enthauptungsschlag über den ins Herz geworfenen Pflock findet sich alles, was in Actionfilmen großen Spaß macht.
Auch der publikumswirksame Genickbruch (*KNACK* "IIIIIIH!") und der oft gesehene KO-Schlag finden sich hier.

Es gibt ein ziemlich geniales System für automatische Feuerwaffen, das sowohl Salvenfeuer als auch Vollautomatik und Deckungsfeuer(!) eine vernünftige Umsetzung verschafft.
Zwei Daumen nach oben von mir, das Kampfsystem ist schnell wie der Blitz und spassig wie ein Oben-Ohne-Ringkampf zwischen Buffy und Willow in einem Becken voller Schokopudding.

Achja, die Waffenfetischisten werden eventuell ein wenig enttäuscht sein; das Angel-RPG verwendet äh, generische Waffenbezeichnungen. So finden sich under dem Eintrag "Knives" mehrere Modelle, allerdings lautet die Kategorisierung "Pigsticker < Knife < Big Ass Knife". Ebenso wie bei Pistolen "Gun < Big Gun < Big Ass Gun".
Natürlich hindert einen niemand daran, das Ding als "Desert Eagle .50 Cor-Bon" zu bezeichnen, aber es hat die gleichen Werte wie jede andere "Big Ass Handgun" auch.
Die Liste ist zwar generisch, allerdings recht komplett. Aus unerfindlichen Gründen (es wurde wohl mal in der Show benutzt) findet sich auch ein Hunga-Munga in der Waffenliste. Gleich neben dem Taser. Alle Waffen richten einen festen Schadenwert an, der nur durch die Qualität des Angriffswurfes verändert wird. Das erspart Rechnerei und Würfelei.
Im Anhang des Kampfkapitels findet sich auch noch ein Abschnitt über Fahrzeuge und deren Benutzung.

Magie

Magie in Angel ist recht mächtig; es handelt sich um ein Freeform-System, ähnlich wie bei Mage oder Ars Magica. Effekt, Dauer und einige andere Faktoren beeinflussen den schwierigkeitsgrad, und im Normalfall wird noch etwas Vorbereitung und ein paar exotische Zutaten nötig, um den Zauber zu wirken.
Wenn Zauber schiefgehen, passieren spassige Dinge. Solche, die normalerweise eine komplette Episode damit ausfüllen, die Sauerei wieder zu beseitigen.

Organisationen

Ob nun Wolfram & Hart oder Angel Investigations, das Angel-RPG enthält ein einfaches System, um eine eigene Organisation zu gründen und/oder Mitglied einer bereits Bestehenden zu werden.
Ob nun eine Jugendgang aus der Lower East Side, die die Blutsauger von ihrem Turf haben will, oder eine multinationale Organisation, die mithilfe eines durchgeknallten Vampirs andere Vampire zur Strecke bringt (der dabei hell singt :vamp: ), das System fasst sie in konkrete Zahlen und definiert was sie kann und was sie nicht kann, respektive wie viel oder wenig die Spielercharaktere darin zu sagen haben.

Abschliessende Worte

Ich war angenehm überrascht. Das Angel-RPG ist keine kleinkarierte, sklavische Umsetzung einer Serie, sondern ein gut ausgearbeitetes modernes Okkultismus-RPG mit hohem Spassfaktor. Das System ist unaufdringlich und schnell (1W10!), aber flexibel genug um fast jeden modernen Horrorfilm zu verwursten.

Kaufen, Marsch Marsch!

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