Ananasi

Barak

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18. Juni 2004
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Ananasi




Geduld. Man nennt uns nicht umsonst die Geduldigen.



Als ich zum ersten Mal aus dem Eisack kroch wusste ich, dass ich anders war. Mein Körper wuchs schnell, ich ernährte mich von meinen Brüdern und Schwestern … und von meinem Hunger nach Tod. So, wie mein Körper wuchs, wuchs auch die Größe meiner Beute. Insekten, Vögel und Eidechsen, Hunde, Katzen und schließlich Hirsche und Bären.

Dann änderten sich die Dinge. Man fand mich und brachte mich vor die Ältesten und zeigte mir die Wunder Ananasas. Meine Begierden änderten sich und brachten mich in eine Situation, in der ich erkannte, was die Jagd und der Tod wirklich bedeuten.

Die Rolle eines Menschen – so widerlich sie auch erschien – war die perfekte Tarnung für meine Bedürfnisse. Doch als ich erst unter den Menschen wandelte, musste ich zunächst eine zweckmäßige Berufung finden, um meine Begierden zu erforschen.



Man berichtete mir von einer Stadt, genannt Konstantinopel, zu der ich reisen sollte, um die Kainiten zu beobachten und ihre Verhaltensweisen zu studieren. Und wenn ich genügend gelernt hatte, ihre Gesellschaft zu infiltrieren.

Und so begann meine Ausbildung und ich lernte viel über die Struktur und die Gebilde der Kainiten. Die Ausbildung war hart und meine Lehrer unnachgiebig. Sie lehrten mich was nötig war und es war nicht wenig. Trotz meiner Herkunft interessierten mich diese seltsamen Wesen und ich sog die Worte meiner Lehrmeister geradezu in mich auf, was sie sehr erfreute.

Als sie mir nichts mehr beibringen konnten brachten sie mich fort, an einen Ort, den ich nicht kannte. Es war die alte Ruine eines Schlosses, wie man mir erzählte, inmitten eines großen Waldes, und ich fühlte mich unwohl. Es fehlte Struktur. Die Netze waren durchlässig und alt an diesem Ort. Das Umbra so nah, doch trennte mich eine Schranke davon, es zu erreichen. Meine Angst unterdrückend fragte ich meine Begleiter (zwei Ananasi die mich hierher brachten) nach dem Grund für mein Gefühl. Sie erklärten mir, dass die Verbindung zur Geisterwelt für die Ananasi in der Natur schwächer würde. Und nur dort, wo das Netz der Weberin dicht geflochten war, konnten die Dâmhan problem- und gefahrlos die Grenze in die Geisterwelt überschreiten. Man führte mich zu dieser Ruine und mittlerweile war es Nacht geworden. Meine Begleiter umringten mich (schützend?) und wir gingen zusammen vorsichtig die alten, ausgetretenen Stufen der Ruine hinab, bis wir uns in einer unterirdischen Halle wiederfanden, in der man nur unsere Schritte vernehmen konnte. Verwirrt blickte ich um mich, versuchte herauszufinden, was der Grund dafür sein könnte, dass man mich hierher gebracht hatte. Sorgfältig durchblätterte ich meine Gedanken, auf der Suche nach einem Fehler der meinen Tod rechtfertigen würde, doch ich wurde nicht fündig. Ich blickte auf und sah, wie meine Dâmhan in den Hintergrund traten, mich aber weiter sorgfältig beobachteten. Einer nickte mir auffordernd zu und zögernd ging ich mehrere Schritte vorwärts in die kaum von Fackellicht erhellten Gewölbe. Aufmerksam sah ich mich um, notierte gedanklich jedwede Säule, jedwede Unebenheit, bemerkte jegliches Ungleichgewicht im Bau und der Struktur des Gebäudes. Dann sah ich ihn, und ich wusste warum man mich an diesen Ort gebracht hatte.



Vor mir stand ein etwa ein 6 Fuß großer Mann in edle Stoffe gehüllt. Sein Gesicht war kantig, und seine Wangen glattrasiert. Stahlblaue Augen funkelten mich hinter seinen langen, braunen Haaren an. Ein stattlicher Hüne, der gewiss schon den einen oder anderen Kampf ausgefochten hatte. Und in diesem Moment wusste ich es. Meine Lehrmeister konnten mir nichts mehr über die Kainiten beibringen und wer, wenn nicht ein Kainit selber, könnte einem willigen Schüler mehr über die Vampire beibringen. Interessiert musterte ich den Hünen von unten nach oben. Er deutete in Richtung eines Tisches, auf dem eine kleine Kerze ihren flackernden Dienst verrichtete. Ich folgte, meine Vorfreude mühsam verbergend, und setzte mich zu ihm.

Dann begann er zu sprechen



Sein Name war Darius und er hatte viel zu erzählen. Seine Geschichte begann mit Kain, der seinen Bruder Abel erschlug und dafür von Gott ins Land Nod verbannt wurde. Er avisierte von den Flüchen und wie die Kainiten trotz allem Erlösung finden können (Goldconda). Seine Geschichte fuhr fort und er berichtete von der ersten Stadt und der Sintflut, die sie zerstörte. Ebenso trug er vor, wie sich die Tremere nahmen, was ihnen nicht zustand und einen der Alten vernichteten. So verging Nacht um Nacht und ich erfuhr mehr und mehr von den Verdammten, bis ich mich selbst daran erinnern musste, dass ich nicht zu ihnen gehörte, sondern ein Dâmhan war, ein Ananasi. Ich geriet immer mehr in den Sog seiner Geschichten, dass mich schlussendlich meine Begleiter daran erinnern mussten, was ich wirklich war. Man bestrafte mich nicht, warnte mich aber eindringlich nicht zu vergessen, was ich bin und wem ich folgen muss.

Ein Jahr lehrten mich die Dâmhan zu verstehen, was es heißt, Vampir zu sein und auf welche Gefahren ich achten solle. Ein weiteres Jahr verbrachte ich in der Ausbildung von Meister Darius, von dem ich viel erfuhr, wenn auch nicht, warum er mich unterrichtete.

Ein einziges Mal stellte ich meinen Ausbildern diese Frage, doch erhielt ich darauf keine Antwort. Daraufhin ließ ich es, diese Frage zu stellen, denn Ananasa lehrt es, Gehorsam zu sein..





Meine Ausbildung war abgeschlossen und in vielerlei Hinsicht ähnelte ich nun mehr einem Vampir, als einer Ananasi. Meine Gewohnheiten änderten sich. Nach einem Jahr in Dunkelheit zog ich es vor, des Nachts zu jagen und das Sonnenlicht zu meiden. Meine Lehrmeister waren Stolz, dachten sie doch, den perfekten Infiltrator geschaffen zu haben. Und in vielerlei Hinsicht hatten sie dies auch vollbracht.



Nun war es an der Zeit nach Konstantinopel aufzubrechen und meinen Auftrag zu beginnen.

Meine arachnoiden Lehrmeister hatten vorgesorgt. Auf meiner Reise nach Konstantinopel erhielt ich von einem Dâmhan, der mich bis Wien begleitete, ein gesiegeltes Schriftstück. Dazu erklärte er mir, dass es sich um einen Adelsbrief handele, der mich als eine gewisse Kathleen of Wordsworth-Lanham auswies. Des Weiteren erhielt ich ein Dokument:

" Sehr geehrter Bischof Rafaelo di Marvese. Ich, Darius of Woodsworth-Lanham, Prinz der Domäne Woodsworth und Ahn des Clans Ventrue in Englands, erbitte von Euch das Aufenthaltsrecht meines Kindes in Konstantinopel. Nachdem ich hörte, was dort in den letzten Jahren geschehen ist, drang mich die Neugier, mehr zu erfahren. Doch leider halten mich unaufschiebbare Geschäfte in England, und so entsende ich euch mein Kind. Auf dass es mein Auge und Ohr sei, um mir Bericht zu erstatten. Sobald ich meine Geschäfte abgeschlossen habe, werde ich Euch persönlich meine Aufwartung machen, und die eigenen Augen über das herrliche Konstantinopel schweifen lassen. In ergebensten Gruß Darius of Woodsworth-Lanham, Prinz von Woodworth und Ahn des Clans Ventrue."


Zunächst verlief alles wie geplant. Ich kam des Nachts an und versuchte den Prinzen (so nennen die Kainiten die Regenten über ihre Städte. Er hat das Recht über Leben und Tod der Kainiten zu entscheiden, und ist in den meisten Fällen ein äußerst mächtiger Kainit) ausfindig zu machen. Dies gelang mir, indem ich die Gabe „Geruch der wahren Gestalt“ anwand (diese Gabe habe ich von einem gefangenen Knochenbeißer erlernt der versucht hatte, in die Ruine einzudringen). Ich fand einen Kainiten, der bereit war, mich für einen kleinen Obolus zum Prinzen der Stadt zu bringen. Da mich Darius (ein Nosferatu, wie er mir später eröffnete) gut in den Etiketten der Kainiten unterrichtet hatte, stellte dies zunächst keine Schwierigkeit dar. Dem Prinzen stellte ich mich als Ventrue vor und erbat das Bleiberecht in der Stadt, welches er auch gewährte.



Dann geschah etwas, was ich nicht erwartet hatte. Eine Toreador gab einen Ball und alle Kainiten waren geladen. Auch ich besuchte diesen Ball in der Hoffnung, durch Konversation mit den anderen Kainiten meine Kenntnisse zu erweitern und vielleicht die eine oder andere Information über die anwesenden Personen zu erhalten. Doch es kam anders. Man erkannte mich. Ich weiß selbst heute noch nicht, wie dies geschehen konnte, aber einer meiner Gesprächspartner zögerte plötzlich und entfernte sich mit einer Entschuldigung auf den Lippen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich schon etwas, doch konnte ich nichts unternehmen. Einige Zeit später nach dem Ball kehrte ich zum Übertagen in meine Zuflucht zurück. Doch während des Tages wachte ich auf, weil ich leise Stimmen flüstern hörte. Ich schickte eine Drohne aus, um festzustellen um wen es sich handele. Die kleine Spinne huschte über den Fußboden Richtung Türe und schlüpfte den schmalen Spalt hindurch. Männer hatten den einzigen Ausgang verriegelt und waren soeben dabei, ein Feuer zu legen. Geduldig wartete ich ab, bis sie die Flammen gelegt und sich entfernt hatten. Schnell öffnete ich einen versteckten Zugang zu der Kanalisation Konstantinopels. Ich zerfiel in Myriaden von Spinnen und machte mich auf den Weg. Meine Sylie war verloren. Meine Aufgabe gescheitert. So suchte ich mir unter der Stadt eine neue Zuflucht. Eine gute Entscheidung wie sich einige Zeit später herausstellte. Die Stadt ging unter. Ein Flammenmeer und eine Armee aus Kreuzfahrern besiegelten ihr Schicksal. Doch hatte dies auch sein Gutes. Der alte Prinz war fort, alle die mich erkannt hatten vernichtet oder in Starre. Dies bedeutete einen Neuanfang, eine erneute Möglichkeit, mich unter die Kainiten zu mischen. Zwei Jahre wartete ich auf den richtigen Zeitpunkt. Nun ist es soweit.



Dies ist das Jahr 1206 und ich werde mich erneut daran versuchen, die Gesellschaft der Kainiten zu erforschen.

 
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