[07.05.2008] Zwischen Trieben und Gewissen

Pokerface

Mondkind
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21. Januar 2010
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Es war nur eine Straße, nur ein Wohnblock in einer Gegend die unauffällig war. Im Vorbeigehen würde man die Häuser wohl als ganz nett bezeichnen, das wars dann aber auch schon, aber es war ausreichend. Die Wohnungen in diesem Haus waren im besten Fall von mittlerer Größe, Familien sah man überhaupt nicht, aber auch die Singles und frischen Paare der Stadt brauchten manchmal eine günstige Unterkunft. So wie Francesco Donati.

Im Grunde hatte er keine wirklich großen Sorgen, das Leben ging eben so seinen Weg und machte ihm keine Probleme, dazu war diese Wohnung gerade das richtige für ihn. Wobei es wahrscheinlich eine Frage der Perspektive ist. Als er vor zwei Jahren angefangen hatte sich in einer Bar ein wenig Geld nebenher fürs Studium zu verdienen war soweit noch alles gut, er gehörte zur Masse der Maschinenbaustudenten an der technischen Fakultät in Finstertal und kam gut voran, dazu brachte der kleine Job noch ausreichend Geld nebenher ran. Zumindest bis das Studium anfing ihn zu überfordern. Vielleicht hätte er an diesem Punkt die Reißleine ziehe und sich nur noch auf das Studium konzentrieren sollen, aber er konnte nicht, zu sehr war er es gewohnt das alles so gut weiterging. Lernen, bei der Arbeit immer mal wieder ein paar Nette Damen kennen lernen, genügend Geld haben um den Kopf über Wasser zu halten, es hielt sich alles in einem gewissen Gleichgewicht mit dem er leben konnte, aber als der Stoff an der Uni ihm zuviel wurde brach sein Kartenhaus zusammen, er lebte die Hoffnung das er irgendwann ein Studium fortsetzen würde und verbrachte die Zeit bis dahin in der Bar.

Als er an diesem Abend schon recht früh nach Hause kam hatte er nichts wichtiges mehr vor, ein paar Infoblätter von Universitäten wollte er durchblättern aber das war es auch schon. Sein Bett war verlockend, der Schlaf würde tief werden und die Nummer die diese nette Blondine ihm aufgeschrieben hatte lag auf dem Küchentisch. Die Situation hätte für ihn schlimmer sein können, er blieb zwar an diesem Job hängen aber man konnte auch nicht direkt von einem großen Absturz reden. Wenn, dann eher von weggeworfenem Potential. So kam er zwar nicht zu einem Abschluss und zu einem Beruf in dem er viel Geld verdienen konnte aber er konnte von sich behaupten das er Spaß an seiner Arbeit hatte. Hätte er den Besuch erahnen können den er diese Nacht noch haben sollte wäre sein Schlaf sicher bei weitem nicht so gut gewesen.
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Er hatte noch immer die Bilder der Hinrichtung vor Augen, die gleiche Szene , immer und immer wieder. Die Stärke und die Gewissenslosigkeit die Malik dabei ausstrahlten hielten ihn immer noch gefangen.

Das kann ich nicht zulassen, das kann ich einfach nicht.

Er musste gleichziehen, auf irgendeine Weise. Der Taxifahrer der ihn nach seinem kurzen Hotelbesuch in Finstertal abgeliefert hatte konnte sein wirkliches Gesicht nicht sehen, dafür sah er nur einen alten Mann der im gleichen Moment wahrscheinlich noch irgendwo in Burg unterwegs war und sich dort durch dieses Wetter kämpfte. Und der Taxifahrer konnte nicht ahnen was König in seiner Tasche hatte. Die moderne Zeit war ein Fluch und ein Segen, das knacken von einfachen Schlössern war selten einfacher zu erlernen dank dem Internet. Das öffnen der Schlösser war schon ein eigener Sport geworden und man konnte so ziemlich alle Werkzeuge problemlos bestellen an die König denken konnte, so wie die die er gerade in der Tasche hatte. Er war nervös, er konnte das Tier in ihm deutlich spüren wie es danach verlangte einen Beweis der Stärke zu sehen. Nur ein Teil in ihm versuchte sich dagegen zur Wehr zu setzen, nur richtig funktionieren wollte es nicht, wie in Trance bewegten sich seine Beine weiter bis er ein Haus fand das ihm passte. Kleine Kompaktwägen vor der Tür, nichts das auch nur im Ansatz auf Familien deutete sowie überall nur einfache Namen an den Türklingeln. Das Objekt war Ideal.

Dann mal los.

Sein Blut würde ihm bei der folgenden Aufgabe helfen, er kannte sich mit seinen Werkzeugen noch nicht gut genug aus um auf natürlichem Wege hier Erfolg zu haben, zumindest auf diesem Wege aber kam er seinem Ziel näher. Er betrat das Haus.

Jetzt nicht weichwerden, weiter

Er ging den Flur entlang bis zur Treppe, direkt hier unten wollte er noch nicht aktiv werden. Vereinzelt hörte er noch Geräusche an den Türen, vom Fernseher, von einem Radio, ansonsten herrschte nur Stille. Es war deutlich nach Mitternacht, da war nunmal auch nicht mehr mit viel Geräuschen zu rechnen. Den Namen an den Türen nach war dieses Haus sehr gemischt gefüllt, die Namenschilder klangen bereits nach mindestens drei Nationalitäten. Die Treppe brachte ihn bis in den ersten Stock, bis zu einer Tür an der er stehen blieb. Es brachte nichts mehr weiterzusuchen. Seine Hände griffen wieder in die Tasche und holten seine Werkzeuge heraus.

Wie kann das nur gutgehen

Irgendwo realisierte er das er dabei war etwas sehr falsches zu machen, aber er konnte einfach nicht anders. Dieses Schloss war sogar überraschend schnell geöffnet, die Tür war einfach zugezogen und der Bewohner hatte nicht einmal daran gedacht den Schlüssel auch nur einmal rumzudrehen oder ihn gleich im Schloss zu lassen.

Francesco Donati

Bevor er die Wohnung betrat warf er noch einen kurzen Blick auf das Namenschild, die Straßenlaterne die ihr Licht hereinwarf war dafür ausreichend.

Als er in der Wohnung stand schloss er leise die Tür hinter sich und blieb still stehen. Kein Ton war am Anfang zu hören. Schritt für Schritt fing er an durch die Wohnung zu schleichen. Ein kleiner Flur, Schrank, Fenster und zwei Türen. Langsam öffnete er die erste Tür und wartete vorsichtig während er hineinsah.

Licht wird durch die Jalousien reflektiert, Spiegel, Kacheln, müsste ein Badezimmer sein.

Der Verdacht bestätigte sich schon bald, so blieb nur noch eine Tür übrig. Ruhig wie ein Eisberg drückte er die verbliebene Türklinke nach unten, sanft und vorsichtig um kein Geräusch zu erzeugen.

Was zur Hölle machst du da eigentlich?!

Aber in dem Moment in dem er ein vertrautes Geräusch hörte trugen ihn seine Füße wieder in den Raum ohne das er sich dagegen wehren konnte. Das Geräusch eines schlafenden Menschen. Und er war in einem tiefen Schlaf in dem man das halbe Gebäude hätte sprengen können. Auch hier drang noch leichtes Straßenlaternenlicht durch die Jalousien, gerade genug das König sich orientieren konnte.

Leuchtender Radiowecker, spiegelnder Tisch, Küchennische.

Schnell war der Raum überblickt und so stand der Malkavianer auch schon neben Francesco. Er kniete neben dem Bett nieder und hörte dem Menschen beim atmen zu. So war er selbst auch einmal. Sterblich, mit Wünschen und Träumen, atmend. Auf leisen Sohlen brachten ihn seine Füße zur Küchennische, ein Messer schien ihn dabei direkt anzuspiegeln.

Es muss sein

Das Küchenmesser lag leicht in seiner Hand, er umgriff es mit beiden Händen als er wieder neben dem Bett stand.

Los

Er hob das Messer nach oben, er würde damit kräftig zustoßen können. Wie eine Ermahnung es nicht zu tun hörte er ein Donnern das den kräftigen Wind auf der anderen Seite des Fensters begleitete. Vorsichtig atmete König ein, hob das Messer…und drehte sich zur Seite.

Warum kannst du das nicht?

Es musste sein, so setzte König erneut an, aber diesmal schaffte er es nichteinmal das Messer zu heben. In seinem Gesicht fand keine Regung statt, aber die Hände schienen zu zittern. So sehr er versuchte sich auf das Messer zu stützen um es nach unten zu bewegen, er konnte es nicht. Seine Augen starrten nach unten zu dem Mann der hier lag. Alles schien König in diesem Moment unter Druck zu setzen, der Donner, der Wind, das einfallende Licht, aber es half nichts. Er konnte es nicht. Er konnte in diesem Moment nicht zeigen das er der Starke war. Aber warum nicht? Im Krieg zu töten war ihm doch damals möglich gewesen, er konnte schießen, mit dem Gewehr auf einen Feind, er konnte mit dem Bajonett zustoßen aber warum in aller Welt konnte er es in diesem Moment nicht? Er war wütend auf sich selbst und auf die Welt, er wollte diese Schwäche nicht zulassen aber er musste es. Warum nur hatte er sich diese Hinrichtung nur ansehen müssen?!

Das kann so nicht sein

Ungläubig sah er auf seine zitternden Hände und bemerkte noch nicht einmal wie er sich Schritt für Schritt nach hinten bewegte, erst als er gegen den Tisch trat bemerkte er seinen Fehler.

Während Francesco aufwachte hörte er rennende Schritte und den Klang von Metall das auf den Boden fiel. Große Angst machte sich in ihm breit während er nach dem Lichtschalter tastete. Er sah die offenen Türen und hörte den Lärm im Treppenhaus, größere Angst hatte er in seiner Wohnung noch nicht erlebt. Er griff nach dem Messer das auf dem Boden lag und ging zur Tür, so nervös wie er war hätte er allerdings nicht einmal nach einem Elefanten stechen können. Er schloss die Tür wieder ab und sank zu Boden während er sich an die Wand lehnte. Und diesmal schloss er die Tür richtig ab.

König dagegen rannte, er rannte die Stufen herab und mitten auf die Eingangstür zu, riss dieser auf und sprang in den Regen. Die eine Stufe an der Haustür übersah er und stürzte, doch dies störte ihn nicht, der Schmerz in seinem Knie auf dem er landete war unwichtig, er musste nur weiter weg und weiter rennen. Straße um Straße bog er ab und rannte durch den Regen bis er irgendwann in einer Gasse zwischen Müllcontainern ankam. Die Maske der tausend Gesichter brach hier zusammen, so wie auch er zusammenbrach und nun im Dreck lag. Jemand wie er zeigte normalerweise keine Emotionen, aber wenn der Kampf im Inneren stattfand brach unter der Fassade genügend zusammen. Er weinte nicht, er jammerte nicht, er blieb einfach liegen während er im Geiste so laut schrie wie man nur schreien konnte. Während er noch weiter hierlag gab es nur ein Wort das er immer und immer wieder wiederholte.

„Nein“

Irgendwann würde er sich gefangen haben, aber es würde noch einige Minuten dauern, der Rest des Menschen in ihm hatte gewonnen. Dieses Mal zumindest.
 
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